Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401307/6/MK/Ai

Linz, 14.06.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Markus Kitzberger über die Beschwerde des I A, geboren am X, pakistanischer Staatsangehöriger, wegen Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch die Landespolizeidirektion Oberösterreich, zu Recht erkannt:

 

     I.          Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und es wird festgestellt, dass maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

 

 II.           Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei Landespolizeidirektion Oberösterreich) den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 und 83 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 22/2013)

§§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 1 Z3 und 4 UVS-Aufwandersatzverordnung 2008 (BGBl. II Nr. 456/2008).

Entscheidungsgründe:

1.           Die Landespolizeidirektion Oberösterreich (in der Folge: belangte Behörde) ordnete mit Bescheid vom 08.06.2013, GZ: Journaldienst (Bescheid ausgefolgt um 10.15 Uhr), über den Beschwerdeführer (in der Folge: Bf) gemäß §§ 76 Abs.1 Fremdenpolzeigesetz (FPG) iVm § 57 Abs.1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (§ 52 iVm § 53 FPG) und der Abschiebung (§ 46 FPG) an. Der Bf wurde zuvor am 08.06.2013 um 00.15 Uhr aufgrund eines mündlichen Festnahmeauftrages des Journalbeamten der LPD festgenommen, zur Polizeiinspektion Hauptbahnhof verbracht und in weiterer Folge in das PAZ Linz eingeliefert. Zurzeit befindet sich der Bf im PAZ Wels.

 

1.1.      Begründend wurde dazu ausgeführt, der Bf sei am 07.06.2013 um ca. 23.30 Uhr in einem Reisezug auf der Fahrt von W nach I auf Höhe A von Organen des SPK St. Pölten einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Er habe kein Reisedokument bei sich gehabt und angegeben, auf der Durchreise nach Italien zu sein. Im Zuge einer Einvernahme habe der Bf angegeben, von Ungarn nach Österreich eingereist zu sein.

 

1.2.      Ein konkreter Sicherungsbedarf ergebe sich aus der Mittellosigkeit der Bf, der gänzlich fehlenden sozialen und beruflichen Integration, dem Fehlen eines ordentlichen Wohnsitzes oder aber auch nur eines längerdauernden nachweislichen Aufenthaltes sowie der offenkundigen Ausreiseunwilligkeit bzw. der fehlenden Wahrscheinlichkeit zur freiwilligen Ausreise. Daraus könne  geschlossen werden, dass der Bf mit hoher Wahrscheinlichkeit versuchen werde, sich der Vollstreckung fremdenpolizeilicher Maßnahmen durch Untertauchen zu entziehen, oder diese zumindest wesentlich zu erschweren.

 

1.3.      Im Zuge der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung sei abzuwägen gewesen, ob den Sicherungsbedarf auch durch die Verhängung eines gelinderen Mittels hätte entsprochen werden können. Dies würde das – a priori anzunehmende – Vertrauen , dass der Bf im Zuge des weiteren Verfahrens tatsächlich greifbar bleibe, voraussetzen, wobei im gegenständlichen Fall aber dringend davon auszugehen sei, dass der Bf auch durch eine etwaige tägliche Meldeverpflichtung nicht daran gehindert werden könne, nach Italien weiterzureisen. Da infolge Mittellosigkeit auch der Erlag einer Sicherheitsleistung nicht in Betracht komme, könne keine geeignete Hemmschwelle dafür gefunden werden, sich dem Zugriff der Behörde zu entziehen.

 

Eine effektive Umsetzung der beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen könne daher nur durch die Verhängung der Schubhaft erreicht werden, weshalb dies zum Zweck der Sicherung eines geordneten Fremdenwesens auch verhältnismäßig sei.

 

2.           Dagegen richtet sich die Schubhaftbeschwerde des Bf vom 10.06.2013, eingelangt am 13.06.2013. Zu deren Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:

 

2.1.      Der Bf habe aus dem Stand der Schubhaft heraus am 10.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz (Asylantrag) gestellt, was zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft noch nicht der Fall gewesen sei. Es entfalle daher der Haftgrund der Sicherung der Abschiebung und verbleibe nur noch jener der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung.

 

Der angefochtene Bescheid sei infolge der mangelhaften Begründung des Sicherungsbedarfes rechtwidrig. Nach der stRsp würden die angeführten Gründe (kein Wohnsitz, keine soziale Verankerung, Mittellosigkeit, Ausreiseunwilligkeit und hohe Wahrscheinlichkeit des Untertauchens) für sich alleine die Verhängung der Schubhaft nicht rechtfertigen. Darüber hinaus habe die belangte Behörde eine substanzielle Verhältnismäßigkeitsprüfung unterlassen.

 

Es liege sowohl inhaltliche wie prozessuale Rechtswidrigkeit vor.

 

2.2.      Die belangte Behörde habe sich darüber hinaus nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt, ob mit einem gelinderen Mittel das Auslangen hätte gefunden werden können. Es sei Italien zwar das ursprüngliche Zielland gewesen, was aber nicht automatisch bedeute, dass dies (nach dem Aufgriff in Österreich) so bleiben müsse.

 

2.3.      Mit der Stellung des Asylantrages hätte die belangte Behörde die Schubhaft beenden müssen, da die Sicherungsnotwendigkeit weggefallen sei. Durch die damit verbundene Grundversorgung sei kein Grund (mehr) ersichtlich, diese Unterstützung aufzugeben und in die Anonymität abzutauchen.

 

2.4.      Es würde daher beantragt, der erkennende Senat möge den bekämpften Bescheid aufheben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklären sowie der Bund zum Kostenersatz verpflichten.

 

3.           In einer anlässlich der Aktenvorlage mitgereichten Gegenschrift verwies die belangte Behörde vollinhaltlich auf die Ausführungen im angefochtenen Schubhaftbescheid, wiederholte die wesentlichen Teil der den Bescheid begründenden Ausführungen und brachte ergänzend Folgendes vor:

 

3.1.      Der Bf habe im Zuge seiner fremdenpolizeilichen Einvernahme angegeben, gemeinsam mit einem Bekannten Ende Mai schlepperunterstützt mit dem Taxi von Serbien nach Ungarn gereist zu sein. Dort hätten sie Asylanträge gestellt, seien aber – obwohl Fingerabdrücke genommen worden wären – nicht einvernommen worden und hätten nach zwei Tagen das Asyllager und in weiterer Folge Ungarn Richtung Österreich verlassen, um nach Italien zu reisen und dort Asyl zu beantragen. Aufgrund seines Aufgriffes tue er dies nun in Österreich. Dem Bf sei mitgeteilt worden, dass mit der Stellung des Asylantrages die Schubhaft als gemäß § 76 Abs.2 Z4 FPG verhängt gelte und ein Verfahren zu Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausscheide. Zweck der Schubhaft sei nunmehr die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 Asylgesetz.

 

Im Zuge der erkennungsdienstlichen Behandlung sei festgestellt worden, dass kein EURO-DAC Treffer vorliege, obwohl der Bf Asylanträge in Ungarn, später sogar in Griechenland und Ungarn angegeben habe.

 

3.2.      Es sei ein nur durch Schubhaft zu gewährleistender Sicherungsbedarf gegeben, da der Bf nach eigenen Angaben nach Italien wolle, bereits in Griechenlang und Ungarn Asylanträge gestellt habe, beide Male das jeweilige Land aber wieder verlassen hätte, um sein Ziel (Italien) zu erreichen, und nicht ersichtlich sei, weshalb er gerade jetzt, in Freiheit belassen, von seinem Ziel abgehen sollte. Eben dieser Umstand sei (neben den schon im Schubhaftbescheid angeführten Gründen) entscheidungsrelevant.

 

Die Reise des Bf habe im 2010 begonnen, wobei er im Oktober 2010 Griechenland erreicht hätte und bis 2013 dort geblieben sei. Durch sein bisheriges Verhalten habe der Bf überdeutlich gezeigt, dass er in keinster Weise von illegalen Reisebewegungen Abstand nimmt. Er habe dadurch auch dokumentiert, dass er nicht gewillt sei, den Ausgang rechtsstaatlicher Verfahren abzuwarten.

 

3.3.      Sowohl die Spruchpraxis des UVS OÖ als auch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs würden dem Umstand der nicht vorhandenen Bindung zum jeweiligen Aufenthaltsstaat maßgebliche Bedeutung bei der Beurteilung eines allfälligen Sicherungsbedarfes beimessen.

 

In der Begründung des Schubhaftbescheides seien praxis- und realitätsnahe Ansatzpunkte gewählt worden, um eine entsprechende Prognoseentscheidung treffen zu können.

 

3.4.      Es würde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, gegebenenfalls zurückzuweisen, festzustellen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung vorliegen würden, sowie den Kostenersatz auszusprechen.

 

3.5.      Mit Schriftsatz des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle West, vom 14.06.2013 wurde der belangten Behörde mitgeteilt, dass gemäß § 27 Abs.1 AsylG des Ausweisungsverfahren gegen den Bf ex lege als eingeleitet gelte.

 

4.           Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG, die im Übrigen auch weder vom Bf noch von der belangten Behörde beantragt wurde, abgesehen werden konnte. Insbesondere war aufgrund der Aktenlage nicht ersichtlich, welche objektiven Tatbestandselemente im Zuge einer persönlichen Befragung des Bf hätten herkommen können, die eine in wesentlichen Punkten des Sachverhalts anderen Beurteilung ergeben hätten.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ. hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 82 Abs.1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, zuletzt geändert durch BGBl. I 22/2013, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1. wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.  wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.   wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs.1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs.1 Z2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat.

 

Gemäß § 83 Abs.4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs.4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

5.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides der LPD vom 08.05.2013, AZ: Journaldienst, seit 08.05.2013 bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, ist gemäß § 83 Abs.4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung vorzunehmen.

 

Gemäß § 80 Abs.5 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG kann in Fällen, in denen die Schubhaft gemäß § 76 Abs.2 oder 2a verhängt wurde, diese bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftig negativer Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden, es sei denn, es läge auch ein Fall des Abs.4 Z1 bis 3 vor. Wird der Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer zurückweisenden Entscheidung verbunden ist, die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 AsylG 2005 zuerkannt, darf die Schubhaft bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes aufrecht erhalten werden. Darüber hinaus darf die Schubhaft nur aufrechterhalten werden, wenn der Asylgerichtshof eine zurück- oder abweisende Entscheidung erlässt. Die Schubhaftdauer darf in diesen Fällen die Dauer von zehn Monaten innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nicht überschreiten.

 

Gemäß § 76 Abs.1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs.2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist;

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs.2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs.1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs.3 Z4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs.2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs.1 Z4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs.1 Z23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs.2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs.4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs.2 Z1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs.3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 76 Abs.6 FPG kann die Schubhaft aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs.2 FPG oder Abs.2a FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle verhängt.

 

Gemäß § 77 Abs.1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs.2 Z1.

 

Gemäß § 80 Abs.1 bzw. 2 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 80 Abs.2 FPG darf die Schubhaftdauer nunmehr grundsätzlich

1.   zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2.   vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs.3 und 4 vorliegt.

 

5.3.      Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid vom 08.06.2013 zu Recht den oben zitierten § 76 Abs.1 FPG zugrunde, da zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung noch kein Antrag auf internationalen Schutz vorlag.

 

6.           Aus der "Kann-Bestimmung" sowohl des § 76 Abs.1 als auch des Abs.2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine prognostizierende Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung iSd § 76 Abs. 1 und Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Vorweg ist anzumerken, dass die belangte Behörde eine hinreichend fundierte einzelfallbezogene Prüfung des Sicherungsbedarfes des Bf durchgeführt hat, der aus Sicht des erkennenden Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates durchaus zu folgen ist. Insbesondere wird von folgenden wesentlichen Sachverhaltselementen ausgegangen:

 

6.1. Der Bf hat im Herbst 2010 seinen Heimatstaat Pakistan mit unterschiedlichsten Fortbewegungsmitteln (zu Fuß, mittels PKW [Taxi], LKW, Boot und Eisenbahn) über den Iran und die Türkei in Richtung Griechenland verlassen. Der Grenzübertritt in das Gebiet der Europäischen Union erfolgte im Oktober 2010 in Aksandrapul nach Griechenland, wo ein Asylantrag gestellt wurde. In Athen blieb der Bf bis 2013, eher er (ohne den Ausgang des Asylverfahrens abzuwarten) über Mazedonien und Serbien nach Ungarn weiterreiste. Dort wurde er von der Polizei aufgegriffen und, nachdem er einen Asylantrag gestellt hatte, in einem Lager für Asylanten untergebracht.

 

Nur zwei Tage nach der Antragstellung in Ungarn verließ der Bf das ihm zugewiesene Quartier und stellte (nach einem weiteren illegalen Grenzübertritt) den nun verfahrensgegenständlichen Asylantrag in Österreich.

 

6.2.      Der Bf hat somit bereits in zwei Fällen dokumentiert, dass er nicht gewillt ist, den Ausgang von Verfahren unter Beachtung der von ihm einzuhaltenden nationalen fremdenrechtlichen Vorgaben abzuwarten. Er hat dadurch die innere Verbundenheit mit den Werten der Rechtsstaatlichkeit und gesetzmäßigen Verfahrensabwicklung – und dazu zählt gerade auch die Mitwirkungspflicht der Parteien – fundamental vermissen lassen.

 

Der Bf verließ nach der offensichtlich unverhofften, jedenfalls aber ungelegenen erkennungsdienstlicher Behandlung in Ungarn und der damit verbundenen Gefahr, den dortigen Behörden würde sein in Griechenland anhängiges Asylverfahren bekannt (sofern dies nicht schon erfolgt war), geradezu fluchtartig das Land, um den unmittelbar drohenden Konsequenzen zu entgehen.

 

Exakt diesem Muster entspricht das nun zu beurteilende Verhalten des Bf bis zur Verhängung der Schubhaft. Das gesamte Vorgehen des Bf seit seiner illegalen Einreise in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union basiert – auch wenn der konkrete Stand des Verfahrens in Griechenland nicht bekannt ist – nachvollziehbar auf einer konkreten Strategie bzw. folgt einem klar erkennbaren Plan, der darin besteht, im Anlassfall immer wieder temporäre Aufenthaltsmöglichkeiten zu erlangen und dabei möglichst lange zu verhindern, dass eines der dazu angestrengten Verfahren tatsächlich zu einem durchsetzbaren, ev. unerwünschten Ergebnis führt.  Ein wesentlicher Teil dieses Plans ist es auch, immer dann, wenn es notwendig wird, den Aufenthalt (für die örtlichen Behörden unnachvollziehbar) zu wechseln, mit anderen Worten unterzutauchen. Es handelt sich dabei um die geradezu klassische Form des Asyltourismus, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erst endet, wenn der Bf sein mittelfristiges Ziel Italien erreicht hat.

 

6.3 Bis zu seiner illegalen Einreise nach Ungarn hatte der Bf nach eigenen Angaben Kontakt zu Personen aus Schlepperkreisen, weshalb begründet anzunehmen ist, dass weitere Reisbewegungen sowohl in Eigenregie, insbesondere aber auch mit professioneller krimineller Unterstützung jederzeit möglich sind, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

 

Aufgrund der dem Bf nunmehr nachweislich bekannten Absicht der österreichischen Behörde, den Asylantrag vom 10.06.2013 zurückzuweisen und ein darauf bzw. auf dem Regelungsregime des Dublin-Übereinkommens basierendes Ausweisungsverfahren nach Ungarn (gegebenenfalls Griechenland) durchzuführen, ergibt sich für den Bf auch die konkrete Notwendigkeit des neuerlichen Agierens, d.h. des „Weiterreisens“, trennt ihn doch nur noch ein Grenzübertritt von seinem Zielland.

 

6.4. Es ist daher iSd § 76 Abs.1 FPG sehr wohl anzunehmen bzw. in erhöhten Grade zu befürchten, dass der Bf – auf freiem Fuß belassen – unverzüglich untertauchen wird. Es sind insbesondere keinerlei sozialen oder wirtschaftlichen Anhaltspunkte oder Gründe dafür ersichtlich, dass der Bf ausgerechnet in Österreich bis zu einer Asylentscheidung ausharren sollte.

 

Die lapidare Feststellung in der Beschwerde, er habe durch Gewährung der Grundversorgung keinerlei Anlass, Österreich (illegal) zu verlassen, vermag vor dem Hintergrund des jüngsten Verhaltens des Bf in Ungarn, wo er ebenfalls untergebracht und versorgt wurde, nicht im Geringsten zu überzeugen.

 

6.5. Auf der Grundlage der gebotenen Gesamtbetrachtung sämtlicher Besonderheiten des konkreten Einzelfalles war und ist daher auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ein erheblicher Sicherungsbedarf seit Verhängung der Schubhaft am 08.06.2013 bis dato jedenfalls zu bejahen.

 

Im Sinne der Judikatur der Gerichthöfe des öffentlichen Rechts sind daher – wie dies in der Beschwerdeschrift unzutreffend behauptet wird – im Ergebnis nicht allein die Tatsachen der Mittellosigkeit und fehlenden ökonomisch-sozialen Integration ausschlaggebend für die Annahme eines dringenden Sicherungsbedarfes.

 

6.6. Damit scheidet auch im hier zu beurteilenden Zeitraum die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise grundsätzlich aus. Eine allfällig angeordnete Wohnsitznahme bzw. Unterbringung samt täglicher Meldepflicht würde das Ziel der Schubhaft nicht gewährleisten können. Daran vermag auch die in der Beschwerdeschrift geäußerte Bereitschaft nichts zu ändern, da diese Absicht nicht nur den Angaben in der Erstbefragung, in der Italien nach wie vor als „Wunschland“ angegeben wird explizit widerspricht, sondern auch in diametralem Gegensatz zur bisher geübten und dokumentierten Vorgangsweise des Bf steht, aus der sich zeigt, dass er den tatsächliche Abschluss eines Asylverfahrens (außerhalb Italiens) nicht anstrebt.

6.6. Die Verhängung der Schubhaft ist demnach zweifellos auch weiterhin verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war – wie oben bereits detailliert ausgeführt – der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Auch geht aus dem vorliegenden Verwaltungsakt eindeutig hervor, dass die belangte Behörde regelmäßig bemüht war, das fremdenrechtliche Verfahren entsprechend zügig voranzutreiben und den Sachverhalt möglichst rasch ins Reine zu bringen.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls weiterhin nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf nicht zuletzt auch eigenen Angaben zufolge in Österreich keinerlei familiäre oder soziale Bezugspunkte hat.

 

6.7. § 80 Abs.1 und Abs.2 FPG normieren, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier nun seit 1. Juli 2011 (vgl. FrÄG 2011) eine viermonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig seit 08.06.2013 in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte viermonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

Auch ist das Ziel der Schubhaft zum Entscheidungszeitpunkt durchaus zeitnah erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Überstellung des Bf nach Ungarn (gegebenenfalls Griechenland) sprechen würden.

 

7. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach  ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen. Daneben sind Gebühren in der Höhe von 29,90 Euro (Beschwerde: 14,30, 1 Beilage: 15,60) zu entrichten

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

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