Linz, 07.05.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, StA von Rumänien, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. April 2013, GZ 1005265/FRB, betreffend ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlage
§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. April 2013, GZ 1005265/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 67 Abs. 1 und 2 und 70 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.
Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:
2. Gegen diesen am 10. April 2013 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 23. April 2013, die am 24. April 2013 der Post zur Beförderung übergeben worden ist.
Sehr geehrter Herr ADir P.
leider habe ich am 10.4.2013 trotz meiner Stellungnahme den oa. Bescheid mit einem Aufenthaltsverbot gegen mich erhalten. Ich möchte hiermit gegen diese Entscheidung zur Gänze berufen und folgende Begründungen anfuhren:
Ich lebe seit über 10 Jahren in Osterreich und habe hier die Schule und eine Lehre als Gas-Wasser-Heizungsinstallateur erfolgreich abgeschlossen. Ich war durchgängig erwerbstätig und nehme aktiv am sozialen Leben in Österreich teil. Ich habe keinerlei Verbindung nach Rumänien, da ich bei meiner Familie hier in X lebe und meine Eltern und meine Schwester unterstütze - auch sie unterstützen mich. Durch ein Aufenthaltsverbot würde ich diese enge Verbindung verlieren.
Die im Bescheid angeführten Vergehen sind schon sehr lange her und ich habe mich seitdem sehr geändert. Ich bereue meine Vergehen und habe für die angerichteten Schäden und Verletzungen auch Schadensersatz geleistet. Außerdem werde ich durch die Bewährungshilfe seit Jahren unterstützt und ich möchte die Bewährungshilfe hat mir sehr geholfen. Auch diese Verbindung würde durch ein Aufenthaltsverbot verlieren.
Schließlich möchte ich die aufrechte stationäre Therapie (WJ-Krankenhaus) anfuhren, mit der ich meine Suchterkrankung bewältigen möchte. Ich möchte den begonnenen Weg bei der Bewältigung meiner Probleme weitergehen.
Die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes würde ein Ende sämtlicher Bemühungen bedeuten und mich um Jahre zurückwerfen, da ich in Rumänien bei Null beginnen müsste. Daher ersuche ich eindringlich, meine Einwände vollständig zu berücksichtigen und den Bescheid GZ 1005265/FRB zu widerrufen.
Beiliegend zu diesem Schreiben möchte ich die Unterstützungen durch meine Familie, die Bewährungshilfe und die Therapieeinrichtungen als Bekräftigung meiner Einwände gegen den Bescheid geltend machen.
Dem Berufungsschriftsatz legte der Bw Schreiben des Vereins Neustart, seiner Familie, ein Dienstzeugnis der Firma X und eine Aufenthaltsbestätigung der Nervenklinik Linz bei.
3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 29. April 2013 den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.
3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie die og. ergänzenden Schreiben des Bw, in aktuelle Auszüge aus der Fremdeninformation und des ZMR.
3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.
Unstrittig ist der Bw ein unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger und seit dem 6. August 2001 – somit mehr als 10 Jahre - durchgehend polizeilich im Bundesgebiet gemeldet.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
4.2. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde umfassend das strafrechtlich – und verwaltungsstrafrechtlich relevante Verhalten des Bw dargestellt. Unter Bezugnahme darauf ist die belangte Behörde nachvollziehbar zum Ergebnis gekommen, dass dieses eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
4.3. Wie nachfolgend dargestellt kommen jedoch nicht § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG sondern § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG zur Anwendung, da der Bw auf eine mehr als 10-jährige durchgängige Aufenthaltsdauer verweisen kann.
Der seit August 2001 durchgehend rechtmäßige Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet wurde auch von der belangten Behörde festgestellt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides angesprochen.
Es ist – im Hinblick auf die genannte Bestimmung - ausschließlich zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich zu gefährden. Fraglos ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass der Gesetzgeber in den Fällen, in denen ein EWR-Bürger oder Schweizer Bürger schon über eine besondere Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet verfügt, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erheblich intensiviert, weshalb die normierte maßgebliche und nachhaltige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich ein bedeutend höheres Maß an krimineller Disposition eines Fremden und schwerwiegendere Konsequenzen für die Sicherheit des Staates erfordert, als die für nicht verfestigte Aufenthalte vorgesehene tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
Grundsätzlich ist – wie oben erwähnt – weiter auszuführen, dass § 67 Abs. 1 vorletzter Satz die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes – korrespondierend zur unionsrechtlichen Rückführungsrichtlinie – an Gefährdungsszenarien der Sicherheit der Republik Österreich knüpft, die in einem besonderen Maß zu Tage treten. Dies beschränkt sich zwar nicht bloß auf "staatsgefährdende Kapitalverbrechen" wie Terrorismus udgl. per se, bedingt jedoch einen besonders weitreichenden bzw. gesellschaftlich und rechtlich anerkannten Unwertgehalt, eine weitreichende drohende erhebliche Schädigung der Gesundheit bzw. des Lebens von Menschen oder von nationalen ökonomischen Interessen.
Zweifellos weist das über Jahre hinweg zum Vorschein gekommene strafrechtlich relevante Verhalten des Bw auf seine kriminelle Energie hin, das auch durch strafgerichtliche Verurteilungen offenbar nicht in Griff zu bekommen ist. Die mehrfachen Angriffe des Bw gegen Mitmenschen verbunden mit Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz bedingen ein kriminelles Potential, was weder übersehen noch verharmlost werden soll.
Alleine diese Straftaten sind jedoch nicht geeignet eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich annehmen zu lassen. Hiezu würde es eines wie oben beschriebenen Szenarios bedürfen. Es mangelt hier sowohl an der Staatsgefährdung im engeren Sinn, als auch an der weitreichenden nachhaltigen Schädigung für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder nationalökonomischer Interessen.
4.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass aufgrund seines persönlichen Verhaltens nicht davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wird.
4.5. Nachdem es aber im vorliegenden Fall schon an der Tatbestandsmäßigkeit mangelt, war ohne auf die Aspekte des Schutzes des Privat- und Familienlebens einzugehen, der angefochtene Bescheid aufzuheben.
5. Da der Bw über ausreichende Deutschsprachkenntnisse verfügt konnte gemäß § 67 Abs. 5 FPG auf die Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides verzichtet werden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) und 15,60 Euro (Gebühren für Beilagen), insgesamt 29,90 Euro, angefallen.
Mag. Christian Stierschneider