Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-560225/7/Py/Hu

Linz, 03.05.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung der Frau x, vertreten durch x,  gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13.11.2012, Gz. 301-12-2/1ASJF, betreffend Zurückweisung des Antrags auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes gemäß Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 27, 30 und 40 Oö. Mindestsicherungsgesetz (Oö. BMSG), LGBl.Nr. 74/2004 idgF.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid vom 13. November 2012, Gz. 301-12-2/1ASJF, wurde der Antrag der Berufungswerberin (in der Folge: Bw) vom 30. Oktober 2012 auf Zuerkennung der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes in Anwendung der Bestimmungen der §§ 27 und 30 Oö. Mindestsicherungsgesetz zurückgewiesen.

 

Begründend wird festgehalten, dass die Bw mit Schreiben vom 30. Oktober 2012 im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht ersucht wurde, die im Schreiben angeführten Urkunden und Unterlagen beizubringen. Da die Bw trotz Hinweis auf die damit verbundenen Rechtsfolgen dieser Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist, fehlt für ihren Antrag die Entscheidungsgrundlage, weshalb dieser zurückzuweisen war.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom - mit Beschluss des BG Linz vom 22. November 2012 bestellten - vorläufigen Sachwalter der Bw eingebrachte Berufung vom 30. November 2012. Darin wird vorgebracht, dass bei der Bw die persönlichen Voraussetzungen für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung vorliegen. Vom Bezirksgericht Linz wurde mit Beschluss vom 22. November 2012 zu GZ x Herr x, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, zum Sachverständigen bestellt und beauftragt, schriftlich Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob bei der Bw eine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung vorliegt, welche es ihr unmöglich macht, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Diesem Gutachten komme daher wesentliche Bedeutung zu, weshalb u.e. beantragt wird, das Gutachten, welches von x erstellt wird, vor der Entscheidung über die gegenständliche Berufung abzuwarten.

 

3. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2012 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Damit ist gemäß § 49 Oö. BMSG die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung begründet.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Mit Schreiben vom 26. Februar 2013 wurde die Bw zH. des vom Gericht vorläufig bestellten Sachwalters aufgefordert, dem Unabhängigen Verwaltungssenat bei dessen Vorliegen das mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 22. November 2012, x, in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie zu übermitteln.

 

Mit Schreiben vom 22. April 2013 legte der in der Tagsatzung vom 22. April 2013 bestellte Sachwalter dem Unabhängigen Verwaltungssenat das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie x vom 27. März 2013 betreffend die Pflegschaftssache x vor. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 67d Abs.2 Z1 AVG unterbleiben.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Anlässlich einer persönlichen Vorsprache am Magistrat der Landeshauptstadt Linz am 30. Oktober 2012 stellte Frau x, geb. am x, österreichische Staatsbürgerin, wohnhaft in x, bei der belangten Behörde einen Antrag auf Mindestsicherung nach dem Oö. Mindestsicherungsgesetz. Bei dieser Vorsprache am 30. Oktober 2012 wurde ihr ein schriftlicher Verbesserungsauftrag zu ihrem Antrag ausgehändigt, wonach sie binnen 14 Tagen ab Zustellung dieses Schreibens folgende Urkunden bzw. Unterlagen beizubringen hat:

Kontoauszüge der letzten 6 Monate,

Mietvertrag,

aktuelle Miete,

Bescheid Wohnbeihilfe,

Lichtbildausweis,

AMS-Terminkarte,

Mitteilung über Leistungsanspruch AMS,

Abgangsbescheinigung Johannes Kepler Universität,

Einkommensnachweis der Eltern der letzten drei Monate.

Gleichzeitig wurde sie schriftlich darauf hingewiesen, dass bei mangelnder Entscheidungsgrundlage ihr Antrag auf Zuerkennung der Mindestsicherung zurückgewiesen wird.

 

Am 8. November 2012 meldet sich die Mutter der Bw telefonisch bei der belangten Behörde und teilt mit, dass sich die Bw in psychiatrischer Behandlung im Wagner-Jauregg-Krankenhaus befinde und von den Eltern eine Sachwalterschaft für ihre Tochter angeregt wird. Zudem meldete sich an diesem Tag die Bw bei der Erstbehörde und gab an, dass sie aufgrund einer Grippeerkrankung die geforderten Unterlagen nicht fristgerecht vorlegen kann.

 

Mit Bescheid vom 13. November 2012 wird der Antrag der Bw auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und Wohnbedarfes aufgrund ihrer mangelnden Mitwirkung zurückgewiesen.

 

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 22. November 2012, 7 P 251/09d-65, wird im Verfahren, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Bw geprüft wird, ein Verfahrenssachwalter sowie einstweiliger Sachwalter für dringende Angelegenheiten zur Einkommenssicherung, Vertretung im mietrechtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Linz sowie finanzielle Angelegenheiten bestellt. Begründend wird ausgeführt, dass die Bw nach dem Ergebnis der Erstanhörung am 22. November 2012 nicht in der Lage ist, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Gleichzeitig wird x zum Sachverständigen bestellt und beauftragt, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob bei der Bw eine psychische Erkrankung oder geistige Behinderung vorliegt, welche es ihr unmöglich macht, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

 

In seinem dazu erstatteten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 27. März 2013 führt der gerichtlich bestellte Sachverständige zusammenfassend aus, dass bei der Bw aufgrund einer psychotischen Störung eine ausreichende Alltagskompetenz nicht vorliegt und diese weder in der Lage ist, kontinuierlich eine Arbeit durchzuführen, noch sich um ihre Alltagsgeschäfte zu kümmern, weshalb eine Sachwalterschaft für finanzielle Angelegenheiten, Schuldenregulierung, Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, privaten Vertragspartnern sowie zur Wohnsitznahme erforderlich ist.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem vorgelegten neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 27. März 2013.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 5 Oö. Mindestsicherungsgesetz – Oö. BMSG, LGBL. Nr. 74/2011, ist Voraussetzung für die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung, dass eine Person im Sinn des § 4

1. von einer sozialen Notlage (§ 6) betroffen ist

2. bereit ist, sich um die Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage zu bemühen (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs.1 Oö. BMSG setzt die Leistung bedarfsorientierter Mindestsicherung die Bereitschaft der hilfebedürftigen Person voraus, in angemessener, ihr möglicher und zumutbarer Weise zur Abwendung, Milderung bzw. Überwindung der sozialen Notlage beizutragen. Eine Bemühung ist jedenfalls dann nicht angemessen, wenn sie offenbar aussichtslos wäre.

 

Nach § 30 Abs.1 Oö. BMSG ist die hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) verpflichtet, an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mitzuwirken. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht sind insbesondere die zur Durchführung des Verfahrens

  1. erforderlichen Angaben zu machen,
  2. erforderlichen Urkunden oder Unterlagen beizubringen, und
  3. erforderlichen Untersuchungen zu ermöglichen.

 

§ 30 Abs.2 Oö. BMSG lautet:

Kommt eine hilfesuchende Person (ihr gesetzlicher Vertreter) ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb angemessener Frist nicht nach, kann die Behörde der Entscheidung über den Leistungsanspruch den Sachverhalt, soweit er festgestellt wurde, zugrunde legen oder bei mangelnder Entscheidungsgrundlage den Antrag zurückweisen. Voraussetzung dafür ist, dass die hilfesuchende Person oder ihr Vertreter nachweislich auf die Folgen einer unterlassenen Mitwirkung hingewiesen worden ist.

 

Zur Abwicklung von Verfahren nach dem Oö. BMSG ist es unterlässlich, dass die hilfesuchenden Personen zur Beurteilung ihrer sozialen Notlage oder der möglichen Bemühungen Daten, die ausschließlich in ihrer Sphäre verfügbar sind, der Behörde vorlegen. Eine entsprechende Mitwirkungspflicht war bereits in § 24 Abs.2 des Oö. Sozialhilfegesetzes 1998 enthalten. Im Verfahren nach dem Oö. BMSG wurde die Behörde in § 30 Abs.2 jedoch in die Lage versetzt, in Verfahren, in denen diese Mitwirkung unterlassen wurde, keine weiteren Sachverhaltsermittlungen mehr durchzuführen. Vielmehr ist bei Fehlen wesentlicher Unterlagen der Antrag zurückzuweisen. Den Erläuterungen zu dieser Bestimmungen ist jedoch zu entnehmen, dass nur dann eine – objektiv vorliegende – mangelnde Mitwirkung zur Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung führt, wenn diese Mitwirkung ohne triftigen Grund unterlassen wurde (vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVIII. GP zu § 30 Oö. BMSG). Die Behörde hat daher bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, aufgrund welcher Umstände die Antragsteller an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht ausreichend mitwirken.

 

Im gegenständlichen Verfahren ist daher festzuhalten, dass die Bw zwar ihrer Mitwirkungspflicht innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht nachgekommen ist, jedoch der belangten Behörde bereits vor ihrer Entscheidung Umstände bekannt wurden, aus denen zumindest Zweifel am Verschulden der Bw an der mangelnden Mitwirkung hervortraten. So wurde die Erstbehörde von der Mutter der Bw auf deren Gesundheitszustand sowie die Notwendigkeit einer Besachwalterung hingewiesen. Gleichzeitig gab auch die Bw der Erstbehörde telefonisch bekannt, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage ist, zeitgerecht die erforderlichen Unterlagen beizubringen und begründet auch das Bezirksgericht Linz den Beschluss zur Bestellung eines einstweiligen Sachwalters damit, dass die Bw nach dem Ergebnis der Erstanhörung nicht in der lage zu sein scheint, alle ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes lagen daher triftige Gründe vor, dass der Bw innerhalb der von der Erstbehörde gesetzten Frist die Beibringung der geforderten Unterlagen nicht möglich war, zumal aufgrund des vorgelegten Sachverständigengutachtens bei der Bw eine ausreichende Alltagskompetenz nicht vorliegt und sie nicht in der Lage ist, sich um ihre Alltagsgeschäfte zu kümmern.

 

Da somit der Bw eine mangelnde Mitwirkung im Verfahren nicht angelastet werden kann, war der gegenständlichen Berufung Folge zu geben und der Zurückweisungsbescheid zu beheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

 

VwSen-560225/7/Py/Hu vom 3. Mai 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

Oö. BMSG §30 Abs2

 

Zur Abwicklung von Verfahren nach dem Oö. BMSG ist es unerlässlich, dass die hilfesuchenden Personen zur Beurteilung ihrer sozialen Notlage oder der möglichen Bemühungen Daten, die ausschließlich in ihrer Sphäre verfügbar sind, der Behörde vorlegen. Eine entsprechende Mitwirkungspflicht war bereits in §24 Abs2 SHG 1998 enthalten. Im Verfahren nach dem Oö. BMSG wurde die Behörde in §30 Abs2 jedoch in die Lage versetzt, in Verfahren, in denen diese Mitwirkung unterlassen wurde, keine weiteren Sachverhaltsermittlungen mehr durchzuführen. Vielmehr ist bei Fehlen wesentlicher Unterlagen der Antrag zurückzuweisen. Den Erläuterungen zu dieser Bestimmung ist jedoch zu entnehmen, dass nur dann eine – objektiv vorliegende – mangelnde Mitwirkung zur Zurückweisung des Antrages auf Zuerkennung der bedarfsorientierten Mindestsicherung führt, wenn diese Mitwirkung ohne triftigen Grund unterlassen wurde (vgl. AB 434/2011 BlgLT XXVIII. GP zu §30 Oö. BMSG). Die Behörde hat daher bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen, aufgrund welcher Umstände die Antragsteller an der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht ausreichend mitwirken.

 

 

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