Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167571/15/Kof/CG/AE

Linz, 08.05.2013

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Josef Kofler über die Berufung des Herrn x, geb. 19xx, xstraße x, x, vertreten durch Frau Rechtsanwältin
x, xstraße x, x gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom 08. Jänner 2013, VerkR96-38568-2012, wegen Übertretung des § 52 lit.a Z.10a StVO, nach der am 29. April 2013 durch-geführten mündlichen Verhandlung einschließlich Verkündung des Erkenntnisses,
zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das erstinstanzliche Straferkenntnis  bestätigt.

Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat
20 % der verhängten Geldstrafe zu zahlen.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19 und 24 VStG

§ 64 Abs.1 und 2 VStG

 

 

Der Berufungswerber hat somit insgesamt zu bezahlen:

·         Geldstrafe ............................................................................. 500 Euro

·         Verfahrenskostenbeitrag I. Instanz: ....................................... 50 Euro

·         Verfahrenskostenbeitrag II. Instanz: ………………………………. 100 Euro

                                                                                                                           650 Euro

 

Die Ersatzfreiheitsstrafe beträgt ......................................... 230 Stunden.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die belangte Behörde hat über den nunmehrigen Berufungswerberin (Bw) das

in der Präambel zitierte Straferkenntnis – auszugsweise – wie folgt erlassen:

 

Tatort:

Gemeinde O., Autobahn A1 bei StrKm. 217.638 in Fahrtrichtung W.

Tatzeit:  24.09.2012 um 00.28 Uhr     

Fahrzeug:  PKW, Kennzeichen BZ-…..

 

"Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 72 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§§ 52 lit.a Z10a iVm 99 Abs.2e StVO

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von                    falls diese uneinbringlich ist,                                              Gemäß

                                                             Ersatzfreiheitsstrafe von

500 Euro                                          230 Stunden                                 § 99 Abs.2e StVO

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG zu zahlen:

50 Euro als Beitrag zur den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.

 

Der zu zahlende  Gesamtbetrag  (Strafe/Kosten) beträgt daher  550 Euro."

 

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Bw innerhalb offener Frist die Berufung vom 18. Jänner 2013 erhoben und mit Berufungsausführung vom 25. Jänner 2013 vorgebracht, zur Tatzeit und am Tatort habe den – auf seine Firma zugelassenen – PKW nicht er selbst, sondern seine Schwägerin, Frau S. A. gelenkt.

 

Hierüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied (§ 51c VStG) erwogen:

 

Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall

einzig und allein die Lenkereigenschaft.

 

 

 

 

Am 29. April 2013 wurde beim UVS eine öffentliche mündliche Verhandlung (mVh) durchgeführt.

Zu dieser mVh sind sowohl der Bw, als auch dessen Rechtsvertreterin – trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung – unentschuldigt nicht erschienen.

 

Ist der Bw - trotz rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Ladung - ohne triftigen Grund und damit unentschuldigt iSd § 19 Abs.3 AVG zur mVh nicht erschienen,
erweisen sich sowohl die Durchführung der mVh, als auch die Verkündung (Fällung) des Erkenntnisses in dessen Abwesenheit als zulässig;

siehe die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren, Band II, 2. Auflage, E2, E5, E6, E22 zu § 51f VStG (Seite 1048 und 1051) zitierten Erkenntnisse des VwGH sowie VwGH vom 31.01.2005,  2004/03/0153; vom 20.04.2004, 2003/02/0291;   

                    vom 30.01.2004, 2003/02/0223; vom 03.09.2003, 2001/03/0178;

                    vom 18.11.2003, 2001/03/0151; vom 25.02.2010, 2009/09/0146;

                    vom 20.10.2010, 2009/02/0292; vom 29.06.2011, 2007/02/0334.

    

Es fällt einzig und allein dem Bw – und nicht der Behörde – zur Last, wenn der Bw von der ihm durch die ordnungsgemäße Ladung zur Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme der Beweisergebnisse und Stellungnahme dazu, durch sein Nichterscheinen keinen Gebrauch macht;

VwGH vom 16.10.2009, 2008/02/0391; vom 03.09.2003, 2001/03/0178

unter Verweis auf das Erkenntnis vom 29.01.2003, 2001/03/0194 und

vom 29.06.2011, 2007/02/0334 mit Vorjudikatur.

 

Alle Tatsachen, auf die eine behördliche Entscheidung gestützt werden soll, bedürfen eines Beweises.   Die Behörde hat alle beweisbedürftigen Tatsachen
von sich aus zum Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens zu machen.

Dabei muss der volle Beweis erbracht werden.

Dies bedeutet, dass sich die Behörde Gewissheit vom Vorliegen der für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente (zB eines tatsächlichen Vorgangs) verschaffen - somit also davon überzeugen - muss.

 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist für die Annahme einer Tatsache
als erwiesen allerdings keine "absolute Sicherheit" bzw. "kein Nachweis im naturwissenschaftlich-mathematisch exakten Sinn" erforderlich, sondern es genügt, wenn eine Möglichkeit gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

 

 

Die Behörde hat

- nach der Aufnahme von Beweisen zu prüfen, ob ihr diese die erforderliche Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen des maßgeblichen Sachverhalts vermitteln (= Beweiswürdigung)

- unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens    nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht  und

- den Wert der aufgenommenen Beweise nach deren innerem Wahrheitsgehalt
zu beurteilen;

Hengstschläger-Leeb, AVG-Kommentar, RZ 2 und RZ 8 zu § 45 AVG  (Seite 460ff) sowie

Leeb - Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung im Verwaltungsverfahren in Holoubek-Lang: Allgemeine Grundsätze des Verwaltungs- und Abgabenverfahrens, Seite 343 - 348;  jeweils mit zahlreichen Literatur- und Judikaturhinweisen.   

 

Wesentlich ist, ob

-         der Sachverhalt genügend erhoben wurde  und

-         die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen;

VwGH vom 26.06.2009, 2008/02/0044;  vom 15.05.2009, 2008/09/0088 uva.

 

Die Beweiswürdigung ist ein "Denkprozess nach den Gesetzen der Logik"
bzw. wird auf

die "allgemeinen Denkgesetze der Logik" sowie die "Lebenserfahrung" verwiesen;

VwGH vom 27.04.1972, GZ: 0171/72;  vom 21.12.1994, 94/03/0256.

 

Ein Vorgang tatsächlicher Art ist dann als bewiesen anzusehen, wenn die
Behörde aufgrund einer - aus den zur Verfügung stehenden Beweismitteln
(hier: Zeugenaussagen) nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen und den Gesetzen logischen Denkens - gezogenen Schlussfolgerung zur Überzeugung gelangt, dass er sich so abgespielt hat;

VwGH vom 26.05.1993, 90/13/0155; vom 06.12.1990, 90/16/0031.

 

Mit – vom Zulassungsbesitzer firmenmäßig gefertigter – Lenkerauskunft vom
29. Oktober 2012 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass der Bw zur Tatzeit und am Tatort den auf ihn zugelassenen PKW gelenkt hat.

 

Daraufhin ist zuerst die "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 21. November 2012, VerkR96-38568-2012, und anschließend das in der Präambel zitierte Straferkenntnis ergangen.

 

Der Bw hat danach an seine Rechtsvertreterin folgendes E-Mail vom 15. Jänner 2013, 18.59 Uhr gesendet:

"Hallo E. (= Rechtsvertreterin des Bw)

BH-Strafe vom Gmunden faxe ich dir auch noch …… ich habe es übersehen,
ich bin bei 60 km/h Beschränkung um 72 km/h zu schnell gefahren.

(Hervorhebungen durch UVS).

Ich habe aber verstanden, das ich bei 60 km/h Beschränkung 12 km/h zu schnell gewesen bin. Sie wollten eine Lenkererhebung und meine Mitarbeiterin hat angerufen und gesagt das ich gefahren bin.

Daraufhin hab ich die Strafverfügung bekommen ……. wir müssen es umändern lassen, dass meine Mitarbeiterin versehentlich falsche Angaben gemacht hat und das ich mit meine Schwägerin gefahren bin …. auf meine Schwägerin …. S.A. dort gefahren ist!

Wir haben abwechselnd das Fahrzeug gelenkt vielleicht gibt´s Fotos vom Radargerät ….. müssten wir vorher auch nachfragen ….. nicht dass wir uns strafbar machen.

Ansonsten nehmen Sie mir wieder den Führerschein und Taxischein weg ….. ich hatte ja vor ca. 2 Jahren schon so einen Fall, wo Sie mir 2 Wochen den Führerschein und 4 Wochen den Taxischein weggenommen haben….. diesmal würden Sie es für längere Zeit wegnehmen ……

Slm.  E. (= Vorname des Bw)."

 

Die Schwägerin des Bw, Frau S.A. hat als Zeugin bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz am 21. Februar 2013 angegeben, dass sie zur Tatzeit und am Tatort
den verfahrensgegenständlichen PKW gelenkt habe. –

Im folgenden wird dargelegt, dass es sich bei dieser Zeugenaussage der Frau S. A.

um eine Schutzbehauptung zugunsten des Bw handelt.

 

Die  Mitarbeiterin (Sekretärin) des Bw, Frau R.H. hat am 26. Februar 2013
bei der BH Bludenz als Zeugin ausgesagt, dass das Formular betreffend die Lenkerauskunft nicht von ihr ausgefüllt wurde.

Es handle sich nicht um ihre Schrift.

 

Ebenso hat die zweite Sekretärin des Bw, Frau G.C. am 12. März 2013 bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz als Zeugin angegeben, dass im konkreten Fall die Lenkererhebung der Bezirkshauptmannschaft Gmunden vom Bw selbst ausgefüllt und unterschrieben wurde.

Weder sie, noch Frau R.H. hätten diese Lenkererhebung ausgefüllt.

 

Frau R.H. hat – Zeugenaussage bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz am
12. März 2013 – weiters angegeben, noch bevor ich zur Bezirkshauptmannschaft Bludenz gehen musste, wurde ich vom Chef E. A. (= der Bw) über die Sache informiert.

 

Wir sollten aber jedenfalls angeben, dass die Lenkererhebung von uns ausgefüllt worden sei. Als wir dann die Vorladungen von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz erhielten, sollten sie so aussagen und noch seine Handschrift üben.

Frau R.H. habe dem Bw immer erklärt, dass sie dies nicht tun würde.

Als Frau R.H. – nach der Einvernahme – dem Bw erklärte, sie hätte bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz die Wahrheit gesagt, hat der Bw sie angeschrieen und ihr erklärt, sie sei zu blöd.

Daraufhin hat Frau R.H. gekündigt.

 

Der Bw hat – Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten – bei der Bezirkshauptmannschaft Bludenz am 26.04.2013 unter anderem ausgesagt,

er könne mit Sicherheit sagen, dass er die Lenkererhebung nicht selbst ausgefüllt habe. Allerdings sei es möglich, dass sie durch ihn unterschrieben wurde.

Aufgrund des Fahrzeuges (damit sei eigentlich nur er selbst unterwegs) wurde durch seine Mitarbeiterinnen sein Name eingetragen.

 

Der Bw bringt weiters vor:

Ich kann mich bei der Fahrt allerdings nicht mehr genau daran erinnern, dass die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht durch mich gesetzt wurde.

Es ist möglich, dass wir zuvor oder erst danach den Fahrerwechsel gemacht haben.

Ich zahle grundsätzlich meine Strafen immer und bin kein Mensch der falsche Angaben macht.

Es geht mir prinzipiell darum, dass die Lenkererhebung nicht durch mich ausgefüllt, allerdings aber vielleicht durch mich unterschrieben wurde.

Zum heutigen Zeitpunkt kann ich die Fahrt nicht mehr genau rekonstruieren.

 

Aufgrund der Zeugenaussagen der beiden Sekretärinnen, Frau R.H. und Frau G.C. steht fest, dass der Bw selbst die Lenkerauskunft unterschrieben hat.

 

Aufgrund des – oben angeführten, wörtlich zitierten – E-Mail des Bw vom
15. Jänner 2013 an seine Rechtsvertreterin, insbesondere der Wortlaut:

ich bin … um 72 km/h zu schnell gefahren

steht fest, dass der Bw selbst zur Tatzeit und am Tatort den – auf seine Firma zugelassenen – PKW gelenkt hat.

 

Betreffend den Schuldspruch war somit die Berufung als unbegründet abzuweisen.

 

 

 

 

 

 

 

Hinsichtlich der Strafbemessung wird auf die zutreffende Begründung

im erstinstanzlichen Straferkenntnis verwiesen;

ein derartiger Verweis ist nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH zulässig;   

siehe die in Walter-Thienel, Band I, 2. Auflage E48, E58 und E60 zu § 60 AVG (Seite 1049ff) sowie E19 zu § 67 AVG (Seite 1325) zitierten VwGH-Erkenntnisse.

 

Die vom Bw eingehaltene Geschwindigkeit (132 km/h) beträgt mehr als doppelte der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (60 km/h).

 

Die von der belangten Behörde festgesetzte Geldstrafe (500 Euro) beträgt weniger als 25 % der möglichen Höchststrafe nach § 99 Abs.2e StVO (2.180 Euro) und ist

im Hinblick auf die Judikatur des VwGH (vgl. z.B. Erkenntnisse vom 29.06.2012, 2012/02/0097 und vom 27.04.2012, 2011/02/0324) als milde zu bezeichnen.

 

Die Berufung war somit auch betreffend das Strafausmaß abzuweisen.

 

 

Gemäß § 64 Abs.2 VStG beträgt der Kostenbeitrag für das Verfahren I. Instanz 10 % und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Geldstrafe.

 

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben werden;   diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen -
jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Josef Kofler

 

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