Linz, 29.04.2013
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg, vom 28.02.2013, Zl.: VerkR96-3493-2012, nach der am 29. April 2013, durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird im Schuldspruch als unbegründet abgewiesen. Der Spruchteil betreffend des in Abzug gebrachten Verkehrsfehlers hat jedoch zu entfallen. Die Geldstrafe wird jedoch auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 18 Stunden reduziert.
II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich demnach auf 5 (fünf) Euro. Für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013 - AVG iVm § 19, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013.
Zu II.: § 65 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem o.a. Straferkenntnis wider den Berufungswerber wegen der Übertretung nach § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 70 Euro und im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil er am
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend folgendes aus:
2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber seiner fristgerecht bei der Behörde erster Instanz eingebrachten Berufung worin er folgendes ausführt:
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war hier in Wahrung der durch Art. 6 EMRK intendierten Rechte zwecks unmittelbarer Beweisaufnahme durch Anhörung des Berufungswerbers geboten (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Perg. Beweis geführt wurde ferner durch Beischaffung einer Stellungnahme des Messbeamten über seinen Einsatz des mobilen Radarmessgerätes, sowie durch Beschaffung des fraglichen Eichscheins und der Luftbilder und deren Erörterung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.
Der Berufungswerber nahm an der Berufungsverhandlung persönlich teil. Die Behörde erster Instanz unentschuldigte sich ob der Nichtteilnahme mit Schreiben vom 11.4.2012.
5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:
Der Berufungswerber lenkte den bezeichneten Pkw an der oben angeführten Örtlichkeit und Zeit auf der X Strkm 215,240 im Ortsgebiet von X. Dabei wurde seine Fahrgeschwindigkeit durch ein sogenanntes mobiles Radar der Landesverkehrsabteilung mit 76 km/h messtechnisch festgestellt. Unter Abzug des sogenannten Verkehrsfehlers wurde von einer erwiesenen Fahrgeschwindigkeit von 71 km/h ausgegangen. Die Fahrtrichtung lässt sich weder der Anzeige noch dem Straferkenntnis nicht ableiten, jedoch dürfte gemäß dem Radarbild in östlicher Richtung gefahren worden sein.
Laut den beigeschafften Luftbilder verläuft der Straßenzug in diesem Bereich relativ geradlinig und übersichtlich. Während der südliche Bereich dieser Ortschaft gänzlich unverbaut ist, finden sich im Messbereich nördlich der Straße auf Höhe des Strkm 215,200 und 215,400 bäuerliche Anwesen, die durch eine Art Nebenfahrbahn von der Bundesstraße getrennt scheinen. Zwischen der genannten Straßenkilometrierung und demnach beim Messpunkt findet sich auch rechtsseitig ein freies Feld. Auf Höhe des Messpunktes findet sich eine in einem Wald führende Abzweigung. Dort dürfte der Messwagen (das Radar) aufgestellt gewesen sein.
An der Begehung bzw. Messung im Ortsgebiet (X) ist gemäß dem vorliegenden Foto- u. Beweismaterial nicht zu zweifeln.
5.2. Der Berufungswerber verweist eingangs im Rahmen der Berufungsverhandlung auf die Sorgepflichten für zwei Kinder und zum Teil auch für die Ehefrau, welche nur einen Zuverdienst von 500 Euro monatlich einbringt.
Er verweist auf seine bisherige Unbescholtenheit, wobei er im Ergebnis ein geringes Verschulden darin aufzuzeigen versucht, dass auf diesem von ihm damals erstmals befahrenen Straßenzug, bis zu dieser Örtlichkeit fünf 70iger-Beschränkungen wären, wobei diese Beschränkung nach weniger als 100 Meter durch das Ortsgebiet aufgehoben wurden. Dies habe er schlichtweg übersehen, wobei – wie die Fotos zeigten - die Übersichtlichkeit des dortigen Bereiches sowie die auf einer Straßenseite fehlende Bebauung keinen zwingenden Schluss auf ein Ortsgebiet zugelassen hätten. Dies habe er auch bei der Behörde erster Instanz darzustellen versucht und vermeint, ihn ob dieser Fakten bloß zu ermahnen. Die dortige Sachbearbeiterin habe jedoch auf sein Ansinnen im Ergebnis unhöflich und enttäuschend reagiert, sodass er sich letztlich zu diesem Rechtsmittel entschieden habe.
Das Vorbringen mit Blick auf eine mangelhafte Verordnung oder Kundmachung wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung im Ergebnis nicht aufrecht erhalten.
Der Berufungswerber machte insgesamt jedoch einen sehr sachlichen Eindruck, sodass durchaus von einem subjektiv tatseitig bloß einem geringem Verschuldensgrad ausgegangen werden kann. Er dürfte im Lichte der kurz vorher kundgemachten 70iger-Beschränkung die Ortstafel in der Folge offenbar tatsächlich übersehen haben.
Kein Zweifel besteht auch darin, dass mit der letztlich objektiv besehen überhöhten Fahrgeschwindigkeit keinerlei nachteiligen Folgen verbunden waren.
6. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Verwirklichung des Tatbestandes einer Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs.2 StVO im Ortsgebiet setzt die ordnungsgemäße Kundmachung des durch Verordnung festgelegten Aufstellungsortes des Hinweiszeichens Ortstafel voraus. Die Berufungsbehörde konnte mit Blick auf das diesbezüglich eindeutige Bildmaterial weitere Feststellungen über die ordnungsgemäße Kundmachung unterlassen (VwGH 16.2.1999, 98/02/0338 mit Hinweis auf VwGH 3.7.1986, 86/02/0038).
Der Vorschrift des § 44 Abs.1 StVO ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet.
Gemäß § 2 Abs.1 Z15 StVO gilt als Ortsgebiet im Sinne dieses Bundesgesetzes das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z17a) und "Ortsende" (§ 53 Z 17b).
Nach § 44 Abs.1 erster Satz StVO sind die im § 43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit der Anbringung dieser Zeichen in Kraft.
Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im § 43 bezeichneten Verordnungen kommen gemäß § 44 Abs.1 vierter Satz StVO u.a. die Hinweiszeichen "Ortsanfang" und "Ortsende" in Betracht.
Straßenverkehrszeichen sind nach § 48 Abs. 1 leg. cit. als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können; im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden. Der Abs.2 der zuletzt zitierten Bestimmung ordnet ferner an, dass Straßenverkehrszeichen auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen sind, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt.
So gilt es sowohl durch die Judikatur als auch Literatur gesichert, dass es für die Beurteilung eines Kundmachungsmangels primär auf die rechtzeitige Erkennbarkeit eines Verkehrszeichens ankommt (Vergeiner, Kundmachung durch Verkehrszeichen, MANZ 2009, S 92 ff mwN). Dies war hier eben nicht in Zweifel zu ziehen.
6.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat sieht sich daher auch nicht veranlasst einen Antrag zur Prüfung der Verordnung dieses Ortsgebietes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Die Erfolgsaussichten wären im Licht der einschlägigen Judikatur verschwindend gering.
Der Verfassungsgerichtshof hat etwa in seinem Erkenntnis (VfSlg. 4470/1963) selbst eine etwa 200 bis 300 m breite Verbauungslücke an einer Straße als noch zum Ortsgebiet gehörig betrachtet und das diesbezügliche Fehlen von Ortsende- bzw. Ortstafelzeichen als noch zulässig im Sinne des Gesetzes erachtet (vgl. VfGH v. 27.2.2001, V46/00).
6.2. Im Sinn des § 49a Z1 VStG bildet der Verkehrsfehler des Messgeräts kein Tatbestandselement und hat daher schon der besseren Lesbarkeit des Spruchs wegen zu entfallen. Die im Rahmen der Verkündung mit 7 Euro verzeichneten erstinstanzlichen Verfahrenskosten beruhen auf einem Irrtum, welcher in dieser Bescheidausfertigung bis 19.3.2013 noch mit 10% und daher mit 5 Euro festzulegen waren.
7. Zur Strafzumessung:
Diesbezüglich ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
7.1. Die Behörde hat in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist. Diese Ermessensentscheidung ist nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen (VwGH 4.4.2001, 99/09/0140, mit Hinweis auf Erk. VwGH [verst. Senat] 25. März 1980, Zl. 3273/78, VwSlg 10077 A/1980).
Da der Berufungswerber auf Grund des übersichtlich und einseitig weitgehend verbauungsfrei verlaufenden Straße und der kurz vorher noch kundgemachten 70 km/h-Beschränkung mit dem Ortsbeginn offenbar nicht rechnete und diesen demnach schlichtweg übersah, gründet darin der schuldmildernde Umstand des bloß fahrlässigen Regelverstoßes, während im Gegensatz dazu Geschwindigkeitsüberschreitungen in aller Regel vorsätzlich begangen werden (zur Schuldfrage s. VwGH 2.3.1994, 93/03/0309).
Ferner wurden von der Behörde erster Instanz offenbar unzutreffend der Milderungsgrund der Unbescholtenheit und auch nicht die Sorgepflichten für zwei Kinder u. teilweise auch für die Ehefrau nicht berücksichtigt. Mit Blick darauf war die Geldstrafe auf den Umfang eines Organmandates zu ermäßigen.
Auch mit diesem Strafausmaß kann demnach mit Blick auf den Strafzweck das Auslangen gefunden werden.
II. Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r