Linz, 08.05.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn X, geb. 1962, D-52499 Baesweiler, vom 23.01.2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 20.11.2012, Zl. VerkR96-8401-2010 wegen mehrerer Übertretungen des KFG 1967 zu Recht erkannt:
I. Hinsichtlich der Punkte 1, 2, 3 und 4 wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.
II. Hinsichtlich Punkt 5 wird der Berufung stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
III. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten reduzieren sich auf 170 Euro, für das Berufungsverfahren ist ein Kostenbeitrag in Höhe von 340 Euro zu bezahlen (20% der zu den Punkten 1, 3 und 4 bestätigten Geldstrafen).
Rechtsgrundlagen:
zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG;
zu II.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z3 VStG;
zu III.: §§ 64 ff VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis folgendes vorgeworfen:
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber geltend, dass die Verfolgungsfrist abgelaufen sei, weil ihm das Straferkenntnis erst am 19.01.2013 zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 03.03.2013 ergänzte er seine Berufung dahingehend, dass er seit jenem Vorfall nicht mehr beim Speditionsunternehmen X in X arbeite. Dieses Unternehmen habe die Fahrer genötigt, alles daran zu setzen, die Touren zu Ende zu fahren, ohne auf die Lenk- und Ruhezeiten Rücksicht zu nehmen. Er habe die Firma täglich darauf hingewiesen, diese habe ihn jedoch mit der Kündigung seines Arbeitsplatzes gedroht und versprochen, für eventuelle Anzeigen die Kosten zu übernehmen. Dies hätten sie jedoch nie gemacht. Er sei seit mehr als 2 Jahren nicht mehr bei diesem Unternehmen und habe die Firma angezeigt.
Zu seinen finanziellen Verhältnissen führte der Berufungswerber aus, dass er in Privatkonkurs sei und lediglich 1200 Euro für seinen Lebensunterhalt behalten dürfe. Das Verfahren laufe noch 5 Jahre. Er ersuchte um eine Milderung der Strafe, um für die Zukunft eine angemessene Ratenvereinbarung zu vereinbaren.
3. Der Bezirkshauptmann von Ried im Innkreis hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).
4. Der UVS des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Eine solche wurde vom Berufungswerber trotz Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung auch nicht verlangt.
4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Berufungswerber hat die im Straferkenntnis angeführten Tageslenkzeiten (Punkt 1) sowie die Summe der Wochenlenkzeit zweier aufeinanderfolgender Wochen (Punkt 2) eingehalten. Er hat in den im Punkt 3 des Straferkenntnisses angeführten Zeiträumen die dort angeführten Lenkpausen eingelegt und hat in den in Punkt 4 angeführten 24-Stunden-Zeiträumen die jeweils dort angeführten Ruhezeiten eingehalten. Er hat am 12.06.2010 die zweite verkürzte wöchentliche Ruhezeit hintereinander begonnen (Punkt 5), allerdings war das Ende des 6. 24-Stunden-Zeitraumes nicht am 25.05.2010. Bei diesem Tag handelte es sich um einen Dienstag und der Berufungswerber hatte an diesem Tag seine erste tägliche Lenkzeit in dieser Woche begonnen.
Für die Strafbemessung ist festzuhalten, dass sich der Berufungswerber im Privatkonkurs befindet und lediglich über 1200 Euro monatlich verfügen kann. Er hat Sorgepflichten für 3 Kinder und ist aktenkundig unbescholten.
5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:
5.1. Gemäß Artikel 6 Abs.1 der Verordnung (EG) 561/2006 darf die tägliche Lenkzeit 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf jedoch höchstens zweimal in der Woche auf höchstens 10 Stunden verlängert werden.
Gemäß Artikel 6 Abs.3 der Verordnung (EG) 561/2006 darf die summierte Gesamtlenkzeit während zweier aufeinander folgenden Wochen 90 Stunden nicht überschreiten.
Gemäß Artikel 7 der Verordnung (EG) 561/2006 hat ein Fahrer nach einer Lenkdauer von 4,5 Stunden eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten einzulegen, sofern er keine Ruhezeit einlegt.
Diese Unterbrechung kann durch eine Unterbrechung von mindestens
15 Minuten, gefolgt von einer Unterbrechung von mindestens 30 Minuten, ersetzt werden, die in die Lenkzeit so einzufügen sind, dass die Bestimmungen des Abs.1 eingehalten werden.
Gemäß Artikel 8 Abs.1 der Verordnung (EG) 561/2006 muss der Fahrer tägliche und wöchentliche Ruhezeiten einhalten.
Gemäß Artikel 8 Abs.2 der Verordnung (EG) 561/2006 muss der Fahrer innerhalb von 24 Stunden nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit eine neue tägliche Ruhezeit genommen haben. Beträgt der Teil der täglichen Ruhezeit, die in den 24-Stunden-Zeitraum fällt, mindestens 9 Stunden, jedoch weniger als 11 Stunden, so ist die fragliche tägliche Ruhezeit als reduzierte tägliche Ruhezeit anzusehen.
Gemäß Artikel 8 Abs.6 der Verordnung (EG) 561/2006 hat der Fahrer in zwei jeweils aufeinanderfolgenden Wochen mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten:
- zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder
- eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden.
Dabei wird jedoch die Reduzierung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss.
Eine wöchentliche Ruhezeit beginnt spätestens am Ende von sechs 24-Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit.
5.2. Der Berufungswerber hat an den im Spruch des Straferkenntnisses angeführten 10 Tagen die erlaubte Tageslenkzeit von 9 bzw. 10 Stunden überschritten. Er hat die summierte Gesamtlenkzeit zwei aufeinanderfolgender Wochen in den in Punkt 2 angeführten Zeiträumen überschritten und in den in Punkt 3 angeführten Zeiträumen keine ausreichende Lenkpause nach einer Lenkzeit von 4 Stunden und 30 Minuten eingelegt. Er hat in den in Punkt 4 angeführten 10 24-Stunden-Zeiträumen keine ausreichende Ruhezeit von 9 bzw. 11 Stunden eingehalten und er hat nach einer verkürzten wöchentlichen Ruhezeit eine weitere zu kurze wöchentliche Ruhezeit (beginnend am 12.06.2010) eingelegt. Der Berufungswerber hat daher die ihm in den Punkten 1 bis 5 vorgeworfenen Übertretungen in objektiver Hinsicht begangen.
Bezüglich Punkt 5 ist allerdings festzuhalten, dass dem Berufungswerber im Straferkenntnis sowie in allen vorangegangenen Verfolgungshandlungen vorgeworfen wurde, dass das Ende des 6. 24-Stunden-Zeitraumes bereits am 25.05.2010 gewesen sei, während die verkürzte wöchentliche Ruhezeit am 14.06.2010 geendet hätte. Dieser Vorwurf ist nicht richtig, weil er am 25.05.2010 nicht den 6. 24-Stunden-Zeitraum beendet sondern nach einer ausreichenden Wochenruhezeit mit einer neuen (ersten) Tageslenkzeit begonnen hatte. Der Vorwurf ist auch insofern widersprüchlich, als es sich bei der wöchentlichen Ruhezeit, welche am 14.06.2010 endete, bereits um die 3. wöchentliche Ruhezeit (gerechnet vom 24-Stunden-Zeitraum am 25.05.2010) handelte. In diesem Punkt liegt daher keine ausreichende Verfolgungshandlung vor, welche alle Tatbestandsmerkmale eindeutig umschreibt, sodass bezüglich dieses Punktes tatsächlich Verfolgungsverjährung eingetreten ist.
Bezüglich der anderen Punkte ist die vom Berufungswerber geltend gemachte Verfolgungsverjährung jedoch nicht eingetreten, weil dem Berufungswerber diese Übertretungen bereits mit dem am 02.11.2010 abgesendeten Schreiben (Aufforderung zur Rechtfertigung) vollständig und richtig vorgehalten wurden. Mit dieser rechtzeitigen Verfolgungshandlung wurde die Verfolgungsverjährung ausgeschlossen.
Soweit sich der Berufungswerber auf mangelndes Verschulden beruft, weil er die Übertretungen lediglich aufgrund des Druckes seines Arbeitsgebers und der drohenden Kündigung begangen habe, ist er darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes drohende (auch erhebliche) wirtschaftliche Nachteile das Verschulden nicht ausschließen (VwGH 23.7.1999, 97/02/0506). Es muss von jedermann verlangt werden, sich trotz drohender wirtschaftlicher Nachteile rechtmäßig zu verhalten. Lediglich im Falle einer tatsächlichen Existenz bedrohenden wirtschaftlichen Gefährdung könnte allenfalls mangelndes Verschulden geltend gemacht werden. Da jedoch auch in Deutschland bei einem Verlust des Arbeitsplatzes soziale Unterstützungen geleistet werden, kann die Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes die Begehung schwerwiegender Verkehrsübertretungen nicht entschuldigen. Der Berufungswerber hat die Übertretungen daher auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.
5.3. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die gesetzliche Höchststrafe für jede Übertretung beträgt gemäß § 134 Abs.1 KFG 1967 jeweils 5000 Euro.
Gemäß § 134 Abs.1b KFG werden die Verstöße gegen die Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EG) Nr. 3821/85 anhand des Anhanges III der Richtlinie 2006/22/EG, in der Fassung der Richtlinie 2009/5/EG, ABL Nr. L29 vom 30. Jänner 2009, Seite 45, nach ihrer Schwere in drei Kategorien (sehr schwere Verstöße – schwere Verstöße – geringfügige Verstöße) aufgeteilt. Die Höhe der Geldstrafe ist nach der Schwere des Verstoßes zu bemessen und hat im Falle eines schweren Verstoßes nicht weniger als 200 Euro und im Falle eines sehr schweren Verstoßes nicht weniger als 300 Euro zu betragen.
Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat zutreffend die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers sowie die lange Dauer des Verwaltungsstrafverfahrens als strafmildernd berücksichtigt. Sonstige Strafmilderungsgründe liegen nicht vor.
Als erheblich straferschwerend sind hingegen die Häufung der Übertretungen sowie das teilweise gravierende Ausmaß der Lenkzeitüberschreitungen bzw. Ruhezeitunterschreitungen und zu kurzen Lenkpausen zu werten. Der Berufungswerber hat die erlaubte Tageslenkzeit in insgesamt 10 Fällen überschritten, wobei die längste Tageslenkzeit 21 Stunden und 51 Minuten betragen hat. Innerhalb dieser Tageslenkzeit hatte er nur eine Ruhezeit von ca. 5 Stunden eingehalten. In 7 dieser 10 Fälle hat der Berufungswerber die erlaubte Tageslenkzeit um mehr als 2 Stunden überschritten, der Unrechtsgehalt dieser Übertretungen ist daher ganz massiv. Es handelt sich um einen sehr schwerwiegenden Verstoß, sodass die gesetzliche Mindeststrafe 300 Euro beträgt.
Der Berufungswerber hat in 4 Fällen keine erforderliche Lenkpause von mindestens 45 Minuten eingelegt, wobei in 2 Fällen die Lenkzeit mehr als 5 Stunden betragen hat. Es handelt sich daher um einen schwerwiegenden Verstoß, sodass die gesetzliche Mindeststrafe 200 Euro beträgt.
Er hat in insgesamt 10 Fällen die erforderliche Ruhezeit nicht eingehalten, in 1 Fall (14.06.2010) betrug die Ruhezeit sogar nur 1 Stunde und 44 Minuten. Insgesamt hat er die erforderliche Ruhezeit in 7 Fällen um mehr als 2 Stunden und 30 Minuten unterschritten, sodass es sich auch hier um einen sehr schwerwiegenden Verstoß handelt. Die gesetzliche Mindeststrafe beträgt daher auch in diesem Fall 300 Euro. Auch bei dieser Übertretung ist der Unrechtsgehalt massiv.
Allgemein ist festzuhalten, dass bei deutlich zu langen Lenkzeiten bzw. zu kurzen Ruhezeiten die Konzentration der Kraftfahrer stark nachlässt, weshalb es immer wieder zu gefährlichen Situationen und auch zu Verkehrsunfällen kommt. Diese führen insbesondere wegen der Größe der beteiligten Fahrzeuge oft zu schweren Verletzungen und darüber hinaus zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen auf Durchzugsstraßen. Es ist daher im Interesse der Verkehrssicherheit notwendig, die Einhaltung dieser Bestimmungen durch entsprechend strenge Strafen sicherzustellen.
Bezüglich der Lenkpausen hat die Erstinstanz ohnedies nur die gesetzliche Mindeststrafe verhängt. Bezüglich der täglichen Lenkzeiten sowie der täglichen Ruhezeiten konnte aufgrund der Häufung sowie der massiven Überschreitung mit der jeweiligen Mindeststrafe nicht das Auslangen gefunden werden. Die von der Erstinstanz dafür verhängten Geldstrafen von 800 bzw. 700 Euro erscheinen nicht überhöht. Trotz der gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren ungünstigeren finanziellen Verhältnisse (monatlich verfügbarer Betrag in Höhe von 1200 Euro bei Sorgepflichten von 3 Kindern) kommt eine Herabsetzung dieser Strafen sowohl aus general- als auch spezialpräventiven Überlegungen nicht in Betracht.
Zu III.:
Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.
Soweit sich der Berufungswerber auf eine mögliche Ratenvereinbarung bezieht, wird er darauf hingewiesen, dass er die Möglichkeit hat, nach Zustellung dieser Entscheidung bei der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis um eine entsprechende Ratenzahlung anzusuchen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Mag. Gottfried Z ö b l