Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231319/2/Gf/Rt

Linz, 08.04.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des E, vertreten durch RA Dr. A, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 5. Februar 2013, Zl. Sich96-589-2010/Gr, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 5. Februar 2013, Zl. Sich96-589-2010/Gr, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 80 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 8 Euro) verhängt, weil er am 23. Oktober 2010 um 11:29 Uhr in T die öffentliche Ordnung dadurch ungerechtfertigt gestört habe, dass er sich in eine polizeiliche Amtshandlung, von der er nicht persönlich betroffen gewesen sei, lautstark eingemischt und diese so behindert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 133/2009 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen zweier Polizeibeamten als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien weder mildernde noch erschwerende Umstände hervorgekommen; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden.

1.2. Gegen dieses ihm am 8. März 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 22. März 2013 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wendet der Rechtsmittelwerber zunächst ein, dass die belangte Behörde den Vorwurf, dass durch sein Verhalten unbeteiligte Passanten auf den Vorfall aufmerksam geworden seien, nicht durch entsprechende Nachweise belegt habe. Außerdem lasse sich sein Verhalten nicht als eine Ordnungsstörung nach dem SPG, sondern – wenn überhaupt – bloß als eine Anstandsverletzung bzw. Lärmerregung i.S.d. Oö. Polizeistrafgesetzes qualifizieren. Schließlich erschöpfe sich die Beweiswürdigung der Erstbehörde auch ausschließlich darin, den einschreitenden Polizeibeamten mehr Glauben zu schenken als der Familie des Rechtsmittelwerbers.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. Sich96-589-2010; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

Nach § 82 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert, wobei mit einer Bestrafung gemäß § 82 Abs. 2 SPG eine zusätzliche Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 SPG ausgeschlossen ist.

 

Gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 lit. a des Oö. Polizeistrafgesetzes, LGBl.Nr. 36/1979, in der hier maßgeblichen Fassung LGBl.Nr. 77/2007 (im Folgenden: OöPolStG), begeht – außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung – u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen, der den öffentlichen Anstand verletzt; als Anstandsverletzung ist nach § 1 Abs. 2 OöPolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

 

Unter dem Blickwinkel der in § 82 Abs. 2 SPG und in § 1 Abs. 1 OöPolStG jeweils normierten Subsidiaritätsklausel resultiert damit für Sachverhalte, die prima vista sowohl das Tatbild der Ordnungsstörung als auch jenes des Störens einer Amtshandlung oder jenes der Anstandsverletzung erfüllen könnten, dass zunächst zu untersuchen ist, ob die Voraussetzungen für eine Bestrafung gemäß § 82 Abs. 1 SPG vorliegen; scheidet eine solche aus, ist § 81 Abs. 1 SPG heranzuziehen und erst zuletzt eine Prüfung anhand § 1 Abs. 1 OöPolStG vorzunehmen.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall wird dem Beschwerdeführer mit dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses angelastet, "sich in eine polizeiliche Erhebung lautstark eingemischt" sowie "auf Grund seines Auftretens und seiner Wortmeldungen ..... die Polizeiarbeit behindert" zu haben.

 

Mit dieser Tatumschreibung wird ihm prinzipiell eine Übertretung des § 82 Abs. 1 SPG angelastet. Allerdings wurde unterlassen, auch die Tatbestandsmerkmale des aggressiven Verhaltens und der vorausgehenden Abmahnung in den Spruch aufzunehmen und entsprechend zu konkretisieren, obgleich sowohl aus der Anzeige der Polizeiinspektion T vom 26. Oktober 2010, Zl. A1/25110/01/2010, als auch aus der zeugenschaftlichen Einvernahme eines der einschreitenden Sicherheitsorgane (vgl. die Niederschrift der BH Linz-Land vom 17. Februar 2011, Zln. Sich96-589 u. 590-2010, S. 2) hervorgeht, dass diese gegenständlich zweifelsfrei erfüllt waren.

 

Dass die deliktische Handlung damit unter einen unzutreffenden Tatbestand subsumiert wurde, kann freilich nicht dazu führen, dass deshalb im Ergebnis eine Bestrafung wegen einer Tat, die der Rechtsmittelwerber nicht begangen hat – nämlich wegen einer Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG (Ordnungsstörung) –, erfolgen könnte.

 

Aber auch eine Heranziehung des § 82 Abs. 1 SPG (Stören einer Amtshandlung) scheidet schon deshalb aus, weil diesbezüglich im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die beiden essentiellen Tatbestandsmerkmale der vorausgegangenen Abmahnung und des aggressiven Verhaltens nicht enthalten sind und infolge zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung auch nicht nachgetragen werden können.

 

3.3. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

 

VwSen-231319/2/Gf/Rt vom 8. April 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

SPG 1991 §81;

SPG 1991 §82;

PolStG 1979 §1

 

Im Hinblick auf die in § 82 Abs. 2 SPG und in § 1 Abs. 1 OÖ PolStG jeweils normierten Subsidiaritätsklauseln resultiert für Sachverhalte, die prima vista sowohl das Tatbild der Ordnungsstörung (§ 81 Abs. 1 SPG) als auch jenes des Störens einer Amtshandlung (§ 82 Abs. 1 SPG) oder jenes der Anstandsverletzung (§ 1 Abs. 1 OÖ PolStG) erfüllen könnten, dass zunächst zu untersuchen ist, ob die Voraussetzungen für eine Bestrafung gemäß § 82 Abs. 1 SPG vorliegen; scheidet eine solche aus, ist § 81 Abs. 1 SPG heranzuziehen und erst zuletzt eine Prüfung anhand § 1 Abs. 1 OÖ PolStG vorzunehmen.

 

 

 

 

 

 

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