Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-101580/2/Bi/Fb

Linz, 15.11.1993

VwSen - 101580/2/Bi/Fb Linz, am 15. November 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des F B jun., E, P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, M, L, vom 18. Oktober 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn vom 22. September 1993, VerkR96/9714/1992/Li, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 99 Abs.3a iVm 7 Abs.2 StVO 1960. zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.2 iVm § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil er am 6. Juni 1992 gegen 12.00 Uhr das Motorrad auf dem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg E aus E, Gemeinde P, kommend in Richtung Pgelenkt hat und auf Höhe des Hauses E Nr. nicht am rechten Fahrbahnrand gefahren ist, obwohl es die Verkehrssicherheit wegen Gegenverkehr erfordert hätte. Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hatte (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil bereits aufgrund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, ihm sei der Inhalt des von der Erstinstanz zitierten Sachverständigengutachtens niemals formell zur Kenntnis gebracht worden, weshalb das Verfahren mangelhaft sei. Das Gutachten werde unrichtig zu seinen Lasten zitiert, zumal sich daraus ergebe, daß beide Lenker in etwa zur gleichen Zeit reagiert hätten, eine Reaktionsverzögerung aber für beide Lenker nicht nachgewiesen werden konnte. Ein Fehlverhalten der PKW-Lenkerin konnte nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden; aus verkehrstechnischer Sicht sei ein Fehlverhalten in der relativ hohen Ausgangsgeschwindigkeit des Motorrades mit etwa 70 km/h gelegen, weil bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h ein Vorbeifahren am PKW oder ein Zum-Stillstand-Bringen des Motorrades vor der Reaktionsstelle möglich gewesen wäre. Eine verspätete Reaktionseinleitung könne keinen verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand erfüllen. Aus der Unfallendlage des PKW ergebe sich, daß das Fahrzeug ursprünglich auf der linken Fahrbahnhälfte, also der Hälfte des entgegenkommenden Beschuldigten, gelenkt worden war, da ansonsten unmöglich die Endlage in dieser Form zu erreichen gewesen wäre. Er habe auf seiner rechten Fahrbahnhälfte fahrend eine Notbremsung durchgeführt, durch die er an den Kurvenaußenrand geriet, also auf die linke Fahrbahnseite. Auch aus der Bremsspur ergebe sich, daß er jedenfalls seine rechte Fahrbahnhälfte eingehalten habe und daher der Tatvorwurf des § 7 Abs.2 StVO unberechtigt sei. Er beantrage daher die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, in dem Kopien der kraftfahrtechnischen Gutachten des Gerichtssachverständigen Mag. A P vom 30. November 1992 und vom 16. Juni 1993, das photogrammetrische Gutachten des Gerichtssachverständigen Dipl.-Ing. Dr. K H vom 8. Mai 1993 sowie die Hauptverhandlungsprotokolle vom 6. Oktober 1992 und 21. Jänner 1993 sowie der Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung vom 8. Juli 1993 im Verfahren U 178/92 vor dem Bezirksgericht Mattighofen enthalten sind.

4.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wird der Berufungsentscheidung zugrundegelegt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 6. Juni 1992 gegen 12.00 Uhr das Motorrad auf dem landwirtschaftlichen Zufahrtsweg Er aus E kommend Richtung P, wobei er auf Höhe des Hauses E gegen den entgegenkommenden PKW, gelenkt von A W, stieß und sich dabei schwere Verletzungen zuzog. Laut übereinstimmenden Aussagen des Rechtsmittelwerbers und des Zeugen O K im Rahmen der Unfallerhebungen hat der Rechtsmittelwerber den auf einem Fahrrad in seine Fahrtrichtung fahrenden Zeugen etwa zwischen dem Beginn des linksseitig befindlichen Waldes und der rechtsseitigen Hauseinfahrt E überholt. Unmittelbar danach kam es zum Zusammenstoß mit dem entgegenkommenden PKW.

Aus dem oben zitierten Gutachten ergibt sich, daß der Beginn der Bremsspur des Motorrades ca. 2,3 m vom linken Fahrbahnrand in Fahrtrichtung des Motorrades gesehen entfernt war und eine Länge von ca. 19 m aufwies, wobei das Ende der Bremsspur 0,4 m vom linken Fahrbahnrand entfernt war. Der PKW befand sich in Unfallendlage rechts außerhalb der Fahrbahn, wobei laut Gutachten Magis. P die Kollisionsstelle zwischen dem Ende der Bremsspur und der Höhe des PKW in Endlage eingegrenzt wurde. Die Ausgangsgeschwindigkeit des Motorrades wurde mit ca. 71,4 km/h, die des PKW im Bereich von 40 km/h errechnet. Die Erreichung der Mindestsichtweite von 95 m fand daher für beide Fahrzeuge ca. 3,4 sec vor der Kollision statt, was bedeutet, daß für den Motorradfahrer bereits eine Sekunde vor seiner Reaktionseinleitung der entgegenkommende PKW erkennbar gewesen sein mußte. Laut Gutachten des Gerichtssachverständigen könne aus verkehrstechnischer Sicht ein Fehlverhalten des Motorradfahrers in der Einhaltung einer zu hohen Ausgangsgeschwindigkeit oder eine Reaktionsverzögerung oder beides festgestellt werden, wobei keine zusätzlichen Anhaltspunkte dafür vorlägen, die darauf hinweisen würden, daß der PKW vor der Kollision die Fahrbahnmitte überfahren hätte. Auf dieser Grundlage wurde die Unfallgegnerin Alexandra Wanderer vom Vorwurf der schweren Körperverletzung freigesprochen.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist zum in Rede stehenden Tatvorwurf seitens des unabhängigen Verwaltungssenates auszuführen, daß im gegenständlichen Fall nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit feststellbar ist, inwieweit dem Rechtsmittelwerber ein Vorwurf der Nichteinhaltung einer Fahrlinie am rechten Fahrbahnrand vorgeworfen werden kann. Aus dem Verfahrensakt ergibt sich zweifelsfrei, daß dieser unmittelbar zuvor ein Überholmanöver durchgeführt hat, wobei er laut eigenen Angaben 80 bis 90 km/h eingehalten hat. Der Beginn der Bremsspur befand sich in einer Entfernung von 1,7 m vom rechten Fahrbahnrand, jedoch ist nicht auszuschließen, daß der Rechtsmittelwerber bei Zubilligung einer Reaktions- und Bremsschwellzeit von insgesamt 1 sec zuvor eine näher am rechten Fahrbahnrand liegende Fahrlinie eingehalten, in Ansehung des sich nähernden Gegenverkehrs jedoch aus welchen Gründen auch immer das Motorrad nach links gelenkt und sich damit vom rechten Fahrbahnrand entfernt hat. Dafür spricht vor allem der zweifelsfrei festgestellte Verlauf der Bremsspur. Eine letztendlich falsche Reaktionshandlung bzw eine zu langsame Reaktion erfüllt aber den dem Berufungswerber vorgeworfenen Tatbestand nicht. Ein Tatvorwurf hinsichtlich der Nichteinhaltung einer situationsangepaßten Geschwindigkeit iSd § 20 Abs.1 StVO 1960 bzw der Einleitung eines Überholmanövers auf einer unübersichtlichen Straßenstelle iSd § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 wurden dem Rechtsmittelwerber innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht gemacht, sodaß das tatsächlich zum Unfall führende Verhalten des Rechtsmittelwerbers jedenfalls nicht in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht geklärt werden konnte.

Es war daher im Zweifel spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Bissenberger

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum