Linz, 15.05.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Berufung des X, geboren am X, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 2. April 2013, GZ: 10/110179, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung und die Anordnung begleitender Maßnahmen nach dem Führerscheingesetz zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§§ 66 Abs 4 und 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm
§§ 3 Abs 1 Z 2, 7 Abs 1 Z 1, 7 Abs 3 Z 1 Führerscheingesetz 1997 - FSG.
Entscheidungsgründe:
Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens erging mit Bescheid der Bezirkshauptfrau des Bezirks Rohrbach vom 2. April 2013, GZ: 10/110179, betreffend den Bw folgender Spruch:
Entziehungsdauer kein Kraftfahrzeug, für welches eine Lenkberechtigung der entzogenen Klassen erforderlich ist, lenken.
Den angefochtenen Bescheid begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung einschlägiger Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes wie folgt aus:
2.1. Gegen den in Rede stehenden Bescheid erhob der Bw im Zuge einer Vorsprache bei der belangten Behörde am 8. April 2013 rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
Das Rechtsmittel begründend führt der Bw an, es seien keine Zeugen einvernommen worden. Des weiteren verweise er auf seine bereits getätigten (und im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Aussagen.
2.2. In einer E-Mail (protokolliert zu VwSen-523434/4) vom 19. April 2013 an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich machte der Bw auf Aufforderung hin Zeugen namhaft. Darüber hinaus gab er an, den Lenker des Fahrzeuges sofort bei der Kontrolle bekannt gegeben zu haben und dass dieser auch sofort zur Bezirkshauptmannschaft Rohrbach mitgefahren sei, um eine Niederschrift aufzunehmen. Der Bearbeiter auf der Bezirkshauptmannschaft habe unter Hinweis darauf, dass es egal sei, wer gelenkt habe, die Person jedoch nicht vernommen.
Sein Bruder, der Fahrzeuglenker, sei auch nicht von der Polizei vernommen worden. Gleiches gelte für seine Freundin und Herrn X.
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 11. April 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14. Mai 2013.
3.3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:
Der Bw ist Zulassungsbesitzer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen X. Am 2. März 2013 zwischen 01.00 und 02.00 Uhr kam der genannte PKW von der Straße ab und blieb in einer Schneewechte stecken. Wer das Unfallfahrzeug gelenkt hat, konnte im Verfahren nicht erwiesen werden.
3.3.2. Folgende Indizien sprechen aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich für die Annahme des im vorigen Punkt dargestellten Sachverhalts:
Im Allgemeinen wird einleitend festgestellt, dass sämtliche Zeugen während der öffentlichen mündlichen Verhandlung einen glaubwürdigen Eindruck vermittelten. Gerade dass sie während der Einvernahmen immer wieder nachdenken mussten bzw auch angaben, sich im Detail an Wortfolgen usw nicht mehr erinnern zu können, legt nahe, dass keine Zeugenabsprachen erfolgten und die Aussage die jeweils eigene Wahrnehmung richtig wiedergab. Weder die dem Bw zurechenbaren Zeugen noch die Exekutivorgane verstrickten sich, trotz oftmaligen nachfragens durch den Verhandlungsleiter, in Widersprüche. Auch mehrfache Hinweise auf die strafrechtlichen Sanktionen bei einer Falschaussage führten zu keinem Zögern bei den Antworten oder gar zur Abkehr von bereits gemachten Aussagen.
Für die Annahme, dass der Bw das Unfallfahrzeug gelenkt hat, sprechen folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen bzw folgende Fakten:
· Beim Bw handelt es sich um den Zulassungsbesitzer des Unfallfahrzeuges. In einer Vielzahl von Fällen ist dieser zugleich Lenker des auf ihn zugelassenen Fahrzeuges.
· Der Bw verweigerte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (die Feststellung, ob dies der Fall war, ist nicht in diesem Verfahren zu treffen) den Alkotest, wofür, wenn er nicht gelenkt hat, an sich kein Grund besteht.
· Laut Aussage der Exekutivorgane wurde der Bw von den am Unfallort anwesenden Herren X und X – nach längerem hin und her – als Lenker namhaft gemacht.
Für die Annahme, dass der Bw das Unfallfahrzeug nicht gelenkt hat, sprechen folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung gemachten Aussagen bzw folgende Fakten:
· Der Bw wurde weder von (im Verfahren bekannt gewordenen) Zivilisten noch von Exekutivorganen beim Lenken beobachtet und hat bislang auch noch kein Alkodelikt verwirklicht.
· Der Bruder des Bw gab mit Nachdruck an, das Unfallfahrzeug gelenkt zu haben. Unstrittig hat der Bw zudem im Rahmen der Amtshandlung seinen Bruder als Lenker namhaft gemacht. Ob dies – wie der Bw behauptet – bereits am Beginn der Amtshandlung erfolgte, oder ob er seinen Bruder erst als die Polizei bereits den Unfallort verlassen wollte als Lenker nannte, erscheint dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich nicht ausschlaggebend. Nach Ansicht des erkennenden Mitgliedes hätte die Exekutive, selbst wenn vom Bw nicht die genaue Anschrift des Bruders bekannt gegeben wurde, ohne große Mühen sofort diesbezügliche Ermittlungsschritte unternehmen können und auch müssen.
Auch dass der Bw mit seinem Bruder kurz nach dem Vorfall – wie vom Vertreter der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt wurde – bei der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach erschien und der Bruder dort angab, der Unfalllenker zu sein, führt zumindest dazu, dass entsprechende weitere Nachforschungen in diese Richtung hätten erfolgen müssen, um die Lenkereigenschaft des Bw sicherzustellen.
· Wie oben dargelegt handelt es sich beim Bw um den Zulassungsbesitzer des Unfallfahrzeuges und damit oftmals auch um den Lenker des auf ihn zugelassenen Fahrzeuges. Der Bruder des Bw gab in der Verhandlung (wie auch der Bw selbst) an, mit dem Unfallfahrzeug unterwegs gewesen zu sein, da es sich um eine "Taxifahrt" zugunsten von Gästen des Bruders handelte, welche ihm nicht näher bekannt waren. Wenn die Erklärung zwar aufgrund der Nähe des Fahrzieles und damit einhergehenden Geringfügigkeit der Fahrkosten nicht unbedingt restlos zu überzeugen vermag, so kann sie doch nicht als lebensfremd bezeichnet werden.
· Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist es unwahrscheinlich, dass eine Person – in diesem Fall der Bw – anlässlich ihres Geburtstages eine Feier veranstaltet und in weiterer Folge vor Beendigung der eigenen Feier diese verlässt, um einen Teil der Gäste zu einem Lokal zu befördern. Gegen diese Annahme spricht insbesondere auch, dass der Bw unstrittig stark betrunken war. Dass er den Entzug der Lenkberechtigung riskiert, nur um zwei – laut eigenen Angaben ihm nicht näher bekannte Gäste – zu einer Diskothek zu bringen, obwohl er bei sich zuhause ist und eine Feier im Gange ist, scheint dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als nicht sehr wahrscheinlich.
· Dem Bw musst aufgrund seines Alkoholkonsums bereits bei der Beatmung des Vortestgerätes klar sein, dass ein entsprechend hohes Ergebnis angezeigt werden würde. Dass er in Folge den Alkotest verweigert hat, ist zwar – siehe oben – unschlüssig, steht aber der Annahme, dass der Bw das Fahrzeug nicht gelenkt hat, auch nicht unbedingt entgegen.
· Laut Aussage des Zeugen X hat dieser den Exekutivorganen gegenüber den Lenker bloß mit dem Familiennamen bezeichnet. Da sowohl der Bw als auch sein Bruder, der angibt gelenkt zu haben, den gleichen Nachnamen tragen, kann sich die Angabe des Zeugen gegenüber der Polizei auf jeden der beiden Brüder bezogen haben.
· Die Lebensgefährtin des Bw hat glaubwürdig angegeben, dass der Bw, bis er zur Unfallstelle beordert wurde, mit ihr als Gastgeber fungiert und das Haus nicht verlassen hat.
Eine Gesamtschau der Umstände im ggst Verfahren führt daher zum Ergebnis, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Bw am 2. März 2013 das Unfallfahrzeug tatsächlich gelenkt hat. Dem Grundsatz "in dubio pro reo" Rechnung tragend ist daher von dem für den Bw günstigeren, oben dargestellten, Sachverhalt auszugehen.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. . Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs 1 Z 2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 FSG gilt eine Person dann als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 hat gemäß § 7 Abs 3 Z 1 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl 1991/566, zu beurteilen ist.
Gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung "wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht."
4.2. Aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich steht aufgrund der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung erlangten Beweisergebnisse zwar außer Frage, dass für die amtshandelnden Exekutivorgane zu Recht der begründete Verdacht bestand, der Bw habe das Unfallfahrzeug gelenkt.
Die Aufforderung zum Alkotest war daher grundsätzlich unzweifelhaft gerechtfertigt.
§ 7 Abs 3 Z 1 FSG zufolge verwirklich eine bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 jedoch nur, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen hat. Im Gegensatz zum Anwendungsbereich des § 5 Abs 2 StVO 1960 genügt hier also nicht der bloße Verdacht, dass eine Person ein Fahrzeug gelenkt hat, um den Tatbestand zu verwirklichen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Person auch tatsächlich gelenkt hat. Es ist daher ohne weiteres denkbar, dass eine Person zwar den Tatbestand der Verweigerung des Alkotests verwirklicht, es sich in Folge jedoch herausstellt, dass die Person nicht gelenkt hat und daher kein Entzug der Lenkberechtigung auszusprechen ist.
Im ggst Fall konnte – wie oben dargestellt – nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob der Bw das Unfallfahrzeug gelenkt hat. Dies hat zur Folge, dass auch nicht mit der für ein rechtsstaatliches Verfahren notwendigen äußerst hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden darf, dass der Bw eine bestimmte Tatsache gemäß § 7 Abs 3 Z 1 FSG verwirklicht hat.
Der angefochtene Bescheid ist daher ersatzlos aufzuheben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Markus Zeinhofer