Linz, 29.05.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung von Frau A V, geb. X, G, P, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. B P, T, M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 2. Mai 2013, Zl.: VerkR-9624355-2012-rm, zu Recht:
I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.
Rechtsgrundlagen:
Zu I.: § 66 Abs.4 iVm Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl.Nr.51, idF BGBl. I Nr. 33/2013 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.2 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl.Nr. 52, idF BGBl. I Nr. 33/2013 - VStG.
Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 102 Abs.1 KFG i.V.m. § 101 Abs.1 lit.e KFG iVm § 134 Abs.1 KFG 1967 eine Geldstrafe in der Höhe von 150 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 72 Stunden verhängt, wobei ihr wörtlich zur Last gelegt wurde,
„sie habe sich als Lenkerin, obwohl es ihr zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihr verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die Ladung nicht vorschriftsmäßig gesichert war, obwohl die Ladung und auch einzelne Teile dieser, auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sein müssen, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhalten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die einzelnen Teile einer Ladung müssen so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern können. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die Ladung oder einzelne Teile sind erforderlichenfalls zB durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt ist, sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein Herabfallen des Ladegutes oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhindern.
Es wurde festgestellt, dass sie einen ausgewachsenen Golden Retriever Hund im Kofferraum des Fahrzeugs transportierten. Dieser befand sich in keiner Tiertransport- box und im Fahrzeug war keine stabile Abtrennung zum Fahrgastraum vorhanden.
Tatort: Gemeinde U, Landesstraße Freiland, Bundesstraße Nr. X bei km 45.820 Tatzeit: 20.11.2012,12:50 Uhr
Sie habe dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 102 Abs.1 KFG i.V.m. § 101 Abs.1 lit.e KFG
Fahrzeug: pol. Kennzeichen X, PKW, Marke VW, Type Polo, Farbe grau.“
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. In der fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt der Berufungswerberin aus:
2.1. Mit diesen Ausführungen ist die Berufungswerberin im Ergebnis im Recht!
3. Die Behörde erster Instanz hat den Verfahrensakt in einem losen und nicht durchnummerierten Konvolut zur Berufungsentscheidung vorgelegt; Der Unabhängige Verwaltungssenat ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte mit Blick auf § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen.
4. Sachverhalt:
Aus der knappen und sich überwiegend auf die Wiedergabe des Gesetzestextes reduzierenden Anzeige lässt sich entnehmen, dass die Berufungswerberin im Gepäcksraum ihres Fahrzeuges einen Hund der Rasse Golden Retriever mitführte. Das die zu diesem Verfahren führende Amtshandlung allenfalls nicht konsensvoll verlaufen ist, lässt etwa der Hinweis erschließen, wonach die Berufungswerberin dem Meldungsleger gegenüber bemerkt haben soll, „wenn sie mich anzeigen müssen, dann zeigen sie mich bitte an.“ Darauf wird ebenfalls in der Berufung hingewiesen, dass seitens des Einschreiters allenfalls der Sachlichkeit nicht dienliche Emotionen im Spiel gewesen wären.
Anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass mit diesem Transport selbst laut Einschätzung des Meldungslegers eine Gefährdung der Verkehrssicherheit nicht einhergegangen ist.
Aus dem von der Berufungswerberin vorgelegten Fotomaterial betreffend die Beschaffenheit des Verwahrungsraumes geht hervor, dass alleine schon bei logischer Betrachtung, ja selbst bei einer starken Bremsung, der beförderte ca. 30 kg schwere Hund nicht in den Fahrerbereich gelangen hätte können. Die Berufungswerberin verweist diesbezüglich durchaus nachvollziehbar auf die drei derart hoch eingestellten hinteren Kopfstützen, sodass nur mehr ein Freiraum von kaum 10 cm zum Fahrzeugdach verblieb. Auch der seitliche Abstand der Kopfstützen zueinander war so eng, dass der Hund nicht nach vorne gelangen hätte können. Insgesamt ergibt dies mit den lt. Skizze 41 cm hohen Rückenlehnen eine 70 cm hohe Trennwand zum Fahrgastraum. Im Falle einer Notbremsung hätte der Hund höchstens gegen die Rücksitze gedrückt werden können.
An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass etwa in bekannter ständiger Praxis Jagdhunde, insbesondere auf kurzen Wegstrecken, auf eben diese Weise transportiert zu werden pflegen. Es wäre wohl weitgehend lebensfremd zu erwarten, dass für kurze Fahrten ein Hund stets in eine Tierbox gesperrt werden müsste.
Vor diesem Hintergrund erweist sich die hier auf die Verletzung von Ladungssicherungspflichten gestützte Anzeige als nicht nachvollziehbar. Wie oben schon festgestellt, wurde in der vermeintlichen „nicht gesicherten Ladung“ selbst vom Meldungsleger keine damit verbundene Gefährdung der Verkehrssicherheit“ gesehen. Das ein Hund nur schwer als Ladung einzustufen ist liegt alleine schon sprachgebräuchlich durchaus nahe. Auch das sollte hier nicht verschwiegen bleiben.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Die Bestimmung des § 101 Abs.1 lit.e KFG besagt zur Ladungssicherung, dass die „Ladung und auch einzelne Teile dieser, auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert sind, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhalten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die einzelnen Teile einer Ladung müssen so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern können; dies gilt jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen können und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet wird. Die Ladung oder einzelne Teile sind erforderlichenfalls zB durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liegt auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt ist, sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein Herabfallen des Ladegutes oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhindern. Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie kann durch Verordnung nähere Bestimmungen festsetzen, in welchen Fällen eine Ladung mangelhaft gesichert ist. Dabei können auch verschiedene Mängel in der Ladungssicherung zu Mängelgruppen zusammengefasst sowie ein Formblatt für die Befundaufnahme bei Kontrollen festgesetzt werden ….“
5.1. Alleine dieser Gesetzeswortlaut lässt in seinem Regelungsziel nur den Rückschluss auf ein Transportmaterial zu, welches es gegen die Wirkung der fahrdynamischen Kräfte primär auf der Ladefläche des Fahrzeuges zu sichern gilt. Wohl kaum können in diesen technischen Ausführungen über die Art der Sicherung Tiere begriffen werden.
Die lit.e wurde erst durch BGBl. I Nr. 60/2003 dem § 101 Abs.1 KFG eingefügt. Die parlamentarischen Materialien verweisen darin betreffend den Transport von Tieren explizit auf die „speziellen Bestimmungen“ des Tiertransportgesetzes (23 dBlg XXII GP Seite 15).
Das demnach unter Ladung auch mittransportierte Tiere (Hunde) zu begreifen wären, lässt sich folglich dem Willen des Gesetzgebers nicht zusinnen. Selbst die von der Behörde erster Instanz zitierten Websites lassen einen derartigen Schluss nicht zu, vielmehr verstehen sich diese Testberichte bloß Empfehlungen des ÖAMTC´s, der, wie ebenfalls seiner Website zu finden ist, die Rechtsauffassung vertritt, dass etwa ein ungesichert im Fahrzeug mitgeführter Hund keine Verletzung der Ladungssicherungspflicht darstelle. Der Behörde erster Instanz kann daher in ihrer umfassend ausgeführten Begründung des Schuld- u. Strafausspruches nicht gefolgt werden.
Vielmehr ist der Berufungswerberin insbesondere darin zu folgen, dass im Ergebnis Empfehlungen von diversen Autofahrerorganisationen oder Verkehrssicherheitsunternehmen einem Gesetz keine strafbarkeitsbegründende Inhalte zugedacht werden dürfen. Im übrigen würde die Ausdehnung eines Verwaltungsstraftatbestandes über dessen klaren Wortlaut hinaus einen klaren Verstoß gegen den Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ nach sich ziehen
5.2. Angesichts der Verfahrenseinstellung kann es auf sich bewenden, dass hier selbst der in Wortkaskarden ausufernde Spruch einer nachvollziehbaren Logik des vermeintlichen Fehlverhaltens weitgehend entbehrt. Vor Antritt der Fahrt sich über den Transport nicht überzeugt zu haben entbehrt in diesem Zusammenhang zumindest einer inhaltlichen Logik. Die Zitierung des gesamten Absatzes der Rechtsnorm geht wohl an diesem Zweck vorbei, sodass der Spruch iSd § 44a Abs.1 VStG besser auf die wesentlichen Tatbestandselemente zu reduzieren wäre.
Hier ist jedoch das Verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen nachdem der von der Berufungswerberin getätigte Transport des Hundes im Gepäcksteil ihres Fahrzeuges keinen Verstoß gegen die kraftfahrrechtlichen Ladungssicherungspflichten darstellt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
VwSen-167834/2/Br/Ai vom 29. Mai 2013
Erkenntnis
Rechtssatz
KFG 1967 §101 Abs1 lit e
Allein der Gesetzeswortlaut des § 101 Abs 1 lit e KFG lässt in seinem Regelungsziel nur den Rückschluss auf ein Transportmaterial zu, welches es gegen die Wirkung fahrdynamischer Kräfte primär auf der Ladefläche des Fahrzeugs zu sichern gilt. Dass unter „Ladung“ auch mittransportierte Tiere zu begreifen wären, lässt sich auch dem Willen des Gesetzgebers nicht zusinnen. Die parlamentarischen Materialien verweisen betreffend den Transport von Tieren explizit auf die „speziellen Bestimmungen“ des Tiertransportgesetzes (ErläutRV 23 BlgNR XXII. GP 4).