Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240890/13/Lg/MG

Linz, 15.04.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Ewald Langeder über die Berufung des Dr. J S, vertreten durch S, C & Partner, Rechtsanwälte GmbH, E, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Freistadt vom 08.03.2012, Zl. SanRB96-25-2011, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 28.02.2013 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis in allen Spruchpunkten aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm §§ 24, 45 Abs. 1 Z 2 und 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idgF.

zu II: § 65, § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Freistadt vom 08.03.2012, Zl. SanRB96-25-2011, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in Höhe von 1. Euro 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 76 Stunden); 2. Euro 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 38 Stunden); 3. Euro 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 38 Stunden) wegen Verwaltungsübertretungen gem. § 12 Abs. 1 Z 1 KA-AZG verhängt (Verfahrenskosten: Euro 100,--; zu zahlender Gesamtbetrag: Euro 1100,--), weil er für folgende Übertretungen verantwortlich sei:

 

"Sie haben es als gemäß § 9 Absatz 2 VStG für die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes in der Abteilung für G und Geburtshilfe am L F bestellter verantwortlicher Beauftragter der OÖ. G S AG, H, L, zu verantworten, dass entgegen der Bestimmung des § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, wonach bei verlängerten Diensten die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten darf, die nachstehend angeführten Ärzte in den nachstehend angeführten Zeiträumen (Sonntag, 7:00 Uhr bis nachfolgenden Sonntag, 7:00 Uhr) im L F, K, F, bei verlängerten Diensten über die Grenze von 72 Stunden gemäß § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hinaus beschäftigt wurden:

 

Name:

Woche

(Sonntag, 7:00 – Sonntag, 7:00)

Stunden

1. Dr. S. V

17.7.2011 bis 24.7.2011

76,50

 

24.7.2011 bis 31.7.2011

87,50

 

28.8. 2011 bis 04.9.2011

103,50

3. Dr. K. J

21.8.2011 bis 28.8.2011

81,50

4. Dr. L. E

04.9.2011 bis 11.9.2011

86,00

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KA-AZG), Bundesgesetzblatt I Nr. 8/1997, in der Fassung BGBl. I Nr. 93/2010, in Verbindung mit § 12 Absatz 1 Ziffer 1 KA-AZG, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Absatz 2 VStG 1991"  

 

In der Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen – nach Wiedergabe des relevanten Sachverhalts und der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen – aus, dass zum Tatbestand der Bestimmungen des § 12 Abs. 1 Z 1 KA-AZG bzw. § 5 Abs. 1 VStG kein Merkmal gehöre, das auf den Eintritt eines Erfolges (Schaden oder Gefährdung) hinweise. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handle es sich daher um Ungehorsamsdelikte. Das Gesetz nehme für eine Strafbarkeit Rechtswidrigkeit und Verschulden an.

 

Die Strafbemessung erfolge nach den Grundsätzen des § 19 VStG, wobei das Ausmaß der Übertretungen berücksichtigt worden sei. Die Bestimmungen des KA-AZG würden unter anderem der Sicherheit und Gesundheit der Dienstnehmer/innen dienen, weshalb der Unrechtsgehalt, selbst bei Fehlen nachteiliger Folgen, nicht als gering angesehen werden könne.

Mildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten gewesen. Erschwerungsgründe seien keine vorgelegen.

Ein Schuldausschließungsgrund und sonstige Entlastungsgründe seien nicht gefunden worden. Zum Vorbringen des Berufungswerbers, dass er kaum Einfluss auf die Dienstpläne der Turnusärzte habe, sei festzuhalten, dass es unter anderem die Aufgabe eines Abteilungsleiters sei zu kontrollieren, dass seitens der Mitarbeiter die Vorgaben eingehalten würden.

 

Es seien daher von der Behörde in Anlehnung an die vom Arbeitsinspektorat Linz beantragten Strafhöhen entsprechende Strafhöhen festgelegt worden. Bei einer Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit von über 80 Stunden sei anstelle der Mindeststrafe von Euro 218,-- eine Strafe von Euro 250,-- herangezogen worden, und beim Arzt mit mehreren Überschreitungen eine Strafe, die die Überschreitungshöhe entsprechend berücksichtige.

 

Nach Abwägung aller Umstände sowie Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse – die Behörde sei diesbezüglich von einem monatlichen Nettoeinkommen von Euro 3.000,-- sowie keinen Sorgepflichten ausgegangen – seien der Behörde die festgelegten Strafbeträge als angemessen und ausreichend erschienen, eine entsprechende Präventionswirkung spürbar zu machen.

 

1.2. Bei einer Betriebsüberprüfung am 03.10.2011 wurden von der Arbeitsinspektorin DI F die verfahrensgegenständlichen Arbeitszeitüberschreitungen festgestellt. Mit Schreiben vom 15.11.2011 übermittelte das Arbeitsinspektorat Linz, Pillweinstraße 23, 4021 Linz, die Straf­anzeige gem. § 9 des Arbeitszeitgesetzes 1993 an die Bezirkshaupt­mannschaft Freistadt.

 

Mit Schreiben vom 02.12.2011 wurde der Berufungswerber von der belangten Behörde zur Rechtfertigung hinsichtlich der ihm auch im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten (sowie weiterer) Verwaltungsübertretungen aufgefordert:

 

"Sie haben es als gemäß § 9 Absatz 2 VStG für die Einhaltung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes im L F bestellter verantwortlicher Beauftragter der OÖ. G S AG, H, L, zu verantworten, dass entgegen der Bestimmung des § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz, wonach bei verlängerten Diensten die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten darf, die nachstehend angeführten Ärzte in den nachstehend angeführten Zeiträumen (Sonntag, 7:00 Uhr bis nachfolgenden Sonntag, 7:00 Uhr) im L F, K, F, bei verlängerten Diensten über die Grenze von 72 Stunden gemäß § 4 Absatz 4 Ziffer 4 Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hinaus beschäftigt wurden:

 

 

Name:

Woche

(Sonntag, 7:00 – Sonntag, 7:00)

Stunden

1. Dr. A. B

10.7.2011 bis 17.7.2011

77,50

2. Dr. K. H

21.8.2011 bis 28.8.2011

81,50

3. Dr. L. E

04.9.2011 bis 11.9.2011

86,00

4. Dr. D. G

29.5.2011 bis 05.6.2011

86,00

5. Dr. S. V

17.7.2011 bis 24.7.2011

76,50

 

24.7.2011 bis 31.7.2011

87,50

 

28.8. 2011 bis 04.9.2011

103,50

 

In der Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten vom 19.12.2011 gab der Berufungswerber im Wesentlichen Folgendes an:

 

"Es kam ausschließlich bei Turnusärzten zu Überschreitungen des AZG. Die Dienstpläne für die Turnusärzte werden von diesen selbst erstellt und in der Regel haben die Abteilungsleiter keinen Einfluss darauf. Die Kontrolle dieser Dienstpläne ist für die Abteilungsleiter sehr schwierig, da die Turnusärzte auf mehreren Abteilungen gleichzeitig Dienst machen können und ich auf der Geburtenstation nicht überprüfen kann, ob der Arzt nach Hause gegangen ist oder auf eine andere Abteilung. Der ärztliche Leiter teilt die Turnusärzte den einzelnen Abteilungen zu und daher hat er meines Erachtens nach auch die Verantwortung für den Dienstplan dieser Turnusärzte.

Für mich als Arzt hat die Patientenversorgung Vorrang vor einer Arbeitszeitüberschreitung.

Mangels genügender Ärzte muss es zwangsläufig immer wieder zu Überschreitungen kommen. Zur Zeit haben wir keine Turnusärzte für Nachtdienste auf der Abteilung. Zukünftig wird es einen Austausch mit den Fachärzten der L geben, da ich mit Jahresende in Pension gehe und meine Stelle nicht mehr nachbesetzt wird. Ich bin mir keiner Schuld bewusst und ersuche um Absehen von der Verhängung einer Strafe."

 

Mit Straferkenntnis vom 08.03.2012 entschied die belangte Behörde in der oben dargestellten Weise.

 

1.3. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 26.03.2012.

 

Darin bringt der Berufungswerber im Wesentlichen vor, dass das Straferkenntnis seinem gesamten Inhalt nach wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung und wegen Rechtswidrigkeit angefochten werde.

 

Zum Tatvorwurf im Einzelnen:

 

1.3.1. Dem bekämpften Straferkenntnis liege lediglich eine Anzeige durch das Arbeitsinspektorat vom 15.11.2011 wegen angeblicher Übertretungen des § 4 Abs. 4 Z 4 KA-AZG im L F bei 17 Ärzten zu Grunde. Die Ermittlungen der belangten Behörde hätten sich in der Folge auf die Bestellung als "verantwortliche Beauftragte" beschränkt. Der Berufungswerber sei aber weder einvernommen worden noch sei ihm die Möglichkeit einer Rechtfertigung bzw Stellungnahme zu den Tatvorwürfen eingeräumt worden.

 

1.3.2. Ungeachtet der an sich unstrittigen objektiven Tatbestandsmäßigkeit setze eine Bestrafung des Beschuldigten auch die subjektive Vorwerfbarkeit der inkriminierten Handlung voraus, wozu die Erstbehörde auch Feststellungen hätte treffen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH treffe einen gem. § 9 VStG verantwortlichen Beauftragten kein Verschulden, wenn Maßnahmen getroffen worden seien, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten ließen. Ein solches vom VwGH gefordertes wirksames Kontrollsystem liege dann vor, wenn sichergestellt sei, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen / Weisungen zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchie-Ebene gelangten und dort tatsächlich befolgt würden.

 

Bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hätte die Behörde festgestellt, dass die G S über ein taugliches internes Kontrollsystem (IKS) verfüge, das Arbeitszeitüberschreitungen von vorneherein verhindern solle. In den Krankenanstalten der G S würden die Dienstpläne der Ärzte von den Abteilungsleitern (= Primarii) elektronisch erstellt und automatisch auf mögliche Konflikte mit dem KA-AZG geprüft. Die Prüfung erfolge auf der Planungsebene unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeiten. Die Dienstpläne (SOLL-Arbeitszeiten bzw. geplante Arbeitszeiten) würden unter Berücksichtigung der bisherigen tatsächlichen IST-Arbeitszeiten jedes einzelnen Arztes EDV-mäßig bereits im Vorfeld im Hinblick auf die Übereinstimmung mit dem KA-AZG hinsichtlich Tagesarbeitszeit, Wochendurchschnitt, wöchentliche Arbeitszeit, Anzahl der verlängerten Dienste, Dauer der verlängerten Dienste, Zeiten sowie Vorgaben gemäß Mutterschutzgesetz überprüft und dokumentiert.

Um das korrekte Handling mit dem Dienstplansystem und das notwendige rechtliche Know-How der Verantwortlichen sicherzustellen, würden laufend von der G S Schulungen und Fragestunden für die Abteilungsleiter bzw. die ärztlichen Direktoren durchgeführt sowie würden ausführliche schriftliche Informationen bzw. Präsentationen zu den Themen des Arbeitszeitgesetzes erfolgen. Die Schulungsunterlagen würden in Papierform sofort und im Internet permanent zur Verfügung gestellt. Die verantwortlichen Beauftragten würden zudem laufend Dienstanweisungen zur Einhaltung des KA-AZG erteilen.

 

Das speziell für die G S entwickelte Kontrollsystem IKS sei unter objektiven Gesichtspunkten ein taugliches Kontrollsystem, welches die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften speziell unter Berücksichtigung der Bestimmungen des KA-AZG effizient sicherstelle. Die besonderen Bestimmungen des KA-AZG würden in mehrfacher Hinsicht sowohl vertikal als auch horizontal (vorbeugend und kontrollierend) berücksichtigt. Mit Ausnahme der Dienstplangestalter (= Abteilungsleiter = verantwortliche Beauftragte) der G S könnten keine Mitarbeiter eigenmächtige Dienstplangestaltungen vornehmen.

Das Kontrollsystem warne den Anwender eigenständig, wenn auf Basis der tatsächlichen Arbeitszeiten (IST-Arbeitszeiten) iVm dem jeweils aktuellen Dienstplan Verstöße gegen das KA-AZG durch Umplanungen und/oder Arbeitszeitverlängerungen / Betriebsvereinbarungen gemäß § 8 KA-AZG auftreten würden. Dennoch unvermeidbare Überschreitungen infolge unvorhersehbarer besonderer Umstände (medizinische Notfälle etc.) würden im Rahmen des IKS dokumentiert. Das IKS sie daher jedenfalls als taugliches Kontrollsystem im Sinne der strengen Rechtsprechung des VwGH zu qualifizieren.

 

Dem gesetzlichen Auftrag entsprechend, räume die G S der medizinischen Versorgung ihrer Patienten oberste Priorität ein. Die medizinische Betreuung der Patienten dürfe nicht unterbrochen werden, und es müsse eine erforderliche sofortige Betreuung rund um die Uhr gewährleistet sein. Dem trage auch das KA-AZG voll Rechnung, dessen (Arbeitszeit-)Beschränkungen in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen ("medizinische Notfällen") keine Anwendung fänden. Die oben ausgeführte Dokumentationspflicht im IKS bei etwaigen medizinisch notwendigen Arbeitszeitüberschreitungen gelte daher insbesondere auch bei Vorliegen der Voraussetzungen einer medizinischen Notlage und Unumgänglichkeit der Arbeitszeitüberschreitung durch organisatorische Umstrukturierungen.

 

1.3.3. Im L F seien im Sinne einer optimalen medizinischen Versorgung der Patienten 17,5 Turnusarzt-Planstellen vorgesehen (3 sogenannte Turnusärzte-Diensträder à 6 Turnusärzte). Auf Grund des angespannten Arbeitsmarktes würden mittels Dauerausschreibung laufend Turnusärzte gesucht und eingestellt. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (ab Mai 2011) seien trotz Dauerausschreibung einzelne Turnusarzt-Planstellen vakant gewesen (durch nicht vorhersehbare kurzfristige Abgänge), was durch entsprechende Umplanungen bei den Dienstplänen kompensiert werden habe können. Zusätzlich seien ausgebildete Fachärzte für Turnusarzt-Dienste eingeplant und eingesetzt worden, um im gewöhnlichen Betriebsablauf die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung im Rahmen der KA-AZG-Vorgaben zu gewährleisten.

 

Im Bereich der Abteilung G und G sei der Sommer 2011 zusätzlich zur Haupturlaubszeit auch geprägt gewesen vom Abgang mehrerer Turnusärzte.

Der Berufungswerber habe als Abteilungsleiter und verantwortlicher Beauftragter der Abteilung Unfallchirurgie alles Mögliche unternommen, um den Dienstplan kurzfristig arbeitszeit- und arbeitnehmerschutzkonform umzugestalten und gleichzeitig die medizinische Versorgung der Patienten und den Betrieb der Station aufrechterhalten zu können. Parallel dazu habe die ärztliche Leitung des L F erfolglos Gespräche mit dem Betriebsrat im Hinblick auf eine vom KA-AZG abweichende Arbeitszeit geführt, die am Widerstand des Betriebsrats gescheitert sei.

 

Aufgrund dieser besonderen Umstände außerhalb der Sphäre des Berufungswerbers könne diesem keinesfalls ein relevantes Verschulden angelastet werden, so dass die für eine Bestrafung des Berufungswerbers notwendige subjektive Vorwerfbarkeit nicht vorliege. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der VwGH in ständiger Rechtsprechung betone, dass auch ein an sich taugliches Kontrollsystem in Einzelfällen versagen könne und dass selbst das gänzliche Fehlen eines an sich tauglichen Kontrollsystems nicht zu einer Strafbarkeit des Beschuldigten führen könne, wenn ein solches Kontrollsystem im konkreten Einzelfall jedenfalls versagt hätte. Trotz vorausschauender Dienst-/Personalplanung und IKS hätten die KA-AZG-Überschreitungen auf Grund der genannten Umstände bei Aufrechterhaltung des gesetzlichen Versorgungsauftrages nicht verhindert werden können.

 

Da eine Strafbarkeit iSd VStG neben dem objektiven Tatbestand auch ein subjektiv vorwerfbares Verhalten des Berufungswerbers voraussetze, scheide eine Bestrafung des Berufungswerbers mangels subjektiver Vorwerfbarkeit aus. Eine Erfolgshaftung sei dem Verwaltungsrecht fremd (VwGH 25.02.1999, 91/04/0273 ua). Ein für eine Bestrafung zwingend schuldhaftes Verhalten könne dem Berufungswerber nicht angelastet werden.

 

1.3.4. Selbst wenn die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis kommen sollte, dass subjektive Tatbestandsmäßigkeit anzunehmen sei, was ausdrücklich bestritten werde, wäre ein allfälliges Verschulden als geringfügig anzusehen. Da auch die Folgen einer allenfalls inkriminierten Übertretung im Verhältnis zur ansonsten gegebenen medizinischen Unterversorgung unbedeutend seien, würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG vorliegen. Nach dieser Bestimmung hätte der Beschuldigte bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf ein Absehen von der Strafe bzw von weiterer Verfolgung.

 

1.3.5. Vorsorglich werde für den Fall einer Bestrafung angeführt, dass sich die Behörde bei der Strafbemessung am gesetzlichen Strafrahmen und an den Strafmilderungs-/Erschwerungsgründen auf Grundlage der persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu orientieren habe. Zudem sei dem Berufungswerber die Unerlässlichkeit der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen bewusst und seien die oben dargelegten äußerst schwierigen Umstände, welche im L F vorgeherrscht hätten, jedenfalls mildernd zu berücksichtigen. Es bedürfe daher aus general- und spezialpräventiven Erwägungen keiner hohen Strafe, um den Berufungswerber hinkünftig von der Begehung gleichartiger Delikte abzuhalten.

 

Aus diesen Gründen stellt der Berufungswerber den Antrag, der Oö. Verwaltungssenat möge der Berufung Folge geben und

-      das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben und das Strafverfahren einstellen;

-      in eventu das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufheben und eine bescheidmäßige Ermahnung gem. § 21 VStG aussprechen;

-      in eventu das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abändern, dass die verhängte Geldstrafe unter Anwendung des nach unten geänderten Strafrahmens gem. § 20 VStG reduziert werde.

 

1.4. Mit Schreiben vom 02.04.2012 wurde die Berufung des Berufungswerbers dem Arbeitsinspektorat Linz zwecks Stellungnahme übermittelt.

In ihrer Stellungnahme vom 18.04.2012 führt das Arbeitsinspektorat Linz im Wesentlichen aus, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, im Betrieb einschließlich der auswärtigen Arbeitsstellen ein solches Kontroll- und Überwachungssystem aufzubauen und solche zumutbaren Maßnahmen zu treffen, welche die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften mit gutem Grund erwarten lassen würden. Dieses Kontrollsystem müsse insbesondere unabhängig von Dauer und Ort der Tätigkeit funktionieren.

Das dargestellte Kontrollsystem der G S (IKS) sei, wie der mangelnde Erfolg zeige, nicht tauglich – bzw. werde nicht tauglich verwendet –, die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften in Bezug auf die Arbeitszeit mit gutem Grund erwarten zu lassen. Es werde nämlich in vielen Fällen so verwendet, dass die bei der Planung erstellte Soll-Arbeitszeit bereits die absoluten Grenzen der gesetzlichen (inklusive der durch Betriebsvereinbarung zu ermöglichenden) zulässigen Höchstarbeitszeit erreicht, sodass jeder Eintritt eines durchaus nicht ungewöhnlichen Falles wie der Urlaub oder Krankenstand eines Kollegen bereits zum Versagen des Systems führe.

 

Stichprobenartige Kontrollen und die Erteilung von Weisungen oder die Ausübung einer "Oberaufsicht" würden jedenfalls nicht ausreichen, um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften in allen vorhersehbaren Fällen sicherzustellen. Weiters könne auch die Schaffung eines aus mehreren Instanzen (Führungsebenen) bestehenden Kontrollsystems, wobei der jeweils übergeordnete den unmittelbar untergeordneten Verantwortungsträger auf die Einhaltung der einschlägigen Vorschriften kontrolliere oder der Umstand, dass die Arbeit so eingeteilt oder vorbereitet worden sei, dass diese im Rahmen der Gesetze ausführbar gewesen wäre, noch nicht als Entlastungsbeweis für den Arbeitgeber iSd § 5 Abs. 2 VStG angesehen werden.

 

Der Widerstand des Betriebsrates, einer weiteren, über die bisherige Betriebsvereinbarung hinausreichenden Arbeitszeitausweitung zuzustimmen, könne jedenfalls keine Entlastung des Arbeitgebers bewirken. Das Kontrollsystem müsse innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen wirksam sein.

 

Um von einem "wirksamen Kontrollsystem" sprechen zu können, müsse der Arbeitgeber glaubhaft machen, dass er die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so gestalte und solche disziplinären Maßnahmen angedroht und durchgeführt habe, dass für die Arbeitnehmer kein Anreiz zur Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gegeben wäre.

Darüber hinaus habe der Arbeitgeber unabhängig von den vorgeschalteten Kontrollinstanzen als oberste Kontrollebene stets selbst die erteilten Weisungen auf ihre Befolgung zu überwachen.

Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft mache, dass ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften durch einen Arbeitnehmer trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems (entsprechendes Kontrollsystem und Gestaltung der erforderlichen Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden) ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt sei, könne ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden.

Derartige Maßnahmen habe der Berufungswerber weder behauptet noch glaubhaft gemacht, sodass keine Maßnahmen nachgewiesen worden seien, die unter den voraussehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen erwarten ließen. Dieser Sorgfaltsmangel sei dem Berufungswerber anzulasten.

 

2.1. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier weder eine primäre Freiheitsstrafe, noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmanns des Bezirks Freistadt zu GZ SanRB96-25-2011 und durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2013.

 

Der UVS geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

2.3. Aus dem Akt des Bezirkshauptmanns des Bezirks Freistadt zu GZ SanRB96-25-2011 sowie dem schriftlichen Parteienvorbringen ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

2.3.1. Der Berufungswerber war zum Tatzeitpunkt Primar (Abteilungsleiter) der Abteilung für G und G am L F.

 

Mit undatiertem, sowohl vom Bw als auch den Vorständen der G S unterzeichneten Schreiben "Beauftragung gem. § 9 VStG" schlossen die Oö. G S AG (G S) sowie der Berufungswerber eine Vereinbarung mit folgendem Inhalt:

 

"Sehr geehrter Herr Prim. Dr. J S!

 

In Ihrer Funktion als Primar der Abteilung für G und G am L F werden Sie auch mit der Einhaltung der Bestimmungen des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) hinsichtlich sämtlicher Ihnen nachgeordneter Ärzte beauftragt. Die Oö. G S-AG schafft die für die Einhaltung des KA-AZG notwendigen organisatorischen Voraussetzungen und stellt eine ausreichende Personalausstattung sicher.

 

Als verantwortlicher Beauftragter gem. § 9 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) sind Sie damit für die Einhaltung sämtlicher im KA-AZG normierten Arbeitszeit-Schutzbestimmungen verantwortlich und im Falle von Verletzungen auch strafbar."

 

Zum Tatzeitpunkt war der Berufungswerber zum verantwortlichen Beauftragten für die Abteilung G und G des L F bestellt.

Diese Bestellung wurde dem Arbeitsinspektorat Linz gemeldet (Unterschrift des Bw vom 13.07.2009).

 

2.3.2. Zum "Internen Kontrollsystem":

In den Krankenanstalten der G S, so auch im L F, wurden zum Tatzeitpunkt die Dienstpläne der Ärzte von den Abteilungsleitern (Primarii) elektronisch erstellt. Mit Ausnahme der Abteilungsleiter konnten keine Mitarbeiter eigenmächtige Dienstplangestaltungen vornehmen.

Die so erstellten Dienstpläne wurden elektronisch mit der speziell für die G S entwickelten Software "IKS" (Internes Kontrollsystem) auf mögliche Konflikte mit dem KA-AZG geprüft. Die Prüfung erfolgte auf der Planungsebene unter Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitszeiten. Die Dienstpläne (SOLL-Arbeitszeiten bzw. geplante Arbeitszeiten) wurden unter Berücksichtigung der bisherigen tatsächlichen IST-Arbeitszeit jedes einzelnen Arztes EDV-mäßig im Vorfeld im Hinblick auf Übereinstimmung mit dem KA-AZG hinsichtlich Tagesarbeitszeit, Wochendurchschnitt, wöchentliche Arbeitszeit, Anzahl der verlängerten Dienste, Dauer der verlängerten Dienste, Zeiten bzw. Vorgaben nach dem Mutterschutzgesetz überprüft und dokumentiert.

 

Beim Einplanen der jeweiligen Dienste durch den Abteilungsleiter erfolgte dem System entsprechend durch das IKS eine erste Prüfung. Dabei wurde automatisiert die Wochenhöchstarbeitszeit errechnet und dem Planenden als Warnhinweis zur Kenntnis gebracht. Die Anzahl der verlängerten Dienste steht als Information direkt zur Verfügung.

Alle anderen Prüfungen erfolgten im Zuge der Planfreigabe durch den jeweiligen Planungsverantwortlichen (Abteilungsleiter). Wenn schon bei der Planung Überschreitungen der täglichen Ruhezeit auftraten, waren diese direkt im System zu begründen. Traten bei der Planung Überschreitungen anderer Vorschriften des KA-AZG auf, so mussten diese außerhalb des Systems begründet werden.

Das Dienstplansystem wies den Dienstplanverantwortlichen (Abteilungsleiter) auf mögliche Überschreitungen hin. Zusätzlich war der Abteilungsleiter angewiesen, manuell die wöchentlichen Ruhezeiten sowie eventuelle Feiertagsruhen zu prüfen.

 

Nach der Freigabe der Planung durch den Abteilungsleiter erfolgten Prüfläufe in unterschiedlichem Ausmaß im Dienstplansystem durch die Keyuser der Krankenanstalten mit anschließend ausgegebenem Ergebnisprotokoll. Die Ergebnisse der Prüfläufe wurden sodann der ärztlichen Direktion des L F übermittelt. Die ärztliche Direktion überprüfte bei etwaigen Überschreitungen des KA-AZG Möglichkeiten zur Vermeidung künftiger Rechtsverletzungen.

 

Von der Unternehmensleitung der G S wurden allgemein während des Durchrechnungszeitraums stichprobenartige Prüfungen der Sollplanung bei Ärzten durchgeführt. Weiters erfolgten von der Unternehmensleitung der G S gegen Ende der Durchrechnungszeiträume sogenannte Prüfläufe im elektronischen Dienstplansystem für alle Ärzte in allen Krankenanstalten (Formalprüfung). Nach Beendigung jedes Durchrechnungszeitraums wurden eventuelle Überschreitungen des KA-AZG mit Begründungen an die Unternehmensleitung der G S übermittelt.

 

Die G S führte regelmäßige Schulungen und Fragestunden zum Dienstplansystem für die Abteilungsleiter bzw. die ärztliche Direktoren durch. Weiters erfolgen durch die G S schriftliche Informationen bzw. Präsentationen zu den Themen des KA-AZG. Die Schulungsunterlagen wurden in Papierform sofort und im Internet zum Download zur Verfügung gestellt.

 

Eine an alle Ärztinnen und Ärzte der G S-Spitäler ergangene Dienstanweisung vom 16.12.2008 trifft folgende verfahrensrelevante Anweisungen:

 

"[...]

2. Die Primarärztin/der Primararzt ist für alle ihr/ihm zugeordneten Ärztinnen/Ärzte für die Einhaltung des KA-AZG und der wöchentlichen Ruhezeit verantwortlich. Eine Delegation der Dienstplanung entbindet die/den Primarärztin/Primararzt nicht von dieser Verantwortung.

 

3. Kommt es zu notwendigen Änderungen der Dienstplanung und sind bei einzelnen Ärztinnen/Ärzten aus diesem Titel zusätzliche Mehrdienstleistungen erforderlich, so sind diese Mehrdienstleistungen unter Einhaltung des KA-AZG anzuordnen, d.h. es dürfen damit nicht Ärztinnen/Ärzte im Anschluss an verlängerte Dienste betraut werden [...] und es darf durch diese Mehrdienstleistungen zu keiner Überschreitung der 72-Stundengrenze (Durchrechnung jeweils Sonntag 7 Uhr bis Sonntag 7 Uhr) kommen.

 

4. Kommt es kurzfristig zu notwendigen Mehrdienstleistungen (außerhalb der Planung) so sind diese durch die/den Primarärztin/Primararzt anzuordnen, außer in med. begründeten Notfällen. [...]

 

7. Können wegen unerwarteter Personalausfälle unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten dennoch die Bestimmungen des KA-AZG oder die wöchentlichen Ruhezeiten nicht eingehalten werden, ist vorrangig jene/jener Ärztin/Arzt mit Mehrdienstleistungen zu betrauen, bei der/dem dadurch die geringsten Überschreitungen der 72-Stundengrenze auftreten. Gegebenenfalls ist die ärztliche Direktorin/der ärztliche Direktor und die Personalstelle von der Primarärztin/dem Primararzt unter Anführung einer entsprechenden Begründung schriftlich zu informieren. Ev. erforderliche Maßnahmen werden von der Personalstelle im Auftrag der ärztlichen Direktion vorgenommen (z.B. Analyse, Meldung an das Arbeitsinspektorat).

 

Die Dienstanweisung tritt ab sofort in Kraft. [...]"

 

In den gegenständlichen Fällen waren bei der Planung der Dienstzeiten keine Verletzungen des KA-AZG ersichtlich. Vielmehr war aus der elektronischen Dienstzeitplanung ersichtlich, dass die verlängerten Dienste der oben genannten Ärzte innerhalb der höchstzulässigen Arbeitszeit – wenngleich knapp – abgeleistet werden konnten.

 

2.3.3. Zur Personalausstattung:

Das L F, K, F, hatte im Jahr 2011 folgende Abteilungen:

-      Chirurgie,

-      Frauenheilkunde und Geburtshilfe,

-      Innere Medizin,

-      Unfallchirurgie sowie

-      Psychiatrische Tagesklinik.

Insgesamt verfügte das L F im Jahr 2011 über 73 Ärzte und sonstige akademische Mitarbeiter (Voll- und Teilzeit exkl. Karenzierte).

(Informationen aus dem Jahresbericht 2011, http://www.X)

 

Im L F waren zum Tatzeitpunkt 17,5 Turnusarzt-Planstellen vorgesehen, dies in drei sogenannten "Turnusärzte-Diensträdern" zu je sechs Turnusärzten. Für ein funktionierendes Dienstrad benötigt man aus arbeitszeitrechtlicher Sicht mindestens sechs Personen.

Der Mindestpersonalstand wird jährlich zwischen dem L F und der G S verhandelt und vereinbart. In diesen Mindestpersonalstand wurde eine Reserve (Urlaube, durchschnittliche Krankenstände, durchschnittliche Personalfluktuation) miteinberechnet.

 

In der Abteilung G waren folgende Turnusärzte tätig: im Juni 2011 Dr. K und Dr. P, im Juli 2011 Dr. V und Dr. P, im August 2011 Dr. V und Dr. H, im September 2011 Dr. K und Dr. E. Daneben bestanden noch gemischte Zuteilungen (G/U, G/I).

 

Die Anzahl der Turnusärzte im L F im Jahr 2011:

Jänner 2011: 18 Turnusärzte

Februar 2011: 18 Turnusärzte

März 2011: 18 Turnusärzte

April 2011: 16 Turnusärzte

Mai 2011: 15 Turnusärzte

Juni 2011: 15 Turnusärzte

Juli 2011: 13 Turnusärzte

August 2011: 13 Turnusärzte

September 2011: 12 Turnusärzte

Oktober 2011: 11 Turnusärzte

November 2011: 8,5 Turnusärzte

Dezember 2011: 11,5 Turnusärzte

(Anlage zum Schreiben von Prim. Dr. H vom 28.12.2011)

 

2.3.4. Zu den inkriminierten Arbeitszeitüberschreitungen:

Folgende Ärzte wurden im Zeitraum von Sonntag, 7:00 Uhr bis zum darauffolgenden Sonntag, 7:00 Uhr, bei verlängerten Diensten jeweils länger als 72 Stunden vom Arbeitgeber eingesetzt:

 

Name:

Woche

(Sonntag, 7:00 – Sonntag, 7:00)

Stunden

1. Dr. S. V

17.7.2011 bis 24.7.2011

76,50

 

24.7.2011 bis 31.7.2011

87,50

 

28.8. 2011 bis 04.9.2011

103,50

3. Dr. K. H

21.8.2011 bis 28.8.2011

81,50

4. Dr. L. E

04.9.2011 bis 11.9.2011

86,00

 

Diese Arbeitszeitüberschreitungen wurden bei einer Betriebsüberprüfung des L F am 03.10.2011 von der Arbeitsinspektorin DI F festgestellt.

 

Bei der Dienstplanung waren die Arbeitszeitüberschreitungen noch nicht ersichtlich, die Planung im IKS ergab vielmehr einen solchen Dienstplan aller Ärzte, der nicht zu einer Überschreitung von Höchstarbeitszeiten geführt hätte.

 

Zu unvorhergesehenen personellen Abgängen bei den Turnusärzten kam die allgemeine Urlaubszeit; eine allgemeine Urlaubssperre wurde vom Berufungswerber nicht verhängt.

 

Zur Abwendung der Arbeitszeitüberschreitungen trat der Berufungswerber in Verhandlungen mit dem Betriebsrat und schlug diesem den Abschluss einer lokalen Betriebsvereinbarung (neben einer bestehenden zentralen Betriebsvereinbarung) vor, welchen der Betriebsrat jedoch ablehnte. Die Dauer dieser Betriebsvereinbarung wäre für den Zeitraum vom Berufungswerber angedacht gewesen, in welchem der Dienstpostenplan nicht vollständig ausgefüllt war.

 

Für die G S besteht die grundsätzliche Möglichkeit der Dienstzuteilung von Ärzten aus anderen Krankenhäusern. In einem solchen Fall muss sich der entsprechende Abteilungsleiter an die G S wenden und um Zuteilung eines oder mehrerer Ärzte ersuchen.

Im gegenständlichen Zeitraum konnte die G S aufgrund der allgemeinen Urlaubszeit und des insgesamten Mangels an Turnusärzten keinen Ersatz bieten. Trotz Dauerausschreibungen der G S konnten keine (weiteren) Turnusärzte für das L F gefunden werden.

 

Im Jahr 2011 bestand allgemein, aber insbesondere im L F ein Turnusärzte-Mangel (vgl. dazu allgemein u.a. Die Presse vom 28.09.2010, http://diepresse.com/home/bildung/unilive/597866/Warum-Turnusaerzte-nach-Deutschland-fluechten?from=suche.intern.portal; OÖN vom 28.07.2011, Ärztemangel: Spital vergibt Kopfprämien an Mitarbeiter, http://www.nachrichten.at/oberoesterreich/innviertel/Aerztemangel-Spital-vergibt-Kopfpraemien-an-Mitarbeiter;art70,677998; Springermedizin.at, Ärztemangel: klagt über "dramatische Situation", http://www.springermedizin.at/artikel/23861-aerztemangel-ooe-klagt-ueber-dramatische-situation; zur aktuellen Situation vgl. etwa Wakolbinger, Turnusärztemangel: Ein Reality-Check, ÖÄZ 2013/5).

 

2.4. Aus der mündlichen Verhandlung vom 28.02.2013 ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

 

2.4.1. Die Vertreterin des Arbeitsinspektorats bestätigte, dass das Problem der fehlenden Turnusärzte aus regionalen Gründen in F bestand; Turnusärzte bevorzugen in der Regel die größeren Städte (insb. Universitätskliniken).

 

Sowohl die Vertreterin des Arbeitsinspektorats als auch der rechtsfreundliche Vertreter des Berufungswerbers führten übereinstimmend aus, dass der Personalstand in der Abteilung knapp bemessen war. Mit den erstellten Personalplänen war jedoch grundsätzlich ein sowohl den arbeitsrechtlichen als auch den Vorschriften hinsichtlich der Betriebspflichten des Krankenhauses entsprechender Betrieb möglich.

 

2.4.2. Die Vertreterin des Arbeitsinspektorats brachte in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen vor, dass eine langfristig ausgehandelte Betriebsvereinbarung (Zentralbetriebsvereinbarung) vorgelegen sei. Es sei daher nicht überraschend gewesen, dass der Betriebsrat einer weiteren lokalen Betriebsvereinbarung nicht zugestimmt habe.

 

Die gegenständlichen Erhebungszeiträume hätten mehrere Monate betroffen, weshalb man nicht von einer bloß vorübergehenden Situation sprechen könne.

 

Es gäbe für die G S die Möglichkeit der Dienstzuteilung aus Ärzten von anderen Krankenhäusern, d.h. der entsprechende Abteilungsleiter hätte die G S um Zuteilung eines anderen Arztes ersuchen müssen.

Zu den Zeiten der Arbeitszeitüberschreitungen seien gleichzeitig Urlaube genehmigt worden.

Eine alternative Möglichkeit wäre gewesen, dass die Abteilungsleiter den Fehlbedarf kompensierten, da diese nicht dem KA-AZG unterliegen. Diese Möglichkeit sei im konkreten Fall nicht ausgeschöpft worden.

 

2.4.3. Zum Vorbringen der Vertreterin des Arbeitsinspektorats, dass es nicht überraschend gewesen sei, dass der Betriebsrat einer weiteren lokalen Betriebsvereinbarung nicht zugestimmt habe, brachte der Berufungswerber vor, dass es neben der zentralen Betriebsvereinbarung eine große Menge lokaler Betriebsvereinbarungen gebe.

 

Zum Vorbringen der Vertreterin des Arbeitsinspektorats, dass man nicht von einer bloß vorübergehenden Situation sprechen könne, brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Berufungswerbers vor, dass sich das Unvorhergesehene auf den Eintritt der Fälle (Abgänge von Turnusärzten, unvorhergesehene Krankenstände), nicht auf deren Dauer bezogen habe.

 

Zum Vorbringen der Vertreterin des Arbeitsinspektorats, es hätte die die Möglichkeit der Dienstzuteilung aus Ärzten von anderen G S-Krankenhäusern gegeben, brachte der ärztliche Leiter des L F vor, dass ein genereller Ärztemangel bestand und es der G S nicht möglich war, Abhilfe zu schaffen. Dies bestätigte auch die Vertreterin der G S. Auch der Berufungswerber bestätigte, dass sich das Problem des Ärztemangels über drei Monate erstreckte.

 

Sowohl der ärztliche Direktor als auch der Berufungswerber haben sich um eine solche Dienstzuteilung weiterer Ärzte bei der G S – im Ergebnis jedoch erfolglos – bemüht (vgl. dazu oben die Ausführungen in 2.3.4.).

 

Zum Vorbringen der Vertreterin des Arbeitsinspektorats, es seien zum Tatzeitpunkt Urlaube genehmigt wurden, brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Berufungswerbers vor, dass im Falle eines Verbots der Urlaubskonsumation das Arbeitszeitrecht aus anderer Perspektive übertreten worden wäre.

 

2.4.4. Der Rechtsvertreter des Berufungswerbers stellte außer Streit, dass in den vorliegenden Fällen der Arbeitszeitüberschreitungen jeweils keine medizinischen Notfälle (die eine Weiterverwendung der Ärzte iS "außergewöhnlicher Fälle" gem. § 8 Abs. 1 KA-AZG über die 72-Stunden-Grenze hinaus im Einzelfall rechtfertigen hätte können) vorlagen.

 

2.4.5. Zur Aufrechterhaltung einer lückenlosen medizinischen Versorgung ("rund um die Uhr") war die Heranziehung der vorhandenen Ärzte notwendig. Insofern hat sich die Verwendung der oben genannten Ärzte auch über die höchstzulässigen Wochenstunden hinaus in der öffentlichen mündlichen Verhandlung als alternativlos dargestellt (vgl. auch die Feststellungen unter 2.4.3.).

 

2.5. Der dargestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Beweismitteln. Insbesondere wurde die objektive Verletzung der Arbeitszeitregelungen (§ 4 Abs. 4 KA-AZG) vom Berufungswerber sowohl im schriftlichen Vorbringen als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich außer Streit gestellt.

 

Die Vertreterin des Arbeitsinspektorats bestätigte in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus, dass der Eintritt der Arbeitszeitüberschreitungen "im Prinzip" für den Berufungswerber unvorhergesehen war und dass die gegenständlichen Tatvorwürfe durch Krankenstände hervorgerufen wurden. Von einem von vorneherein zu knapp besetzten Dienstrad sprach die Vertreterin des Arbeitsinspektorats nur hinsichtlich der Abteilung C, nicht jedoch hinsichtlich der vom Berufungswerber zu vertretenden Situation in der Abteilung G und G. Es war daher den Ausführungen des Berufungswerbers hinsichtlich eines knappen, aber grundsätzlich noch ausreichenden Personalstands in der Abteilung zu folgen.

Hinsichtlich des Vorbringens der Vertreterin des Arbeitsinspektorats, dass die Möglichkeit bestanden hätte, dass der Berufungswerber selbst als nicht dem KA-AZG unterliegender Abteilungsleiter den Fehlbedarf kompensieren hätte können, konnte von der Vertreterin des Arbeitsinspektorats nicht dargetan werden, inwiefern dies geeignet gewesen wäre, sämtliche bzw. konkret welche Arbeitszeitüberschreitungen zu verhindern. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass zur Sicherung einer guten medizinischen Versorgung und der Hintanhaltung von Behandlungsfehlern auch bei Personen wie dem Berufungswerber, die nicht den Arbeitszeit-Beschränkungen des KA-AZG unterliegen, auf eine Vermeidung übermäßiger Belastung und Beanspruchung geachtet werden muss.

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 KA-AZG, BGBl I Nr. 8/1997 idF BGBl I Nr. 93/2010, sind Dienstgeber/innen, die Dienstnehmer/innen über die Grenzen gemäß §§ 3 oder 4 hinaus beschäftigen, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 218 Euro bis 2 180 Euro, im Wiederholungsfall von 360 Euro bis 3 600 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt.

 

Gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 KA-AZG darf bei verlängerten Diensten die Arbeitszeit in den einzelnen Wochen des Durchrechnungszeitraumes 72 Stunden nicht überschreiten. Wie diesbezüglich vom Berufungswerber in der Berufung als auch in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, fand eine objektive Verletzung der Arbeitszeitregelungen des § 4 Abs. 4 Z 4 KA-AZG durch Überschreitung der 72-Stunden-Grenze in jedem der oben genannten Fälle statt.

 

3.2. Gemäß § 8 Abs. 1 KA-AZG finden in außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Fällen die Bestimmungen der §§ 3, 4, 6 und 7 leg.cit. keine Anwendung, wenn

1.   die Betreuung von Patienten/Patientinnen nicht unterbrochen werden kann oder

2.   eine sofortige Betreuung von Patienten/Patientinnen unbedingt erforderlich wird

und durch andere organisatorische Maßnahmen nicht Abhilfe geschaffen werden kann. Die kumulativen Tatbestandsmerkmale des § 8 Abs. 1 KA-AZG liegen bei den gegenständlich inkriminierten Arbeitszeitüberschreitungen jedenfalls nicht vor und wurden vom Berufungswerber auch nicht behauptet.

 

3.3. Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch eine juristische Person der zu deren Vertretung nach außen Berufene verantwortlich, es sei denn, dass ein verantwortlicher Beauftragter bestellt wurde. Nach § 9 Abs. 2 letzter Satz VStG können zu derartigen verantwortlichen Beauftragten – allerdings nur für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens – auch Personen, die nicht zur Außenvertretung dieser juristischen Person berufen sind, bestellt werden.

Aus § 9 Abs. 3 und 4 VStG ergibt sich, dass der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, "klar abzugrenzen" ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor. Das Tatbestandsmerkmal des klar abzugrenzenden Bereiches im § 9 Abs. 4 VStG muss schon beim Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten vorgelegen haben und darf nicht erst während des anhängigen Strafverfahrens – etwa durch Klarstellung im Rahmen des Beweisverfahrens – entscheidend ergänzt werden. Die Zustimmung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 4 VStG muss erkennen lassen, für welche juristische Person sie erfolgte (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1309 f mit Judikaturnachweisen).

 

Die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gem. § 9 Abs. 2 VStG bewirkt für nach der Bestellung gesetzte Delikte einen Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. VwGH 25.10.1994, 94/07/0027). Im vorliegenden Fall liegt der Zeitpunkt der Bestellung des Bw als verantwortlichen Beauftragten jedenfalls deutlich vor der von der belangten Behörde im Spruch konkretisierten Tatzeit. Es ist daher gemäß § 9 Abs. 1 VStG die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nach außen vertretungsbefugten Organs der juristischen Person für die inkriminierte Verwaltungsübertretung auf den Bw als ordentlich bestellten verantwortlichen Beauftragten übergegangen.

 

3.4. Zum Tatbestand der oben zitierten Strafbestimmung gehört kein Merkmal, das auf den Eintritt eines Erfolges (Schaden oder Gefährdung) hinweist. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handelt es sich daher um Ungehorsamsdelikte. Das Gesetz nimmt für eine Strafbarkeit Rechtswidrigkeit und Verschulden an.

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebots dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Insgesamt dürfen die Anforderungen an die gebotene Sorgfaltspflicht aber nicht überspannt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch klargestellt, dass nicht die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern erst die Verletzung von Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung nach den Umständen vernünftigerweise auferlegen darf, das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit ausmacht (vgl insb. VwSlg 9710 A/1978).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (VwGH 4.7.2002, 2000/11/0123; 29.01.2004, 2003/11/0289 u.a.) hat der Arbeitgeber hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften ein dem konkreten Betrieb entsprechendes wirksames Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, die Einhaltung der Arbeitszeit zu gewährleisten. Wie der VwGH ausdrücklich festgestellt hat, besteht keine Grundlage, diese Rechtsprechung in Ansehung der Bestimmungen des KA-AZG nicht anzuwenden (VwGH 14.12.2010, 2007/11/0223); die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum wirksamen Kontrollsystem ist somit auf das KA-AZG übertragbar.

Im vorliegenden Fall ist nicht näher auf das Kontrollsystem einzugehen, da die Arbeitszeitüberschreitungen vom Berufungswerber gerade deshalb in Kauf genommen wurden, um den gesetzlichen Versorgungsauftrag (dazu unten 3.6.) zu erfüllen.

 

3.5. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

 

Wie die Gesetzesmaterialien ausführen, enthält das VStG keine Begriffsbestimmung des Notstandes, "[d]enn der Inhalt dieser Begriffe ist im Verwaltungsstrafrecht kein anderer als auf anderen Rechtsgebieten und darf daher als bekannt vorausgesetzt werden" (VfAB 360 BlgNR 2. GP).

Im vorliegenden Fall ist aufgrund der kumulativen, besonderen Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob eine rechtfertigende Pflichtenkollision die Strafbarkeit des Berufungswerbers iSd § 6 VStG ausschließt. Der im Strafrecht als selbständig anerkannte, wenngleich ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der rechtfertigenden Pflichtenkollision (vgl. Lewisch in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 [Stand Juli 2003] § 3 Rz 125 f) ist somit kraft § 6 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren zu berücksichtigen (vgl. Wessely in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], Kommentar VStG [2010] Anm 4 zu § 6 VStG).

 

Grundsätzlich kann der Rechtfertigungsgrund der Pflichtenkollision nur einem solchen Täter zugute kommen, dem zwei einander ausschließende, in der Rechtsordnung objektivierbare Pflichten dergestalt obliegen, dass die Erfüllung der einen Rechtspflicht zwangsläufig zur Verletzung der anderen führen muss; nur bei Erfüllung der ein höherwertiges oder zumindest gleichwertiges Rechtsgut betreffenden Pflicht tritt in Ansehung der verletzten - jedenfalls nicht überwiegenden - Pflicht Rechtfertigung ein (OGH 13 Os5/90, 13.06.1990 = JBl 1990, 807 [Bertel], zu § 3 StGB). Wer eine zurücktretende Pflicht verletzt, ist somit gerechtfertigt, obwohl sein Verhalten einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt.

Sämtliche Rechtfertigungsgründe bestehen aus zwei Elementen, einer Rechtfertigungssituation und einer Rechtfertigungshandlung (vgl. Wessely in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], Kommentar VStG, Anm 1 zu § 6 VStG), auf welche beide in der Folge näher einzugehen ist.

 

3.6. Die Situation einer rechtfertigenden Pflichtenkollision bedarf zweier miteinander inkompatibler (Handlungs- und/oder Unterlassungs-)Pflichten. Gegenständlich treffen zwei Handlungspflichten aufeinander: die Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung mit jener zur Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen (KA-AZG).

 

In den Angelegenheiten der Heil- und Pflegeanstalten obliegt nach Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG dem Bund die Gesetzgebung über die Grundsätze, den Ländern die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung. Das Grundsatzgesetz des Bundes ist das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG), BGBl Nr. 1/1957 idgF. Die vom Land OÖ erlassenen Ausführungsbestimmungen enthält das Oö. Krankenanstaltengesetz 1997 - Oö. KAG 1997, LGBl Nr. 132/1997 idF LGBl Nr. 70/2012.

Das L F ist eine Allgemeine Krankenanstalt iSd § 2 Abs. 1 Oö. KAG 1997 sowie eine Standardkrankenanstalt iSd § 3 Abs. 1 Z 1 Oö. KAG 1997 iVm Anlage 3 zur Verordnung, mit der der Krankenanstaltenplan und Großgeräteplan für Oberösterreich (Regionaler Strukturplan Gesundheit Oö.Oö. Krankenanstalten und Großgeräteplan 2008 – RSG Oö. – Oö. KAP/GGP 2008) erlassen wird, LGBl Nr. 123/2008 idF LGBl Nr. 73/2009.

Als Standardkrankenhaus der Basisversorgung muss das L F gem. § 3 Abs. 6 lit. c Oö. KAG 1997 insbesondere eine permanente Erstversorgung von Akutfällen samt Beurteilung des weiteren Behandlungsbedarfs und Weiterleitung zur Folgebehandlung in die dafür zuständige Versorgungsstruktur gewährleisten (vgl. zum Umfang der Versorgungspflicht auch die Grundsatzbestimmung des § 2a Abs. 4 Z 1 KAKuG, BGBl Nr. 1/1957 idgF).

 

Eine Verpflichtung zur Sicherstellung öffentlicher Krankenanstaltspflege ergibt sich ferner aus § 18 KAKuG. Bei der Notwendigkeit, einen bedarfsdeckenden Anstaltsbetrieb zu gewährleisten, handelt es sich um eine Rechtspflicht des Landes (als Anstaltsträger): § 18 Abs 1 KAKuG verpflichtet die Bundesländer, unter Bedachtnahme auf den Landes-Krankenanstaltenplan Krankenanstaltspflege für anstaltsbedürftige Personen (§ 22 Abs 3 KAKuG) im eigenen Land sicherzustellen. Die Bundesländer haben für eine räumlich geschlossene, flächendeckende Organisation der Krankenanstalten Sorge zu tragen (vgl. Mayer, Die Bereitstellung von Krankenanstalten, in Schrammel [Hrsg], Rechtsfragen der ärztlichen Behandlung [1992] 57 [58]; Mayer, in Rebhahn [Hrsg], Beiträge zum Kärntner Landesrecht [1995] 228 [234]); diese muss quantitativ und qualitativ ausreichend sein (vgl. Schneider, Rechtliche Rahmenbedingungen für die Ausgliederung von Krankenanstalten, RdM 2003/66 passim).

Gemäß § 78 Abs. 1 Oö. KAG 1997 sind die Rechtsträger öffentlicher Krankenanstalten verpflichtet, den Betrieb der Krankenanstalt ohne Unterbrechung aufrechtzuerhalten (darüberhinaus gewährleistet das Land Oberösterreich gemäß § 9a Oö. KAG 1997 im Rahmen der Sicherstellung öffentlicher Krankenanstaltenpflege eine qualitativ hochwertige, nachhaltige und dezentrale Standort- und Versorgungssicherheit). Gemäß § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 3.600 Euro zu bestrafen, wer den Verpflichtungen nach § 78 Oö. KAG 1997 nicht nachkommt.

Daraus folgt, dass der Berufungswerber im Falle der – zeitweisen – Aussetzung der medizinischen Versorgung zur Verhinderung von Arbeitszeitüberschreitungen im Tatzeitraum eine Verwaltungsübertretung nach § 96 Abs. 2 Z 8 KA-AZG begangen hätte. Wie in der mündlichen Verhandlung hervorgekommen ist, war ein rechtmäßiges Alternativverhalten des Berufungswerbers – im Sinne einer gänzlichen Vermeidung von Arbeitszeitüberschreitungen – nicht möglich (vgl. zur Berücksichtigung einer allfälligen Unzumutbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens im Verwaltungsstrafrecht VwGH 6.6.1966, 1137/65, 10.6.1980, 3463/78 sowie VwSlg. 9710/A)

 

3.7. Bei einer Kollision von Handlungspflichten (Verhinderung von Arbeitszeitüberschreitungen – Aufrechterhaltung des gesetzlichen Versorgungsauftrages) genießt die stärkere Pflicht den Vorrang. Es ist jener Pflicht zu entsprechen, die den Schutz des höherwertigen Rechtsgutes bzw. des wichtigeren öffentlichen Interesses verfolgt (vgl. Akyürek/Ennöckl/Raschauer u.a., Casebook Verwaltungsverfahrensrecht2 [2008] 133; vgl. auch Lewisch in Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch2 [Stand Juli 2003] § 3 Rz 142].

Wie der VwGH zur Rechtslage vor Inkrafttreten des KA-AZG festgestellt hat, besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse an der Sicherung ausreichender Krankenanstaltspflege; bei einer Kollision der Rechtspflicht zum bedarfsdeckenden Betrieb von Krankenanstalten mit der Verpflichtung zur Einhaltung von Arbeitszeitvorschriften ist, ohne dass dies angesichts der Wichtigkeit der notwendigen Anstaltspflege für die betroffenen Anstaltspatienten näher begründet werden müsste, die erstere Pflicht als höherrangig anzusehen (VwGH 06.08.1996, 95/11/0322; 20.01.1998, 96/11/0260; vgl. ferner UVS Wien 16.02.2010, 06/59/6331/2009, der eine grundsätzliche Pflichtenkollision auch im Rahmen des KA-AZG bejaht, nur gegenüber einer Medizinischen Universität ausschließt).

Es macht dabei keinen Unterschied, ob der die Pflichtenkollision auslösende Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal seine Ursache in einer unerwarteten Steigerung der Nachfrage nach Anstaltsleistungen hat oder ob es sich um einen chronischen Personalmangel handelt; allerdings darf ein solcher Mangel nicht von den verantwortlichen Organen verschuldet sein (VwGH 06.08.1996, 95/11/0322). Insbesondere aus der mündlichen Verhandlung hat sich ergeben, dass der für die Arbeitszeitüberschreitung kausale, unvorhersehbare und nur aufgrund einer Kumulation einzelner, widriger Umstände entstandene Mangel an (Turnus-)Ärzten jedenfalls nicht im Ingerenzbereich des Bw lag. Im Übrigen ist diesbezüglich auch auf die Personalausstattungszusage der G S im Rahmen der Bestellung des Bw zum verantwortlichen Beauftragten hinzuweisen (siehe das oben unter 2.3.1. zitierte, undatierte Schreiben "Beauftragung gem. § 9 VStG").

 

Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls war die Entscheidung des Berufungswerbers zur Verletzung der Arbeitszeitbestimmungen zur Sicherung der medizinischen Versorgung alternativlos. Aus diesem Grund rechtfertigt in Anbetracht der besonderen Sachverhaltskonstellation die Wahrung des höherwertigen öffentlichen Interesses an einer ununterbrochenen medizinischen Versorgung ("rund um die Uhr") die verfahrensgegenständliche Verletzung des KA-AZG.

 

Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen erübrigt sich damit.

 

3.8. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ewald Langeder

 

Beachte:


Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.


VwGH vom 06.03.2014, Zl.: 2013/11/0125-0126-7

 

 

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