Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401279/5/Gf/Rt

Linz, 18.04.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde der G, vertreten durch RA Dr. L, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck vom 12. bis zum 16. April 2013 zu Recht:

 

I. Die Anhaltung der Beschwerdeführerin in Schubhaft wird als nicht rechtswidrig festgestellt.

 

II. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 12. April 2013, ZI. Sich40-1628-2013, wurde über die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehöri­ge des Iran, gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 22/2013 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung ihrer Abschie­bung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhalte­zentrum (PAZ) X vollzogen.

Begründend wurde dazu - soweit für das gegenständliche Verfahren von Belang - der Sache nach ausgeführt, dass über die Rechtsmittelwerberin bereits zuvor, nämlich mit do. Bescheid vom 15. März 2013, die Schubhaft verhängt worden sei. Nachdem ihrer dagegen erhobenen Beschwerde vom Oö. Verwaltungssenat mit Erkenntnis vom 21. März 2013, ZI. VwSen-401272/4/Gf/Rt, stattgegeben worden sei, sei sie umgehend aus der Schubhaft entlassen und ihr in der Folge eine bundesbetreute Unterkunft zugewiesen worden. Am 25. März 2013 habe dann das Königreich Schweden ihrer Übernahme zwecks Durchführung des Asyl­verfahrens i.S.d. Dublin-Verordnung zugestimmt; außerdem sei ihr Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. April 2013 zurückgewiesen und sie unter einem nach Schweden ausgewiesen worden. Angesichts ihrer Falschanga­ben und ihrer Nichtmitwirkung im asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren, ihrer Mittellosigkeit, des gänzlichen Fehlens jeglicher sozialer Bezugspunkte zu Öster­reich sowie ihrer offenkundigen Rückkehrunwilligkeit nach Schweden sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie sich - in Kenntnis über die unmittelbar bevorstehenden fremdenpolizeilichen Maßnahmen - ihrer Ab­schiebung durch Untertauchen in die Anonymität zu entziehen versuchen wird. Daher würde sich die Anordnung gelinderer Mittel, wie insbesondere eine tägliche Meldepflicht bei einer Polizeiinspektion, nicht zur Zielerreichung eignen, weshalb neuerlich die Schubhaft anzuordnen gewesen sei.

 

1.2. Gegen ihre Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am 15. April
2013 von der Rechtsmittelwerberin per Telefax eingebrachte Beschwerde.

Darin wird zunächst eingewendet, dass sich im Schubhaftbescheid bezüglich des Vorwurfs, dass sie im Asylverfahren unwahre Angaben gemacht hätte, keine nachvollziehbare Begründung finde. Außerdem sei ihr der negative Asylbescheid vom 12. April 2013 - von der in diesem Zusammenhang schikanösen Vorgangs­weise ganz abgesehen - bislang nur im Wege einer unvollständigen Telekopie und sohin noch nicht rechtswirksam zugestellt worden, weshalb auch die damit verbundene Ausweisung nicht vollstreckbar sei. Weiters könne der Begründung des Schubhaftbescheides auch nicht entnommen werden, inwiefern gegenständ­lich eine derartige ultima-ratio-Situation vorliege, die anstelle der Anordnung von gelinderen Mitteln eine Schubhaftverhängung rechtfertigen könnte; insbesondere sei darauf hinzuweisen, dass sich die Beschwerdeführerin nach ihrer Entlassung aus der Schubhaft am 21. März 2013 aus eigenem unmittelbar ins Erstaufnah­mezentrum X begeben und sich seither zu keinem Zeitpunkt dem be­hördlichen Zugriff entzogen habe.

 

Daher wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit ihrer Anhaltung in Schubhaft beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat am 16. April 2013 den
Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

 

In dieser wird darauf hingewiesen, dass für eine wirksame Zustellung von Asyl­bescheiden die Sonderregelungen des Asylgesetzes, wonach es vorrangig darauf ankomme, dass der Bescheid dem Fremden selbst zugestellt wird, maßgeblich seien. Zudem stehe die tatsächliche Durchführung der Abschiebung der Rechts­mittelwerberin unmittelbar bevor.

 

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der gegenständlichen Beschwerde be­antragt.

 

1.4. Mit e-mail vom 17. April 2013 hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin am 16. April 2013 infolge Haftuntauglichkeit aus der Schub­haft entlassen wurde.

2.1.   Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu ZI. Sich40-1628-2013; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Vorbringen der Parteien der entscheidungsrelevante -und insoweit von diesen ohnehin unbestritten gebliebene - Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG ohnehin nur für Ausnahmsfälle vorgesehenen und auch mit Blick auf die Kürze der gesetzlichen Entscheidungsfrist nur für echte Sonderkonstellationen gedach­ten öffentlichen Verhandlung abgesehen werden. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn die Verfahrensparteien zwar formal einen entsprechenden Antrag gestellt, die Erforderlichkeit einer solchen Prozesshandlung aber in sachlicher Hinsicht nicht näher plausibel gemacht haben.

2.2.   Im vorliegenden Fall wurde bzw. wird die Rechtsmittelwerberin auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Spren­gel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, an­gehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Ver­waltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben (wobei das diesbezügliche Vorbringen der belangten Behörde, "dass auf schriftli­che Sachverhaltsfeststellungen nicht eingegangen wurde, weswegen eine münd­liche Verhandlung offensichtlich die einzige Möglichkeit darstellt, die Sachlage aufzuzeigen und die Beschwerde einer Einzelfallprüfung zuzuführen", angesichts der nahezu epischen Breite ihrer bisherigen, stets um wenige Fakten kreisenden schriftlichen Äußerungen geradezu paradox erscheinen muss).

2.3.   Dieser hatte, weil im vorliegen Fall auch die übrigen Prozessvoraussetzun­gen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG vorliegen, gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.


3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Hinsichtlich der Vorereignisse kann - um unnötige Wiederholungen zu ver­meiden - zunächst auf das den beiden Verfahrensparteien hinlänglich bekannte h. Erkenntnis vom 21. März 2013, ZI. VwSen-401272/4/Gf/Rt, dessen Begrün­dung hiermit zu einem integrierenden Bestandteil des gegenständlichen Beschei­des erklärt wird, verwiesen werden.

 

Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., festgestellt hat, dass ein Ein­griff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nur dann und insoweit gerecht­fertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Fremden­polizeibehörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Si­cherung des Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grund­recht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und ver­hältnismäßig ist (VfSIg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine ge­setzliche Regelung nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSIg 17891/2006 u. 18145/2007). Weiters gebe § 77 Abs. 1 FPG der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anord­nung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein -nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSIg 19323/2011) - klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt.

 

Auf dem Boden dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher zu kon­statieren, dass der Fremdenrechtsgesetzgeber den Organen der Vollziehung für die Erreichung der in § 76 FPG und § 77 FPG normierten, identischen (arg. "bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe" in § 77 Abs. 1 FPG) Zwecksetzung, v.a. jener der Verfahrenssicherung, zwei unterschiedliche Typen von Mitteln zur Hand gegeben hat - nämlich: Schubhaftverhängung einerseits und Anord­nung gelinderer Mittel andererseits -, deren Heranziehung im konkreten Fall nicht im Ermessen der Behörde steht: Vielmehr wird deren wechselseitiges Verhältnis zueinander durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deter­miniert. Dies in der Weise, dass die Fremdenpolizeibehörde - vorausgesetzt, dass ein Sicherungsbedarf überhaupt vorliegt - zunächst zu prüfen hat, ob die Heranziehung gelinderer Mittel, die ihrer Art nach einen vergleichsweise weniger intensiven Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nach sich ziehen, zur Zweckerreichung geeignet sind. Dabei steht der Gesetzgeber auf dem Stand­punkt, dass dies im Normalfall grundsätzlich zu bejahen ist, die Anordnung gelinderer Mittel also den Regelfall verkörpert (und zwar ungeachtet des Umstandes, dass diese [aus einer früher noch andersgearteten rechtspolitischen Grundhaltung heraus erklärbar] im Text des FPG systematisch besehen unzutref­fend erst im Anschluss an die Schubhaftverhängung geregelt sind).

 

Davon ausgehend darf das fremdenpolizeiliche Verfahren nur dann im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaftverhängung gesichert werden, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise (!) ein weniger ein­griffsintensives Vorgehen zweifelsfrei und zwingend ausschließen.

 

3.2. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde gegenüber einem Fremden, gegen
den die verfahrensrechtliche Erlassung oder die Vollstreckung einer aufenthalts-
beendenden Maßnahme zulässig ist, gelindere Mittel anzuordnen, sofern dies
notwendig ist, um die Durchführung eines solchen Verfahrens bzw. einer solchen
Vollstreckungsmaßnahme zu sichern, und sie zudem Grund zur Annahme hat,
dass der ansonsten mit einer Schubhaftverhängung intendierte Zweck auch
durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist nach § 77 Abs. 2 FPG weit­ers, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese zuvor nicht ohnehin schon von Amts wegen erfolgt ist.

 

Als gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anord­nung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3), in Betracht.

 

Nach § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde über einen Asyl­werber u.a. dann eine Schubhaft verhängen, wenn gegen diesen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 des Asylgesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 87/2012 (im Folgenden: AsylG), verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde.

 

3.3. Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgen-
des:

 

3.3.1. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. April 2013, ZI. 1302888-EASt-West, wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 4 AsylG als unzulässig zurückgewiesen; unter einem wurde sie gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG nach Schweden ausgewiesen.

 

Dieser Bescheid wurde zum einen der Rechtsmittelwerberin selbst - auch von ihr unwidersprochen - am 12. April 2013, und zwar noch vor der Verhängung der Schubhaft, durch persönliche Übergabe in der Erstaufnahmestelle X zuge­stellt. Zum anderen erfolgte auch eine Telefax-Zustellung an ihren Rechtsvertre­ter; dass und in welchem Umfang diese tatsächlich unvollständig gewesen sein soll, wurde von der Beschwerdeführerin nicht näher dargetan; insbesondere wur­de nicht vorgebracht, dass ihrem Rechtsvertreter - worauf es entscheidend an­kommt - der Spruch dieses Bescheides nicht zur Kenntnis gelangt wäre.

 

Im Ergebnis lag daher eine wirksame Zustellung i.S.d. § 23 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG vor. Die in diesem Bescheid verfügte Ausweisung war daher im Hinblick auf § 36 Abs. 1 AsylG auch unmittelbar vollstreckbar, zumal die Rechtsmittel­werberin weder behauptet hat, gegen diesen Zurückweisungsbescheid eine Be­schwerde an den Asylgerichtshof eingebracht zu haben, noch, dass dieser jener eine aufschiebende Wirkung zuerkannt hätte.

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen für eine Schubhaftverhängung gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG und die subjektiven Haftbedingungen - Letztere insbeson­dere schon mangels gegenteiligen Vorbringens der Beschwerdeführerin selbst -waren daher im vorliegenden Fall während der Anhaltung der Beschwerdeführe­rin gegeben.

 

3.3.2. Auch das von der belangten Behörde in ihrem Schubhaftbescheid ange­nommene - sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung in glei­cher Weise materiell determinierende - Sicherungsbedürfnis erweist sich (wenn­gleich nicht als zwingend, so doch zumindest) als vertretbar:

 

Zwar ist der Rechtsmittelwerberin zuzugestehen, dass sich die Begründung die­ses Bescheides (auch bzw. insbesondere in Verbindung mit der Gegenschrift an den Oö. Verwaltungssenat) - ungeachtet des Umstandes, dass er schon ex lege (vgl. § 76 Abs. 3 FPG) gemäß § 57 AVG, d.h. ohne vorangehendes ordentliches Ermittlungsverfahren zu ergehen hatte; dies bedeutet jedoch nicht, dass dessen Begründung nicht den Anforderungen des § 60 AVG zu entsprechen hätte -insgesamt besehen als weitgehend unstrukturiert, als sprachlich teilweise gera­dezu unverständlich und als mehrfach und ausufernd wiederholend erweist sowie sich ohne entsprechende Notwendigkeit auch mit solchen asylrechtlichen Fragen, zu deren Vollziehung die Fremdenpolizeibehörde nicht zuständig ist, auseinan­dersetzt.

 

Immerhin kann dem Schubhaftbescheid aber entnommen werden, dass der Rechtsmittelwerberin - jeweils mit näherer Begründung - ihre zahlreichen Falschangaben und ihre Nichtmitwirkung im asyl- und fremdenpolizeilichen Ver­fahren, ihre Mittellosigkeit, das gänzlichen Fehlen jeglicher Bezugspunkte zu Ös­terreich, ihre offenkundige Rückkehrunwilligkeit nach Schweden und die Zurückweisung ihres Asylantrages als solche konkreten Umstände aufgezeigt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sie sich - in voller Kenntnis über die nun unmittelbar bevorstehenden fremdenpolizeilichen Maß­nahmen - ihrer Abschiebung durch Untertauchen in die Anonymität zu entziehen versuchen wird.

 

Die grundsätzliche Notwendigkeit, konkrete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um einen ordnungsgemäßen Fortgang des fremdenpolizeilichen Verfahrens zu gewährleisten, liegt daher auf der Hand.

 

3.3.3. Damit erhebt sich an diesem Punkt unmittelbar die Frage nach der Adä-quanz, d.h. vom Vorliegen dieses Sicherungsbedürfnisses ausgehend ist im nächsten Schritt - und zwar prioritär - zu prüfen, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 3.1. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel - als eine grundlegende negativ-materielle Voraussetzung der allfälligen (nachgeordneten) Zulässigkeit der Schubhaftverhängung - erwo­gen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch tatsächlich zur An­wendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

3.3.3.1. Im Gegensatz zu jenem dem h. Erkenntnis vom 21. März 2013, ZI. VwSen-401272/4/Gf/Rt, zu Grunde liegenden Bescheid geht aus dem nunmehri­gen Schubhaftbescheid vom 12. April 2013, ZI. Sich40-1628-2013, hervor (vgl. S. 28), dass die belangte Behörde die Anordnung gelinderer Mittel, insbesondere eine periodische ("alltägliche") Meldepflicht geprüft, im Ergebnis aber deshalb davon Abstand genommen hat, weil

 

"dringend davon auszugehen ist, dass Sie sich selbst mit erhöhten Auflagen von Si­cherungsmaßnahmen wie eine tägliche Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspekti­on nicht daran hindern kann und würde, eine zugewiesene Unterkunft aufzugeben und sich der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung nach Schweden durch Ab­tauchen zu entziehen. Eine Erwägung einer weiteren erhöhten Sicherungsmaßnah­me im Rahmen des gelinderen Mittels, wie eine gesetzlich vorgesehene Einhebung einer finanziellen Sicherheitsleistung konnte nicht in Betracht gezogen werden, da Sie abseits eines geringfügigen Betrages mittellos sind. Es konnten - und zwar be­zogen auf ihren Einzelfall - keine geeigneten Sicherungsmaßnahmen gefunden wer­den, die ihre Hemmschweife gegenüber einem finalisierenden Mitwirken am Verfah­ren herabsetzen und gegenüber einem Abtauchen und einem Entzug der bevorste­henden Abschiebung so weit hoch setzen würde. Welche letztlich in Betrachtung der gesamten vorliegenden Sachlage ein Vertrauen gegenüber Sie soweit herstellen würde, und eine Sicherungsmaßnahme abseits freiheitsentziehender Maßnahme zu­lassen und begründen ließe."

 

Trotz aller sprachlichen Ungereimtheiten lässt sich daraus jedenfalls entnehmen, dass die Fremdenpolizeibehörde in einer Verpflichtung zu einer periodischen Mel­dung bei einer Sicherheitsdienststelle (und zwar wohl auch dann, wenn diese nicht nur einmal, sondern auch mehrmals täglich zu erfolgen hätte) allein noch keine Gewähr dafür erblickt, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der zwangsweisen Durchführung der Abschiebung auch tatsächlich für sie greifbar wäre. Die Vorschreibung des zusätzlichen Sicherungsmittels der Einhebung einer Kaution scheidet gegenständlich deshalb aus, weil die Rechtsmittelwerberin -was auch von ihr selbst gar nicht bestritten wird - über keine nennenswerten fi­nanziellen Mittel verfügt. Und schließlich sind auch sonstige gelindere Mittel, die im Verein mit einer periodischen Meldepflicht insgesamt dazu geeignet wären, einigermaßen verlässlich zu gewährleisten, dass die Beschwerdeführerin zwecks Durchführung ihrer zwangsweisen Abschiebung nach Schweden tatsächlich für die Behörde greifbar ist, objektiv nicht erkennbar.

 

Hinzu kommt hingegen noch, dass ihre Außerlandesschaffung unmittelbar bevor­steht, weil zwischenzeitlich, nämlich am 25. März 2013, Schweden ihrer Über­nahme zwecks do. Durchführung des Asyl Verfahrens i.S.d. Dublin-Verordnung zugestimmt hat.

 

Zu der in weiterer Folge zu treffenden Entscheidung, ob eine Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Heimatstaat (Iran) zulässig ist, ist nach den maß­geblichen unionsrechtlichen Vorschriften somit ausschließlich das Königreich Schweden zuständig; und weil zuletzt auch keine Hinweise i.S.d. § 5 Abs. 3 AsylG dafür bestehen, dass sich dieser Staat insoweit nicht an die hierfür maß­gebliche Judikatur des EuGH halten würde, ist die intendierte Abschiebung der Rechtsmittelwerberin dorthin insgesamt weder rechtlich gehindert noch tatsäch­lich undurchführbar.

 

3.3.3.2. Zwar hat der Oö. Verwaltungssenat im bereits mehrfach angesproche­nen h. Erkenntnis vom 21. März 2013, VwSen- 401279/4/Gf/Rt, darauf hinge­wiesen, dass durch eine gleichsam routineartige Schubhaftverhängung in jedem "standardmäßigen Durchschnittsfair, der sich dadurch auszeichnet, dass ein örtlich und sozial ungebundener Asylwerber illegal und mittellos ins Bundesgebiet eingereist ist und in der Folge versucht, seinen Aufenthalt in Österreich - auch durch mangelnde Kooperation im Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren - fak­tisch so lange als möglich hinauszuzögern, nicht nur das dem Gesetzgeber nach dem VfGH-Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zusinnbare Verhält­nis der absoluten Nachrangigkeit zu gelinderen Mitteln ins Gegenteil verkehrt würde: Zu Ende gedacht würde es damit einem Fremden auch kategorisch ver-unmöglicht, nunmehr ein normenkonformes Verhalten an den Tag legen und damit seine Besserungswilligkeit unter Beweis stellen zu können. Dies könnte aber die weitere Gefahr in sich bergen, dass Fremde auf diese Weise dem Pau­schalverdacht ausgesetzt werden, habituell unbekehrbare Gesetzesüber­treter zu sein. Ein solches Ergebnis würde jedoch augenfällig dem Art. 1 EGRC (vgl. dazu jüngst VwGH vom 23. Jänner 2013, ZI. 2010/15/0196, wonach insbe­sondere das fremdenpolizeiliche Verfahren als "Durchführung des Rechts der Union" i.S.d. Art. 51 Abs. 1 EGRC anzusehen ist) insoweit widersprechen, als es nach dieser allgemeinen Grundrechtsgewährleistung kategorisch ausgeschlossen ist, das Verhalten eines Fremden unter Außerachtlassung der Unantastbarkeit der Menschenwürde vorrangig nur auf Basis allgemeiner Erfahrungs- und sta­tistischer Durchschnittswerte zu taxieren und damit als bloßes Objekt eines Auf­enthaltsbeendigungsverfahrens anzusehen. Aus solchen Gründen, wie sie in Fäl­len von schlepperunterstützten Asylwerbern typischerweise vorliegen (wie: Nicht­feststehen der Identität; Fehlen von Reisedokumenten, sozialen Bindungen und finanziellen Mitteln; Rückkehrunwilligkeit; etc.), kann hingegen nicht schon per se darauf geschlossen werden, dass diese stets für die Verhängung von Schub­haft hinreichen; denn bei einer solchen Sichtweise würde eben die Priorität ge­linderer Mittel gerade ins Gegenteil verkehrt.

 

Im Gegensatz dazu liegt jedoch nunmehr mit der Unmöglichkeit, über die bloße Verpflichtung zum Aufenthalt in einer bundesbetreuten Unterkunft und zur perio­dischen Meldung bei einer Polizeiinspektion hinaus weitere gelindere Mittel (wie insbesondere die Einhebung einer - auch effektiven - finanziellen Sicherheits­leistung) anzuordnen in Verbindung mit der gegenwärtig unmittelbar bevor­stehenden Durchführung der Ausweisung im Wege der zwangsweisen Abschie­bung der Beschwerdeführerin, der der Aufnahmestaat (Schweden) bereits zuge­stimmt hat, eine solche ultima-ratio-Situation vor, die die Anordnung von Schub­haft rechtfertigt.

 

3.3.3.3. Die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung, dass sich die Schubhaftverhängung angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Fal­les somit im Ergebnis nicht als unverhältnismäßig erweist, kann daher aus allen diesen Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden.

 

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass der Unab­hängige Verwaltungssenat in einem Verfahren nach den §§ 82 f FPG nicht - wie in einem sonstigen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren nach dem 1. und 2. Abschnitt des IV. Teiles des AVG bzw. nach dem 5. Abschnitt des II. Teiles des VStG - Berufungs-, sondern nur Haftprüfungsbehörde i.S.d. Art. 6 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 4 EMRK ist. Dies bedeutet, dass dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukommt, und zwar dahin, ob es unter Zugrundele­gung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung ge­linderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen.

Davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel - singulär oder kumulativ - anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, grundsätzlich nur von der Fremdenpolizeibe­hörde selbst getroffen und vom UVS eine dementsprechende Mittelauswahl im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nur im Falle von Rechtswidrig­keit, nicht aber auch dann gerügt werden, wenn bzw. solange sich die Behörde im Rahmen des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraumes bewegt.

 

3.3.3.4. Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin der Sache nach monierten tendenziösen fremdenpolizeibehördlichen Äußerungen in der Begründung des Schubhaftbescheides genügt der Hinweis, dass de facto nicht einmal höchst­gerichtliche Entscheidungen eine Änderung der Gesinnung und/oder der prakti­schen Handhabung zu bewirken vermögen, sondern - wenn überhaupt - allen­falls bloß eine entsprechende Reaktion eines von polizeilicher Beeinflussung un­abhängigen Gesetzgebers; bis dahin haben aber nicht die Gerichte, sondern die politischen Entscheidungsträger die Verantwortung dafür zu tragen, dass die Zeit Zurückschiebung in den nach der Dublin-VO zuständigen Staat in der Praxis in al­ler Regel im Wege der Schubhaft überbrückt wird. Sich auf jene nicht sachbezo­genen Begründungselemente des Schubhaftbescheides im Einzelnen näher einzu­lassen und/oder sich damit sogar argumentativ auseinanderzusetzen, würde zu­dem eine große Gefahr dahin in sich bergen, sich auf das gleiche Niveau zu be­geben; aus rechtlicher Sicht ist jedoch vielmehr gefordert, sich selbst von pole­mischen Statements (vgl. z.B. den in der Gegenschrift enthaltenen Hinweis auf eine gegen das h. Erkenntnis vom 21. März 2013, ZI. VwSen-401272/4/Gf/Rt, angeregte Amtsbeschwerde, dessen Zweck selbsterklärend ist) hinsichtlich der Sachentscheidung nicht beeinflussen zu lassen.

4. Aus allen diesen Gründen war daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 83 Abs. 1 und 4 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war die Beschwerdeführerin dazu zu verpflich­ten, dem Bund nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Gebühren: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsan­walt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrich­ten ist.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 14,30 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. G r ó f

 

 

 

VwSen-401279/5/Gf/Rt vom 18. April 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Grundrechte Charta Art1;

Grundrechte Charta Art51 Abs1;

MRK Art5;

PersFrBVG Art6;

FrPolG 2005 §76;

FrPolG 2005 §77;

FrPolG 2005 §80;

FrPolG § 83 FPG

 

* Priorität von gelinderen Mitteln iSd § 77 FPG im Verhältnis zur Verhängung von Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG (wie VwSen-401272/4/Gf/Rt vom 21. März 2013);

 

Vorliegen einer ultima-ratio-Situation, die die Verhängung von Schubhaft rechtfertigt, ist gegeben, wenn einerseits auf Grund der konkreten Situation des Fremden über die bloße Verpflichtung zum Aufenthalt in einer bundesbetreuten Unterkunft und zur periodischen Meldung bei einer Polizeiinspektion hinaus weitere gelindere Mittel (wie insbesondere die Einhebung einer – auch effektiven – finanziellen Sicherheitsleistung) nicht angeordnet werden können und andererseits  die Durchführung seiner Ausweisung im Wege der zwangsweisen Abschiebung gegenwärtig unmittelbar bevorsteht;

 

* Als bloße Haftprüfungsbehörde kommt dem UVS im Rahmen eines Schubhaftbeschwerdeverfahrens nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zu, und zwar dahin, ob es unter Zugrundelegung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung gelinderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen; davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel – singulär oder kumulativ – anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, grundsätzlich nur von der Fremdenpolizeibehörde selbst getroffen und vom UVS eine dementsprechende Mittelauswahl im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nur im Falle von Rechtswidrigkeit, nicht aber auch dann gerügt werden, wenn bzw. solange sich die Behörde im Rahmen des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraumes bewegt.

 

 

 

 

 

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