Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-253282/5/Lg/MG

Linz, 24.06.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Werner Reichenberger; Berichter: Dr. Ewald Langeder; Beisitzer: Mag. Wolfgang Weigl) über die Berufung des Herrn W K B, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. T G, S, K, W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 20.08.2012, Zl. SV96-5/3-2012, wegen drei Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitsvertragsrechts­anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl Nr. 459/1993 idF BGBl I Nr. 152/2011, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

 

II. Der Berufungswerber hat zusätzlich zu den Kosten des erst­instanzlichen Verfahrens einen Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20 % der verhängten Geld­strafen, das sind jeweils Euro 500,-- (insgesamt sohin Euro 1.500,--) zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG idgF iVm § 24 und § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG idgF.

zu II: § 64 Abs. 1 und 2 VStG idgF.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

 

"Sie haben es als zur Vertretung nach außen Berufener in ihrem Unternehmen mit Sitz in L, P die Dienstnehmer

Herrn P T S, geb. X

Herrn W M P, geb. X

Herrn S K, geb. X

als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für Arbeiten in D, Baustelle 'S M K' von 03.05.2011 bis 11.05.2011 unter Kollektivvertragslohnhöhe beschäftigt.

 

Die gegenständliche Firma hat somit gegen § 7i Abs. 3 AVRAG verstoßen.

 

Diese Tat wird Ihnen als gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher (handelsrechtl. Geschäftsführer mit Sitz in L, P) angelastet

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 7b Abs. 1 iVm 7i Abs. 3 Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz (AVRAG)"

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde nach dem Strafrahmen des § 7i Abs. 3 AVRAG eine Geldstrafe von jeweils EUR 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 72 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG die Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 10% der Geldstrafen (insgesamt EUR 750,--) vor. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) betrug somit EUR 8.250,--.

 

Begründend führte die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen – im Wesentlichen aus, dass auf Grund des festgestellten Sachverhalts die oben angeführten Arbeitnehmer bei Arbeiten für das Unternehmen des Berufungswerbers von der Finanzverwaltung betreten worden seien. Aufgrund der Ermittlungen der Wiener Gebietskrankenkasse hätte den eingesetzten Arbeitskräften für die ausgeübten Tätigkeiten ein Grundlohn auf Basis des Kollektivvertrages für Arbeiten im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe Österreich von zumindest 9.03 Euro/Brutto pro Stunde zugestanden. Tatsächlich sei jedoch Herrn P T S 4,24 Euro/Brutto pro Stunde gezahlt worden, was einer Unterentlohnung von 53,04% entspreche; Herrn S K sei 3,54 Euro/Brutto pro Stunde gezahlt worden, was einer Unterentlohnung von 60,80% entspreche; Herrn W sei 3,89 Euro/Brutto pro Stunde gezahlt worden, was einer Unterentlohnung von 56,92% entspreche. Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes sei der Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt.

Zur Schuldfrage führte die belangte Behörde aus, der Berufungswerber habe nicht glaubhaft gemacht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Er hätte als Geschäftsführer über die geltenden gesetzlichen Bestimmungen Kenntnis haben müssen. Er habe keine Stellungnahme eingebracht, die die Vorwürfe entlasten hätte können. Die Verwaltungsübertretung sei daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen. Die belangte Behörde ging von einer fahrlässigen Begehung aus.

 

Bezüglich der Strafhöhe ging die belangte Behörde im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen davon aus, dass Verstöße gegen das AVRAG ganz allgemein einen schwerwiegenden Unrechtsgehalt aufweisen könnten. Die belangte Behörde ging davon aus, der Berufungswerber habe fahrlässig gehandelt; für die Annahme eines Vorsatzes hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben.

Bei der Festsetzung der Strafhöhe seien auch spezialpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt worden. Der Berufungswerber sollte dazu angehalten werden, sich in Zukunft um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu kümmern. Die verhängte Strafe erscheine geeignet, den Berufungswerber in Hinkunft von vergleichbaren Übertretungen abzuhalten. Aufgrund der wesentlichen Unterentlohnung in drei Fällen sei nicht die Mindeststrafe verhängt worden.

Bei der Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse habe der Berufungswerber gegenüber der belangten Behörde nichts angegeben. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gem. § 19 VStG Bemessungsgründe sowie des § 21 VStG erscheine daher die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie seinem Verschulden angemessen.

 

1.2. Mit Strafantrag vom 06.03.2012, Zl. LSDB-71/2011, zeigte die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB, bei der Bezirkshaupt­mannschaft Steyr-Land den Verdacht einer Übertretung des § 7i Abs. 3 AVRAG an und beantragte eine Bestrafung des Berufungswerbers iHv EUR 6.000,-- pro Dienstnehmer aufgrund der Höhe der Unterentlohnung sowie der Anzahl der Arbeitnehmer, die von der Unterentlohnung betroffen waren.

 

1.3. Mit Schreiben vom 27.12.2012 [richtigerweise: 27.03.2012], Zl. SV96-5/2-2012, wurde der Berufungswerber zur Rechtfertigung aufgefordert. Darin wurde dem Berufungswerber Folgendes zur Last gelegt:

 

"Sie haben es als zur Vertretung nach außen Berufener in Ihrem Unternehmen mit Sitz in L, P am 11.05.2011 um 09.15 Uhr die Dienstnehmer

Herrn P T S, geb. X

Herrn W M P, geb. X

Herrn S K, geb. X

als Arbeiter in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für Arbeiten in D, Baustelle 'S M K' ohne Lohnunterlagen beschäftigt.

 

Wer gemäß § 7i Abs 3 AVRAG als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1.000 Euro bis 10.000 Euro, im Wiederholungsfall 2.000 Euro bis 20.000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2.000 Euro bis 20.000 Euro, im Wiederholungsfall 4.000 Euro bis 50.000 Euro.

 

Bei der Kontrolle am 11.5.2011 um 09:15 Uhr durch Organe der Finanzpolizei wurde in D, Baustelle 'S M K' folgender Sachverhalt festgestellt:

Bei der Kontrolle wurden oben angeführte polnischen Staatsangehörigen überprüft. Die Arbeitnehmer gaben in den mit ihnen, im Beisein eines Dolmetsch gefertigten Niederschriften an, dass sie im Auftrag ihres polnischen Arbeitgebers, der Firma K mit Firmensitz in Polen tätig seien. Der Auftrag umfasst die Montage von Profilen zur Stiegenbeleuchtung gegen Stolpern, im Gangbereich der Kinosäle. Die Tätigkeit wurde von 3.5.2011 bis einschließlich 11.5.2011 durchgeführt. Bei der Kontrolle konnte den Organen der Finanzpolizei keine Lohnunterlagen, wie im AVRAG vorgesehen, vorgelegt werden. Die arbeitsmarktrechtlichen Papiere, E101 oder A1 Formular konnten nicht vorgelegt werden. Nach Abfrage in der Datenbank, konnte auch keine ZKO-Meldung festgestellt werden. Aufgrund der Angaben zu den ausgeübten Tätigkeiten ist der zustehende Grundlohn auf Basis des Kollektivvertrages für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe Österreichs zu ermitteln und beträgt € 9,03 brutto pro Stunde. Hinsichtlich der Einstufung wurde die niedrigste Lohngruppe herangezogen, da konkrete Angaben bezüglich der Tätigkeit der Arbeitnehmer nicht vorliegen. Dabei wurde eine Unterentlohnung bei Herrn P von 53,04%, bei Herrn S von 60,80% und bei Herrn W von 56,92% ermittelt. Die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB erstattet daher aufgrund des Tatbestandes der Unterentlohnung von drei Arbeitnehmern mit Strafantrag vom 06.03.2012 Anzeige.

 

Die gegenständliche Firma hat somit gegen § 7i Abs. 3 verstoßen.

 

Diese Tat wird Ihnen als gem. § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher (handelsrechtl. Geschäftsführer mit Sitz in L, P) angelastet.

 

Verwaltungsübertretungen nach §

§§ 7i Abs. 3 AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 idF BGBl I Nr. 24/2011"

 

Der Berufungswerber brachte weder eine Rechtfertigung innerhalb der gesetzten Frist (bis 12.04.2012) ein, noch erschien er an diesem Tag zur Vernehmung vor der belangten Behörde.

 

1.4. Mit Straferkenntnis vom 20.08.2012 entschied die belangte Behörde in der oben dargestellten Weise.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung des Berufungswerbers. Als Berufungsgründe werden unvollständige Sachverhaltsermittlung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Dazu bringt der Berufungswerber im Wesentlichen wie folgt vor:

 

2.1. Zur unvollständigen Sachverhaltsermittlung: Richtig sei, dass die Firma K B, J, K S (Offene Gesellschaft polnischen Rechts) mit Sitz in Polen (Handelsregister-Nr. X) im Zeitraum vom 03.05.2011 bis 11.05.2011 im Auftrag der Z HandelsgmbH (FN Xh) diverse Arbeiten auf der Baustelle "S M K" in D geleistet habe. Die zur Vertretung nach außen berufenen Gesellschafter der K B, J, K S hätten noch vor der Begehung der gegenständlichen Tat in einem Gesellschafterbeschluss aus ihrem Kreis den Gesellschafter R J iSd § 9 Abs. 2 VStG zum allein verantwortlichen Beauftragten bestellt. Im selben Beschluss habe der Gesellschafter R J ausdrücklich seiner Bestellung zugestimmt.

Mit dieser Bestellung sei auf den Gesellschafter R J auch die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung im Außenverhältnis übertragen worden. Diese Verantwortung sei für den Bereich des Unternehmens sachlich und räumlich eingeschränkt worden. Daher sei die Bestrafung des Berufungswerbers nicht gerechtfertigt.

 

2.2. Zur unrichtigen rechtlichen Beurteilung: Da die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt habe, hätte die Behörde zum Ergebnis kommen müssen, dass eine Bestrafung des Berufungswerbers nicht hätte erfolgen dürfen.

 

2.3. In eventu beantragt der Berufungswerber das Absehen von der Strafe iSd § 21 VStG bzw. die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe.

 

Der Berufungswerber habe nicht vorsätzlich die Dienstnehmer unter Kollektivvertragslohnhöhe beschäftigt.

Der Berufungswerber sei nach der Aufgabenverteilung nur für die Tätigkeit der Gesellschaft in Polen zuständig und verfüge über keine Erfahrung hinsichtlich der grenzüberschreitenden Leistungserbringung. Er habe von seiner Pflicht nach österreichischer Rechtslage nichts gewusst.

Der Berufungswerber sei sich seiner Verantwortung für die begangene Verwaltungsübertretung bewusst, ihm sei jedoch nur leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Die Schuld des Berufungswerbers sei gering und es sei kein öffentliches Interesse gefährdet worden, weil die Dauer der Beschäftigung sehr kurz gewesen sei und keinen dauernden Charakter gehabt habe.

 

Bei der Strafbemessung sei zu berücksichtigen, dass die genannten Mitarbeiter nur acht Tage lang in Österreich tätig gewesen wären. Die belangte Behörde hätte die Umstände des Berufungswerbers – Vermögens- und Familienverhältnisse – bei der Strafbemessung zu berücksichtigen gehabt. Die Strafe sei diesbezüglich unangemessen hoch.

 

2.4. Der Berufungswerber stellt den Antrag, der Oö. Verwaltungssenat möge eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen, hierzu die beantragten Zeugen und den Berufungswerber laden sowie das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land aufheben und das Verfahren einstellen;

in eventu von der Bestrafung gemäß § 21 VStG absehen;

in eventu die Höhe der verhängten Strafe auf das gesetzliche Minimum herabsetzen.

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

3.2. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenats zur Entscheidung über die Berufung ergibt sich aus Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 51 Abs. 1 VStG. Weil eine bzw. mehrere 2.000 Euro übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, ist der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer, bestehend aus drei Mitgliedern, berufen (§ 51c VStG).

 

3.3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land zu GZ SV96-5/3-2012.

 

Mit E-Mail vom 29.05.2013 teilte der Oö. Verwaltungssenat dem Berufungswerber mit, dass der Oö. Verwaltungssenat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen beabsichtigte, da der vorgelegte Gesellschafterbeschluss zeitlich nach der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gefasst worden war. Dem Berufungswerber wurde eine Frist von einer Woche eingeräumt, binnen welcher es ihm offenstand, weitere Beweisanträge zu stellen und auf einer mündlichen Verhandlung zu beharren. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung war keine diesbezügliche Eingabe des Berufungswerbers beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt.

Da eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten ließ, es sich vielmehr nur um zu lösende Rechtsfragen handelte, und daher diesem Vorgehen auch Art. 6 EMRK nicht entgegenstand (vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 18.9.2012, 10.781/08, Ohneberg/Österreich, Rn 32 mwN).

 

Mit selbem E-Mail vom 29.05.2013 teilte der Oö. Verwaltungssenat dem Berufungswerber mit, dass bislang weder aus dem erstinstanzlichen Akt noch aus dem Berufungsvorbringen Informationen zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Berufungswerbers vorlagen. Dem Berufungswerber wurde eine Frist von einer Woche zur Vorlage weiterer Informationen zu seinen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen eingeräumt, andernfalls der Oö. Verwaltungssenat bei seiner Entscheidung von folgender Schätzung ausgehen müsste: Einkommen 1.000 Euro, kein Vermögen, keine Sorgepflichten.

Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung war keine diesbezügliche Eingabe des Berufungswerbers beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt.

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

3.4.1. Die Fa. K B, J, K S (Handelsregister-Nr. X) hat ihren Sitz in Polen, L, P. Gesellschafter dieser Firma sind Herr W K B, Herr R J und Herr P K (Auszug aus dem polnischen Handelsregister.

Alle drei Gesellschafter sind polnische Staatsangehörige.

 

Mit Gesellschafterbeschluss vom 07.09.2012 gaben die drei Gesellschafter eine schriftliche Gesellschaftererklärung ab, derzufolge sie im April 2011 folgende Feststellung getroffen hätten:

 

„[...] Die für die Realisierung der Verträge in Österreich zuständige Person, sowohl handels- als auch verwaltungsrechtlich, ist ausschließlich R J.

 

Zu seinen Aufgaben gehörten die Kontakte mit dem österreichischen Handelspartner bei der Realisierung der uns im Auftrag gegebenen Arbeiten. Kontrolle über die Einhaltung der technischen Normen durch unsere Mitarbeiter bei der Realisierung des Vertrags. Aufsicht über die Beachtung der österreichischen Vorschriften im Zusammenhang mit der Delegierung unserer Mitarbeiter zur Arbeit auf der Baustelle ‚S M K‘ in D (Österreich).

 

Herr R J wurde von uns zur selbständigen Vertretung unserer Gesellschaft vor allen Ämtern in Österreich und zur Erteilung von Dienstanweisungen ermächtigt, dies insbesondere zwecks Einhaltung der Arbeitsrechts- und Verwaltungsvorschriften bei der Realisierung von Verträgen in Österreich.

 

Die vorgenannten Pflichten wurden von Herrn R J akzeptiert.“

 

3.4.2. Die Z HandelsgmbH, G, A (FN Xh), beauftragte die Fa. K B, J, K S mit der Montage von Profilen zur Stiegenbeleuchtung gegen Stolpern im Gangbereich von Kinosälen auf der Baustelle „S M K“ in D, E. Dieser Auftrag wurde im Zeitraum vom 03.05.2011 bis 11.05.2011 von drei Arbeitnehmern der Fa. K B, J, K S ausgeführt. Bei den drei Arbeitnehmern handelte es sich um

·         Herrn P T S, geb. X,

·         Herrn W M P, geb. X, und

·         Herrn S K, geb. X.

Alle drei Arbeitnehmer sind polnische Staatsangehörige.

 

Der kollektivvertragliche Mindestlohn für Arbeitnehmer ohne Zweckausbildung in der Lohngruppe 7 des Kollektivvertrags für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe Österreichs betrug zum Tatzeitpunkt EUR 9,03 brutto/Stunde (Artikel IX Entlohnung, Punkt 1). Die kollektivvertragliche Wochenarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden.

 

Herr P T erhielt im Tatzeitraum ein Entgelt iHv EUR 600,-- netto (= EUR 707,55 brutto) monatlich. Daraus resultiert bei Heranziehung einer kollektivvertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden/Woche ein Stundenlohn von EUR 4,24 brutto.

Herr S K erhielt im Tatzeitraum ein Entgelt iHv EUR 500,-- netto (= EUR 589,62 brutto) monatlich. Daraus resultiert bei Heranziehung einer kollektivvertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden/Woche ein Stundenlohn von EUR 3,54 brutto.

Herr W M erhielt im Tatzeitraum ein Entgelt iHv EUR 550,-- netto (= EUR 648,58 brutto) monatlich. Daraus resultiert bei Heranziehung einer kollektivvertraglichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden/Woche ein Stundenlohn von EUR 3,89 brutto.

 

3.4.3. Bei einer Kontrolle am 11.05.20111 um 09:15 Uhr in D, Baustelle „S M K“ durch Organe der Finanzpolizei wurden die oben angeführten Arbeitnehmer überprüft. Sie gaben in den mit ihnen im Beisein eines Dolmetschers gefertigten Niederschriften an, dass sie im Auftrag ihres Arbeitgebers, der Fa. K B, J, K S, tätig seien. Bei der Kontrolle konnte den Organen der Finanzpolizei keine Lohnunterlagen und keine arbeitsmarktrechtlichen Papiere (E101 oder A1 Formular) vorgelegt werden. Nach Abfrage in der Datenbank konnte auch keine ZKO-Meldung festgestellt werden.

 

3.5. Der dargestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Beweismitteln. Der bereits erstinstanzlich festgestellte Sachverhalt wurde auch vom Berufungswerber in seinem Berufungsvorbringen nur insoweit gerügt, als der Gesellschafterbeschluss vom 07.09.2012 vorgelegt und auf diesen verwiesen wurde.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 7b Abs. 1 AVRAG, BGBl Nr. 459/1993 in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung BGBl I Nr. 24/2011, hat ein Arbeitnehmer, der von einem Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes als Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird, unbeschadet des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Rechts für die Dauer der Entsendung zwingend Anspruch auf

1.      zumindest jenes gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt, das am Arbeitsort vergleichbaren Arbeitnehmern von vergleichbaren Arbeitgebern gebührt;

2.      bezahlten Urlaub nach § 2 UrlG, sofern das Urlaubsausmaß nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates geringer ist; nach Beendigung der Entsendung behält dieser Arbeitnehmer den der Dauer der Entsendung entsprechenden aliquoten Teil der Differenz zwischen dem nach österreichischem Recht höheren Urlaubsanspruch und dem Urlaubsanspruch, der ihm nach den Rechtsvorschriften des Heimatstaates zusteht; ausgenommen von dieser Urlaubsregelung sind Arbeitnehmer, für die die Urlaubsregelung des BUAG gilt;

3.      die Einhaltung der kollektivvertraglich festgelegten Arbeitszeit­regelungen;

4.      Bereithaltung der Aufzeichnung im Sinne der Richtlinie des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (91/533/EWG) in Österreich durch den Arbeitgeber oder den mit der Ausübung des Weisungsrechts des Arbeitgebers gegenüber den entsandten Arbeitnehmern Beauftragten.

 

Gemäß § 7i Abs. 3 AVRAG begeht, wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer/innen betroffen, beträgt die Geldstrafe für jede/n Arbeitnehmer/in 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro.

 

4.2. Ausgehend von den durchgeführten Tätigkeiten (Montage von Profilen zur Stiegenbeleuchtung), wäre in Österreich auf diese Tätigkeit vergleichbarer Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern der Kollektivvertrag für Arbeiter im eisen- und metallverarbeitenden Gewerbe anzuwenden. Zu diesem Ergebnis kam auch die Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum LSDB nach einer Anfrage bei den Kollektivvertragspartnern gem. § 7e Abs. 4 AVRAG.

 

Wie oben festgestellt, führten die polnischen Arbeitnehmer auf der Baustelle des „S M K“ in D als Arbeitnehmer Arbeiten für die Fa. K B, J, K S durch, erhielten für diese Tätigkeit – selbst bei Einstufung in die niedrigste Lohngruppe – jedoch einen deutlich unter dem kollektivvertraglichen Mindestniveau angesiedelten Bruttostundenlohn. Durch diese Vorgehensweise wurde der Verpflichtung gemäß § 7b Abs. 1 Z 1 AVRAG nicht entsprochen. Es wurde daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung iSd § 7i Abs. 3 AVRAG erfüllt.

 

4.3. Gemäß § 9 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.

 

4.4. Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Hauptwohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verantwortlich werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Der österreichische Gesetzgeber hat durch die Verwaltungsverfahrensnovelle 2001, BGBl I Nr 137/2001, § 9 Abs. 4 VStG dahingehend ergänzt, dass das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten gilt, falls Zustellungen im Verwaltungsstrafverfahren durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des verantwortlichen Beauftragen oder auf andere Weise sichergestellt sind. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (723 BlgNR 21. GP 9 f) wird ausgeführt, dass nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Clean Car Autoservice GmbH (EuGH 07.05.1998, C-350/96, Slg 1998, I-2521) das in ex-Art 39 EGV (Art 45 AEUV) verankerte Prinzip der Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht nur unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit abstellende Diskriminierungen von ausländischen Arbeitnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten hinsichtlich des Berufszuganges verbietet, sondern auch versteckte Diskriminierungen, die auf Unterscheidungsmerkmale abstellen, durch die regelmäßig Ausländer benachteiligt werden. Gleiches gilt nach Art 28 des EWR-Abkommens für Angehörige anderer EWR-Vertragsstaaten. Das Erfordernis eines inländischen Wohnsitzes könne nach Auffassung des EuGH eine solche mittelbare Diskriminierung darstellen, sofern es nicht auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimen Zweck steht, den das nationale Recht verfolgt (VwSlg 17.633 A/2009).

 

4.5. Die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gem. § 9 Abs. 2 VStG bewirkt für nach der Bestellung gesetzte Delikte einen Übergang der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit (vgl. VwGH 25.10.1994, 94/07/0027). Eine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten entfaltet in einem konkreten Verfahren erst dann Wirkung, wenn sie der Behörde gegenüber geltend gemacht und nachgewiesen wurde (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahren8 Rn. 775) oder aber der Behörde aus anderen Verfahren bekannt ist bzw. bekannt sein muss (vgl. VwGH 11.10.2000, 2000/03/0097 zur amtswegigen Ermittlungspflicht und zur Mitwirkungspflicht des Beschuldigten). Es kann jedoch insofern dahingestellt bleiben, ob der erstinstanzlichen Behörde die wirksame Bestellung bekannt war oder bekannt sein musste, als die Geltendmachung gegenüber der Behörde spätestens während des Berufungsverfahren zu erfolgen hat (VwGH 11.10.2000, 2000/03/0097, vgl. auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1289).

 

Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlichen Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortliche Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. des Einzelunternehmers. Es muss bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlichen Beauftragten eingelangt sein (VwGH 18.06.1990, 90/19/0116).

Das Datum der Gesellschaftererklärung (07.09.2012) liegt im gegenständlichen Fall unbestritten zeitlich deutlich hinter dem vorgeworfenen Tatzeitpunkt (03.05.2011 bis 11.05.2011). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Behauptung, dass die Gesellschafter den der Gesellschaftererklärung zugrundeliegenden Beschluss bereits im April 2011 (mündlich) getroffen hätten, da es an einem (schriftlichen) Zustimmungsnachweis, der aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammt, fehlt.

Selbst wenn man das Vorliegen der Voraussetzungen zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (insb. hinsichtlich der oben unter 4.4. ausgeführten Zustellung nach Polen) annehmen würde, so wäre diese Bestellung daher erst seit dem 07.09.2012, dem Datum der Gesellschaftererklärung, wirksam, da erst in diesem Beschluss ein schriftlicher Zustimmungsnachweis des zur Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit vorliegt. Für den Zeitpunkt der Tat bestand somit keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die verfahrensgegenständliche Tätigkeit der Fa. K in Österreich.

 

Als Konsequenz daraus, dass ein verantwortlicher Beauftragter für den vorgeworfenen Tatzeitraum nicht bestellt war, ist gemäß § 9 Abs. 1 VStG im vorliegenden Fall für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Fa. K B, J, K S strafrechtlich verantwortlich, wer für die Gesellschaft zur Vertretung nach außen berufen ist, d.s. die oben genannten Gesellschafter, zu denen auch der Berufungswerber zählt.

 

4.6. Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismitteln oder der Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Ein solcher Entlastungsbeweis ist dem Berufungswerber nicht gelungen; es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, dass der Berufungswerber subjektiv nicht in der Lage gewesen wäre, die der Bestrafung zu Grunde liegende Norm zu befolgen. Den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde hinsichtlich der subjektiven Vorwerfbarkeit der Tat wird gefolgt. Dem Berufungswerber ist vorzuwerfen, dass er die erforderliche Sorgfalt insofern nicht angewandt hat, als er gerade in einem Fall mit Auslandsberührung keine behördliche Auskunft über die rechtlichen Rahmenbedingungen eines Arbeitseinsatzes in Österreich eingeholt hat. Es war daher vom Verschulden des Berufungswerbers, nämlich zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

4.7. Gemäß § 21 Abs. 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist Voraussetzung für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfügiges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen. Von geringem Verschulden iSd § 21 VStG ist jedoch nur dann zu sprechen, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (VwGH 15.10.2009, 2008/09/0015; 21.12.2009 2008/09/0055; 16.09.2010, 2010/09/0141; 06.11.2012, 2012/09/0066).

 

Ziel der §§ 7d ff AVRAG ist es, Lohn- und Sozialdumping zu bekämpfen, gleiche Arbeitsmarkt- und Lohnbedingungen für sämtliche Arbeitnehmer zu schaffen, einen fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmern zu gewährleisten und die Abfuhr der gesetzlich vorgegebenen Abgaben und Sozialbeiträge sicherzustellen (vgl. Binder, AVRAG, 2. Auflage [2010] §§ 7d - 7n Rz 1 mwN).

§ 7i Abs. 3 AVRAG stellt unter Strafe, wer als Arbeitgeber/in ein/en Arbeitnehmer/in beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm/ihr zumindest den nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehenden Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Schutzzweck des § 7i Abs. 3 AVRAG ist die Sicherung des Wettbewerbs innerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes sowie der Schutz grundlegender Rechte von Arbeitnehmern in diesem Gebiet durch die Statuierung einer Rechtspflicht ausländischer Arbeitgeber, Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung ua zumindest jenes gesetzlich festgelegte Entgelt zu erhalten haben wie vergleichbare Arbeitnehmer von vergleichbaren Arbeitgebern (vgl. dazu OGH 28.03.2002, 8 Ob A 50/02i).

Die Tat bleibt damit im Ergebnis nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 VStG gerechtfertigt sein könnte.

 

4.8. Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand inwieweit die Tat sonst nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat.

 

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Da der Berufungswerber trotz Aufforderung diese Verhältnisse nicht offengelegt hat, musste der Oö. Verwaltungssenat eine Schätzung vornehmen.

Mit E-Mail vom 29.05.2013 wurde dem Rechtsvertreter des Berufungswerbers daher mitgeteilt, dass der Oö. Verwaltungssenat von einem monatlichen Einkommen iHv 1.000 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten ausgehe. Innerhalb der gesetzten Frist von einer Woche äußerte sich der Berufungswerber nicht, weshalb in der Folge von den o.g. Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen ausgegangen werden kann.

Bei der Einschätzung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hat es sich der Berufungswerber seiner unterlassenen Mitwirkungspflicht zuzuschreiben, sollten bei dieser Einschätzung zu seinem Nachteil Umstände unberücksichtigt geblieben sein, welche ohne seine Mitwirkung dem Oö. Verwaltungssenat nicht zur Kenntnis gelangen konnten (VwGH 14.1.1981, Zl. 3033/80).

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde in Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

Die verhängte Geldstrafe ist im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers angemessen. Straferschwerend war – im Sinne der Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis – sowohl die deutliche Unterentlohnung von jeweils über 50% (53,04%, 60,80% und 56,92%) als auch die Unterentlohnung in gleich mehreren (insgesamt drei) Fällen zu werten. Die verhängten Strafen von je 2.500 Euro bewegen sich im Bereich von 25% – und damit im untersten Bereich – des Gesamtstrafrahmens des § 7i Abs. 3 AVRAG s von bis zu 10.000 Euro (bei erstmaliger Begehung und bis zu drei Arbeitnehmern), was unter Berücksichtigung der Strafzumessungsgründe als nicht überhöht zu sehen ist.

 

Daher sieht sich der Oö. Verwaltungssenat zusammenfassend nicht veranlasst, die von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen der Höhe nach herabzusetzen.

 

5. Weil die Berufung des Berufungswerbers keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat in der Höhe von 20% der verhängten Geldstrafen, das sind jeweils EUR 500,-- (insgesamt sohin EUR 1.500,--), gemäß § 64 VStG festzulegen.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Reichenberger

Beachte:

Vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben.

VwGH vom 15.10.2015, Zl.: 2013/11/0184 bis 0186-6

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