Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253353/5/Py/Hu

Linz, 17.05.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.in Andrea Panny über die Berufung des Herrn x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29. November 2012, GZ: 0040736/2012, wegen Übertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm § 24, 27 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991 idgF

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 29. November 2012, GZ: 0040736/2012, wurden über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 7i Abs.3 AVRAG sechs Geldstrafen in der Höhe von je 2.000,-- Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit derselben Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils 13 Stunden (insgesamt 78 Stunden)  verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von insgesamt 1.200,-- Euro vorgeschrieben.

 

Im Straferkenntnis wurde der Bw wie folgt für schuldig befunden:

 

"Der Beschuldigte, Herr x, geboren am x, wohnhaft: x, hat folgende Verwaltungsübertretungen als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der x mit dem Sitz – in den unten angeführten Tatzeiträumen – in x, (nunmehriger Sitz x) zu vertreten:

 

Die x hat folgende Arbeitnehmer zu den unten angeführten Zeiten als Fliesenleger (Facharbeiter) beschäftigt (die Arbeitnehmer waren an die Fa. x überlassen und führten als Fliesenleger Facharbeiten durch), ohne diesen zumindest den nach dem Kollektivvertrag Hafner, Platten- und Fliesenleger zustehenden Bruttostundenlohn von € 11,42 geleistet zu haben:

 

1. Herrn x, geb. am x, in der Zeit von 1.5.2011 bis 19.7.2011,

2. Herrn x, geb. x, in der Zeit von 5.7.2011 bis

   31.12.2011,

3. Herrn x, geb. am x, in der Zeit von 1.5.2011 bis 31.12.2011,

4. Herrn x, geb. am x, in der Zeit von 1.5.2011 bis

   31.12.2011,

5. Herrn x, geb. am x, in der Zeit von 1.5.2011 bis 31.12.2011,

6. Herrn x, geb. am x, in der Zeit von 1.5.2011 bis

   31.12.2011.

 

Den Arbeitern wurde ein Bruttostundenlohn von € 10,83 bezahlt."

 

In der Begründung ihrer Entscheidung verweist die belangte Behörde auf den Verfahrensgang und die Rechtsgrundlagen und führt zusammengefasst aus, dass die im Spruch beschriebene Verwaltungsübertretung aufgrund der Angaben in der Anzeige der x als erwiesen anzusehen ist. Dem Beschuldigten ist es in seiner Rechtfertigung nicht gelungen, einen Schuldentlastungsbeweis zu erbringen.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechts-freundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 21. Dezember 2012. Darin bringt der Bw vor, dass die erstinstanzliche Behörde für die Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig gewesen wäre und die Berufungsbehörde aufgrund dieser Unzuständigkeit den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben hätte.

 

Bezüglich der Beschäftigung von Herrn x in der Zeit von 01.05.2011 bis 19.07.2011 liege bei dieser Verwaltungsübertretung Verfolgungsverjährung vor, da die Verfolgungshandlung erst 15 Monate nach Ende der Beschäftigung gesetzt worden sei. Zudem wird die Einstufung der Arbeitnehmer als Fliesenleger (Facharbeiter) bestritten.

 

Weiters bringt der Bw vor, dass die Unterentlohnung lediglich 5,16% betragen habe und dies als geringfügig anzusehen sei. Zwischenzeitlich wäre auch allen Arbeitnehmern jenes Entgelt überwiesen worden, welches ihnen nach dem Strafvorwurf zustehen würde. Die Tat wäre von den Auswirkungen her als geringfügig einzustufen, da die Unterschreitung des Grundlohnes gering und im gegenständlichen Fall zum ersten Mal erfolgt sei. Es lägen daher Voraussetzungen eines Absehens von der Strafe nach § 7i Abs.4 erster Satz AVRAG vor.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Linz hat die Berufung samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt mit Schreiben vom 2. Jänner 2013 vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Der x als gemäß § 7i Abs.8 AVRAG am Verfahren beteiligte Organpartei wurde Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme zur Berufung abzugeben.

 

4.1. In ihrem dazu ergangenen Schreiben vom 29. Jänner 2013 bestätigt die x zunächst, dass die in erster Instanz erkennende Behörde zur Entscheidung unzuständig gewesen ist, was bereits aus dem der Anzeige angeschlossenen Firmenbuchauszug erkennbar gewesen sei. Bei der in der Anzeige vom 21. September 2012 angeführten Adresse handelt es sich um die frühere Geschäftsanschrift und kam es aufgrund einer internen Betriebsabfrage, bei der noch immer die alte Adresse gespeichert war, zu Anzeige an die unzuständige Behörde. Diese wäre jedoch gehalten gewesen, gemäß § 6 AVG von Amts wegen ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit zu prüfen und bei Feststellung der eigenen Unzuständigkeit das Verfahren an die zuständige Behörde abzutreten.

 

Im Übrigen nimmt die Organpartei in ihrem Schreiben vom 29. Jänner 2013 ausführlich zu den Berufungsvorbringen betreffend Verfolgungsverjährung zu Faktum 1 (Tatvorwurf der Unterentlohnung des Herrn x), kollektivvertragliche Einstufung, Geringfügigkeit der Unterentlohnung und Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung Stellung.

 

4.2. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündliche Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Im vorliegenden Fall wird dem Bw eine Übertretung des § 7i Abs.3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl. Nr. 459/1993 in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl. I Nr. 24/2011 zur Last gelegt, mit dem Maßnahmen zur Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping umgesetzt wurden. Bei diesen Verstößen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte, bei welchen das Tatbild in einem bloßen Verhalten ohne Merkmal eines Erfolges besteht (Kühteubl/Wieder: Das neue Lohn- und SozialdumpingbekämpfungsG, ZAS 2011/36, D.1.a. mwN).

 

Zudem handelt es sich bei der Strafbestimmung des § 7i Abs.3 AVRAG um ein Dauerdelikt. Dies entspricht nicht nur der Intention des Gesetzgebers (vgl. 1076 BlgNR XXIV. GP 3 zu 7i Abs.3) und dem Durchführungserlass des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (GZ BMASK-462.203/0014-VII/b/9/2011), sondern wird auch in Lehre und Literatur vertreten (vgl. Kühteubl/Wieder: Das neue Lohn- und SozialdumpingbekämpfungsG, ZAS 2011/36, D.1.a.; Stadler: Sanktionen im Lohn- und Sozialdumping- Bekämpfungsgesetz 2011, RdW Heft 11, 671).

 

Dauerdelikte sind solche, die nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes pönalisieren, sondern auch dessen Aufrechterhaltung. Abhängig vom Tatbild kann das strafbare Verhalten erst auch dann enden, wenn der Verpflichtete seiner Pflicht zu handeln nachkommt. Das Delikt dauert daher an, solange der dem/der Arbeitnehmer/in zustehende Grundlohn nicht geleistet wird und zwar auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kontrolle bereits beendet wurde und die Verjährungsfrist nicht eingetreten ist. 

 

5.2. Gemäß § 27 Abs. 1 VStG ist örtlich zuständig die Behörde, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Zur Auslegung des im Sinn des § 27 Abs.1 VStG maßgebenden Begriffes des "Ortes der Begehung" muss die Bestimmung des § 2 Abs. 2 VStG herangezogen werden. Daraus ergibt sich, dass eine Verwaltungsübertretung regelmäßig als dort begangen anzusehen ist, wo der Täter gehandelt hat oder (bei Unterlassungsdelikten) hätte handeln sollen (VwGH 26. Februar 1987, 86/08/0231; vgl. auch Hauer/Leukauf – Handbuch des Verwaltungsverfahrens; 2003)

 

Für den Bereich des VStG kommt es auch in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung beziehen – und dies wird auch für in Filialen gegliederten Unternehmen angenommen -, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird, sondern ist der Tatort grundsätzlich der Sitz des Unternehmens, für welches der zur Vertretung nach außen Befugte gemäß § 9 VStG gehandelt hat (VwGH vom 18.6.1990, Zl. 90/19/0107).

 

Im Hinblick auf § 2 Abs.2 VStG ist der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Verwaltungsmaterien zum Ergebnis gekommen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der Verstöße gegen die Verwaltungsvorschriften hätten gesetzt werden müssen. Ob in derartigen Fällen ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ, ein verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 VStG oder ein gewerberechtlicher Geschäftsführer zur Verantwortung gezogen wird, spielt für die Frage der Tatortbestimmung keine Rolle. Für die örtliche Zuständigkeit ist grundsätzlich allein entscheidend, wo der Täter gehandelt hat oder hätte handeln sollen. Wird ein zur Vertretung nach außen befugtes Organ zur Verantwortung gezogen, wird als Tatort im Regelfall der Sitz der Unternehmensleitung anzunehmen sein (VwGH vom 4.9.2006, Zl. 2003/09/0096; vgl. auch Hauer/Leukauf – Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 2003, zu VStG § 27 Abs.1 E 9b).

 

Der Unternehmenssitz des vom Bw vertretenen Unternehmens liegt – wie auch dem der gegenständlichen Anzeige vom 21. September 2012 beiliegenden Firmenbuchauszug vom 20. September 2012 zu entnehmen ist - in der Gemeinde x und damit außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches des belangten Behörde. Es ist daher gemäß § 27 Abs.1 VStG die Gemeinde x als Tatort anzusehen, denn entsprechend der Judikatur des VwGH ist jener Ort als Tatort anzusehen, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (VwGH 25.3.1994, ZL. 94/02/0026), weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften zu treffen gewesen wären.

 

Die belangte Behörde, der Bürgermeister der Stadt Linz, war daher örtlich nicht zuständig, wegen der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen ein Verwaltungsstrafverfahren gegen des Bw zu führen.

 

Das angefochtene Straferkenntnis ist daher mangels Zuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben. Dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich obliegt es, diesen Umstand von Amts wegen aufzugreifen. Bei diesem Verfahrensausgang war auf die weiteren Vorbringen des Bw nicht einzugehen.

 

Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Unabhängigen Veraltungssenat des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr.in Andrea Panny

 

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