Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-401297/5/MB/WU

Linz, 23.05.2013

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Brandstetter über die Beschwerde des X, geb. X, StA Türkei, derzeit angehalten im PAZ X, vertreten durch die X, beide Zustelladresse: X, wegen Anhaltung in Schubhaft seit dem 15. Mai 2013 durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich, zu Recht erkannt:

 

I.        Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Landespolizeidirektion Oberösterreich) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 135/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.


Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Landespolizeidirektors vom 16. Mai 2013, AZ.: 1077269, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG idgF die Schubhaft angeordnet und im PAZ X vollzogen. Der Bf befindet sich im Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates weiterhin im Stande der Schubhaft.

 

Die belangte Behörde spricht dazu wie folgt ab:

"Gemäß § 76 Abs. 2 Zi. 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (BGBl. Nr, I 100/2005; FPG), iVm. § 57 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BGBl. Nr. 51/1991; AVG) wird gegen Sie die Schubhaft zur Sicherung

  • des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung (§ 10 AsylG)
  • der Abschiebung (§ 46 FPG)

angeordnet."

 

Die belangte Behörde begründet dies wie folgt:

„Gemäß § 76 Abs. 2 kann die örtliche zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung  , durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares  Aufenthaltsverbot  erlassen worden ist  oder

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Am 15.05.2013, kurz vor 23:30 Uhr wurden Sie im Zuge von Fremdenkontrollen im Zug der Westbahn, EN 466, von Beamten des LKA Burgenland kurz vor Linz von Wien kommend ohne Dokumente angetroffen. Sie gaben an, von der Schweiz kommend, nach Frankreich zu wollen. Bei dieser fremdenpolizeilichen Kontrolle konnte festgestellt werden, dass Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalten. Sie sind weder im Besitze eines für Sie erforderlichen Reisedokumentes noch eines Einreise – bzw. Aufenthaltstitels/-berechtigung für Österreich. Aufgrund dieses Umstandes wurden Sie um 23:30 Uhr gem. § 39 FPG festgenommen und zur Polizeiinspektion Linz-Hauptbahnhof verbracht. Im Zuge dessen bzw. im Rahmen einer erkennungsdienstlichen Behandlung konnte erhoben werden, dass Sie bereits einmal in Ungarn am 7.5.2013 einen Asylantrag gestellt hatten. Da Sie sich auf Grund dieses Umstandes nicht rechtmäßig in Österreich aufhalten, wurde nach telefonischer Kontaktaufnahme und Sachverhaltsschilderung mit dem Journalbeamten der LPD ein Festnahmeauftrag gem. § 74 Abs. 2 Z 1 FPG erteilt, Sie von den Polizeibeamten festgenommen und in das PAZ X eingeliefert. Anlässlich Ihrer fremdenpolizeilichen Einvernahme am heutigen Tag, gaben Sie an wie folgt:

Ich habe die Türkei im 01.03.2013 verlassen und reiste auf dem Wasserweg nach Athen. In Athen war ich etwa einen Monat. Dort habe ich keinen Asylantrag gestellt. Von Athen reiste ich weiter nach Mazedonien von dort in den Kosovo, Serbien und dann nach Ungarn. In Ungarn bliebe ich etwa 2 Wochen. In Ungarn stellte ich keinen Asylantrag. Am 15.05.2013 reiste ich mit dem Zug von Budapest nach Wien und weiter nach X. Ich wollte nach Frankreich. In Frankreich lebt meine Freundin. Ich wollte zu meiner Freundin. Am 15.05.2013 wurde ich im Zug einer Personenkontrolle unterzogen. Dabei wurde mein illegaler Aufenthalt festgestellt, ich wurde festgenommen und in das PAZ X eingeliefert. Mir wird gesagt, dass ich wegen illegaler Einreise und Aufenthalt zur Anzeige gebracht werde. Weiters wird mir gesagt, dass beabsichtigt ist über mich die Schubhaft zu verhängen. Dazu wird mir das Schubhaftinformationsblatt ausgefolgt und ich habe dazu keine Fragen. Weiters ist beabsichtigt mich in die Türkei abzuschieben. Ich habe in der Türkei Probleme. Ich möchte einen Asylantrag stellen. Zu meinen persönlichen Verhältnissen befragt gebe ich an: In Österreich habe ich keinen Wohnsitz und keine Verwandte.Ich habe einen türkischen Reisepass. Diesen habe ich verloren. Meine Geburtsurkunde befindet sich in der Türkei. An Barmittel verfüge ich über € 195,00. Auf Befragung gebe ich an, dass ich in Schubhaft arbeitswillig bin. Weiters wird mir gesagt, dass ich in ein anderes PAZ verlegt werde. Ich möchte nicht, dass meine Vertretungsbehörde verständigt wird. Ich habe alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen.

 

Im Zuge Ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung konnte festgestellt werden , dass bei Ihnen ein sogenannter EURO – DAC Treffer vorliegt , d.h. dass Ihnen bei Ihrer Asylantragstellung in Ungarn die Fingerabdrücke abgenommen wurden – diese sind ident  mit den Fingerabdrücken, die von Ihnen nun in Österreich abgenommen wurden.

 

Asylantragstellung in Ungarn am 7.5.2013.

 

Dieser Umstand sowie das Ergebnis Ihrer erkennungsdienstlichen Behandlung rechtfertigt die Annahme, dass Ihr Antrag auf internationalen Schutz – nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens mit Ungarn – mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Sie verfügen nun lt. Ihren Angaben in Österreich über keinen Wohnsitz, haben zu Österreich keinen Bezug, haben hier keinerlei Verwandte von Ihnen.

 

Entscheidungsrelevant ist vor allem der Umstand, dass Sie offensichtlich nicht bereit sind, den Ausgang Ihres Asylverfahrens in Ungarn abzuwarten, sondern illegal nach Österreich einreisten und hier einen Asylantrag stellten.

 

Hier ist festzuhalten, dass Ihre Angaben in Ihrer Gesamtheit mit absoluter Unglaubwürdigkeit behaftet sind, diese sind schlicht als falsch zu betrachten.

So geben Sie trotz Vorhalt des Umstandes, dass die Behörde erheben konnte, dass Sie am in der Ungarn bereits einen Asylantrag stellten, an, dass Sie keinen Asylantrag in Ungarn gestellt hätten.

 

Entscheidungsrelevant ist hier vor allem Ihre beharrliche objektive Falschaussage , in Ungarn einen Asylantrag gestellt zu haben.

 

Hier ist auf die ständige Rechtssprechung des VwGH zu verweisen: So hält beispielsweise der VwGH in einem Beispielfall zu nachhaltigen Falschangaben in seiner Rechtsprechung zu Zl.: 2009/21/0077 vom 27.01.2010 fest: " Die Feststellung der belangten Behörde, unwahre Angaben seien dem Mitbeteiligten anhand des vorliegenden Aktenmaterials nicht nachweisbar, steht im Widerspruch zum eingangs dargestellten Akteninhalt, aus dem die einzeln beschriebenen unwahren Angaben des Mitbeteiligten(...),  abzuleiten sind. Die dem entgegenstehenden Tatsachenannahmen der belangten Behörde erweisen sich somit - worauf die Amtsbeschwerde zutreffend hinweist - als aktenwidrig. Die Aktenwidrigkeit ist auch relevant, weil die dargestellten beharrlich unrichtigen Aussagen des Mitbeteiligten in einem wesentlichen Punkt eine maßgebliche Abweichung vom "Standardfall" eines Asylwerbers (...) (vgl. dazu grundlegend das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043) darstellen und in der vorliegenden Konstellation den Schluss rechtfertigen konnten, der Mitbeteiligte werde sich auch später der Durchsetzung einer gegen ihn erlassenen Ausweisung entziehen."

 

Ein gegenständlicher Fall -  ein Asylwerber der Aufenthalt in einem anderen Staat und eine dortige erkennungsdienstliche Behandlung verschweigt - wird in der Rechtsprechung des VwGH bereits als maßgebliche Abweichung vom Standardfall angesehen.

 

Ihren Angaben in der fremdenpolizeilichen Einvernahme am heutigen Tage lässt sich jedoch eindeutig ersehen, dass Ihre Absicht war, illegal in Österreich einzureisen und sich auf unbestimmte Zeit aufzuhalten und Ihr gesamtes Verhalten darauf gerichtet war , sich dem Zugriff der Behörden zu entziehen – siehe Ihre regen Reizbewegungen durch sechs europäische Länder seit 1.3.2013, verbunden mit des Aussage auch in Ungarn keinen Asylantrag gestellt zu haben, obwohl ein EURODAC Treffer das Gegenteil beweist.

Somit relativiert sich auch Ihre Aussage, dass Sie Probleme in der Türkei haben und deswegen einen hier einen Asylantrag stellen. Sie stellten den Asylantrag erst, als Sie von Polizeibeamten aufgegriffen wurden.

 

Auf Grund Vorgesagtem kann die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gem. § 10 Asylgesetz 2005 und eine daraus resultierende allfällige Abschiebung im konkreten Fall nur durch die Verhängung der Schubhaft gesichert werden.

 

Vom Bestehen einer Sicherungsnotwendigkeit ausgehend sei schließlich im Lichte des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu untersuchen gewesen, ob der mit der fremdenpolizeilichen Maßnahme konkret verfolgte Zweck nicht auch durch gelindere Sicherungsmittel zu erreichen gewesen wäre. Dabei ist eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und/oder der Außerlandesschaffung (Aufenthaltsbeendigung) und dem privaten Interesse an einer Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist (vgl. VwGH vom 25.03.2010, Zl. 2009/21/0276). Die Anordnung gelinderer Mittel bedinge das grundsätzliche Vertrauen, dass Sie sich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und/oder Sie sich zum Zeitpunkt der Durchführung der Abschiebung der Behörde zur Verfügung halten, dh. für diese auch faktisch greifbar sind. In diesem  Zusammenhang gehe die Rechtsordnung davon aus, dass ein derartiges Vertrauen a priori zunächst vorauszusetzen ist. Daraus folgt, dass – wie im vorlie-genden Fall – es der Behörde obliegt, jene Gründe vorzubringen und entsprechend zu belegen, die im jeweiligen Fall für ein konkretes Nichtbestehens eines derartigen Vertrauensverhältnisses sprechen. Einer derartigen Prognoseentscheidung seien somit v.a. jene Hinweise in Bezug auf das bisherige Verhalten zu Grunde zu legen, die gegen bzw. für eine Freiheitsentziehung sprechen.

 

In Ihrem Fall ist nunmehr dringend davon auszugehen, dass Sie sich selbst mit erhöhten Auflagen von Sicherungsmaßnahmen wie einer tägliche Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion nicht daran gehindert sehen, eine zugewiesene Unterkunft aufzugeben und sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und/oder der unmittelbar bevorstehenden Abschiebung durch Untertauchen zu entziehen, gaben Sie doch selbst an, nach Frankreich weiterreisen zu wollen. Eine Abwägung einer weiteren erhöhten Sicherungsmaßnahme im Rahmen des gelinderen Mittels, wie eine gesetzlich vorgesehen Einhebung einer finanziellen Sicherheitsleistung, konnte überdies nicht in Betracht gezogen werden, da Sie abgesehen von einem geringfügigen Geldbetrag in Höhe von € 195,-, mittellos sind.  Es konnten daher – und zwar bezogen auf Ihren Einzelfall – keine geeigneten Si-cherungsmaßnahmen gefunden werden, die Ihre Hemmschwelle so weit nach oben setzen würden, dass Sie nicht die Vollstreckung fremdenpolizeilicher Maßnahmen gegen Ihre Person verhindern, weshalb die erkennende Behörde Ihnen kein Vertrauen gegenüber bringen kann, dass Sie sich der Behörde zur Verfügung halten, dh. für diese auch faktisch greifbar sind.

 

Vollständigkeitshalber sei erwähnt, dass auch sonstige gelindere Mittel, die im Verein mit einer periodischen Meldeverpflichtung insgesamt dazu geeignet wären, einigermaßen verlässlich zu gewährleisten, dass Sie zwecks Durchführung des Verfahrens und/oder ihrer zwangsweisen Abschiebung tatsächlich für die Behörde greifbar sind, objektiv nicht erkennbar sind.

 

Anhand dieser konkreten, individuell-fallbezogenen Subsumtion ist ersichtlich, dass aufgrund zwingender Gründe davon ausgegangen werden kann, dass die effektive Umsetzung der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahme nicht anders als durch einen Entzug der persönlichen Freiheit zu gewährleisten ist, weshalb sich die Anordnung der Schubhaft auch unter dem Aspekt des Verhältnismäßigkeitsprinzipes als gerechtfertigt erweist.

 

Die Behörde kann daher keine Gewähr dafür sehen, dass Sie – unter Gesamtbetrachtung Ihres bisherigen Verhaltens – den Anordnungen in einem gelinderen Mittel Folge leisten werden.

 

Aus diesem Grund musste auch von der Anordnung eines gelinderen Mittels im Sinne des § 77 FPG 2005 abgesehen werden, da auf Grund Ihres zuvor geschilderten Verhaltens die Behörde nicht davon ausgehen kann , dass Sie Anordnungen im gelinderen Mittel Folge leisten werden, zumal Ihnen klar sein muss, dass Sie in den Staat abgeschoben werden, welcher letztendlich für die Durchführung Ihres  Asylverfahrens zuständig ist.

 

Es ist für die Behörde auf Grund Ihrer kundgemachten Einstellung österr. Rechtsvorschriften gegenüber somit klar ersichtlich, dass Sie nicht bereit sind, die Durchführung  des aktuellen Asylverfahrens in Österreich  abzuwarten, sowie Sie auch nicht bereit waren, das Asylverfahren in Ungarn abzuwarten.

 

Diese Prognose wird dadurch untermauert, dass Sie offensichtlich völlig entwurzelt sind, keinerlei Bezug zu Österreich haben, hier keinerlei verwandtschaftliche bzw. soziale Beziehungen haben und logischerweise hier auch keiner legalen Beschäftigung nachgehen.

 

Auf Grund Vorgesagtem besteht im konkreten Fall ein konkreter hoher Sicherungsbedarf und kann der Zweck der Schubhaft nicht durch Anordnung gelinderer Mittel erreicht werden, zumal Sie Ihre negative Einstellung der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere fremdenrechtlichen, melderechtlichen Bestimmungen und  Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes gegenüber , bereits mehr als deutlich zum Ausdruck gebracht haben– womit spruchgemäß zu entscheiden war.“

 

1.2. Gegen die Festnahme, die Anordnung sowie die Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Schriftsatz vom 17. Mai 2013 Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat, welche am 21. Mai 2013 einlangte.

 

Der Bf führt darin wie folgt aus:

„§ 76 Abs. 2 FPG idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011) lautet:

 

„Schubhaft §76.

(2) Die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde kann über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§10 AsylG 2005} erlassen wurde;

2.gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4,auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Im konkreten Fall stützt sich die Schubhaft auf § 78 Abs 2 FPG und spricht von „kann", dies bedeutet, dass nicht automatisch Schubhaft zu verhängen ist, sondern eine individuelle Prüfung stattzufinden hat.

 

In diesem Zusammenhang wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.07.2011, GZ: 2008/21/0100 verwiesen:

‚Die Zulässigkeit der Schubhaft verlangt nach ständiger Rechtsprechung -abgesehen vom Vorliegen eines die Schubhaft rechtfertigenden Tatbestandes -auch ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung bzw. Aufenthaltsbeendigung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen ist. Bei dieser Prüfung ist unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses vor allem der Frage nachzugehen, ob im jeweils vorliegenden Einzelfall ein Sicherungsbedürfnis gegeben ist. Dies setzt die gerechtfertigte Annahme voraus, der Fremde werde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. nach deren Vorliegen der Abschiebung (insbesondere) durch Untertauschen entziehen oder es/sie zumindest wesentlich erschweren.‘

 

Art1 Abs 3 BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit statuiert, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist.

Die belangte Behörde hat es im Fall des BF unterlassen, eine individuelle Prüfung im Bezug auf Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit, zu deren Beurteilung eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Öffentlichen Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung bzw. Aufenthaltsbeendigung und meinem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit vorzunehmen ist, durchzuführen.

 

Die Verhängung der Schubhaft ist unzulässig, weil keine Gründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, der BF würde sich dem Verfahren entziehen: Der BF stellte nunmehr in Österreich einen Asylantrag, da er in seiner Heimat begründete Furcht vor Verfolgung hat. Der BF hat zunächst angegeben, dass er nach Frankreich weiterreisen wollte. Der BF wurde nunmehr aber im Zuge einer Rechtsberatung durch die ARGE Rechtsberatung am 16.5.2013 über das Asylverfahren in Österreich und auch über die Dublin II Verordnung aufgeklärt, weshalb der BF nunmehr möchte, dass sein Asylverfahren in Österreich geführt wird. Sollte der BF aus der Schubhaft entlassen werden, so würde er in der Erstaufnahmestelle West, in Thalham, untergebracht und versorgt werden (Bundesbetreuung), bis sein Asylverfahren zugelassen ist. Der BF wird sich dort der Behörde zur Verfügung halten und sein Asylverfahren in Österreich auch abwarten, und beabsichtigt nun nicht mehr, nach Frankreich weiterzureisen. Der BF hat sein Asylverfahren in Ungarn aufgrund der dort sehr prekären Lage für Asylwerber nicht abgewartet. Die Verhängung der Schubhaft erweist sich als nicht notwendig, da sich der BF dem Zugriff der Behörden keinesfalls entziehen wird.

 

‚Es kann dem Gesetzgeber vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls nicht zugesonnen werden, er sei davon ausgegangen, alle potenziellen ‚Dublin-FäIle‘ seien statt in Grundversorgung in Schubhaft zu nehmen. Der Integration kommt primär im Anwendungsbereich des § 76 Abs. 1 FrPolG 2005 Bedeutung zu. Eine Schubhaftnahme kann sich vielmehr nur dann als gerechtfertigt erweisen, wenn weitere Umstände vorliegen, die den betreffenden .Dublin-Fall‘ in einem besonderen Licht erscheinen und von daher .in einem erhöhten Grad' ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen [Hinweis E 28, Juni 2007, 2006/21/00511].‘ (VwGH 19.06.2008, 2007/21/0070)

 

Es ist im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb der BF, wäre er nicht in Schubhaft, sondern in Grundversorgung, diese Unterstützung aufgeben und in die Anonymität untertauchen sollte (vgl. auch § 46 AsylG und § 2 Abs 1 und 2 Grundversorgungsgesetz - Bund 2005).

 

Vor diesem Hintergrund fehlen also konkrete Anhaltspunkte für die Annahme, dass sich der BF dem weiteren Asylverfahren entziehen und für die Behörde nicht erreichbar sein würde.

 

Die Richtlinie vom Februar 1999 über anwendbare Kriterien und Standards betreffend die Haft von Asylsuchenden von UNHCR legt folgende Kriterien fest:

‚Es sollte die (rechtliche) Vermutung gegen eine Inhaftierung sprechen. Sofern andere Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Haft zur Verfügung stehen (etwa Meldepflicht oder Bürgen [siehe Richtlinie 4J), sollten diese zuerst Anwendung finden, es sei denn, es gibt Anhaltspunkte für die Vermutung, dass eine solche Alternative im betreffenden Fall nicht wirksam wäre. Zur Haft sollte es daher erst kommen, wenn alle möglichen Alternativen ausgeschöpft wurden oder wenn sich gezeigt hat dass Überwachungsmaßnahmen nicht den gesetzmäßigen, legitimen Zweck erreicht haben. Bei der Beurteilung, ob die Inhaftierung eines Asylsuchenden notwendig ist, sollte geprüft werden, ob die Haft angemessen ist und ob sie verhältnismäßig ist gegenüber dem angestrebten Ziel‘

 

[...]

 

‚Angesichts der negativen Auswirkungen der Haft auf die psychische Verfassung der Inhaftierten sollte aktiv nach Alternativen zur Haft gesucht werden, bevor gegen Asylsuchende folgender besonders schutzbedürftiger Personenkategorien ein Haftbefehl erlassen wird: Unbegleitete ältere Personen, Opfer von Folter oder Trauma, Personen mit geistiger oder körperlicher Behinderung.‘

 

Auch aus diesem Grund sind die Anordnung der Schubhaft, die Festnahme und die Aufrechterhaltung der Schubhaft inhaltlich rechtswidrig.

Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist lautet:

 

‚KAPITEL III

DURCHFÜHRUNG DER ÜBERSTELLUNG Artikel 7

Modalitäten der Überstellung

(1) Die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat kann auf eine der folgenden Weisen erfolgen:

a) auf Initiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist;

b) in Form der kontrollierten Ausreise, wobei der Asylbewerber bis zum Besteigen des Beförderungsmittels von einem Bediensteten des ersuchenden Staates begleitet wird und dem zuständigen Staat Ort, Datum und Urzeit seiner Ankunft bis zu einer vereinbarten Frist vor der Ankunft mitgeteilt wurden;

c) in Begleitung, wobei der Asylbewerber von einem Bediensteten des ersuchenden Staates oder einem Vertreter einer von dem ersuchenden Staat zu diesem Zweck beauftragten Einrichtung eskortiert und den Behörden des zuständigen Staats überstellt wird.‘

 

Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass es eine Rangordnung der Überstellungsmodalitäten gibt bzw. dass eine freiwillige Ausreise des Asylwerbers in den zuständigen Mitgliedsstaat prioritär ist. Auch die österreichische Rechtsordnung geht von der grundsätzlichen Annahme aus, dass Gesetze zwar mit Zwangsandrohung, aber zunächst ohne Zwangsausübung eingehalten werden. Zunächst ist davon auszugehen, dass ein Gesetz bzw. eine gesetzlich ergangene Entscheidung von den Rechtsunterworfenen grundsätzlich respektiert und eingehalten wird. Erst, wenn sich herausstellt, dass dies nicht der Fall ist, kann zu Zwangsmaßnahmen gegriffen werden. Eine automatische Schubhaftverhängung. d.h. die grundsätzliche Annahme ein Gesetz würde von den Rechtsunterworfenen generell nicht befolgt werden - wie sie derzeit in der Praxis stattfindet - findet keine Deckung in der österreichischen Verfassung. Nach Abschluss des Verfahrens über die (Un-)Zuständigkeit Österreichs ist zunächst dem Asylwerber die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise zu geben. Erst wenn sich herausstellt, dass der Asylwerber nicht freiwillig ausreist bzw. zu verstehen gibt, dass er dies nicht tun wird, ist eine Haftverhängung zulässig. Die Schubhaftverhängung des BF ohne Einhaltung dieser Abfolge steht daher sowohl in Widerspruch zur oben genannten Verordnung, als auch zur österreichischen Verfassung und ist daher inhaltlich rechtswidrig. Die Verhängung der Schubhaft ist insbesondere dann rechtswidrig, wenn an deren Stelle seitens der Fremdenpolizeibehörde gelindere Mittel i.S.d. § 77 FPG hätten angewendet werden können.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis B 292/04 vom 28.9.2004 ausgeführt:

‚Bloß allgemeine Annahmen oder ‚Erfahrungswerte‘ genügen jedoch nicht, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung im Einzellfall zu begründen‘ (vgl. bereits VfSIg. 14.981/1997).

 

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich der BF einem allfälligen fremdenrechtlichen Verfahren entziehen würde.

 

Zum Zweck der Sicherung eines allfälligen Verfahrens hätte, wenn doch ein Sicherungsbedürfnis als rechtmäßig erkannt werden sollte, auch ohne weiteres das gelindere Mittel angewandt werden können.

 

Die belangte Behörde hat die Schubhaft stets als ultima ratio zu verhängen (vgl. Judikatur des VwGH) und hat zu prüfen, ob der Sicherungszweck nicht auch durch gelinderes Mittel erreicht werden kann.

 

Dies hat die belangte Behörde im gegenständlichen Fall in rechtswidriger Weise unterlassen.

 

In diesem Fall spricht für die Anwendung des gelinderen Mittels, dass der BF bei seiner Entlassung aus der Schubhaft in die Grundversorgung aufgenommen werden kann und somit einen ordentlichen Wohnsitz begründen könnte.

Vor dem Hintergrund der oben genannten Argumente sind die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft äußerst rechtswidrig.“

 

Beantragt wird vom Bf daher:

1. den Schubhaftbescheid,

2. die Festnahme und

3. die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären, in eventu die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG zu verfügen, sowie

4. die Verfahrenskosten idHv. 750, 80 Euro ( Beschwerde: 737,60 Euro + 13,20 Euro Gebühr) zu ersetzen.

 

2. Mit Schreiben vom 22. Mai 2013 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat.

 

2.1. In der Gegenschrift führt die belangte Behörde im Wesentlichen wie im Schubhaftbescheid aus und stellt die Anträge, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. zurückzuweisen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorliegen. Zudem wird der Antrag auf Kostenersatz gestellt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung (v.a.) mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist und dieser zwischen den Verfahrensparteien auch in den wesentlichen Teilen nicht strittig ist, weshalb die bereits von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen auch dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde gelegt bzw. durch weitere Ausführungen in der Beschwerde und Gegenschrift ergänzt wurden und im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden konnte. Zudem wurde mit 21. Mai 2013 eine Abfrage der EKIS-Datenbank (AI und FI) durchgeführt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht somit von dem unter Punkt 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 135/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.   wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.   wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.   wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides der Landespolizeidirektion von Oberösterreich vom 16. Mai 2013, AZ.: 1077269, bis laufend in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist. Daher hat der Oö. Verwaltungssenat auch eine umfassende Prüfung durchzuführen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.   gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.   gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.   gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist oder

4.   auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung,

1. in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,

2. sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden oder

3. eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen.

 

Gemäß § 80 Abs 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Sie darf gemäß § 80 Abs 2 FPG nur so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Mit Ausnahme der Fälle des § 80 Abs 3 und 4 FPG darf die Schubhaft nicht länger als 2 Monate dauern.

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist völlig unbestritten, dass der Bf im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 16. Mai 2013 einen mit selbigem Datum gestellten Asylantrag in Österreich vorweisen konnte. Aufgrund der geklärten Identität und der im zeitlichen Nahebereich der in Ungarn erfolgten Asylantragstellung kann dahingehend auch mit einem zeitnahen Abschluss des Dublinkonsutationsverfahrens gerechnet werden.

 

3.4.1. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass in der ersten polizeilichen Einvernahme des Bf nach seinem "Aufgreifen" und seiner Festnahme am 15. Mai 2013, bekannt wurde, dass der Bf jüngst am 7. Mai 2013 in Ungarn eben diese Asylantrag gestellt hatte, aber dennoch auf den Weg in Richtung Schweiz im EN 466 (Wien-Zürich) und weiter nach Frankreich aufgegriffen wurde und widerstreitende Angaben zu seiner gesamten Eurodac-Historie (erkennungsdienstliche Behandlung in Griechenland, Eurodac-Treffer GR2MY58512, Asylantragstellung in Ungarn, Eurodac-Treffer HU1330006235400) angab. Aufgrund dieser zeitlich nahen Antragstellung in Ungarn und der Ermittlung des genauen Datums der Antragstellung des Bf liegt zudem im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung jedenfalls Grund für eine Annahme gem. § 76 Abs. 2 Z 4 FPG vor. Umso mehr, als selbst ein alleiniger Eurodac-Treffer idR von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als ausreichend für die angesprochene Annahme angesehen wird (s dazu VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043). Die Anwendbarkeit des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG kann somit dem Grunde nach bejaht werden.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass er sich dem Verfahren gem. § 76 Abs. 1 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.1. Zuvorderst ist festzuhalten, dass der Bf zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Verhängung der Schubhaft nicht in Strafhaft o.ä. befindlich war. Insofern hat die belangte Behörde rechtsrichtig einen Mandatsbescheid gem. § 57 AVG erlassen.

 

3.5.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst festzuhalten, dass der Bf zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft am 16. Mai 2013 ein im Stadium der Zulassung seines Asylantrages befindlichen Verfahrensabschnitt verhaftet war.

 

3.6.1. Zur Prüfung der Notwendigkeit und Angemessenheit der Schubhaft ist darzulegen, dass entgegen den Ausführungen des Bf in seiner Person konkret Umstände zu erkennen sind, welche die Schubhaft ausreichend begründen: Der Bf selbst lässt zunächst eine erhöhte Mobilität erkennen, welche sich daraus ergibt, dass der Bf erst am 5. März 2013 von Istanbul ausgehend, seine Heimat per Schiff Richtung Griechenland illegal verlassen hat. In Griechenland wiederum wurde der Bf erkennungsdienstlich behandelt – was der Bf auch wahrheitsgemäß darlegt. Nach einem Monat Aufenthalt reiste der Bf wiederum per Zug nach Mazedonien. Nach einer Woche Aufenthalt fuhr der Bf per Auto in den Kosovo. Nach 5 Tagen ging der Bf des Weiteren zu Fuß nach Serbien wo er ebenfalls 5 Tage – drei davon in einem Flüchtlingslager – aufhältig war und per Auto nach Ungarn weiter reiste. In Ungarn wurde der Bf nicht nur erkennungsdienstlich behandelt, sondern stellte auch – entgegen seinen Ausführungen – einen Asylantrag. Bereits nach 16 Tagen – ohne das weitere Asylverfahren abzuwarten – reiste der Bf mittels Zug nach Österreich (Wien) weiter. In Österreich angelangt fuhr der Bf – ohne seinem (angeblichen) in der Beschwerde vorgebrachten Interesse an einer Asylverfahrensführung in Österreich Durchbruch zu gewähren – per Zug weiter in Richtung Schweiz. Im Umkreis von Linz erfolgte sodann die Stellung des Bf und die Asylantragstellung. Zu der dargestellten hohen Frequenz an Reisebewegungen innerhalb eines kurzen zeitlichen Rahmens tritt hinzu, dass der Bf sogar diese Reisebewegungen seiner konkreten Situation angepasst hat und initiativ weitere Transportalternativen entwickelt hat. So hat der Bf – seinen eigenen Angaben nach – in Belgrad seine Weiterfahrt mit dem Taxi selbsttätig organisiert.

 

Zusätzlich zu der so abgeleiteten Mobilität und Selbstorganisation der Reisebewegungen lässt sich auch ein Verhaltensmuster des Bf erschließen. Dem Bf wurde verschiedentlich die Möglichkeit gegeben, sein Asylbegehren oder seine sonstigen Anliegen darzulegen. Sei es in Serbien, in Griechenland oder in Ungarn. Jede dieser Stationen wurde hingegen vom Bf binnen kurzer Zeit verlassen und – wie für Ungarn – lediglich damit begründet, dass er nicht nach Ungarn zurück „wolle“ um sein Asylverfahren dort weiter zu führen. Hieraus lässt sich eine Wertigkeit der asylrechtlichen Verfahrensführung für den Bf erkennen – es kann festgestellt werden, dass seitens des Bf kein gesteigertes Interesse an einer asylrechtlich geordneten Verfahrensführung besteht, zumal dies bedingt, dass gewisse Verfahrensschritte zeitlich abzuwarten sind. Der Bf bewegt sich immer dorthin, wo er vermutet, dass seinem Begehr Gehör geschenkt wird. Erkennt der Bf Widerstände, so setzt er seine Reisebewegung bewusst fort.

 

Wenn der Bf nun in der Beschwerde angibt, ein Interesse an der Asylverfahrensführung in Österreich zu haben, so vermag dies als Schutzbehauptung erkannt werden, da zusätzlich zum erarbeiteten Gesamtbild des Bf zu erkennen ist, dass der Bf sowohl hinsichtlich seiner ungarischen Asylantragstellung – sogar auf Vorhalt beharrte der Bf darauf, keinen Antrag gestellt zu haben (Frage 12.1. und 12.5. der Erstbefragung vom 16. Mai 2013) – als auch betreffend seine Familienverhältnisse nicht der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht hat. So gab der Bf in der Einvernahme am 16. Mai 2013, beginnend um 9.50 Uhr, an, dass seine Frau in der Türkei wohnhaft sei. In der asylrechtlichen Erstbefragung brachte der Bf wiederum vor, dass seine Frau im Mai 2012 in ein unbekanntes Land geflüchtet sei (Frage 11).

 

Bestätigt wird dieses Bild dadurch, als der Bf am 15. Mai 2012 eben nicht selbsttätig zur den österreichischen Behörde kam und einen (weiteren) Asylantrag stellte, sondern vielmehr in einem Zug in Richtung Schweiz aufgegriffen wurde. Zudem gab der Bf bei einer ersten Befragung an, auf der Durchreise nach Frankreich zu sein (s Anzeige vom 16. Mai 2013 S 2). Der Bf wollte in Frankreich zu seiner Freundin gelangen. In seiner Beschwerde finden sich dazu hingegen keine Ausführungen. Vielmehr die rechtsberatende Initiative führte zu einer Umkehr der Intention des Bf.

 

Hieraus ergibt sich, dass der Bf letztlich im Grunde keinerlei Interesse am Ausgang eines Asylverfahrens hat, da er einerseits in der Reisebewegung Richtung Schweiz aufgegriffen wurde und andererseits sein ursprünglich begonnenes Asylverfahren in Ungarn bereits nach relativ kurzer Zeit (Antrag 7. Mai 2013) durch seine Ausreise behinderte und sohin kein Interesse an der Beendigung des Verfahrens mehr zeigt. Dies wird dadurch bestätigt, dass er selbst die Existenz eines derartigen Verfahrens auch nach intensiver Befragung nicht bestätigt. Zudem wird ersichtlich, dass der Bf jegliche erdenkliche Mittel zu ergreifen bereit ist, um seinem Ziel – die Erlangung von Asyl – auf möglichst leichte Weise zu erreichen – eine Abschiebung nach Ungarn würde den Bf wieder in ein Land bringen, in dem seine diesbezüglichen Bemühungen seiner Einschätzung nach keine Früchte tragen werden. Die Verschleierung der Asylantragstellung bestätigt diesen Schluss.

 

Vor diesem Hintergrund ist somit – auch schon in und seit diesem frühen Stadium des Asyl- bzw. fremdenrechtlichen Verfahrens – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erschließen, dass sich der Bf dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen wird, da ihn eine Abschiebung wieder nach Ungarn zurückbringen würde und dies in keinem Fall vom Bf gewünscht ist.

3.6.3. Der belangten Behörde folgend ist im vorliegenden Fall – in Zusammenschau all der eben beschriebenen Sachverhaltselemente - von einem besonders hohen sowie akuten Sicherungsbedarf auszugehen und zu attestieren, dass sich der Bf – auf freiem Fuß belassen – umgehend dem Zugriff der Behörde entzogen haben würde.

 

3.7. Mit dieser Begründung des Sicherungsbedarfes scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Eine allfällige tägliche Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht haben gewährleisten können, ebenso nicht die Unterkunftnahme in einer behördlich bestimmten Räumlichkeit, zumal der Bf schon im Zuge des (kurzen) fremden- bzw. asylrechtlichen Verfahrens nachhaltig bewies, dass er nicht bereit ist, sich einer geordneten asylrechtlichen Verfahrensführung zu unterziehen.

 

3.8. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses im vorliegenden Fall fraglos überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf über keine familiären Kontakte oder Verpflichtungen im Bundesgebiet verfügt und diese auch nicht vorbringt.

 

3.9.1. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf solange aufrecht erhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.9.2. Der Bf wird seit 8 Tagen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte Frist bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurde. Es liegen auch keine Umstände vor, die erwarten ließen, dass die Anhaltung noch beträchtliche Zeit andauern werde, zumal die für eine Außerlandesbringung des Bf getroffenen Maßnahmen durch die belangte Behörde konsequent verfolgt werden und eine Finalisierung in naher Zukunft zu erwarten ist.

 

3.9.3. Es sind zudem keinerlei weitere Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen war, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

3.10.1. Was schließlich den behaupteten Widerspruch zur UNHCR-Richtlinie und den Verstoß gegen die VO EG Nr. 1560/3003 betrifft, ist auf die bereits dargelegten Ausführungen zur Prüfung der Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels weiter oben zu verweisen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 


 

 

Markus Brandstetter

 

 

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum