Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730728/5/BP/JO

Linz, 27.05.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, StA von Afghanistan, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr vom 27. März 2013, Zl. 1-1020783/FP/12, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von sieben Jahren befristeten Rückkehrverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als die Dauer des in Rede stehenden Rückkehrverbotes auf 4 Jahre herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt. 

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 54 Abs. 1, 2, 3 iVm § 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2013/68

§ 66 Abs. 4 iVm § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 27. März 2013, Zl. 1-1020783/FP/12, wurde gegen den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 54 Abs.1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

 

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Sie reisten am 30.11.2010 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten einen Asylantrag. Die Ausweisung in II. Instanz war am 1.8.2012 r.k. Am 6.9.2012 haben Sie erneut einen Antrag eingebracht, der nach § 68 AVG zurückgewiesen wurde. Vom Landesgericht Korneuburg wurden Sie unter der Zahl 622HV 16/12a -84 wegen §§ 114 (1), 114 (3) Z.1, 114 (4) 1. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten und einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.

 

Die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme wurde von Ihnen persönlich übernommen.

 

In der Stellungnahme geben sie an, dass ihre Tante mit Ehemann und fünf Kindern, sowie ihre Schwester mit Ehemann und drei Kindern in Österreich leben. Außerdem verfügen Sie über gute Deutschkenntnisse und sind entsprechend ihrer langen Aufenthaltsdauer sehr gut integriert.

 

1.1.3. Die belangte Behörde begründet ihre rechtliche Beurteilung wie folgt:

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG sind Sie Fremder, weil Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

Gemäß § 2 Ziffer 14 AsylG 2005 sind Sie Asylwerber, da Sie als Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz eingebracht haben und dieser Antrag nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und auch das Verfahren nicht gegenstandslos oder eingestellt ist.

 

In rechtlicher Hinsicht unter Hinweis auf die §§54 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1 und 61 FPG ist anzuführen, dass Sie seit Mai 2011 im Bundesgebiet sind. Auf Grund Ihres bisherigen rechtmäßigen inländischen Aufenthaltes sei von einem mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in das Privat-, Berufs- und Familienleben auszugehen. Dessen ungeachtet seien die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grunde des § 61 Abs. 1 FPG zu bejahen und die Erlassung des Rückkehrverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen gegen die Schlepperei, als dringend geboten zu erachten. Ihr bisheriges Verhalten verdeutliche mehr als augenfällig, dass Sie offenbar nicht in der Lage oder gewillt sind, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten.

 

Zum "Phänomen der Schlepperei" ist zu sagen, dass die größten Verlierer die geschleppten Personen seien und den Nutzen aus den unmenschlichen Tragödien einzig und allein die Schlepper ziehen würden, sodass dieser Form der unerwünschten Kriminalität sowohl sicherheitspolizeilich als auch fremdenpolizeilich rigoros ein Riegel vorzuschieben sei.

 

Geschleppte Personen müssten in ihrem Heimatland oft das gesamte Hab und Gut verkaufen, um die von den Schlepperorganisationen und den Schleppern geforderten Summen bezahlen zu können - um dann in weiterer Folge nach Aufgreifung im Zielland und Verlust der gesamten Habseligkeiten wieder in die Heimat abgeschoben zu werden. Siehe Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 27. März 2007, ZI. 2007/18/0135; vgl. daran anschließend auch die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, ZI. 2007/21/0170, und vom 29. Februar 2012, ZI. 2009/21/0103)

 

Sie haben zu einem nicht mehr konkret feststellbarem Zeitpunkt vor dem 22.2.2012 über Vermittlung eine geschleppte Person nach Traiskirchen verbracht, einige Tage vor dem 29.4.2012 eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt, am 27.1.2012 7 österreichische Reisepässe für Schleppungen vermittelt, Ende des Jahres 2011 über Auftrag eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt und zu einem nicht mehr konkret feststellbarem Zeitpunkt eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt.

 

Nach Darstellung des wiedergegebenen, unstrittigen Sachverhalts ist der Tatbestand des § 54 Abs. 3 (iVm§53 Abs. 3 Z. 1)FPG erfüllt. Das dem Schuldspruch zu Grunde liegende Verhalten, das oben näher beschrieben wurde, rechtfertigt aber auch die Annahme iSd § 54 Abs. 1 FPG, dass ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet "die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit" gefährde und anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen, nämlich insbesondere den der Verhinderung von strafbaren Handlungen, zuwiderlaufe. Sie sind - nach illegaler Einreise - seit etwa zwei Jahren im Bundesgebiet. Sie sind ledig und ohne Sorgepflichten. Im Hinblick auf die Dauer ihres Aufenthalts als Asylwerber in Österreich und ihrer behaupteten Integration sei von einem "gewissen" Eingriff in ihr Privatleben auszugehen. Dessen ungeachtet sei das Rückkehrverbot im Grunde des § 61 Abs. 1 FPG zulässig und wegen des besonders großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung des Schlepperunwesens zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Eine positive Verhaltensprognose könne schon im Hinblick auf den relativ kurzen Zeitraum seit der Verurteilung in keinem Fall erstellt werden. Es werde noch einer langen Phase des Wohlverhaltens nach der Haftentlassung und in Freiheit bedürfen, um auch nur auf eine Minderung der von Ihnen ausgehenden Gefahr schließen zu können.

 

Zur Interessenabwägung nach § 61 Abs. 2 FPG ist auszuführen, dass einer allfälligen aus ihrem bisherigen Aufenthalt ableitbaren Integration, wobei Sie, ohne dies näher zu konkretisieren, Deutschkenntnisse und Beziehungen zu Verwandten und sonstige Bindungen behauptet haben, insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als eine solche durch ihr strafbares Verhalten erheblich beeinträchtigt werde. Ihr gesamter Aufenthalt beruhe auf einem "abgewiesenen Asylverfahren", sodass eine daraus allenfalls ableitbare Integration auch aus diesem Grund zu relativieren sei. Sie haben anlässlich Ihres Parteiengehörs selbst angegeben, außer ihrer Tante und Cousine keine Familienangehörigen in Österreich zu haben. Mangels konkreten Vorbringens zu weiteren Verwandten sei davon auszugehen, dass eine Beziehung zu solchen nicht über jenes Maß hinausgehe, welches unter erwachsenen Seitenverwandten üblich sei. Insgesamt müssten ihre privaten Interessen gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen, nämlich dem besonders großen öffentlichen Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens, aber auch an einem geordneten Fremdenwesen, jedenfalls in den Hintergrund treten. Angesichts ihres Gesamt-(fehl-)verhaltens, der Art und Schwere der ihnen zur Last gelegten Straftaten sowie des Fehlens von besonders berücksichtigungswürdigen Umständen könne auch nicht im Rahmen des eingeräumten Ermessens von der Erlassung des Rückkehrverbots Abstand genommen werden. Die befristete Dauer des Rückkehrverbots sei im Hinblick auf ihr Verhalten "absolut gerechtfertigt", sei doch "vor Verstreichen des festgesetzten Zeitraumes" ein Wegfall des für die Erlassung des Rückkehrverbots maßgeblichen Grundes nicht zu erwarten.

 

Sie sind nach Österreich gekommen um Schutz vor Verfolgung zu bekommen. Es wurde und wird Ihnen Unterkunft gewährt. Andererseits haben Sie die österreichische Rechtsordnung schwerverletzt, indem Sie immer wieder strafbare Handlungen gegen die Schlepperei begehen. Sie wurden dafür am 28.01.2013 (r.k. 28.01.2013) vom LG Korneuburg zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt.

 

Aufgrund Ihres oben aufgezeigten Fehlverhaltens war das Rückkehrverbot auf im Spruch angeführte Zeit auszusprechen, weil aufgrund Ihres Verhaltens derzeit nicht vorhergesehen werden kann, wann der für die Erlassung dieses Rückkehrverbotes maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, weggefallen sein wird.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes konnte die der Behörde zur Verfügung stehende Ermessensentscheidung nicht zu Ihren Gunsten getroffen werden.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw mit Schriftsatz vom 17. April 2013 – bei der Landespolizeidirektion am 24. April 2013 eingelangt – rechtzeitig Berufung, in welcher er vorerst den Antrag stellt, den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben.

 

Seine Berufung begründet er wie folgt:

 

1.

Mit angefochtenem Bescheid wird gegen mich gemäß § 54 Abs.1 und 3 FPG 2005 idgF ein auf die Dauer von 7 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

 

(...)

 

Bei richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde jedoch nicht zu dieser Annahme gelangen können und das angefochtene Rückkehrverbot nicht erlassen dürfen.

 

Diesbezüglich sei ausgeführt:

 

2.

Meine Verurteilung sei unbestritten, unrichtig ist jedoch die Annahme, dass ich mein weiterer Aufenthalt gem. § 54 Abs.1 Z.1 FPG die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden und den in Art.8 Abs.2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufen würde.

 

Zur Beurteilung dieser Frage hätte die Behörde nicht nur mit dem bloßen Umstände der gegenständlichen Verurteilung wegen Schlepperei, sondern auch den dieser Verurteilung zugrunde liegenden Sachverhalt berücksichtigen müssen.

 

So habe ich einen Anruf von einem mir bekannten Mann aus Griechenland erhalten mit der Verständigung, dass sich dort meine Schwester und deren Familie aufhalten würden, diese nach Österreich kommen wollten und wurde gefragt, ob ich diese nicht, wenn sie in Österreich angekommen sind, nach Traiskirchen geleiten könnte. Da es sich um meine Schwester gehandelt hatte, konnte ich mich dieser Bitte nicht entschlagen. Nach Österreich gelangte dann schließlich nicht die gesamte Familie, sondern nur die mj. Tochter mit einer fremden Frau (da das zweite Auto mit den restlichen Familienmitgliedern nicht bis nach Österreich gelangt ist). Oa. Mann teilte mir dann telefonisch mit, dass er sich um meine Schwester kümmern würde, verlangte jedoch, dass ich seine Frau unterstützen sollte, sobald sie in Österreich angekommen sei, was ich dann auch tat, da ich diesem Verlangen wegen meiner Schwester nicht entgegentreten konnte. Schlußendlich kam auch meine Schwester incl. Familie nach Österreich, denen ich dann ein Taxi nach Traiskirchen organisierte.

Hintergrund meiner „Schlepperei" (die Annahme des Gerichtes, ich hätte diese Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt, ist nicht richtig) war sohin eine Unterstützungsleistung für meine Schwester. Ich weiß, dass ich nicht richtig gehandelt habe, aber aufgrund der Familienzugehörigkeit blieb für mich keine andere Wahl, befand mich sozusagen in einem inneren Notstand.

 

3.

Unter Berücksichtigung dieses Sachverhalts hätte die Behörde bei richtiger Beweiswürdigung zur Feststellung gelangen können, dass mein weiterer Aufenthalt keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in Österreich darstellen würde und von der Erlassung eines Rückkehrverbotes Abstand nehmen müssen.

 

Jedenfalls ist die verhängte Höhe der Dauer des Einreiseverbotes von 7 Jahren als unverhältnismäßig zu werten.

 

4.

Aus dargelegten Gründen möge der erkennende Senat meinem Antrag stattgeben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben, jedenfalls ein mündliche Verhandlung anberaumen, damit er sich selbst einen Eindruck über meine Person verschaffen kann.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat mit Schreiben vom 24. April 2013 – beim UVS eingelangt am 29. April 2013 – zur Berufungsentscheidung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

 

Zusätzlich wurde am 27. Mai 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem UVS des Landes Oberösterreich durchgeführt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter den Punkten 1.1.2. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

Zusätzlich ergibt sich aus der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, dass der Bw in seiner Heimat 12 Jahre Schulausbildung absolvierte und anschließend für verschiedene von den USA initiierten Organisationen als Englisch-Dolmetscher und Fahrer tätig war.

 

Der Bw sieht seine Straftaten als familiär motivierte Hilfestellung, verneint seine aktive Rolle im Rahmen der verschiedenen Schleppungen, gibt jedoch an, diese Fehler in Zukunft nicht mehr zu begehen.  

 

2.4.1. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung gab der Bw ua. zu seinen persönlichen Verhältnissen an, in Österreich alleinstehend (nicht verheiratet und kinderlos) sowie nicht beschäftigt zu sein, von staatlicher Hilfe zu leben und sich um gute Deutschsprachkenntnisse zu bemühen. Letzteres kann auch durchaus bestätigt werden, zumal der Bw jedenfalls in der Lage war, sprachlich dem Verhandlungsverlauf sowohl aktiv als auch passiv zu folgen. In seiner Heimat besuchte er 12 Jahre die Schule und arbeitete anschließend als Englischdolmetscher und Fahrer für von den USA in Afghanistan eingesetzte Organisationen.

 

2.4.2. Betreffend die dem Bw zur Last gelegten Verbrechen der Schlepperei war er bemüht, seine Rolle darauf zu reduzieren, dass er lediglich seiner Schwester bzw. deren Tochter zur Asylantragstellung in Österreich verholfen hätte; dies aus familiärer Rücksicht. Er habe dabei dem Drängen des Mannes seiner Tante nicht nachgegeben, der ihn zu einer verstärkten Mitarbeit im Rahmen des Schlepperwesens habe bestimmen wollen. Er habe keinerlei gefälschte Reisepässe organisiert, sondern seine Mitwirkung habe nur in einigen Telefonaten bestanden.

 

Diese Darstellung kann aber – nach der vorliegenden Verurteilung wegen mehrerer Fälle von Schlepperei wohl nicht aufrecht erhalten werden, wenn auch zugestanden wird, dass der Bw nicht als Initiator der Verbrechen fungierte. Dennoch ist nur ein eher mangelhaftes Unrechtsbewusstsein des Bw festzustellen. Von Reue kann nicht gesprochen werden, zumal er angibt, derartige Taten in Österreich nicht mehr begehen zu wollen, wenn sie seinen hiesigen Aufenthalt gefährden.

 

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, ist gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot zu erlassen, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw aufgrund seines Asylantrages vom 4. Mai 2011 (erstinstanzliche Abweisung am 12. September 2011) als Asylwerber anzusehen ist, zumal das diesbezügliche Berufungsverfahren bis dato noch nicht rechtskräftig abgeschlossen wurde. Daher fällt der Bw grundsätzlich unter den Adressatenkreis des § 54 Abs. 1 FPG.

 

3.1.3. Zur Anwendung dieser Bestimmung bedarf es allerdings auch der Voraussetzung, dass aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt des Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

3.2.1. Gemäß § 54 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 – 9 und Abs. 3 § 63 Abs. 5 und 6 und § 61.

 

Gemäß § 54 Abs. 3 FPG ist ein Rückkehrverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z. 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für 5 Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 1 bis 4 für höchstens 10 Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen.

 

Als bestimmte Tatsache gemäß § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG gilt eine gerichtliche Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder, wenn ein Drittstaatsangehöriger mehr als einmal wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

3.2.2. Da der Bw vom Landesgericht K unter der Zahl 622HV 16/12a -84 wegen §§ 114 (1), 114 (3) Z.1, 114 (4) 1. Fall FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten und einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verur­teilt wurde, ist fraglos der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.

 

3.2.3. Entscheidend ist aber nicht allein die Tatsache, dass eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt, es muss zudem in Form einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person eingeschätzt werden, um festzustellen ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird oder ob von ihm eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht.

 

 

Der Bw hatte zu einem nicht mehr konkret feststellbarem Zeitpunkt vor dem 22.2.2012 über Vermittlung eine geschleppte Person nach X verbracht, einige Tage vor dem 29.4.2012 eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt, am 27.1.2012 7 österreichische Reisepässe für Schleppungen vermittelt, Ende des Jahres 2011 über Auftrag eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt und zu einem nicht mehr konkret feststellbarem Zeitpunkt eine geschleppte Person dem Asylverfahren zugeführt.

 

3.2.4. Es zeugt fraglos von konstanter und erheblicher krimineller Energie sich vielfach an Schleppungen zu beteiligen und gefälschte österreichische Reisepässe zu vermitteln. Besonders ist hier die Tatsache hervorzuheben, dass der Bw laut Gerichtsurteil sowohl gewerbsmäßig als auch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung handelte. Wenn er nun vorgibt allein die illegale Reise seiner Schwester und deren Tochter gefördert zu haben, ansonsten aber nicht an der Schleppung beteiligt gewesen zu sein, scheint dies eine gar zu verharmlosende Darstellung seiner Aktivitäten, wenn ihm auch zugebilligt werden mag, dass er nicht Initiator der Verbrechen war. Die Ausprägung seines Unrechtsbewusstseins scheint – nach dem Eindruck der öffentlichen mündlichen Verhandlung – jedoch als fraglich. Zumal er angab von der weiteren Begehung von derartigen Verbrechen wegen der ihm dann drohenden negativen Außerlandesschaffung Abstand zu nehmen; die Taten rechtfertigte er aber beharrlich mit der ihm – seiner Meinung nach – obliegenden familiären Hilfspflicht. Dass von den ihm zur Last gelegten Verbrechen aber nicht nur die Schwester bzw. die Nichte begünstigt waren, scheint er nicht anzuerkennen.

 

Von einem nachträglichen Wohlverhalten kann im vorliegenden Fall angesichts der erst kurzen Dauer nicht ausgegangen werden.

 

Von einem Wegfall der kriminellen Energie kann sohin zum jetzigen Zeitpunkt keinesfalls gesprochen werden. 

 

3.2.5. Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass der Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit durchaus nicht unerheblich gefährdet.

 

In diesem Sinne ist die Erlassung eines Rückkehrverbotes gegen den Bw gestützt auf § 54 FPG zunächst zulässig.

   

3.3.1. Bei der Klärung der Zulässigkeit der Erlassung eines Rückkehrverbots ist jedoch auch auf die von Art 8 EMRK geschützten Interessen des Bw sowie § 61 FPG Bedacht zu nehmen.

 

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Im Sinne der zitierten Normen ist einzelfallbezogen durch Abwägung der Interessen des Bw, mit den in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen zu entscheiden, ob ein Rückkehrverbot gerechtfertigt und verhältnismäßig ist.

 

3.3.2. Im Fall des Bw ist zunächst vom geplanten Rückkehrverbot vor allem das Privatleben betroffen, zumal der Bw – wie sich unwidersprochen aus dem Sachverhalt ergibt – in Österreich alleinstehend, nicht verheiratet und kinderlos ist. Es sind zwar verschiedene Verwandte hier aufhältig; mit diesen lebt er aber nicht im gemeinsamen Haushalt.

 

3.3.3.1. Hinsichtlich der Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und der Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war, ist festzuhalten, dass der Bw im Mai 2011 illegal in das Bundesgebiet eingereist, seither aber durch seinen Titel als Asylwerber der Aufenthalt als legal anzusehen ist.

 

3.3.3.2. Der Bw ging während des gesamten Aufenthalts keiner legalen Beschäftigung nach, lebte von öffentlicher Unterstützung, kann also nicht als beruflich integriert oder selbsterhaltungsfähig angesehen werden.

 

Hinsichtlich der sozialen Integration ist anzuerkennen, dass der Bw sprachlich integriert ist und über den 2-jährigen Aufenthalt zweifellos verschiedene Beziehungen auch zu österreichischen Staatsangehörigen knüpfen konnte. Dessen ungeachtet wird aber die soziale Verfestigung als nicht besonders hoch angesehen werden können.

 

3.3.3.3. Das Privatleben des Bw scheint in Österreich nicht besonders schützenswert, wenn auch einige nahe Verwandte hier aufhältig sind. Zu diesen besteht aber keinerlei Verbindlichkeit wie etwa Sorgepflichten.

 

3.3.3.4. Der Bw war in seinem Heimatland aufgewachsen, genoss dort eine fundierte Schulausbildung und kann fraglos als in seinem Herkunftsland kulturell und sprachlich sozialisiert angesehen werden. Eine Rückkehr erscheint unter diesen Umständen nicht unzumutbar, zumal der Bw wiederum eine Tätigkeit als Dolmetscher für die englische Sprache aufnehmen könnte.

 

3.3.3.5. Die strafgerichtliche Verurteilung des Bw und das damit verbundene massive Gefährdungspotential wurde unter Punkt 3.2. dieses Erkenntnisses bereits intensiv beleuchtet. Diese wiegt in der Interessensabwägung besonders schwer.

 

3.3.3.6. Das Privatleben des Bw entwickelte sich zum größten Teil unter einem unsicheren aufenthaltsrechtlichen Status. Besondere Verzögerungen von Seiten der Behörden sind nicht zu konstatieren.

 

3.3.4. Vor dem Hintergrund der in den Punkten 3.3.3.1. bis 3.3.3.6. getroffenen Feststellungen ist zusammenfassend hinsichtlich des Eingriffs in den geschützten Bereich des Privat- und Familienlebens des Bw festzuhalten, dass sich eine Eingriffsunzulässigkeit dem Grunde nach nicht ergibt. Sowohl die persönlichen Interessen des Bw am Verbleib im Bundesgebiet, als auch die öffentlichen Interessen an seiner Außerlandesschaffung sind ausgeprägt, wobei aber den öffentlichen Interessen bei weitem der Vorrang gegeben werden muss.

 

Wesentlich für eine Gesamtabwägung zulasten des Bw sind letztendlich die von ihm begangenen schweren Verbrechen. Insgesamt ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen im Sinne des Art 8 Abs 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss. Die Erlassung eines Rückkehrverbotes ist daher dem Grunde nach zulässig und der Bw kann sich nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.4.1. Abschließend gilt es nunmehr, die Dauer, für welche der Bw nicht in das Gebiet der Mitgliedstaaten einreisen darf, zu prüfen.

 

§ 53 Abs. 3 FPG zufolge ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z. 5 bis 8 FPG auch unbefristet zu erlassen.

 

3.4.2. Die belangte Behörde bemaß die Dauer des Rückkehrverbotes mit immerhin 7 Jahren, was angesichts der Tatsache, dass der Bw zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Monaten, einer bedingten zu 14 Monaten - gemessen am Rahmen einer 5-jährigen unbedingten Freiheitsstrafe – nicht überdurchschnittlich hoch verurteilt wurde, als zu streng erscheint. Dazu kommt noch, dass die in Rede stehende Verurteilung die erste des Bw in Österreich darstellt. Als verhältnismäßig werden sohin 4 Jahre erachtet. Nach diesem Zeitraum des Wohlverhaltens kann geschlossen werden, dass die aktuell bejahte kriminelle Energie nicht mehr vorliegen wird.

 

3.5.1. Es war daher im Ergebnis der Berufung mit der Maßgabe stattzugeben, als

die Dauer des in Rede stehenden Rückkehrverbotes auf 4 Jahre herabzusetzen, im Übrigen aber der angefochtene Bescheid zu bestätigen und spruchgemäß zu entscheiden war.

 

3.5.2. Auf eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung im Sinne des § 59 Abs 1 FPG konnte aufgrund der im Verfahren hervorgekommenen guten Kenntnisse der deutschen Sprache im Fall des Bw verzichtet werden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

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