Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720342/2/Sr/Jo

Linz, 07.05.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, StA von Rumänien, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. April 2013, GZ 1005265/FRB, betreffend ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot nach dem Fremdenpolizeigesetz zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

 

Rechtsgrundlage

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 8. April 2013, GZ 1005265/FRB, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 67 Abs. 1 und 2 und 70 Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und ihm ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt.

 

Begründend führt die belangte Behörde wie folgt aus:

 

A) Sachverhalt:

 

Über Sie scheinen mittlerweile 5 gerichtliche Verurteilungen auf:

 

1)    BG Linz 14 U 110/2008 g vom 20.08.2008 (rk 26.08.2008), wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 2 StGB, Geldstrafe € 120,-, bedingt auf 3 Jahre;

2)    BG Linz 31 U 63/2007 v vom 05.02.2009 (rk 10.03.2009), wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 1. Fall StGB, Geldstrafe € 60,-, bedingt auf 3 Jahre;

3)    LG Linz 33 Hv 98/2011 z vom 10.01.2012 (rk 10.01.2012), wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, Freiheitsstrafe 8 Monate, davon 7 Monate bedingt auf 3 Jahre;

4)    BG Innere Stadt Wien 17 U 51/2012 g vom 16.03.2012 (rk 16.03.2012), wegen des Vergehens des unbefugten Umgangs mit Suchtgift und psychotropen Stoffen nach §§ 27 Abs. 1 Z. 1 und 3 und 30 Abs. 1 und 2 SMG und des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB, keine Zusatzstrafe;

5)    BG Linz 14 U 312/2012 v vom 04.12.2012 (rk 08.12.2012), wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 1., 2. und 8. Fall SMG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z. 3 WaffG.

 

ad 1): Sie haben in Linz Anfang November/Ende Dezember 2007 ein Handy im Wert von € 170,-, welches ein unbekannter Täter durch einen Diebstahl bei der Fa. X am 02.09.2007 erlangt hatte, gekauft;

 

ad 2): Sie haben mit X, X sowie mit X am 12.07.2007 in Linz an einem Angriff mehrerer teilgenommen, indem Sie gemeinsam auf X und X einschlugen, wodurch X eine Schädel- und Thoraxprellung erlitt;

 

ad 3): Sie haben am 08.12.2011 in Linz X, X und X gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem Sie Ihnen jeweils eine Gaspistole - täuschend einer echten Pistole - vorhielten bzw. ansetzten; ferner haben Sie X vorsätzlich am Körper verletzt, indem Sie ihm die oben beschriebene Waffe am Kinn ansetzten und zweimal abdrückten, wodurch dieser Abschürfungen im Bereich des Kinnes erlitt;

 

ad 4): Sie haben am 18.06.2011 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider ein Stück Subuxone von X sowie ein weiteres Stück Subuxone und weiters 160 Stück Somnubene von unbekannten Tätern zum Eigengebrauch erworben und besessen; ferner haben Sie am 16.08.2011 in Linz Verfügungsberechtigten der Fa. X eine fremde bewegliche Sache, und zwar eine Handytasche im Wert von € 19,99, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Wegnahmen zu bereichern, wegzunehmen versucht;

 

ad 5): Sie haben in Linz am 17.03.2012 bis zuletzt Mitte November 2012 vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar unbekannte Mengen Marihuana (THC) erworben und besessen, wobei Sie am 17.08.2012 0,3 g cannabishältige Pflanzenteile von einem unbekannten Südländer erworben und bei der Personenkontrolle durch Polizeibeamte besessen haben, wobei Sie die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebraucht begingen; im Zeitraum von Ende August bis Ende September 2012 haben Sie vorschriftswidrig Suchtgift erworben, besessen und anderen überlassen, und zwar in 5 Teilankäufen eine Gesamtmenge von ca. 1,6 g Crystal (Amphetamin) von M O erworben und bis zum Konsum besessen sowie 1 Substitol-Tablette 120 mg (Morphin) von X erworben und an X weitergegeben;

am 17.08.2012 haben Sie, wenn auch nur fahrlässig, ein Butterflymesser, mithin eine Waffe, besessen, obwohl Ihnen dies gem. § 12 WaffG verboten ist.

 

In der Datei für verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen scheinen folgende Bestrafungen auf:

 

a) Strafverfügung vom 05.09.2011. S 37600/11-3:

 

Sie haben am 25.07.2011, um 21.45 Uhr, in Linz, Franckstraße gegenüber Nr. 50 das KFZ, KZ X gelenkt,

1)    ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung der Klasse „B" zu sein und

2)    3) 4) sich vor Inbetriebnahme nicht zumutbar vom vorschriftsmäßigen Zustand überzeugt, da folgende Mängel festgestellt wurden:

zu 2) die rechte Begrenzungsleuchte war defekt

zu 3) die Nebelschlussleuchte war defekt

zu 4) die linke Bremsleuchte war defekt

 

Rechtsvorschrift § 1 Abs. 3 FSG, Bestrafung gem. § 37 Abs. 1 FSG iVm § 37 Abs. 3 Z. 1 FSG, € 363,-;

Rechtsvorschrift § 102 Abs. 1 KFG iVm § 14 Abs. 3 KFG, Bestrafung gem. § 134 Abs. 1 KFG, € 20,-;

Rechtsvorschrift § 102 Abs. 1 KFG iVm § 14 Abs. 4a KFG, Bestrafung gem. § 134 Abs. 1 KFG, € 20,-;

Rechtsvorschrift § 102 Abs. 1 KFG iVm § 18 Abs. 1 KFG, Bestrafung gem. § 134 Abs. 1 KFG, €20,-;

 

b) Strafverfügung vom 31.10.2011, S 43647/11 VS:

1)    Sie haben am 26.07.2011, um 20:40 Uhr, in Linz den PKW KZ X gelenkt, ohne im Besitz einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung für die Klasse oder Unterklasse, in die das Fahrzeug fällt, zu sein;

2)    Sie haben das KFZ gelenkt, obwohl der Alkoholgehalt des Blutes nicht weniger als 0,5 g/l (0,5 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft nicht weniger als 0,25 mg/l betrug. In Ihrem Fall betrug der Atemluftalkoholgehalt 0,291 mg/l;

3)    Sie haben nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, das von Ihnen gelenkte Fahrzeug nicht sofort angehalten.

4)    Sie haben es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall, mit dem Ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, da Sie nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden noch vor Abschluss der polizeilichen Unfallaufnahme Alkohol konsumierten.

5)    Sie haben es unterlassen, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem Ihr Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, die nächste Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift mit dem Unfallbeteiligten (Unfallgeschädigten) unterblieben ist.

 

Rechtsvorschrift § 1 Abs. 3 FSG, Bestrafung gem. § 37 Abs. 1 FSG iVm § 37 Abs. 3 Z. 1 FSG, Geldstrafe € 363,-;

Rechtsvorschrift § 14 Abs. 8 FSG, Bestrafung gem. § 37a FSG, Geldstrafe € 300,-; Rechtsvorschrift § 4 Abs. 1 lit. a StVO, Bestrafung gem. § 99/2/a StVO, Geldstrafe € 150,-;

Rechtsvorschrift § 4 Abs. 1 lit. c StVO, Bestrafung gem. § 99/2/a StVO, Geldstrafe € 150,-;

Rechtsvorschrift § 4 Abs. 5 StVO, Bestrafung gem. § 99/3/b StVO, Geldstrafe € 130,-.

 

Nach Darstellung der Rechtslage hat die belangte Behörde folgende rechtliche Beurteilung vorgenommen:

 

In Ihrer ha. am 22.03.2013 eingelangten Stellungnahme führen Sie aus, dass Sie eine abgeschlossene Lehre als GWH-Installateur, eine durchgehende Beschäftigung und einen festen Wohnsitz mit solidem familiären Umfeld haben. Wie aus Ihren Verurteilungen hervorgeht, haben Sie eine multiple Suchterkrankung, sind derzeit in Erwartung eines Therapieplatzes und haben laufende Betreuung durch Ihren Bewährungshelfer.

 

Aus der Aktenlage geht hervor, dass Sie im Alter von 10 Jahren nach Österreich gekommen sind und seit nunmehr 11 ½ Jahren in Österreich leben.

Es ist Ihnen daher eine entsprechende Integration zuzubilligen.

Allerdings ist die Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt.

 

Der Umstand, dass Sie sich an einem Raufhandel beteiligten, später jemand gefährlich mit dem Tod bedrohten und jemand mit einer Gaspistole verletzten, lässt erkennen, dass Sie das Recht auf körperliche Unversehrtheit anderer nicht respektieren und zeugt nicht nur von einem hohen Maß an Gleichgültigkeit im Hinblick auf die geltenden strafrechtlichen Bestimmungen, sondern auch davon, dass Sie weit von den in der hiesigen Gesellschaft geltenden moralischen Werten entfernt sind.

Der missbräuchliche Umgang mit Suchtgiften stellt eine enorme Gefahr für die Volksgesundheit und die innere Sicherheit dar. Da es sich bei der gefährdeten Zielgruppe häufig um junge Menschen und Minderjährige handelt, denen eine wichtige Rolle in einem geordneten Gemeinwesen zukommt, muss der Staat alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um die Allgemeinheit vor den Folgen des Suchtgiftmissbrauches und der Begleitkriminalität zu schützen.

An dieser Stelle muss auch Erwähnung finden, dass Ihnen bereits mit Schreiben vom 10.02.2012 die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in Aussicht gestellt wurde, falls Sie neuerlich gerichtlich verurteilt werden sollten.

Bereits einen Monat später haben Sie wieder begonnen Tathandlungen zu setzen, die letztendlich zur Verurteilung vom 08.12.2012 geführt haben.

 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ihr oben näher geschildertes persönliche kriminelle Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt- und Suchtgiftdelikten und der Kriminalität überhaupt, weshalb die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

 

Die Behörde verkennt Ihre Suchtgiftproblematik nicht, doch ist deren Behandlung auch in Rumänien möglich.

 

2. Gegen diesen am 10. April 2013 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid richtet sich die rechtzeitige Berufung vom 23. April 2013, die am 24. April 2013 der Post zur Beförderung übergeben worden ist.

 

Sehr geehrter Herr ADir P.

 

leider habe ich am 10.4.2013 trotz meiner Stellungnahme den oa. Bescheid mit einem Aufenthaltsverbot gegen mich erhalten. Ich möchte hiermit gegen diese Entscheidung zur Gänze berufen und folgende Begründungen anfuhren:

 

Ich lebe seit über 10 Jahren in Osterreich und habe hier die Schule und eine Lehre als Gas-Wasser-Heizungsinstallateur erfolgreich abgeschlossen. Ich war durchgängig erwerbstätig und nehme aktiv am sozialen Leben in Österreich teil. Ich habe keinerlei Verbindung nach Rumänien, da ich bei meiner Familie hier in X lebe und meine Eltern und meine Schwester unterstütze - auch sie unterstützen mich. Durch ein Aufenthaltsverbot würde ich diese enge Verbindung verlieren.

Die im Bescheid angeführten Vergehen sind schon sehr lange her und ich habe mich seitdem sehr geändert. Ich bereue meine Vergehen und habe für die angerichteten Schäden und Verletzungen auch Schadensersatz geleistet. Außerdem werde ich durch die Bewährungshilfe seit Jahren unterstützt und ich möchte die Bewährungshilfe hat mir sehr geholfen. Auch diese Verbindung würde durch ein Aufenthaltsverbot verlieren.

Schließlich möchte ich die aufrechte stationäre Therapie (WJ-Krankenhaus) anfuhren, mit der ich meine Suchterkrankung bewältigen möchte. Ich möchte den begonnenen Weg bei der Bewältigung meiner Probleme weitergehen.

Die Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes würde ein Ende sämtlicher Bemühungen bedeuten und mich um Jahre zurückwerfen, da ich in Rumänien bei Null beginnen müsste. Daher ersuche ich eindringlich, meine Einwände vollständig zu berücksichtigen und den Bescheid GZ 1005265/FRB zu widerrufen.

 

Beiliegend zu diesem Schreiben möchte ich die Unterstützungen durch meine Familie, die Bewährungshilfe und die Therapieeinrichtungen als Bekräftigung meiner Einwände gegen den Bescheid geltend machen.

 

Dem Berufungsschriftsatz legte der Bw Schreiben des Vereins Neustart, seiner Familie, ein Dienstzeugnis der Firma X und eine Aufenthaltsbestätigung der Nervenklinik Linz bei.

 

3. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 29. April 2013 den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie die og. ergänzenden Schreiben des Bw, in aktuelle Auszüge aus der Fremdeninformation und des ZMR.

 

3.2. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. und 2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Unstrittig ist der Bw ein unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter EWR-Bürger und seit dem 6. August 2001 – somit mehr als 10 Jahre - durchgehend polizeilich im Bundesgebiet gemeldet.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 67 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

4.2. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde umfassend das strafrechtlich – und verwaltungsstrafrechtlich relevante Verhalten des Bw dargestellt. Unter Bezugnahme darauf ist die belangte Behörde nachvollziehbar zum Ergebnis gekommen, dass dieses eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

4.3. Wie nachfolgend dargestellt kommen jedoch nicht § 67 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG sondern § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG zur Anwendung, da der Bw auf eine mehr als 10-jährige durchgängige Aufenthaltsdauer verweisen kann.

 

Der seit August 2001 durchgehend rechtmäßige Aufenthalt des Bw im Bundesgebiet wurde auch von der belangten Behörde festgestellt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides angesprochen.

 

Es ist – im Hinblick auf die genannte Bestimmung - ausschließlich zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich zu gefährden. Fraglos ergibt sich aus dieser Bestimmung, dass der Gesetzgeber in den Fällen, in denen ein EWR-Bürger oder Schweizer Bürger schon über eine besondere Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet verfügt, die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erheblich intensiviert, weshalb die normierte maßgebliche und nachhaltige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich ein bedeutend höheres Maß an krimineller Disposition eines Fremden und schwerwiegendere Konsequenzen für die Sicherheit des Staates erfordert, als die für nicht verfestigte Aufenthalte vorgesehene tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

 

Grundsätzlich ist – wie oben erwähnt – weiter auszuführen, dass § 67 Abs. 1 vorletzter Satz die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes – korrespondierend zur unionsrechtlichen Rückführungsrichtlinie – an Gefährdungsszenarien der Sicherheit der Republik Österreich knüpft, die in einem besonderen Maß zu Tage treten. Dies beschränkt sich zwar nicht bloß auf "staatsgefährdende Kapitalverbrechen" wie Terrorismus udgl. per se, bedingt jedoch einen besonders weitreichenden bzw. gesellschaftlich und rechtlich anerkannten Unwertgehalt, eine weitreichende drohende erhebliche Schädigung der Gesundheit bzw. des Lebens von Menschen oder von nationalen ökonomischen Interessen. 

 

Zweifellos weist das über Jahre hinweg zum Vorschein gekommene strafrechtlich relevante Verhalten des Bw auf seine kriminelle Energie hin, das auch durch strafgerichtliche Verurteilungen offenbar nicht in Griff zu bekommen ist. Die mehrfachen Angriffe des Bw gegen Mitmenschen verbunden mit Eigentumsdelikten und Verstößen gegen das Suchtmittelgesetz bedingen ein kriminelles Potential, was weder übersehen noch verharmlost werden soll.

 

Alleine diese Straftaten sind jedoch nicht geeignet eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der Sicherheit der Republik Österreich annehmen zu lassen. Hiezu würde es eines wie oben beschriebenen Szenarios bedürfen. Es mangelt hier sowohl an der Staatsgefährdung im engeren Sinn, als auch an der weitreichenden nachhaltigen Schädigung für das Leben und die Gesundheit von Menschen oder nationalökonomischer Interessen. 

 

4.4. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass aufgrund seines persönlichen Verhaltens nicht davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib des Bw im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet wird.

 

4.5. Nachdem es aber im vorliegenden Fall schon an der Tatbestandsmäßigkeit mangelt, war ohne auf die Aspekte des Schutzes des Privat- und Familienlebens einzugehen, der angefochtene Bescheid aufzuheben. 

 

5. Da der Bw über ausreichende Deutschsprachkenntnisse verfügt konnte gemäß § 67 Abs. 5 FPG auf die Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides verzichtet werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) und 15,60 Euro (Gebühren für Beilagen), insgesamt 29,90 Euro, angefallen.

 

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

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