Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240911/6/Py/MG/Hu

Linz, 15.05.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Andrea Panny über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 18. Juni 2012, Zl. SanRB96-109-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG (BGBl I Nr. 13/2006 idF BGBl I Nr. 95/2010) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8. April 2013 zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch einen Ersatz von Untersuchungskosten zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm §§ 24, 45     Abs. 1 Z 1 sowie § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idgF.

zu II: § 65, § 66 Abs. 1 VStG iVm § 71 Abs. 3 LMSVG idgF.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber (im Folgenden Bw) wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes BGBl. I. Nr. 13/2006, im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG. 1991 des Lebensmittelunternehmens x mit dem Sitz in x, zu verantworten, dass, wie anlässlich einer lebensmittelpolizeilichen Überprüfung am 12.07.2011 um 11:53 Uhr in der x, festgestellt wurde, die als Lebensmittel einzustufende Ware, und zwar

 

'Puten Medaillons, brat- und grillfertig mariniert'

 

am 08.07.2011 im Lebensmittelunternehmen x in x, zu Erwerbszwecken hergestellt und somit in Verkehr gebracht wurde, obwohl sich nach einer Untersuchung der am 12.07.2011 gezogenen Proben (2 Packungen) bei der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, Kirchengasse 43, 9020 Klagenfurt, ergab, dass die Probe am Ende ihrer Haltbarkeit (22.07.2011) einen stark erhöhten Gehalt an aeroben mesophilen Keimen (Gesamtkeimzahl) und an Milchsäurebakterien aufweist (Lagerversuch bei 6°C, unter kontrollierten Bedingungen), die bakterielle Verunreinigung der Probe auf Verderbs- und Zersetzenserscheinungen zurückzuführen ist und auf Überlagerung hindeutet, das angegebene Verbrauchsdatum (MHD) offensichtlich zu lange bemessen ist und die Angabe des Verbrauchsdatums/MHDs der Ware somit eine zur Irreführung geeignete Angabe über die Eigenschaften (Haltbarkeit) des Lebensmittels im Sinne des § 5 Abs. 2 Ziffer 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 13/2006 aufweist und die Probe somit dem Verbot des Inverkehrbringens von Lebensmitteln mit zur Irreführung geeigneten Angaben gemäß § 5 Abs. 2 Ziffer 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 13/2006, unterliegt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 90 Abs. 1 Ziffer 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz – LMSVG 2006, BGBl. Nr. 13/2006 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 Ziffer 1 leg.cit."

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde nach dem Strafrahmen des § 90 Abs. 1 LMSVG eine Geldstrafe von 200,-- Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden), schrieb gemäß § 64 VStG die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10% der Geldstrafen (20,-- Euro) vor und verpflichtete zum Ersatz der Lebensmitteluntersuchungskosten von 328,50 Euro. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrug somit 548,50 Euro.

 

In der Begründung des Straferkenntnisses verweist die belangte Behörde zunächst auf das Gutachten der Lebensmittelagentur Kärnten, dessen Inhalt sie wiederholt. Danach gibt sie die im ordentlichen Ermittlungsverfahren erstattete Rechtfertigung des Berufungswerbers vom 18. Oktober 2011, eine dazu eingeholte Stellungnahme der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, eine weitere Stellungnahme des Berufungswerbers sowie eine neuerliche Stellungnahme der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten wieder.

 

In ihrer rechtlichen Beurteilung der Tatvorwürfe und der Rechtfertigungsangaben des Berufungswerbers schließt sich die belangte Behörde den Ausführungen der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten an. Die Probe weise am Ende ihrer Haltbarkeit einen stark erhöhten Gehalt an aeroben mesophilen Keimen (Gesamtkeimzahl) und an Milchsäurebakterien auf. Die bakterielle Verunreinigung sei auf Verderbs- und Zersetzungserscheinungen zurückzuführen und deute auf Überlagerung hin. Das angegebene Verbrauchsdatum/MHD der Ware sei offensichtlich zu lange bemessen.

 

1.2. Mit Schreiben vom 26. September 2011, Zl. LMA 61/525/11, informierte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee die belangte Behörde vom Verdacht einer Zuwiderhandlung gegen das LMSVG bei gleichzeitiger Abtretung des Verfahrens gem. § 27 VStG sowie Übermittlung des Amtlichen Untersuchungszeugnisses der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten vom 19.09.2011, U-Zahl x, Probenzeichen: x.

 

1.3. Mit Schreiben vom 10. November 2011 erließ die belangte Behörde eine Strafverfügung gegen den Berufungswerber. In dieser Strafverfügung wurde ihm die Begehung der im Straferkenntnis beschriebenen Verwaltungsstraftat zur Last gelegt.

 

Gegen diese Strafverfügung erhob der Berufungswerber mit Schreiben vom 23. November 2011 rechtzeitig Einspruch.

 

1.4. Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 wurde der Berufungswerber zur Rechtfertigung aufgefordert. Die Beschreibung der ihm zur Last gelegten Tat entsprach jener in der Strafverfügung vom 10. November 2011.

 

Mit Schreiben vom 5. Jänner 2012 erstattete der Berufungswerber eine Rechtfertigung. Darin rechtfertigte sich der Berufungswerber im Wesentlichen damit, dass das Ergebnis der Untersuchung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten nicht vorliege. Weiters wies der Berufungswerber darauf hin, dass für die angegebenen Keimzahlen und Keimgruppen keine gesetzlichen Grenzwerte festgelegt worden seien. Eine Beanstandung könne daher nur mit einer einhergehenden organoleptischen Abweichung des Produktes vorliegen.

Auch die Laborunsicherheit der Messmethode sei von ausschlaggebender Bedeutung. Es könnten Messunsicherheiten bis zu einer Zehnerpotenz vorliegen.

 

1.5. Mit E-Mail vom 12. Jänner 2012 übermittelte die belangte Behörde die Rechtfertigung des Berufungswerbers an die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten mit dem Ersuchen um Stellungnahme.  

Dieser Aufforderung kam die Lebensmitteluntersuchungsanstalt mit Schreiben vom 18. Jänner 2012, Zl. LUA-17/2012/Vo, nach.

Mit Schreiben vom 25. Jänner 2012 wurde der Berufungswerber vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm gleichzeitig eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme bzw. die Möglichkeit einer mündlichen Erörterung eingeräumt. Die belangte Behörde gewährte dem Berufungswerber eine Fristverlängerung zur Einbringung einer Stellungnahme bis zum 24. Februar 2012.

 

1.6. Mit Schreiben vom 24. Februar 2012 brachte der Berufungswerber eine Stellungnahme ein. In dieser führt er im Wesentlichen aus, dass im Prüfbericht die Probeneingangstemperatur nicht angegeben sei, weshalb nicht nachvollziehbar sei, ob eine Kühlkettenunterbrechung beim Transport in das Institut stattgefunden habe. Die zitierten DGHM-Werte seien Richtwerte aus Deutschland und würden keine rechtlich verbindlichen Grenzwerte darstellen. Darüber hinaus bestünden für die Produktgruppe "gewürzte, marinierte Fleischzubereitung" keine DGHM-Richtwerte. Eine Bemängelung lediglich basierend auf einer Anzahl an unbedenklicher Gesamtkeimzahl sowie Milchsäurebakterien ohne sensorische Abweichung sei rechtlich unzulässig. Milchsäurebakterien würden in anderen Produkten absichtlich zugegeben und es würden solche Produkte sogar damit beworben.

Durch die verwendeten Gewürze und Kräuter sei mit einer höheren Keimbelastung zu rechnen.

Das Gutachten der Gegenprobe sei einwandfrei. Die Ware sei verkehrsfähig und nicht zu beanstanden.

Dazu legte der Berufungswerber einen Prüfbericht samt Gutachten der x GmbH vom 23.08.2011, Zl. 101586, vor.

Der Berufungswerber gab zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen an, dass er vermögenslos sei, keine Sorgepflichten habe und sein monatliches Nettoeinkommen € 2.000,- betrage.

 

1.7. Die neuerliche Eingabe des Berufungswerbers wurde mit Schreiben vom 5. März 2012 an die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten weitergeleitet.

Mit Schreiben vom 6. Juni 2012, Zl. LUA-183/12-Sa, kam die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten dieser Aufforderung zur Stellungnahme nach.

 

1.7. Mit Straferkenntnis vom 18. Juni 2012 entschied die belangte Behörde in der oben dargestellten Weise.

 

2. Gegen dieses am 26. Juni 2012 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung des Berufungswerbers vom 10. Juli 2012.

 

2.1. Darin bringt der Berufungswerber im Wesentlichen wie folgt vor:

 

2.1.1. Das Verfahren sei mangelhaft. Die von der belangten Behörde zitierte "neuerliche Stellungnahme" der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten sei dem Berufungswerber unbekannt. Er habe daher keine Möglichkeit gehabt, zu dieser neuerlichen Stellungnahme eine fachliche Auskunft einzuholen und darauf auf gleicher fachlicher Ebene zu erwidern. Die Berufungsfrist sei hierfür nicht ausreichend gewesen. Das Verfahren sei mit einem schweren Mangel wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs behaftet.

 

2.1.2. Die Fassung des Bescheides sei mangelhaft. In der Begründung werde lediglich der Inhalt von Schriftstücken wiedergegeben, die eigentliche Erkenntnistätigkeit der Behörde erschöpfe sich in der Wiedergabe von § 5 Abs. 2 LMSVG und in der Feststellung, die Probe habe am Ende ihrer Haltbarkeit einen stark erhöhten Gehalt an aeroben mesophilen Keimen (Gesamtkeimzahl) und an Milchsäurebakterien aufgewiesen.

Die Behörde habe sich nicht mit den Argumenten des Berufungswerbers auseinandergesetzt, insbesondere habe sie nicht berücksichtigt, dass das Untersuchungszeugnis der Gegenprobe keine Beanstandung ergeben habe. Die Behörde habe sich mit den dort genannten Argumenten nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich die Ansicht der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten wiederholt. Die Begründung sei mangelhaft, weil sich die Behörde nicht mit den entscheidenden Gegenargumenten auseinandergesetzt und nicht begründet habe, warum sie sich der Meinung der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten anschließt.

 

Die Behörde habe nicht festgestellt, dass sowohl die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten als auch x zum Ergebnis gekommen seien, dass keine sensorischen Abweichungen festzustellen gewesen wären. Dies sei entscheidend, ob ein Beanstandungspunkt vorliege oder nicht.

 

Wenn die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten ausführe, es sei "den Konsumenten der Verzehr einer rohen Fleischzubereitung mit stark erhöhten Gehalten an Verderbskeimen keinesfalls zumutbar", werde offensichtlich, dass die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten den Boden der Realität verlasse. Der Verzehr in rohem Zustand sei denkunmöglich und auszuschließen. Dadurch werde sichtbar, dass die Objektivität nicht gewahrt sei und ein Schuldspruch nicht auf die Ansicht der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten gestützt werden könne.

 

2.1.3. Der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sei gegeben. Es gebe keine verbindlichen Grenzwerte. Die Heranziehung der DGHM-Richtwerte stelle keine verbindliche rechtliche Grundlage dar, mit der eine Verurteilung gerechtfertigt werden könne.

 

2.2. Der Berufungswerber stellt den Antrag, der Oö. Verwaltungssenat möge eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen, das Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn einstellen.

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

3.2. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenats zur Entscheidung über die Berufung ergibt sich aus Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 51 Abs. 1 VStG. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier weder eine primäre Freiheitsstrafe, noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck zu GZ SanrB96-109-2011 sowie mittels Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5. April 2013, die gemäß § 51e Abs.7 VStG aufgrund des sachlichen Zusammenhangs der den Verfahren zugrunde liegenden Verwaltungsübertretung gemeinsam mit der im Verfahren zu VwSen-240901 anberaumten Berufungsverhandlung durchgeführt wurde.

 

In der mündlichen Verhandlung stellte der Rechtsvertreter des Berufungswerbers den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens eines Gutachters auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene und Lebensmitteltechnologie zum Beweis dafür, dass die DGHM-Werte nur unverbindliche Richtwerte darstellten und tatsächlich deutlich höhere Werte zulässig seien. Ferner zum Beweis dafür, dass die Probe nicht verdorben und auch nicht wertgemindert gewesen sei und dass sie für den menschlichen Verzehr geeignet gewesen wäre.

 

3.4. Der UVS geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

3.4.1. Anlässlich einer von einem Aufsichtsorgan durchgeführten lebensmittelrechtlichen Kontrolle wurden am 12. Juli 2011 um 11:53 Uhr zwei Proben (zwei Packungen, originalverschlossen, weiße Kunststofftasche mit farbloser Kunststofffolie verschweißt, 1 Klebeetikette) des Produkts "Puten Medaillons, brat- und grillfertig mariniert" (Probenzeichen: x) in der x, aus einer SB-Vitrine entnommen.

Die Probe wurde vom Aufsichtsorgan in einer Kühltasche, im Papiersack, amtlich plombiert, am 12. Juli 2011 um 12:27 Uhr der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, Kirchengasse 43, übergeben.

Aus der Stellungnahme der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten vom 06.06.2012, Zl. LUA-183/12-Sa, ergibt sich dazu weiters, dass der Transport von der x zur Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten durch das Aufsichtsorgan in einer Kühlbox mit eingebautem Temperaturlogger erfolgte. Aus dem Ausdruck des Temperaturloggers kann auf eine Umgebungstemperatur während des Transports von -5,2 bis -3,4° Celsius geschlossen werden. Eine Kühlkettenunterbrechung zwischen der Entnahme der Probe in der x und der Übergabe an die Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten fand somit nicht statt. Die Eingangstemperatur der Probe bei der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten betrug +0,5° Celsius und lag damit deutlich unter der vom Hersteller empfohlenen Lagertemperatur von maximal + 6° Celsius.

 

Das gegenständliche Produkt wurde am 8. Juli 2011 vom Lebensmittelunternehmen x in x, hergestellt und am 11. Juli 2011 an die x, geliefert. Dazu wurde die Ware bei der Fa. x produziert und verpackt und dann im Auslieferungskühllager auf die Rampe gestellt und von dort am 11. Juli 2011 an die x, geliefert.

 

Aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Stellungnahme der x Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik, DI x & DI x ZT-GmbH vom 22. März 2013, Zl. HÜS220313, sowie aus der Befragung des Berufungswerbers in der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass durch eine nicht korrekte Lagerung bei zu hohen Temperaturen der Keimgehalt deutlich schneller steigt als bei einer (empfohlenen) Lagertemperatur von (maximal) + 6° Celsius. Bis zur Untersuchung im Labor können an mehreren Stellen diese Lagertemperaturen überschritten werden.

 

Es kann nicht festgestellt werden, ob während der Produktion und Lagerung im Betrieb oder später bei der Auslieferung durch eine Kühl-Logistik, bei der Warenübernahme bei Handel, der Warenlagerung im Handel oder der Lagerung in der Kühlvitrine des Handelsunternehmers eine Unterbrechung der Kühlkette vorlag.

 

3.4.2. Auf dem Klebeetikett des Produkts befanden sich folgende verfahrensrelevante Angaben:

 

"Puten

Medaillons

brat- und grillfertig mariniert

 

x [...]

 

Zutaten: Zarte, handgeschnittene Fleischstücke von der Putenbrust, Säuerungsmittel: Natriumlaktat, /-acetat; Speisesalz, Sonnenblumenöl, Gewürze, Gewürzextrakte, Speisewürze, Geschmacksverstärker: Mononatriumglutamat; Kräuter. Unter Schutzatmosphäre verpackt. Gluten- und laktosefrei. Gekühlt lagern bei +2°C bis +6°C. Vor dem Verzehr durcherhitzen.

 

[...]

 

zu verbrauchen bis:

22.07.11"

 

Es steht daher fest, dass das Produkt nicht nur aus Fleischstücken von der Putenbrust, sondern auch aus den Säuerungsmitteln Natriumlaktat, /-acetat, aus Speisesalz, Sonnenblumenöl, Gewürzen, Gewürzextrakten, Speisewürze, dem Geschmacksverstärker Mononatriumglutamat und Kräutern besteht.

Das Verbrauchsdatum war der 22. Juli 2011.

 

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Berufungswerber diesbezüglich an, dass eine Lagerung vom Datum der Produktion 8. Juli 2011 bis zum Verbrauchsdatum 22.07.2011 durchaus möglich sei, wenn die vorgegebenen Lagerbedingungen eingehalten werden. Diese Angabe wurde auch von der in der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugin, der Lebensmittelgutachterin Frau x bestätigt, die auch aussagte, dass eine Unterbrechung der Kühlkette nach der Auslieferung des Produktes aus dem Werk eine Erhöhung der Keimzahlen hervorrufen kann.

 

3.4.3. Aus dem amtlichen Untersuchungszeugnis / Prüfbericht der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten vom 19.09.2011, U-Zahl: x, ergibt sich, dass von den beiden Proben eine Packung bei Einlangen am 12. Juli 2011 und eine Packung nach der Lagerung bei 6° Celsius am 22. Juli 2011 von der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten untersucht wurde.

 

Die Prüfung der Packung am 12. Juli 2011 ergab einen pH-Wert von 5,73. Der organoleptische Einzelbefund nach der Methode QMH 508-7 ergab, dass die Probe sowohl im Geruch roh, als auch im Geruch und Geschmack gekocht nicht auffallend war.

Der bakteriologische Untersuchungsbefund vom 12. Juli 2012 ergab:

-      aerobe mesophile Keime (30° Celsius): 1.700.000/g

(Plate Count Agar, Gussverfahren)

-      Milchsäurebakterien: < 100.000/g

(MRS Agar, Gussverfahren)

-      Enterobakteriaceen: nachweisbar (<BG=10.000/g)

(VRBD Agar, Gussverfahren)

-      Escherichia coli: nachweisbar (<BG=1.000/g)

-      Koagulasepositive Staphylokokken: <100/g

(Baird Parker Agar)

 

Die Prüfung der zweiten Packung nach einem Lagerversuch bei +6° Celsius am 22. Juli 2011 ergab eine unveränderte Beschaffenheit und einen pH-Wert von 5,56. Der von vier Prüfpersonen vorgenommene kommissionelle organoleptische Befund nach der Methode QMH 508-7 ergab, dass die Probe sowohl im Geruch roh (3 von 4 Prüfpersonen), als auch im Geruch und Geschmack gekocht (4 von 4 Prüfpersonen) nicht auffallend war.

Dazu geht aus der Stellungnahme der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten vom 18. Jänner 2012, Zl. LUA-17/2012/Vo, hervor, dass es nur bei übereinstimmenden Ergebnissen zu einer sensorischen Beanstandung kommt. Eine beginnende sensorische Abweichung ist ca. ab einer aeroben mesophilen Keimzahl von 108 KBE/g zu erwarten; jedoch ist eine beginnende sensorische Abweichung bei bereits gewürzten Lebensmitteln nur sehr schwer zu erfassen, da das Gewürz sensorische Abweichungen überdeckt, weshalb bei solchen Lebensmitteln erst eine stärkere sensorische Abweichung sicher feststellbar ist. 

Der bakteriologische Untersuchungsbefund vom 22.07.2012 ergab:

-      aerobe mesophile Keime (30° Celsius): 410.000.000/g

(Plate Count Agar, Gussverfahren)

-      Milchsäurebakterien: 110.000.000/g

(MRS Agar, Gussverfahren)

-      Enterobakteriaceen: nachweisbar (<BG=10.000/g)

(VRBD Agar, Gussverfahren)

-      Escherichia coli: nachweisbar (<BG=1.000/g)

-      Koagulasepositive Staphylokokken: <100/g

(Baird Parker Agar)

 

Aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse kam Direktor x, Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, in seinem Gutachten zu U-Zahl L2422/2011 zu folgenden Schlüssen:

 

"Die Lebensmittel mit der Bezeichnung 'Puten Medaillons' weist nach beiliegendem Prüfbericht am Ende ihrer Haltbarkeit (Lagerversuch bei 6 °C, unter kontrollierten Bedingungen) einen stark erhöhten Gehalt an aeroben mesophilen Keimen (Gesamtkeimzahl) und an Milchsäurebakterien auf.

 

Die bakterielle Verunreinigung der Probe ist auf Verderbs- und Zersetzungserscheinungen zurückzuführen und deutet auf Überlagerung hin.

Das angegebene Verbrauchsdatum/MHD ist offensichtlich zu lange bemessen.

 

Die Angabe des Verbrauchsdatums/MHDs der Ware ist somit eine zur Irreführung geeignete Angabe über die Eigenschaften (Haltbarkeit) des Lebensmittels im Sinne des § 5 Abs 2 Z 1 des Lebensmittel- und Verbraucherschutzgesetzes, LMSVG.

 

Die Probe unterliegt daher dem Verbot des Inverkehrbringens von Lebensmitteln mit zur Irreführung geeigneten Angaben gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 des LMSVG. [...]"

 

3.4.4. Hinsichtlich der Messunsicherheit der angewendete(n) Labormethode(n) ergibt sich aus der Stellungnahme der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten vom 18.01.2012, Zl. LUA-17/2012/Vo, dass bei mikrobiologischen Untersuchungen mittels Plattentechnik eine Messunsicherheit von +/- 0,5 log KBE/g allgemein anerkannt ist. Für die gegenständliche Probe ergibt sich in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten eine konkrete Messunsicherheit für Milchsäurebakterien in der Höhe von +/- 0,3 log KBE/g und für aerobe mesophile Keime in der Höhe von +/- 0,38 log KBE/g.

Nach Einrechnung einer Messunsicherheit von 0,5 log KBE/g ergibt sich eine Bandbreite von 125.892.541 bis 1.258.925.412 KBE/g für die aeroben mesophilen Keime und 31.622.777 bis 316.227.766 KBE/g für die Milchsäurebakterien.

 

Aus der Einvernahme der Zeugin x, Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, in der mündlichen Verhandlung ergibt sich diesbezüglich, dass die gemessene Keimzahl nicht gesundheitsschädlich, die Ware jedoch nicht mehr als frisch zu bezeichnen und daher im Wert gemindert ist. Aerobe mesophile Keime sind Verderbskeime und verursachen in hoher Zahl den Verderb des Lebensmittels. Sie sind keine Krankheitserreger.

 

3.4.5. Mit Prüfbericht und Gutachten der x Lebensmittelanalytik GmbH, x, vom 23.08.2011, Zl. 101586, wurde die amtliche Gegenprobe des Magistrats der Landeshauptstadt Klagenfurt des Produkts "Puten Medaillons brat- und grillfertig mariniert" (2 Originalverpackungen in plombiertem Papierbeutel mit unversehrter Plombe) untersucht.

Die Proben langten am 14. Juli 2011 bei der x Lebensmittelanalytik GmbH mit einer Probeneingangstemperatur von 2,0° Celsius Oberflächentemperatur ein. Aus dem Prüfbericht ergibt sich ein pH-Wert der Proben von 5,4 (Probe Nr. x) bzw. 5,8 (Probe Nr. x).

Das sensorische Gutachten der Proben hatte folgende verfahrensrelevanten Ergebnisse:

-      Geruch (roh): arteigen, würzig (Probe VQ0076266); ganz leicht sauer (Probe Nr. x);

-      Konsistenz (nach Zubereitung): jeweils bissfest;

-      Geruch (nach Zubereitung): jeweils arteigen, würzig;

-      Geschmack (nach Zubereitung): jeweils arteigen, leicht salzig, ganz leicht scharf.

Die aerobe Keimzahl betrug bei 30° Celsius HB (Spatel- und Plattengussverfahren) 150.000.000/g bei Probe Nr. x sowie 9.000.000/g bei Probe Nr. x.

Das Ergebnis der Milchsäurebakterien (Koloniezählverfahren) lag für die Probe Nr. x bei 3.500.000/g und für die Probe Nr. x bei 8.400.000/g.

 

Im Gutachten von x, x Lebensmittelanalytik GmbH zu Prüfbericht 101586 kam die Gutachterin zu folgenden verfahrenserheblichen Schlussfolgerungen:

 

"Die bei der gegenständlichen Probe x ermittelte Gesamtkeimzahl [...] sind als erhöht anzusehen. Dies kann auf unzureichende Hygiene- und/oder Kühlhaltebedingungen während der Phasen Produktion, Verpackung, Lagerung und Transport hinweisen.

Aufgrund der zum Zeitpunkt der Untersuchung festgestellten nicht zu beanstandenden sensorischen Befundes ist aus dem Ergebnis des mikrobiologischen Befundes allein derzeit kein unmittelbarer Beanstandungsgrund ableitbar.

Es wird jedoch empfohlen, der aufgezeigten mikrobiologischen Problematik ein entsprechendes Augenmerk zu widmen. [...]"

 

3.4.6. Es existieren keine gesetzlichen Grenzwerte für aerobe mesophile Keime oder Milchsäurebakterien in Lebensmitteln. Gemäß 'Veröffentlichte mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln' (Stand: 2010) – eine Empfehlung der Arbeitsgruppe 'Mikrobiologische Richt- und Warnwerte' der Fachgruppe 'Lebensmittelmikrobiologie und –hygiene der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM)' und der Arbeitsgruppe 'Lebensmittelmikrobiologie' der SVUA/CVUA NRW – werden für Frischfleisch bzw. Faschiertes folgende Richtwerte empfohlen:

-      Richtwert für mesophile aerobe Gesamtkeime: 5 Millionen KBE/g und

-      Richtwert für Milchsäurebakterien: 5 Millionen KBE/g.

Aus der Stellungnahme von x, Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten, vom 06.06.2012, Zl. LUA-183/12-Sa, geht hervor, dass in den DGHM-Richtlinien hinsichtlich dieser Parameter keine unterschiedlichen Werte für gewürzte und ungewürzte Waren angegeben sind. Das Hinzufügen von Kräutern und Gewürzen würde allenfalls zu einer allenfalls geringfügigen Keimbelastung führen, bewegt sich aber keinesfalls in dem Ausmaß, wie es bei der gegenständlichen Probe nach dem Lagerversuch festgestellt wurde.

 

3.4.7. Im Zuge der mündlichen Verhandlung legte der Berufungswerber ein Konvolut aus Unterlagen, bestehend aus acht Untersuchungszeugnissen und Gutachten der x Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik, DI x & DI x ZT-GmbH, x, über die Untersuchung des Produkts "Puten Medaillons" im Zeitraum von 19.04.2011 bis 13.08.2012 vor. Daraus geht hervor, dass das verfahrensgegenständliche Produkt im Rahmen der Eigenkontrolle regelmäßig untersucht wurde und es im angegebenen Zeitraum keine Beanstandungen in den Untersuchungszeugnissen gab.

 

3.4.8. Der Berufungswerber ist amtsbekannt seit mehreren Jahren verantwortlicher Beauftragter der Fa. x. Er ist vermögenslos, hat keine Sorgepflichten, und sein monatliches Nettoeinkommen beträgt Euro 2.000,--.

 

3.5. Der dargestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Beweismitteln.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Beim gegenständlichen Produkt handelt es sich unbestritten um ein Lebensmittel, das unter den Geltungsbereich des LMSVG fällt (§ 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 2 VO (EG) 178/2002, ABl 2002 L 31/1 idF ABl 2009 L 188/14: "alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.").

 

4.2. Gemäß § 90 Abs. 1 Z 1 LMSVG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40.000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen wer Lebensmittel, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet oder mit irreführenden oder krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder krankheitsbezogener Aufmachung in Verkehr bringt.

 

4.2.1. Nach § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG ist es verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere

 

1.   zur Täuschung geeignete Angaben über Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;

2.   Angaben von Wirkungen oder Eigenschaften, die das Lebensmittel nicht besitzt;

3.   Angaben, durch die zu verstehen gegeben wird, dass das Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften besitzen.

 

"Angabe im Sinne des § 5 Abs. 2 LMSVG ist jede beim Inverkehrbringen und in der Werbung gemachte Äußerung mit objektiv feststellbarem, nachprüfbarem Inhalt. Sie kann ausdrücklich (mündlich, schriftlich, bildlich), aber auch durch Unterlassung (etwa durch Stillschweigen) erfolgen. Es macht keinen rechtlichen Unterschied, in welcher dieser Erscheinungsformen die Angabe auftritt." (Österreichisches Lebensmittelbuch, A 8.2. Erscheinungsform von Angaben).

 

4.2.2. Was unter Inverkehrbringen zu verstehen ist, ergibt sich aus der Begriffsbestimmung nach § 3 Z 9 LMSVG, die zunächst grundsätzlich auf den Art. 3 Z 8 der VO (EG) 178/2002 verweist. Nach Art. 3 Z 8 VO (EG) 178/2002, ABl 2002 L 31/1 idF ABl 2009 L 188/14, bezeichnet der Ausdruck "Inverkehrbringen" das Bereithalten von Lebensmitteln oder Futtermitteln für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jede andere Form der Weitergabe, gleichgültig ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst.

 

Im Absatz 2 des § 3 Z 9 LMSVG wird davon abweichend bei ursprünglich auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen (wie im früher geltenden § 1 Abs. 2 LMG 1975) angeordnet, dass als "Inverkehrbringen" auch das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht, zu verstehen ist. Bei Beurteilung einer Ware ist jedoch auch zu berücksichtigen, ob sich ihre etwaige den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechende Beschaffenheit bloß aus der Besonderheit jener Phase des Inverkehrbringens ergibt, aus der sie stammt. Ein "Inverkehrbringen" liegt nicht vor, wenn sichergestellt ist, dass die Ware in ihrer den lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht entsprechenden Beschaffenheit nicht zum Verbraucher gelangt. Die Befugnisse der Aufsichtsorgane gemäß §§ 35, 39 und 41 LMSVG bleiben davon unberührt.

 

Das LMSVG kennt demnach zwei teilweise verschiedene Begriffe des "Inverkehrbringens", wobei grundsätzlich der engere Begriff nach VO (EG) 178/2002 anzuwenden ist. Für die auf Grund des LMG 1975 erlassenen Verordnungen gilt jedoch der alte Begriff des § 1 Abs. 2 LMG 1975 weiter (vgl Blass ua, LMR3 § 3 LMSVG Rz 35). Für den Tatvorwurf des bekämpften Bescheids ist daher der Begriff des Inverkehrbringens gem. Art. 3 Z 8 VO (EG) 178/2002 maßgeblich.

 

4.3. Die Aufgabe von Sachverständigen im Verwaltungsverfahren besteht allgemein darin, Tatsachen zu erheben (Befund) und aus den erhobenen Tatsachen aufgrund ihrer Fachkundigkeit Schlussfolgerungen zu ziehen (Gutachten). Die Tätigkeit der Befundstellung und der Abgabe des Gutachtens sind streng von der Entscheidung über Rechtsfragen zu unterscheiden, zu der allein die Verwaltungsbehörde berufen ist. Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Sachverständigen, den Sachverhalt rechtlich zu beurteilen (VwGH 14. 1. 1993, 92/09/0201; 25. 2. 2004, 2003/12/0027). Vielmehr hat sich die Behörde auf Grund des Sachverständigengutachtens ihr Urteil über Rechtsfragen zu bilden (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG Kommentar, 2. Teilband [2005] Rn 6 zu § 52).

Enthält das Gutachten dennoch eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts, überschreitet der Sachverständige seine Aufgabe; eine solche „Lösung“ von Rechtsfragen ist für die erkennende Behörde unbeachtlich (VwGH 23. 1. 1992, 91/06/0184; 29. 11. 1994, 92/05/0139; 24. 4. 2002, 2001/12/0218) und beeinträchtigt die Aussagekraft eines ansonsten mängelfreien Gutachtens nicht (VwGH 7. 10. 1996, 95/10/0205; 27. 1. 1997, 93/10/0190; 20. 4. 2001, 99/05/0211).

 

Insofern sich die vorliegenden Gutachten mit der Rechtsfrage der Verletzung lebensmittelrechtlicher Vorschriften, insb. hinsichtlich der Frage der Verbindlichkeit von Vorschriften und der Irreführung von Konsumenten befassen, sind die dort getätigten Aussagen betreffend die Beurteilung der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale der gegenständlichen Verwaltungsstraftatbestände als nicht entscheidungserheblich zu qualifizieren.

 

4.4. Gemäß 'Veröffentlichte mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln' (Stand: 2010) – eine Empfehlung der Arbeitsgruppe 'Mikrobiologische Richt- und Warnwerte' der Fachgruppe 'Lebensmittelmikrobiologie und –hygiene der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM)' und der Arbeitsgruppe 'Lebensmittelmikrobiologie' der SVUA/CVUA NRW – werden für Frischfleisch bzw. Faschiertes folgende Richtwerte empfohlen:

-      Richtwert für mesophile aerobe Gesamtkeime: 5 Millionen KBE/g und

-      Richtwert für Milchsäurebakterien: 5 Millionen KBE/g.

 

4.4.1. Selbst bei einer Einrechnung der maximalen Messungenauigkeit zugunsten des Berufungswerbers bleibt dennoch eine deutliche Überschreitung dieser Richtwerte sowohl bezüglich mesophile aerobe Gesamtkeime als auch Milchsäurebakterien am Ende der am Produkt angegebenen Verbrauchsfrist bestehen.

Die belangte Behörde ging im bekämpften Bescheid nicht vom Überschreiten verbindlicher Grenzwerte aus, weil sie zutreffend erkannte, dass solche nicht bestehen. Sie ist vielmehr – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des VwGH und gestützt auf das Gutachten der Lebensmitteluntersuchungsanstalt Kärnten – davon ausgegangen, dass ein Lebensmittel, das bei Ablauf der deklarierten Mindesthaltbarkeitsfrist einen Zustand aufweist, in dem die Gesamtzahl aerober mesophiler Keime bzw. Milchsäurebakterien die durch Richtlinien der DGHM, die die übliche Verbrauchererwartung widerspiegeln, grundgelegten Werte deutlich überschreiten, nicht den zu erwartenden Zustand aufweist (vgl. VwGH 21.05.2012, 2009/10/0029). Wie der VwGH in vorgenanntem Verfahren feststellte, handelt es sich bei einer solch deutlichen Überschreitung der Richtwerte der DGHM-Richtlinien um eine Irreführung über die wesentlichen Eigenschaften des Lebensmittels – hier: der Frische –, was eine Verwaltungsübertretung nach § 90 Abs. 1 Z 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 1 LMSVG darstellt.

 

4.5. Der Verwaltungsstraftatbestand des § 90 Abs. 1 LMSVG enthält weder eine Bestimmung über das Verschulden, noch gehört zum Tatbestand des Inverkehrbringens der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr; es handelt sich somit um ein Ungehorsamsdelikt (VwGH 26. September 2011, 2010/10/0145). Es genügt daher auf subjektiver Tatseite zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Der Täter hat bei solchen Ungehorsamsdelikten gemäß § 5 Abs. 1 letzter Halbsatz VStG glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Nach der Judikatur des VwGH hat der Berufungswerber dazu initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es konnte nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine – vom Berufungswerber nicht zu vertretende, da außerhalb seiner Einflusssphäre eingetretene – Unterbrechung der Kühlkette, etwa bei der Lieferung des Produkts an die x, bei der Weiterlieferung von der x an die x oder in der x selbst, für die Erhöhung der Keimzahlen kausal gewesen sein könnte und daher das auf dem Produkt angegebene Verbrauchsdatum ursprünglich (beim Verlassen der Lieferung aus dem Warenlager bei der Fa. x) nicht zu lange bemessen gewesen wäre. Aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls erscheint es damit gerade nicht als erwiesen, dass das verfahrensgegenständliche Lebensmittel gerade auf der Stufe der Erzeugung nicht ausreichend vor Kontamination geschützt wurde.

 

Ergänzend dazu wird auf die vom Bw vorgelegten, regelmäßig eingeholten Fachgutachten des Ziviltechnikerunternehmens DI x & DI x ZT-GmbH, x Labor für Lebensmitteluntersuchung und Umweltanalytik, vom 11.10.2010, 18.01.2011, 19.04.2011, 19.07.2011, 19.10.2011 hingewiesen, die nach Analyse offenbar vergleichbarer Proben die Ware ohne Mängel befunden und insbesondere festgestellt haben: "Die mikrobiologische Untersuchung zeigt ein entsprechendes Keimbild, das keinen Anlass zu einer Bemängelung gibt."

 

Der Berufungswerber hat damit im gegenständlichen Fall eines Ungehorsamsdelikts entsprechend dem § 5 Abs 1 Satz 2 VStG glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Ein Eingehen auf das weitere Berufungsvorbringen erübrigt sich damit und konnte daher auch die Einholung des vom Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung beantragten Sachverständigengutachten entfallen.

 

4.7. Im Ergebnis war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis in beiden Spruchpunkten aufzuheben, und es war das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG mangels Vorliegens der angelasteten Verwaltungsübertretungen einzustellen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat noch nach § 71 Abs. 3 LMSVG der Ersatz von Untersuchungskosten vorzuschreiben.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

Dr. Andrea Panny

 

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