Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101568/4/Bi/Fb

Linz, 28.01.1994

VwSen-101568/4/Bi/Fb Linz, am 28. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der K, vom 22.

Oktober 1993 (Datum des Poststempels) gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 7.

Oktober 1993, VerkR96/3578/1993-Or/Mu, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, und 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative VStG, §§ 38 Abs.4 zweiter Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 38 Abs.4 zweiter Satz iVm 99 Abs.3a StVO 1960 eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden verhängt, weil sie am 11. Juni 1993 um ca 6.50 Uhr den PKW, Kennzeichen auf der B127 von Ottensheim Richtung L gelenkt habe und bei der durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung K2 in Puchenau trotz grünem Licht der Verkehrsampel nicht weitergefahren sei. Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 50 S auferlegt.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hatte (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, sie habe sich als Lenkerin des PKW auf der B127 von O in Richtung Linz der Kreuzung in Puchenau genähert und nach mindestens 3 bis 4maligem Grünblinken der Ampel angehalten.

Unter Beibehaltung ihrer bereits verringerten Geschwindigkeit und unter Beobachtung der weiteren Verkehrslage in Richtung Kreuzungsbereich habe sie sich nicht mehr in der Lage gefühlt, in die Kreuzung noch bei grünblinkendem Licht einzufahren, weil sie Bedenken gehabt habe, daß bereits gelbes Licht aufleuchten könnte, wenn sie in die Kreuzung einfahre. Das blinkende Grünlicht habe ihr das bevorstehende Ende des Zeichens "Freie Fahrt" angezeigt, daher habe das Anhalten ihres Fahrzeuges für die nachkommenden Fahrzeuglenker nicht überraschend sein können, weil diese selbst unter dem Umstand, daß die Ampel bereits grün blinkte, verpflichtet gewesen seien, die Verkehrslage zu beobachten und ihr Fahrverhalten darauf einzustellen hatten.

Zwei Wochen vor diesem Vorfall sei sie beanstandet worden, weil sie bei Grünblinken einer Ampel die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges noch beschleunigt hatte, um die Kreuzung durchfahren zu können. Sie sei dabei belehrt worden, in Zukunft derartige Übertretungen nicht mehr zu begehen.

Als sie sich entschlossen habe, den PKW abzubremsen, sei sie sicherlich noch 27 m von der Kreuzung entfernt gewesen, jedoch habe sie eine Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h innegehabt, sodaß von einer ganz normalen Betriebsbremsung auszugehen sei. Diese könne für die nachfolgenden Lenker nicht als überraschend anzusehen gewesen sein.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt, VerkR96/3578/1993, der Erstinstanz, wobei festgestellt wurde, daß die Rechtsmittelwerberin als Lenkerin des PKW am 11. Juni 1993 um 6.50 Uhr auf der B127 von O Richtung fahrend bei der Kreuzung in Puchenau bei grünblinkendem Licht der Verkehrslichtsignalanlage angehalten hat. Der hinter ihr befindliche G konnte seinen PKW nicht mehr anhalten und fuhr auf den PKW der Rechtsmittelwerberin auf.

Der hinter diesem fahrende A leitete ebenfalls eine Bremsung ein und verriß seinen PKW auf die rechte Spur, streifte dabei aber noch den PKW R.

Aus der Anzeige des Meldungslegers GI E geht hervor, daß dieser im Rahmen des Verkehrsüberwachungsdienstes zur selben Zeit bei der Kreuzung auf dem Linksabbiegestreifen in Richtung Golfplatzstraße bei Rotlicht der Ampel anhalten mußte und daher direkte Sicht auf die Fahrspur in Richtung hatte. GI E hat bestätigt, daß die Rechtsmittelwerberin beim 3. oder 4.

Blinken der Ampel vor der Haltelinie angehalten hat.

Der Zeuge G gab im Rahmen der Unfallaufnahme beim Gendarmerieposten P an, er habe seinen PKW auf der B127 auf der Überholspur von O Richtung gelenkt und sei im 4. Gang mit 60 bis 70 km/h im Rahmen einer aufgelockerten Kolonne hinter anderen Fahrzeugen unterwegs gewesen, wobei sich auf der rechten Fahrspur zwei LKW befunden hätten. Als er unmittelbar vor der Ampelanlage gefahren sei, habe diese seiner Ansicht nach 1 bis 2 Mal geblinkt, weshalb er angenommen habe, daß die Lenkerin vor ihm durchfahren würde. Diese habe jedoch plötzlich beim 2.

Mal Grünblinken angehalten, und er habe auch durch eine Vollbremsung ein Auffahren nicht mehr verhindern können. Die beiden LKW seien zur gleichen Zeit auf der rechten Spur noch durchgefahren und der Lenker hinter ihm habe sein Fahrzeug auf die rechte freie Spur verrissen, ihn jedoch rechts hinten gestreift. Er könne zwar die Größe des Sicherheitsabstandes nicht mehr angeben, jedoch sei das Anhalten der Lenkerin vor ihm so überraschend für ihn gewesen, daß er nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.

Seiner Ansicht nach wären alle drei Fahrzeuge bei Grünlicht noch durchgekommen.

Der Zeuge gab im Rahmen der Unfallerhebungen an, er sei mit 50 bis 60 km/h mit, seiner Ansicht nach, genügend großem Sicherheitsabstand zum Fahrzeug R auf der Überholspur Richtung L gefahren. Als er unmittelbar vor der Kreuzung fuhr, habe die Ampelanlage zu blinken begonnen und es habe sicher erst einmal grün geblinkt, als ganz plötzlich die zweite Lenkerin vor ihm angehalten habe. Der PKW-Lenker vor ihm habe eine Vollbremsung eingeleitet, sei aber auf den PKW aufgefahren.

Er habe seinen PKW auf den rechten Fahrstreifen verrissen, jedoch mit seinem Fahrzeug noch den vor ihm befindlichen PKW rechts hinten gestreift. Seiner Ansicht nach wären noch alle drei Fahrzeuge bei grün über die Kreuzung gekommen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, daß gemäß § 38 Abs.4 StVO 1960 grünes Licht als Zeichen für "Freie Fahrt" gilt. Bei diesem Zeichen haben die Lenker von Fahrzeugen, wenn es die Verkehrslage zuläßt, weiterzufahren oder einzubiegen. Gemäß Abs.6 dieser Bestimmung ist das grüne Licht jeweils mit 4 Mal grünblinkendem Licht zu beenden, wobei die Leucht- und die Dunkelphase abwechselnd je ein halbe Sekunde zu betragen haben. Grünes blinkendes Licht bedeutet das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeichens für "Freie Fahrt".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 11.

April 1973, 416/71 (verst. Sen.), ausgesprochen, daß die Straßenverkehrsordnung kein klares Gebot enthält, wonach der Lenker eines Fahrzeuges schon bei grünblinkendem Licht verpflichtet wäre, die von ihm eingehaltene Geschwindigkeit so herabzusetzen, daß er in der Lage ist, an den in § 38 Abs.1 bezeichneten Stellen anzuhalten. Auch aus § 38 Abs.6 leg.cit. ergibt sich keine Verpflichtung zu einem bestimmten Fahrverhalten des Lenkers.

In dem dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegenden Fall führte diese Rechtsansicht dazu, daß den Lenker, wenn ihm ein Anhalten bei Gelblicht nicht mehr möglich war, die Verpflichtung zur Weiterfahrt traf und er daher nicht gemäß § 38 Abs.2 StVO zu bestrafen war.

Auf den gegenständlichen Fall übersetzt bedeutet dies nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates, daß die Rechtsmittelwerberin zwar nicht verpflichtet war, bei grünblinkendem Licht ihr Fahrverhalten so einzustellen, daß ihr bei Aufleuchten des gelben Lichtes ein Anhalten vor der Haltelinie möglich gewesen wäre, jedoch ist umgekehrt aus dieser Bestimmung keine Verpflichtung abzuleiten, die es der Rechtsmittelwerberin verboten hätte, das grünblinkende Licht der Verkehrslichtsignalanlage auch tatsächlich als das unmittelbar bevorstehende Ende der Grünphase anzusehen.

Die Rechtsauffassung der Erstinstanz, wonach die Rechtsmittelwerberin bei grünem Licht verpflichtet gewesen wäre, weiterzufahren, zumal es die Verkehrslage zugelassen habe, vermag der unabhängige Verwaltungssenat deshalb nicht zu teilen, weil der Terminus "grünes Licht" nicht mit dem Terminus "grün blinkendes Licht" gleichzusetzen ist. Ein Lenker, der sich darauf verlassen darf, "freie Fahrt" zu haben, ist gemäß § 38 Abs.4 StVO 1960 verpflichtet, weiterzufahren oder einzubiegen, sobald es die Verkehrslage zuläßt. Ein Lenker, dem jedoch das unmittelbar bevorstehende Ende des Zeichens für "freie Fahrt" angezeigt wird, ist zwar nicht konkret verpflichtet, vor der Haltelinie anzuhalten, jedoch kann ihm nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß er es tatsächlich tut.

Die Rechtsmittelwerberin hat angegeben, sie habe bei einer Geschwindigkeit von 50 bis 60 km/h bei einer Entfernung von ca 27 m eine "normale" Betriebsbremsung eingeleitet und beim 3. oder 4. Grünblinken vor der Haltelinie angehalten. Das wurde auch durch den Meldungsleger, der den Vorfall aus nächster Nähe beobachtet hatte, in der Anzeige bestätigt, während die Zeugen R und P den Vorfall so schilderten, als hätte die Rechtsmittelwerberin beim ersten Grünblinken eine Vollbremsung eingeleitet.

Der unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Ansicht, daß die Schilderung der Rechtsmittelwerberin durchaus glaubwürdig ist, wobei auch ihr Vorbringen, sie sei kurz vor diesem Vorfall beanstandet worden, weil sie bei Gelblicht in eine Kreuzung eingefahren sei, und habe sich daher besonders bemüht, sich vorschriftsmäßig zu verhalten, nicht als lebensfremd anzusehen ist.

Wenn daher die Rechtsmittelwerberin bei Annäherung an die Kreuzung unter Bedachtnahme auf diese Überlegungen eine erhöhte Aufmerksamkeit und Sorgfalt aufgewendet und dabei beschlossen hat, rechtzeitig vor der Haltelinie ihr Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, so mag dies vielleicht die hinter ihn fahrenden Zeugen R und (in weiterer Folge) P überrascht haben; allerdings ist zu bemerken, daß diese bei Annäherung an die Kreuzung verpflichtet gewesen wären, ihre Aufmerksamkeit sowohl auf die Verkehrslichtsignalanlage wie auf die Verkehrssituation zu richten und einen ausreichenden Sicherheitsabstand beim Hintereinanderfahren einzuhalten, anstatt Überlegungen dahingehend anzustellen, was sich gerade noch "ausgegangen" wäre.

In verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht ist der Rechtsmittelwerberin jedenfalls kein Vorwurf zu machen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zu II.:

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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