Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167632/11/Bi/Ka

Linz, 05.06.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, vom 13. Februar 2013 gegen das Straferkenntnis des Landespolizeidirektors von OÖ. vom 25. Jänner 2013, S-45584/12-VP, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 3. Juni 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch und hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafen bestätigt wird, die Geldstrafen jedoch im Punkt 1) auf 120 Euro und in den Punkten 2) und 3) auf je 100 Euro herabgesetzt werden.

 

II. Der Beitrag zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz ermäßigt sich im Punkt 1) auf 12 Euro und in den Punkten 2) und 3) auf je 10 Euro; ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 61i und 19 VStG

zu II.: §§ 64f VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.6 und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 2) §§ 4 Abs.1 lit.a iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 und 3) §§ 4 Abs.2 iVm 99 Abs.2 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 150 Euro (69 Stunden EFS), 2) und 3) je 140 Euro (je 3 Tage EFS) verhängt, weil er am 19. Oktober 2012, 11.50 Uhr, den Pkw x in Linz, x kurz vor der Kreuzung mit dem x, in Fahrtrichtung x aus dem Parallel­parkplatz nächst dem Haus x nach rechts in den x einfahrend gelenkt und

1) als Wartepflichtiger (aus dem Parallelparkplatz in Fahrbahn einfahrend) den Vorrang eines Fahrzeuges im fließenden Verkehr verletzt habe, weil der Vorrangberechtigte zum unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt worden sei,

2) es als Lenker unterlassen habe, nach einem Verkehrsunfall, bei dem sein Verhalten am Unfallsort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, sein Fahrzeug sofort anzuhalten und

3) sei als Lenker an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden beteiligt gewesen und habe somit als Person, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhand gestanden sei, nicht sofort die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt.    

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 43 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 3. Juni 2013 wurde am Unfallort eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw und seines Rechtsvertreters Herrn x, der Zeugen x (Sch) und x (St) sowie des kfztechnischen Amtssachverständigen x (SV) durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, aus der Zeugenaussage St ergebe sich, dass dieser nicht glaube, dass der Pkw-Lenker die Bremsung des Busses mitbekommen habe. Der Zeuge St habe offensichtlich angehalten, um dem Lenker des City-Busses zu signalisieren, dass dieser passieren könne. Dieses Manöver habe der Bw so verstanden, dass er ausfahren könne. Dabei habe es sich um eine offensichtlich missverständlich interpretierte Aufforderung gehandelt, sich gefahrlos in den Fließverkehr einzuordnen und auszuparken, was aber die Erstinstanz weder festgestellt noch rechtlich richtig gewürdigt habe. Bei richtiger Würdigung habe er davon ausgehen können, dass ihm ein Einordnen in den Fließverkehr ermöglicht und auch signalisiert werde, dass sich kein weiteres Fahrzeug im Gefahrenbereich befinde. Gehe man davon aus, dass das bereits begonnene Ausfahrmanöver von ihm korrekt durchgeführt worden sei und von der Zeugenaussage, dass es für ihn nicht erkennbar gewesen sei, dass und welche Bremsung der City-Bus durchgeführt habe, habe er auch nicht damit rechnen können, dass sich im Bus aufgrund des Bremsmanövers jemand verletzt habe. Die Art der Bremsung des City-Busses sei nicht festgestellt worden. Es sei nur von einem starken Abbremsen aber nicht von einer Notbremsung berichtet worden, wie es auch der Lenker des City-Busses unterlassen habe, ihn darauf aufmerksam zu machen, dass aufgrund der eingeleiteten Bremsung jemand zu Schaden gekommen sei. Es würde die Pflichten eines aufmerksamen Pkw-Lenkers deutlich überspannen, wenn bei jeder veranlassten Bremsung im Nahbereich des eigenen Fahrzeuges unverzüglich die nächste Sicherheitsdienst­stelle aufzusuchen wäre, um einen möglichen Unfall mit wahrscheinlich oder möglichen Verletzten zu melden; dies könne von keinem Autolenker realistischer­weise verlangt werden.  Er habe noch dazu ein Abbremsen des City-Busses nicht wahrgenommen und der Buslenker habe auch keine optischen oder akustischen Warnsignale abgegeben. Zu berücksichtigen sei die Grenze der Zumutbarkeit und das Verhalten des durchschnittlichen Straßenbenützers. Die von Der Erstinstanz angenommene Pflicht sei deutlich überspant und abstrakt unrealistisch. Die Erstinstanz habe auch nicht festgestellt, dass er sich bereits in einer deutlich erkennbaren Ausparkposition befunden habe, als der City-Bus im Nahebereich gewesen sei. Aufgrund der Schrägstellung sei auch die Sicht auf den nachkommenden Straßenverkehr nicht gegeben gewesen. Der Lenker des City-Busses hätte daher nicht auf seinen Vorrang beharren dürfen, sondern hätte aufgrund der gegebenen Umstände seine Fahrge­schwindigkeit und seine Reaktion anzupassen gehabt. Er hätte das begonnene Ausparkmanöver erkennen können und rechtzeitig anhalten müssen, insbe­sondere wäre er bei einer unklaren Verkehrssituation und aufgrund der Schräg­stellung fehlender Sicht auf den herannahenden Citybus zu besonderer Vorsicht verpflichtet gewesen. Er habe weder objektiv den vorgeworfenen Tatbestand verwirklicht noch subjektiv schuldhaft vorwerfbar gehandelt.

Er sei Pensionist mit 771 Euro Einkommen monatlich zuzüglich Pflegegeld und Ausgleichszulage. Die Strafe sei weder schuld- und tatangemessen noch entspreche sie seinem Einkommensstand. Beantragt wird Einstellung des Verfahrens (in eventu nach mündlicher Verhandlung).    

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der die Örtlichkeit besichtigt, der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt und die genannten Zeugen unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurden und auf dieser Grundlage ein technisches SV-Gutachten durch den AmtsSV erstellt  wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Bw hat als Bewohner des Hauses x neben der Fahrbahn des x und parallel zu dieser einen Mieterparkplatz, von dem er am 19. Oktober 2012, 11.50 Uhr, ausparken wollte, um in Richtung x weiterzufahren. Nach seinen Angaben lenkte er den Pkw in Schrägstellung und überzeugte sich, ob aus Richtung x, dh von rechts hinten, ein Fahrzeug kam. Er nahm nach eigenen Angaben keines wahr, bemerkte aber beim Blick in Richtung x einen Pkw, der langsamer wurde und vor der Kreuzung mit dem x gegenüber der Haltestelle des City-Busses stehenblieb. Als der Lenker dieses Pkw Handzeichen gab, die der Bw auf sich bezog und als Aufforderung weiterzufahren verstand, fuhr er etwa einen halben Meter auf den zwischen seinem Parkplatz und der Fahrbahn befindlichen Gehsteig und nahm gleichzeitig ein Bremsgeräusch wahr, worauf er sofort stehenblieb. Das Geräusch ordnete er beim Seitenblick dem dortigen City-Bus zu, dessen Lenker eine Vollbremsung eingeleitet hatte und mit der Front des Busses ein kurzes Stück vor der Front des Pkw des Bw zum Stehen kam. Beide Lenker sahen sich kurz an und laut Bw gab der Lenker des City-Busses, der Zeuge Sch, ihm ein Zeichen zum Weiterfahren, was er auch tat. Beim Pkw St blieb er kurz stehen, um den Zeugen St zu beschimpfen, weil er ihm ein Zeichen zum Ausfahren gegeben habe, und setzte dann die Fahrt in Richtung Florianer Straße fort, ohne sich weiter um den Bus zu kümmern. 

Der Zeuge Sch wartete inzwischen und fuhr dann seine Haltestelle gegenüber dem Pkw St an, wo sich wenig später herausstellte, dass ein Fahrgast, die Zeugin x, die offenbar bei der do Haltestelle aussteigen wollte, zu Sturz gekommen war und sich verletzt hatte. Diesbezüglich wurde vom Unfall­kranken­haus Linz die Verletzungsanzeige vom 2. November 20121 erstattet. Der Zeuge Sch bestätigte, die Zeugin sei hingefallen und habe am Hals geblutet. Er hat um 12.00 Uhr die Polizei verständigt und hat dann eine Unfallaufnahme stattgefunden, wobei er den Zeugen St um eine Zeugenaussage ersucht habe. Der Bw hat nach eigenen Angaben erst drei Wochen später von der Verletzung des Fahrgastes erfahren.    

 

In der Verhandlung wurde geklärt, dass der City-Bus von der x kommend nach links in den x eingebogen ist und diesen bis zur Unfallstelle in einem Zug ohne Gegenverkehr durchfahren hat. Der Zeuge St gab an, er habe den City-Bus kommen gesehen und auch, dass diesem auf dem Ziegelhubweg wegen der aus seiner Sicht links parkenden Fahrzeuge nur der linke Fahrstreifen zur Verfügung stand, sodass er auf den Gehsteig hinauf fahren hätte müssen. Um das zu verhindern, sei er gleich auf Höhe der Haltestelle stehengeblieben und wollte den City-Bus vorbeilassen. Den ausparkenden Pkw habe er gar nicht bemerkt, dieser sei ihm erst aufgefallen, als die beiden Fahrzeuge fast nebeneinander gestanden seien. Der Bus habe nach seinem Dafürhalten gebremst und sei etwa 20 cm vor der Front des Pkw des Bw zum Stehen gekommen. Der Zeuge St konnte sich in der Verhandlung nicht erinnern, Licht- oder Handzeichen gegeben zu haben.

 

Der Busfahrer, der Zeuge Sch, bestätigte in der Verhandlung, er habe sich an die dort bestehende Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h gehalten und ihm sei der anhaltende Pkw aufgefallen, was er auch auf sich bezogen habe. Den Pkw des Bw habe er zunächst gar nicht wahrgenommen, er habe sich auf den Pkw St konzentriert. Der Pkw des Bw sei ihm erst aufgefallen, als er sich fast schon auf gleicher Höhe mit diesem befunden habe und dieser auf den Bus zugefahren sei. Er habe sich geschreckt und sofort eine Notbremsung eingeleitet. Er sei ein kurzes Stück vor der Front des Pkw zum Stehen gekommen. Der Zeuge Sch konnte sich nicht erinnern, dem Bw ein Zeichen zum Weiterfahren gegeben zu haben, aber der Lenke des ausparkenden Pkw sei herausgefahren und dann noch kurz beim Pkw St stehengeblieben, um mit diesem zu sprechen. Dann sei er einfach geradeaus weitergefahren. Zu dieser Zeit habe der Zeuge Sch von der Verletzung seines Fahrgastes noch nichts gewusst, das habe sich erst in der Haltestelle ergeben. Er habe dem nach dem Vorfall weiterfahrenden Pkw keine Zeichen gegeben, dass er stehen bleiben solle.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bw beim Ausparken aus seiner Position freie Sicht auf den gerade verlaufenden Abschnitt des x hatte, wenn er über die Schulter nach rechts hinten schaute. Die Zeit, die der City-Bus braucht, um ab dem Einbiegen von der x bis auf Höhe des Parkplatzes des Bw zu gelangen, hat der SV mit 8 bis 10 Sekunden festgestellt. Während dieser Zeit war er von den Sichtverhältnissen her für den Bw einwandfrei erkennbar. Der SV hat die Aussagen der Zeugen aus technischer Sicht nachvollzogen und auch die vom Zeugen Sch geschilderte Notbremsung, dh eine Bremsung mit 8 bis 9 m/sek² Verzögerung, als sicherste Möglichkeit in der dortigen Lage eingestuft. Der Zeuge Sch hatte nur einen Fahrstreifen zur Verfügung, befand sich ca 1 m vom Randstein des Gehsteiges entfernt und konnte zu der Zeit, als sich der Pkw des Bw von links seitlich auf den Bus zu bewegte, nicht einschätzen, ob dieser stehen bleiben oder weiterfahren würde und wenn ja, in welcher Fahrlinie. Von den glaubwürdigen Schilderungen des Zeugen Sch ausgehend konnte dieser den Pkw des Bw erst im Querverkehr bei einer Weiterbewegung im Ausmaß von ca 1 m bemerken, als er sich mit der Front des City-Busses bereits etwa eine Fahrzeuglänge hinter dem Heck des Pkw befand. Er hatte demnach einen Anhalteweg von etwa 8 m zur Verfügung, was die Endlage von etwas vor der Front des Pkw des Bw erklärt. Der Zeuge Sch hat glaubhaft angegeben, er habe in der Endlage den Bw im Seitenspiegel gerade noch gesehen.       

Der Zeuge hat auch bestätigt, er habe zwar nicht unmittelbar das Hinfallen seines Fahrgastes gesehen, aber die Frau habe hinten aussteigen wollen und da befänden sich Klappsitze, die beim Aufstehen zur Wand klappen. Sie sei jedenfalls hingefallen.

Laut Verletzungsanzeige wurde als Unfallhergang ein Sturz gegen eine Eisen­stange infolge einer Notbremsung angegeben und eine Verletzung an der Halswirbelsäule und am linken Knie.       

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Zum Vorwurf einer Vorrangverletzung im Punkt 1) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 19 Abs.6 StVO 1960 haben Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Fußgängerzonen, von Wohnstraßen, von Haus- oder Grundstücksausfahrten, von Garagen, von Parkplätzen, von Tankstellen, von Feldwegen oder dgl. kommen.

Gemäß Abs.7 darf, wer keinen Vorrang hat (der Wartepflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang (die Vorrang­berechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

Gemäß Abs.8 darf der Lenker eines Fahrzeuges auf seinen Vorrang verzichten, wobei ein solcher Verzicht dem Wartepflichtigen deutlich erkennbar zu machen ist. Das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, ausgenommen eines Schienen­fahrzeuges in Haltestellen, aus welchem Grund immer, insbesondere auch in Befolgung eines gesetzlichen Gebotes, gilt als Verzicht auf den Vorrang. Der Wartepflichtige darf nicht annehmen, dass ein Vorrangberechtigter auf seinen Vorrang verzichten werde, und er darf insbesondere auch nicht annehmen, dass bei Vorrangverzicht eines Vorrangberechtigten ein anderer Vorrangberechtigter gleichfalls auf seinen Vorrang verzichten werde, es sei denn, dem Wartepflichtigen ist der Vorrangverzicht von Vorrangberechtigten zweifels­frei erkennbar.

 

Der Bw war beim Ausparken aus dem Parkplatz ohne jeden Zweifel gegenüber dem Fließverkehr – dem City-Bus und dem Pkw St – auf dem x wartepflichtig, was ihm sicher auch bewusst war. Allerdings ist seine Aussage, er habe das für ihn zunächst anders nicht erklärbare Verhalten des Zeugen St, nämlich dessen Anhalten vor der Kreuzung mit dem x, als Verzicht auf den Vorrang ihm gegenüber aufgefasst und sei daher etwa einen halben Meter auf den Gehsteig in Richtung Fahrbahn gefahren, glaubhaft. Glaubwürdig ist auch seine Aussage, er habe beim ersten Anfahren, also noch vor dem Erkennen des Pkw St, nach rechts hinten geschaut und keinen Verkehr auf dem Ziegelhubweg bemerkt. Da aber der City-Bus sicher 8 Sekunden vor der Endposition beim geraden Straßenverlauf für den Bw sichtbar sein musste, ist davon auszugehen, dass der Bw dann nur mehr auf den Zeugen St geachtet und offenbar vergessen hat, vor der Weiterfahrt nochmals nach rechts hinten zu schauen, weil sich inzwischen die Verkehrssituation geändert haben konnte und auch tatsächlich geändert hat. Daher hat er den vom Zeugen Sch gelenkten City-Bus übersehen und diesen dadurch ohne jeden Zweifel zu einer Notbremsung, dh zu einem „unvermitteltem Bremsen“ genötigt. Diese Bremsung wurde vom SV als sicherste Möglichkeit zur Unfallvermeidung nachvollzogen und war daher nicht als überzogen zu beurteilen.

Damit hat er den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, zumal ihm die Glaubhaftmachung (gänzlich) mangelnden Verschuldens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG nicht gelungen ist.

 

Zu den Vorwürfen des Nichtanhaltens und des Nichtmeldens eines Verkehrs­unfalls mit Personenschaden in den Punkten 2) und 3) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 4 Abs.1 lit.a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.

Gemäß § 4 Abs.2 StVO 9160 haben die im Abs.1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden sind, sofort die nächste Polizei­dienst­stelle zu verständigen.

 

Das Beweisverfahren hat ergeben, dass der Bw nach dem Stillstand seines Pkw und des City-Busses im Hinblick darauf, dass es zu keinerlei Berührung der beiden Fahrzeuge gekommen war, die Fahrt fortgesetzt hat und nur kurz beim Pkw St stehenblieb, um den Zeugen St zu beschimpfen. Fest steht auch, dass der Zeuge Sch zu dieser Zeitpunkt noch nichts von einer Verletzung des Fahrgastes wusste, da sich dieser Umstand erst in der Haltestelle herausstellte – die der Zeuge Sch erst anfahren konnte, als der Pkw des Bw in Richtung Florianer Straße weitergefahren war.

Eine Verletzung im Sinne eines Personenschadens gemäß § 4 Abs.2 StVO ist aufgrund der unbedenklichen Verletzungszeige des UKH Linz und der Aussage des Zeugen Sch, die auf dem Boden liegende Frau habe am Hals geblutet und über Schmerzen geklagt, unbestritten.

Nach der Definition eines „Verkehrsunfalls“ – demnach ist als Verkehrsunfall jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat; der im § 4 Abs.1 genannte Personenkreis umfasst alle Personen, deren Verhalten örtlich und zeitlich unmittel­bare Bedingung (conditio sine qua non) für das Entstehen eines Verkehrs­unfalls ist und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ihr Tun oder Unterlassen rechtswidrig und schuldhaft ist (vgl VwGH 22.3.2000, 99/03/0469; 20.4.2001, 99/02/0176) – war der ggst Vorfall als solcher zu qualifizieren, auch wenn zwischen den beiden Fahrzeugen keine Berührung stattgefunden hat.     

  

Der Bw wäre demnach verpflichtet gewesen, sofort anzuhalten – damit ist nicht die Beschimpfung des Zeugen St gemeint, sondern die Kontaktaufnahme mit dem Buslenker zur Klärung, ob bei dieser Notbremsung ein Schaden eingetreten ist.

Der Tatbestand des  § 4 Abs.2 StVO ist dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewusstsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewusstsein kommen hätten müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Unfalls mit Verletzung einer Person zu erkennen vermocht hätte (vgl VwGH 17.10.1980; 159/80).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates konnte der Bw angesichts der zweifelsfrei für ihn erkennbar abrupten Notbremsung des schon von der Größe her erkennbar für eine größere Zahl von sitzenden und stehenden Fahr­gästen bestimmten City-Busses zum Zeitpunkt seiner Weiterfahrt die Verletzung einer Person im City-Bus nicht ausschließen. Dabei ist weiters zu bedenken, dass dem Bw bekannt war, dass sich unmittelbar nach der Kreuzung x – x, also wenige Meter nach dem Ort des Vorfalls, eine Haltestelle befindet, bei der erfahrungsgemäß – der Vorfall ereignete sich an einem Freitag Mittag – Fahrgäste aussteigen, dh zum Zeitpunkt der Bremsung bereits aufgestanden sein konnten. Und er hatte auch zu bedenken, dass gerade bei Linienbussen die Fahrgäste Personen aller Altersstufen sein können, dh auch solche in weniger guter körperlicher Verfassung, Kinder oder solche mit Gepäck, bei denen zwar die uneingeschränkte Verpflichtung zur Benützung von Haltegriffen oder –stangen besteht, von deren tatsächlicher und ausreichender  Einhaltung der Bw aber nicht zwingend ausgehen konnte. Daher wäre er verpflichtet gewesen, sind entsprechend zu vergewissern, ob durch die aufgrund seines Ausparkmanövers eingeleitete Notbremsung des City-Busses ein Personen­schaden eingetreten ist, dh er hätte die Fahrt nicht fortsetzen dürfen sondern zumindest mit dem Buslenker in der Haltestelle Kontakt aufnehmen müssen, um einen Personenschaden verlässlich ausschließen zu können. Dabei wäre ihm die nach dem Anprall an der Haltestange verletzt am Boden liegende Frau und damit seine Meldepflicht bewusst geworden.     

Der Bw hat daher beide ihm vorgeworfene Tatbestände erfüllt, zumal auch hier von einem mangelnden Verschulden gemäß § 5 Abs.1 VStG nicht auszugehen war.

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO bis 726 Euro Geldstrafe, für den Nichteinbringungsfall bis zwei Wochen Ersatzfrei­heits­strafe reicht. Der Strafrahmen des § 99 Abs.2 lit.a StVO reicht von 36 bis 2180 Euro Geldstrafe, für den Nichteinbringungsfall von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

 

Die Voraussetzungen für eine Anwendung der §§ 20 oder 21 VStG lagen nicht vor, weil das Vorliegen eines geringfügigen Verschuldens im Punkt 1) nicht zu begründen ist und in den Punkten 2) und 3) die Übertretungen Folgen hatten und auch kein überwiegender Milderungsgrund vorliegt.

 

Der Bw bezieht ein Einkommen aus Invaliditätspension, Kinderzuschuss, Pflege­geld der Stufe I und Ausgleichszulage von gesamt 1.190 Euro, ist sorge­pflichtig für zwei Kinder und hat kein Vermögen, wobei mildernde oder erschwerende Umstände nicht zu berücksichtigen waren. Aufgrund der finanziellen Umstände war eine Herabsetzung der Geldstrafen zu rechtfertigen.

Die nunmehr verhängten Geldstrafen liegen unter Bedachtnahme auf die Kriterien des § 19 VStG im untersten Bereich des jeweiligen gesetzlichen Strafrahmens, halten generalpräventiven Überlegungen stand und sollen den Bw in Zukunft zu mehr Sorgfalt und Aufmerksamkeit im Straßen­verkehr anhalten. Es steht ihm frei, mit der Erstinstanz eine Ratenvereinbarung zu treffen. Da bei der Bemessung der Ersatzfreiheitstrafen finanzielle Über­legungen irrelevant sind, waren diese zu bestätigen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Mag. Bissenberger

 

Beschlagwortung

VU mit Personenschaden, Ausparkmanöver – Notbremsung des Linienbusses – Fahrgast hingefallen + verletzt

 

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