Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231336/2/Gf/Rt

Linz, 13.06.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des M, vertreten durch RA Dr. F, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 16. Mai 2013, Zl. Sich96-323-2012, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 16. Mai 2013, Zl. Sich96-323-2012, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 10 Euro) verhängt, weil er am 3. Oktober 2012 um 15:17 Uhr in Gmunden die öffentliche Ordnung dadurch ungerechtfertigt gestört habe, dass er sich trotz vorausgegangener Abmahnung aggressiv verhalten und dadurch  eine ihn betreffende Amtshandlung behindert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 53/2012 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen des einschreitenden Polizeibeamten als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzen gewesen (monatliches Nettoeinkommen: 1.500 Euro; kein Vermögen; keine Sorgepflichten).

1.2. Gegen dieses ihm am 21. Mai 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 4. Juni 2013 – und damit rechtzeitig – per Telefax eingebrachte Berufung.

Darin wird eingewendet, dass das an den Rechtsmittelwerber gerichtete bloße Ersuchen des Beamten, dass er sich beruhigen möge, keine Abmahnung i.S.d. § 82 Abs. 1 SPG darstellt.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Gmunden zu Zl. Sich96-323-2012; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, der sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

 

3.2. Im gegenständlichen Fall steht allseits unbestritten fest, dass der einschreitende Polizeibeamte den Beschwerdeführer „bat ....., dass er sich beruhigen soll“ (vgl. die Anzeige der PI Gmunden vom 4. Oktober 2012, Zl. A1/14282/01/2012 , S. 4).

 

Wenngleich es fraglos wünschenswert erscheint, dass ein Organ der öffentlichen Aufsicht sowohl durch seine Wortwahl als auch im Wege seines Tonfalls etc., im Ergebnis also mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf eine Deeskalation der im Zuge einer Amtshandlung entstandenen Auseinandersetzung mit dem Betroffenen hinwirkt, ist den gesetzlichen Anforderungen an eine Abmahnung i.S.d. § 82 SPG allerdings doch nur dann entsprochen, wenn dem Adressaten der Amtshandlung objektiv besehen zweifelsfrei klar sein musste, dass sein bisheriges Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren und daher einzustellen ist, widrigenfalls weitergehende rechtliche Konsequenzen drohen. Eine bloße Bitte oder ein Ersuchen an den Delinquenten, sich zu beruhigen, intendiert im Gegensatz dazu lediglich, eine Beendigung seiner bisherigen Gestion zu erreichen.

 

Der Deliktstatbestand des § 82 Abs. 1 SPG besteht aber nicht nur in einem aggressiven Verhalten an sich, sondern darüber hinaus auch noch in einem weiteren Verharren in diesem Zustand, und zwar trotz des Umstandes, dass dessen Rechtswidrigkeit dem Beschuldigten von öffentlicher Seite bereits unmissverständlich vor Augen geführt wurde: Gleichsam im Fortsetzen der Rechtswidrigkeit trotz entsprechenden Hinweises des Aufsichtsorganes liegt sohin der besondere Unwertgehalt des § 82 Abs. 1 SPG. Eine bloße Bitte, sich zu beruhigen, ist vor einem solchen Hintergrund daher schon per se nicht geeignet, eine i.S.d. genannten Gesetzesstelle geforderte Abmahnung zu verkörpern, weil es einer solchen am erforderlichen imperativen Charakter fehlt.

 

3.3. In jener Form, wie dieses dem Rechtsmittelwerber im gegenständlichen Fall zur Last gelegt wurde, ist daher dessen Verhalten nicht gemäß § 82 Abs. 1 SPG strafbar.

 

Ob der einschreitende Beamte hingegen den Beschwerdeführer in Wahrheit nicht bloß gebeten, sondern ohnehin den gesetzlichen Erfordernissen entsprechend abgemahnt hat, war aber vom Oö. Verwaltungssenat mangels einer i.S.d. § 44a Z. 1 VStG konkretisierten Verfolgungshandlung (denn offenbar ausgehend von der Fehleinschätzung, dass das an den Rechtsmittelwerber gerichtete Ersuchen, sich zu beruhigen, ohnehin eine solche verkörpert, enthalten hier weder die Strafverfügung noch der Spruch des Straferkenntnisses oder zumindest dessen Begründung eine sachverhaltsbezogene Umschreibung dahin, wie sich die Abmahnung de facto manifestiert haben soll) nicht zu prüfen.

 

Vielmehr war der gegenständlichen Berufung mangels Tatbestandsmäßigkeit des angelasteten Verhaltens gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden, wobei für jede dieser Beschwerden eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten ist.

Dr.  G r ó f

 

 

VwSen-231336/2/Gf/Rt vom 13. Juni 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

SPG 1991 §82

 

* Ein Organ der öffentlichen Aufsicht soll zwar mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auf eine Deeskalation der im Zuge einer Amtshandlung entstandenen Auseinandersetzung mit dem Betroffenen hinwirken; den gesetzlichen Anforderungen an eine Abmahnung iSd § 82 Abs 1 SPG ist jedoch doch nur dann entsprochen, wenn dem Adressaten der Amtshandlung objektiv besehen zweifelsfrei klar sein musste, dass sein bisheriges Verhalten als rechtswidrig zu qualifizieren und daher einzustellen ist, widrigenfalls weitergehende rechtliche Konsequenzen drohen; eine bloße Bitte oder ein Ersuchen an den Delinquenten, sich zu beruhigen, intendiert im Gegensatz dazu lediglich, eine Beendigung seiner bisherigen Gestion zu erreichen;

 

* Der Deliktstatbestand des § 82 Abs 1 SPG besteht nicht nur in einem aggressiven Verhalten an sich, sondern darüber hinaus auch noch in einem weiteren Verharren in diesem Zustand, und zwar trotz des Umstandes, dass dessen Rechtswidrigkeit dem Beschuldigten von öffentlicher Seite bereits unmissverständlich vor Augen geführt wurde: Gleichsam im Fortsetzen der Rechtswidrigkeit trotz entsprechenden Hinweises des Aufsichtsorganes liegt sohin der besondere Unwertgehalt des § 82 Abs 1 SPG; eine bloße Bitte, sich zu beruhigen, ist vor einem solchen Hintergrund daher schon per se nicht geeignet, eine iSd genannten Gesetzesstelle geforderte Abmahnung zu verkörpern, weil es ihr am erforderlichen imperativen Charakter fehlt.

 

 

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