Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401306/5/Gf/Rt

Linz, 17.06.2013

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Gróf aus Anlass der Beschwerde des A, vertreten durch RA Dr. L, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck vom 23. Mai bis zum 14. Juni 2013 im Polizeianhaltezentrum X zu Recht:

 

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vom 23. Mai bis zum 14. Juni 2013 wird als nicht rechtswidrig festgestellt.

 

II. Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in einer Höhe von insgesamt 426,20 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 23. Mai 2013, Zl. Sich40-2013-2013, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen (vermutlich) tunesischen Staatsangehörigen, gemäß § 76 Abs. 2a Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005 i.d.g.F. BGBl.Nr. I 22/2013 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung sowie zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft verhängt und diese durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) X vollzogen.

 

Begründend wurde – soweit diesem Bescheid eigenständige Feststellungen zu entnehmen sind – ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 20. April 2013 im Hauptbahnhof X dabei betreten worden sei, dass er sich ohne gültige Reisedokumente und Identitätsnachweis im Bundesgebiet aufhalte. Bei seiner anschließenden fremdenpolizeilichen Befragung sei hervorgekommen, dass er zuvor bereits in der Schweiz und in Italien einen Asylantrag gestellt habe. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Mai 2013, Zl. 1305158-EAST-West, sei daher sein am 20. April 2013 in Österreich gestellter Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen und seine Ausweisung nach Italien verfügt worden. Da seine tatsächliche Identität und Herkunft noch nicht zweifelsfrei feststehe, er seine Unwilligkeit zur freiwilligen Ausreise nach Italien ebenso mehrfach demonstriert habe wie die Nichtbeachtung der Einreisevorschriften anderer EU- und EWR-Mitgliedsstaaten  und zudem weder über einen polizeilich gemeldeten Wohnsitz noch über die zur Bestreitung seines Aufenthalts erforderlichen finanziellen Mittel verfüge, liege daher insgesamt besehen ein erhöhter Sicherungsbedarf vor. Da in der Person des Rechtsmittelwerbers gelegene besondere, gegen eine Schubhaftverhängung sprechende Umstände im vorliegenden Fall nicht erkennbar gewesen seien, sei sohin die Anordnung bloß gelinderer Mittel – wie einer täglichen Meldepflicht – nicht in Betracht zu ziehen gewesen, zumal er dadurch nicht gehindert sei, sich dem Zugriff der Fremdenpolizeibehörde faktisch durch Untertauchen zu entziehen; auch die Einhebung einer angemessenen finanziellen Sicherheit sei mangels entsprechender Barmittel nicht in Betracht gekommen.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft seit dem 23. Mai 2013 richtet sich die vorliegende, am 12. Juni 2013 per Telefax nach dem Ende der Amtsstunden beim Oö. Verwaltungssenat eingebrachte und sohin gemäß § 13 Abs. 5 AVG als erst am 13. Juni 2013 eingegangen zu wertende Beschwerde.

 

Darin wird eingewendet, dass der Beschwerdeführer aus Tunesien nach Italien geflüchtet und dort von feindlich gesinnten Personen angegriffen und dabei schwer verletzt worden sei. Ungeachtet dessen, dass sein Asylantrag in Österreich abgewiesen worden sei, habe sich hier sein Gesundheitszustand zusehends verschlechtert, sodass er gegenwärtig kaum selbständig bewegungsfähig sei; dazu komme auch noch seine psychische Beeinträchtigung. Da die Fremdenpolizeibehörde weder eine echte Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen habe noch das Vorliegen eines Dublin-Sachverhalts oder eine fehlende Ausreisewilligkeit allein eine Schubhaftverhängung rechtfertigen könne, erweise sich die Heranziehung dieser ultima-ratio-Maßnahme im gegenständlichen Fall als rechtswidrig; denn angesichts dessen, dass er sich in naher Zukunft noch weiteren Operationen unterziehen müsse und sohin eine Flucht oder seine Überstellung nach Italien schon faktisch gar nicht möglich sei, hätte die bloße Anordnung gelinderer Mittel – wie z.B. die Verpflichtung zur Unterkunftnahme an einem bestimmten Ort – offenkundig in gleicher Weise zur Erfüllung des mit der Schubhaft intendierten Zweckes hingereicht.

 

Aus diesen Gründen wird die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft beantragt.

 

1.3. Die belangte Behörde hat dem Oö. Verwaltungssenat am 14. Juni 2013 den Bezug habenden Akt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

 

Ergänzend wurde in dieser darauf hingewiesen, dass einerseits noch am 23. Mai 2013 zunächst im Krankenhaus X eine umfassende medizinische Untersuchung durchgeführt und in der Folge auch von der diensthabenden Polizeiärztin die Hafttauglichkeit des Beschwerdeführers festgestellt worden sei; Gleiches gelte für weitere Untersuchung des Rechtsmittelwerbers am 13. Juni 2013.

 

1.4. Mit weiterem e-mail vom 14. Juni 2013 hat die belangte Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am selben Tag um 7:10 Uhr auf dem Luftweg ohne besondere Vorkommnisse nach Italien abgeschoben wurde.

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde zu Zl. Sich402013-2013; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Vorbringen der Parteien der entscheidungsrelevante Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen von der Durchführung einer gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG ohnehin nur für echte Sonderkonstellationen gedachten öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Im vorliegenden Fall wurde der Rechtsmittelwerber auf Grund eines auf § 76 FPG gestützten Bescheides einer Behörde, die ihren Sitz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich hat, angehalten; nach § 83 Abs. 1 FPG ist damit die örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates zur Behandlung der gegenständlichen Beschwerde gegeben.

2.3. Dieser hatte, weil im hier auch die übrigen Prozessvoraussetzungen des § 67c Abs. 1 und 2 AVG vorliegen, gemäß § 83 Abs. 2 FPG i.V.m. § 67a AVG durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. In seinem Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., hat der Verfassungsgerichtshof zusammengefasst ausgeführt, dass ein Ein­griff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nur dann und insoweit gerecht­fertigt sei, wenn dieser zur Erreichung des damit verfolgten Zweckes notwendig ist und zu dem mit der Maßnahme verfolgten Zweck nicht außer Verhältnis steht; dieses ausdrücklich formulierte Verhältnismäßigkeitsgebot erlaube der Fremden­polizeibehörde sohin nur dann die Verhängung der Schubhaft, wenn dies zur Si­cherung des Verfahrens notwendig ist und soweit der Freiheitsentzug zu diesem Zweck nicht außer Verhältnis steht. Angesichts der sich schon aus dem Grund­recht ergebenden Verpflichtung der Behörden, von der Anordnung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und ver­hältnismäßig ist (VfSIg 14981/1997 u. 17288/2004), belaste es daher eine ge­setzliche Regelung nicht mit Verfassungswidrigkeit, wenn es der Gesetzgeber den vollziehenden Behörden überlässt, die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des fremdenpolizeilichen Verfahren einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen andererseits vorzunehmen (VfSIg 17891/2006 u. 18145/2007). Weiters gebe § 77 Abs. 1 FPG der Behörde keine freie Wahlmöglichkeit zwischen der Anord­nung gelinderer Mittel und der Verhängung der Schubhaft; vielmehr sei ein – nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG auch verfassungsrechtlich gebotener (VfSIg 19323/2011) – klarer Vorrang der Anordnung gelinderer Mittel festgelegt.

 

Auf dem Boden dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist daher zu kon­statieren, dass der Fremdenrechtsgesetzgeber den Organen der Vollziehung für die Erreichung der in § 76 FPG und § 77 FPG normierten, identischen (arg. "bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe" in § 77 Abs. 1 FPG) Zwecksetzung, v.a. jener der Verfahrenssicherung, zwei unterschiedliche Typen von Mitteln zur Hand gegeben hat - nämlich: Schubhaftverhängung einerseits und Anord­nung gelinderer Mittel andererseits -, deren Heranziehung im konkreten Fall nicht im Ermessen der Behörde steht: Vielmehr wird deren wechselseitiges Verhältnis zueinander durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit deter­miniert. Dies in der Weise, dass die Fremdenpolizeibehörde - vorausgesetzt, dass ein Sicherungsbedarf überhaupt vorliegt - zunächst zu prüfen hat, ob die Heranziehung gelinderer Mittel, die ihrer Art nach einen vergleichsweise weniger intensiven Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit nach sich ziehen, zur Zweckerreichung geeignet sind. Dabei steht der Gesetzgeber auf dem Stand­punkt, dass dies im Normalfall grundsätzlich zu bejahen ist, die Anordnung gelinderer Mittel also den Regelfall verkörpert (und zwar ungeachtet des Umstandes, dass diese [aus einer früher noch andersgearteten rechtspolitischen Grundhaltung heraus erklärbar] im Text des FPG systematisch besehen unzutref­fend erst im Anschluss an die Schubhaftverhängung geregelt sind).

 

Davon ausgehend darf das fremdenpolizeiliche Verfahren nur dann im Wege der ultima-ratio-Maßnahme der Schubhaftverhängung gesichert werden, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalles ausnahmsweise (!) ein weniger ein­griffsintensives Vorgehen zweifelsfrei und zwingend ausschließen.

 

3.2. Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde gegenüber einem Fremden, gegen
den die verfahrensrechtliche Erlassung oder die Vollstreckung einer aufenthalts-
beendenden Maßnahme zulässig ist, gelindere Mittel anzuordnen, sofern dies
notwendig ist, um die Durchführung eines solchen Verfahrens bzw. einer solchen
Vollstreckungsmaßnahme zu sichern, und sie zudem Grund zur Annahme hat,
dass der ansonsten mit einer Schubhaftverhängung intendierte Zweck auch
durch die Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden kann.

 

Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist nach § 77 Abs. 2 FPG weit­ers, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, wenn diese zuvor nicht ohnehin schon von Amts wegen erfolgt ist.

 

Als gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anord­nung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen (Z. 1), sich in periodischen Abständen bei einem Polizeikommando zu melden (Z. 2) und/oder eine angemessene finanzielle Sicherheit bei der Behörde zu hinterlegen (Z. 3), in Betracht.

 

Nach § 76 Abs. 2a Z. 1 FPG kann die Fremdenpolizeibehörde über einen Asyl­werber u.a. dann Schubhaft verhängen, wenn gegen diesen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde.

 

3.3. Davon ausgehend ergibt sich für den gegenständlichen Fall konkret Folgen-
des:

 

3.3.1. Der Beschwerdeführer hatte – was von ihm selbst auch gar nicht in Abrede gestellt wird – vor seiner nunmehrigen Antragstellung in Österreich bereits in anderen Staaten der Europäischen Union bzw. des EWR, nämlich in der Schweiz und Italien, einen Asylantrag gestellt. Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) 343/2003 i.d.F. 1103/2008 (sog. "Dublin-II-Verordnung") ist damit nicht Österreich, sondern Italien zur Prüfung des Asylantrages des Rechtsmittelwerbers zuständig. Davon ausgehend wurde daher sein in Österreich gestellter Asylantrag mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22. Mai 2013, Zl. 1305168-EAST-West, gemäß § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG zurückgewiesen und nach § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG mit einer unmittelbar vollstreckbaren Ausweisung nach Italien verbunden.

 

Die gesetzlichen Formalvoraussetzungen für eine Schubhaftverhängung waren daher im vorliegenden Fall während seiner Anhaltung gegeben.

 

Soweit es seinen Einwand betrifft, dass er infolge von Verletzungen nicht hafttauglich gewesen sei, ist darauf zu verweisen, dass sich aus zahlreichen Untersuchungsbefunden – so insbesondere des KH Vöcklabruck vom 3. und vom 17. Mai 2013, Zl. 7113043426, und des AKH Wien vom 13. Juni 2013, Zl. 901-UR1/13/003343 – jeweils Gegenteiliges ergibt. Da der Rechtsmittelwerber diesen gutachtlichen Stellungnahmen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist, kann sein diesbezügliches Vorbringen sohin im Ergebnis auch nicht als zutreffend qualifiziert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass seine Hafttauglichkeit während der gesamten Dauer der Anhaltung gegeben war.

 

3.3.2. Auch das von der belangten Behörde in ihrem Schubhaftbescheid ange­nommene – sowohl gelindere Mittel als auch eine Schubhaftanordnung in glei­cher Weise materiell determinierende – Sicherungsbedürfnis erweist sich als vertretbar:

 

Denn dem Schubhaftbescheid ist zu entnehmen, dass – jeweils mit näherer Begründung – die zahlreichen illegalen Grenzübertritte, das Nichtvorliegen eines Wohnsitzes sowie das Fehlen finanzieller Mittel zur Bestreitung des Aufenthalts als solche konkreten Umstände aufgezeigt werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass sich der Rechtsmittelwerber – in voller Kenntnis über die bevorstehenden fremdenpolizeilichen Maß­nahmen – seiner Abschiebung durch Untertauchen in die Anonymität zu entziehen versuchen wird.

 

Die grundsätzliche Notwendigkeit, konkrete Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, um einen ordnungsgemäßen Fortgang des fremdenpolizeilichen Verfahrens zu gewährleisten, liegt daher auf der Hand.

 

3.3.3. Damit erhebt sich an diesem Punkt die Frage nach der Adäquanz, d.h. vom Vorliegen dieses Sicherungsbedürfnisses ausgehend ist im nächsten Schritt   – und zwar prioritär zu prüfen, ob die belangte Behörde die nach dem zuvor unter Pkt. 3.1. näher dargestellten Erkenntnis des VfGH vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., absolut vorrangig gebotene Heranziehung gelinderer Mittel –als eine grundlegende negativ-materielle Voraussetzung der allfälligen (nachgeordneten) Zulässigkeit der Schubhaftverhängung – erwo­gen und im Ergebnis zutreffend verworfen hat, sodass sie davon ausgehend auf Grund der konkreten Umstände des vorliegenden Falles auch tatsächlich zur An­wendung der ultima-ratio-Maßnahme der Inschubhaftnahme berechtigt war.

 

3.3.3.1. Diesbezüglich geht aus dem Schubhaftbescheid vom 23. Mai 2013, ZI. Sich40-2013-2013, hervor (vgl. S. 18), dass die belangte Behörde die Anordnung gelinderer Mittel, insbesondere eine periodische Meldepflicht und die Einhebung einer finanziellen Sicherheit geprüft, im Ergebnis aber deshalb davon Abstand genommen hat, weil sie anhand der konkreten, individuell-fallbezogenen Subsumtion in solchen Maßnahmen allein noch keine Gewähr dafür erblickte, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der zwangsweisen Durchführung der Abschiebung auch tatsächlich für sie greifbar gewesen wäre. Die Vorschreibung des zusätzlichen Sicherungsmittels der Einhebung einer Kaution schied gegenständlich deshalb aus, weil der Rechtsmittelwerber – was auch von ihm selbst gar nicht in Abrede gestellt wurde – über keine nennenswerten fi­nanziellen Mittel verfügte. Und schließlich waren auch sonstige gelindere Mittel, die im Verein mit einer periodischen Meldepflicht insgesamt dazu geeignet gewesen wären, einigermaßen verlässlich zu gewährleisten, dass der Beschwerdeführer zwecks Durchführung seiner zwangsweisen Abschiebung nach Italien tatsächlich für die Behörde greifbar gewesen wäre, objektiv nicht erkennbar.

 

3.3.3.2. Zwar hat der Oö. Verwaltungssenat beispielsweise in seinem Erkenntnis vom 21. März 2013, VwSen-401279/4/Gf/Rt, darauf hinge­wiesen, dass durch eine gleichsam routineartige Schubhaftverhängung in jedem "standardmäßigen Durchschnittsfall", der sich dadurch auszeichnet, dass ein örtlich und sozial ungebundener Asylwerber illegal und mittellos ins Bundesgebiet eingereist ist und in der Folge versucht, seinen Aufenthalt in Österreich – auch durch mangelnde Kooperation im Asyl- und fremdenpolizeilichen Verfahren – fak­tisch so lange als möglich hinauszuzögern, nicht nur das dem Gesetzgeber nach dem VfGH-Erkenntnis vom 3. Oktober 2012, G 140/11 u.a., zusinnbare Verhält­nis der absoluten Nachrangigkeit zu gelinderen Mitteln ins Gegenteil verkehrt würde: Zu Ende gedacht würde es damit einem Fremden auch kategorisch ver-unmöglicht, nunmehr ein normenkonformes Verhalten an den Tag legen und damit seine Besserungswilligkeit unter Beweis stellen zu können. Dies könnte aber die weitere Gefahr in sich bergen, dass Fremde auf diese Weise dem Pau­schalverdacht ausgesetzt werden, habituell unbekehrbare Gesetzesüber­treter zu sein. Ein solches Ergebnis würde jedoch augenfällig dem Art. 1 EGRC (vgl. dazu jüngst VwGH vom 23. Jänner 2013, ZI. 2010/15/0196, wonach insbe­sondere das fremdenpolizeiliche Verfahren als "Durchführung des Rechts der Union" i.S.d. Art. 51 Abs. 1 EGRC anzusehen ist) insoweit widersprechen, als es nach dieser allgemeinen Grundrechtsgewährleistung kategorisch ausgeschlossen ist, das Verhalten eines Fremden unter Außerachtlassung der Unantastbarkeit der Menschenwürde vorrangig nur auf Basis allgemeiner Erfahrungs- und sta­tistischer Durchschnittswerte zu taxieren und damit als bloßes Objekt eines Auf­enthaltsbeendigungsverfahrens anzusehen. Aus solchen Gründen, wie sie in Fäl­len von schlepperunterstützten Asylwerbern typischerweise vorliegen (wie: Nicht­feststehen der Identität; Fehlen von Reisedokumenten, sozialen Bindungen und finanziellen Mitteln; Rückkehrunwilligkeit; etc.), kann hingegen nicht schon per se darauf geschlossen werden, dass diese stets für die Verhängung von Schub­haft hinreichen; denn bei einer solchen Sichtweise würde eben die Priorität ge­linderer Mittel gerade ins Gegenteil verkehrt.

 

Im Gegensatz dazu liegt jedoch mit der Unmöglichkeit, über die bloße Verpflichtung zum Aufenthalt in einer (allfälligen) bundesbetreuten Unterkunft und zur perio­dischen Meldung bei einer Polizeiinspektion hinaus weitere gelindere Mittel (wie insbesondere die Einhebung einer – auch effektiven – finanziellen Sicherheits­leistung) anzuordnen, eine solche ultima-ratio-Situation vor, die die Verhängung von Schub­haft rechtfertigt.

 

3.3.3.3. Die von der belangten Behörde gezogene Schlussfolgerung, dass sich die Schubhaftverhängung angesichts der konkreten Umstände des vorliegenden Fal­les somit im Ergebnis nicht als unverhältnismäßig erweist, kann daher aus allen diesen Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden.

 

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch darauf, dass der Unab­hängige Verwaltungssenat in einem Verfahren nach den §§ 82 f FPG nicht wie in einem sonstigen Administrativ- oder Verwaltungsstrafverfahren nach dem 1. und 2. Abschnitt des IV. Teiles des AVG bzw. nach dem 5. Abschnitt des II. Teiles des VStG – Berufungs-, sondern nur Haftprüfungsbehörde i.S.d. Art. 6 PersFrSchG und Art. 5 Abs. 4 EMRK ist. Dies bedeutet, dass dem UVS nur eine Rechtmäßigkeitskontrolle zukommt, und zwar dahin, ob es unter Zugrundele­gung der von der Haftbehörde vorgenommenen Bewertung der tatsächlichen Umstände des konkreten Falles verhältnismäßig war, von der Verhängung ge­linderer Mittel abzusehen und stattdessen die Schubhaft zu verhängen.

 

Davon ausgehend kann die originäre Entscheidung darüber, ob bzw. welche gelinderen Mittel – singulär oder kumulativ – anzuordnen sind oder stattdessen die Schubhaft zu verhängen ist, grundsätzlich nur von der Fremdenpolizeibe­hörde selbst getroffen und vom UVS eine dementsprechende Mittelauswahl im Rahmen des Schubhaftbeschwerdeverfahrens nur im Falle von Rechtswidrig­keit, nicht aber auch dann gerügt werden, wenn bzw. solange sich die Behörde im Rahmen des ihr insoweit zustehenden Beurteilungsspielraumes bewegt.

4. Aus allen diesen Gründen war daher die gegenständliche Beschwerde gemäß § 83 Abs. 1 und 4 FPG i.V.m. § 67c Abs. 3 AVG abzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführer dazu zu verpflich­ten, dem Bund nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z. 3 AVG i.V.m. § 1 Z. 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. II 456/2008, Aufwendungen in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Gebühren: 57,40 Euro; Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 18,20 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

 

 

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