Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281446/20/Kl/MG/BU

Linz, 06.06.2013

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn X, vertreten durch X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 31.07.2012, Zl. Ge96-64-2012/Bd/Dm, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.12.2012 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 1.500 und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 68 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag des Berufungswerbers zum Verfahren vor der belangten Behörde verringert sich auf 150 Euro. Zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde den Berufungswerber wie folgt schuldig erkannt:

 

„Sie haben es als Gewerbeinhaber des Schlossergewerbes, eingeschränkt auf Montage und Lohnschweißarbeiten zu vertreten, dass am 05.06.2012 von einem Organ des Arbeitsinspektorats Linz auf der Baustelle X, X, festgestellt wurde, dass

 

ein Arbeitnehmer der o.a. Firma, Herr X, geb. X, auf einem ca. 30° geneigten Dach bei einer Absturzhöhe von ca. 4-5 m mit Montagearbeiten beschäftigt war, wobei keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden waren bzw. der Arbeitnehmer nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt war.

 

Dadurch wurde § 87 Abs. 3 BauV in Verbindung mit § 87 Abs. 5 Z. 1 BauV übertreten, wonach geringfügigen Arbeiten das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach § 87 Abs. 3 BauV zwar entfallen kann, in diesem Fall der Arbeitnehmer aber mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein muss.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 130 Abs. 5 Z. 1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) in Verbindung mit § 118 Abs. 3 ASchG sowie § 87 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) in Verbindung mit § 87 Abs. 5 Z. 1 BauV, BGBl.Nr. 340/1994 i.d.g.F.

 

Wegen der so angelasteten Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde nach dem Strafrahmen des Einleitungssatzes des § 130 Abs. 5 ASchG eine Geldstrafe iHv EUR 1.800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 82 Stunden) und schrieb gemäß § 64 VStG die Kosten des Strafverfahres in Höhe von 10% der Geldstrafe (EUR 180,--) vor. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) betrug somit EUR 1.980,--.

 

Begründend führte die belangte Behörde – nach Schilderung des Sachverhalts und Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen – im Wesentlichen aus, dass dem Arbeitsinspektorat keine Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Arbeitsinspektionsgesetz gemeldet worden sei, es liege somit keine rechtswirksame Bestellung von verantwortlichen Beauftragten vor.

Es sei erwiesen, dass Arbeiten auf dem Dach vorgenommen worden seien, wobei die geeigneten Schutzeinrichtungen nicht vorhanden gewesen wären bzw. der Arbeitnehmer nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt gewesen sei. Zur Strafbarkeit genüge fahrlässiges Verhalten iSd § 5 Abs. 1 VStG. Der Berufungswerber habe keinen Schuldentlastungsbeweis erbringen können, weshalb zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen gewesen sei.

Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass die Bestimmungen des ASchG dem öffentlichen Interesse dienten. Weiters sei zu berücksichtigen, dass durch die Unterlassung diejenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, nämlich der Sicherheit und Gesundheit der ArbeitnehmerInnen, im besonderen Maß gefährdet worden seien. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien in der Aufforderung zur Rechtfertigung wie folgt geschätzt worden: EUR 2.500,--, durchschnittliches Vermögen, keine Sorgepflichten. Diese Angaben seien vom Berufungswerber im Zuge des Verfahrens nicht korrigiert worden.

Der allgemeine Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit komme dem Berufungswerber nicht mehr zugute. Als erschwerend sei zu werten, dass, obwohl der Berufungswerber selbst auf dem Dach gearbeitet habe, keinerlei Sicherheitsmaßnahmen von ihm gesetzt worden seien.

 

2.1. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung des Berufungswerbers. Der Berufungswerber bekämpft das Straferkenntnis seinem gesamten Umfang nach. Dazu bringt der Berufungswerber im Wesentlichen wie folgt vor:

 

2.1.1. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liege darin, dass die Anzeige des Arbeitsinspektorats nicht hinterfragt worden sei. Es hätte nicht nur der Anzeiger über seine konkreten Beobachtungen, sondern auch Herr X befragt werden müssen, ob er am Dach Arbeiten durchgeführt habe und wer ihm allenfalls derartige Arbeiten aufgetragen habe. Bei einer umfassenden Beweisaufnahme wäre die belangte Behörde zum Ergebnis gekommen, dass Herr X keinesfalls mit Montagearbeiten am Dach des Hauses X befasst und beauftragt gewesen sei.

 

2.1.2. Zum Zeitpunkt des Zustellversuchs der Aufforderung zur Rechtfertigung am 28.06.2012 sei der Berufungswerber auf Urlaub gewesen. Er sei erst am darauffolgenden Wochenende von einem 14-tägigen Urlaub zurückgekommen, habe aber die Verständigung über die Hinterlegung nicht im Briefkasten vorfinden können. Dieser Briefkasten sei völlig überfüllt gewesen, als er diesen nach seiner Rückkehr geöffnet habe. Er habe die Poststücke gewissenhaft sortiert, diese Verständigung jedoch nicht gefunden.

 

2.1.3. Herr X sei dem Berufungswerber von einem Arbeitskräfteüberlasser überlassen worden. Der Berufungswerber habe den Auftrag gehabt, eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu montieren. Dazu seien nicht nur Arbeiten am Dach selbst vorzunehmen gewesen, sondern auch im Haus. So seien u.a. der Wechselrichter zu montieren, Kabelkanäle zu verlegen und Wanddurchführungen zu bohren gewesen. Im konkreten Fall seien diese Arbeiten im Keller, in zwei Wohngeschoßen und am Dachboden vorzunehmen gewesen. Es sei vom Berufungswerber klar ausgesprochen worden, dass Herr X keine Arbeiten am Dach vornehmen dürfe und auf dem Dach nichts zu „suchen“ habe.

Der Berufungswerber benötige für die durchgeführten Arbeiten am Dach keinen Helfer, er habe die Photovoltaik-Paneele montiert. Ein solches Paneel habe ein Gewicht von ca. 22 kg. Schon seit Jahren montiere der Berufungswerber diese Paneele alleine. Die Unterkonstruktion habe ebenfalls nur ein geringes Gewicht und sei am besten alleine zu montieren. Weiters sei noch Herr X am Dach gewesen, welcher den Elektroanschluss an die bereits montierten Paneele hergestellt habe.

 

2.1.4. Richtig sei, dass Herr X am 05.06.2012 mit einer Leiter auf das Dach gestiegen sei just in jenem Augenblick, in dem scheinbar der Anzeiger am Hause vorbeigefahren sei. Der Berufungswerber hätte Herrn X sofort gesagt, dass er am Dach nichts zu „suchen“ habe. Er habe jedoch nach einer Arbeitsanweisung gefragt, wonach der Berufungswerber ihm erklärt habe, dass er sofort hinunter käme.

Der Bauherr sei rein aus Interesse bei den vom Berufungswerber durchgeführten Arbeiten häufig am Dach gewesen und könne ebenfalls bestätigen, dass der Berufungswerber die Montagearbeiten völlig alleine durchgeführt habe und Herr X ausschließlich für die Arbeiten im Haus eingeteilt gewesen sei. Es sei daher nicht dem Berufungswerber anzulasten, dass Herr X entgegen der Anweisung des Berufungswerbers über die Leiter aufs Dach gestiegen sei, zumal er auch aufgefordert worden sei, sofort das Dach wieder zu verlassen. Der Berufungswerber habe derartige Arbeiten am Dach ausdrücklich untersagt.

 

2.1.5. Die verhängte Strafe sei zu hoch. Sie entspreche weder den Vermögens- noch Einkommensverhältnissen des Berufungswerbers. Er sei bezüglich der hier maßgeblichen Rechtsbereiche auch unbescholten.

 

2.1.6. Der Berufungswerber stellt den Antrag, der Oö. Verwaltungssenat wolle in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ersatzlos aufheben und das Verwaltungsstrafverfahren einstellen; in eventu das Straferkenntnis dahingehend abändern, dass die Strafe auf ein tat- und schuldangemessenes Maß herabgesetzt werde.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4.1. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenats zur Entscheidung über die Berufung ergibt sich aus Art. 129a Abs. 1 Z 1 B-VG iVm § 51 Abs. 1 VStG. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier weder eine primäre Freiheitsstrafe, noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

4.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung zu GZ Ge96-64-2012-Bd/Dm sowie durch Anberaumung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.12.2012, bei der der Berufungswerber, der Rechtsvertreter des Berufungswerbers und ein Vertreter des Arbeitsinspektorats Linz anwesend waren. Es wurden die Zeugen Arbeitsinspektor X, X, X und X geladen und einvernommen.

 

Weiters wurden in der mündlichen Verhandlung vom Arbeitsinspektor Urkunden vorgelegt, und zwar insgesamt neun Fotografien, welche die Arbeiten auf dem Dach des Gebäudes X, X, am 05.06.2012 zeigen.

 

4.3. Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest und wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

4.3.1. Der Berufungswerber ist seit 01.08.2006 Gewerbeinhaber des Schlossergewerbes, eingeschränkt auf Montage und Lohnschweißarbeiten.

Eigentümer und Bauherr des Grundstücks X, X, ist Herr X. Beim gegenständlichen Objekt handelt es sich um ein Wohnhaus.

Herr X beauftragte Herrn X, einen Elektrounternehmer, mit der Montage von Paneelen für eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des zuvor genannten Wohnhauses. Dieser brachte Herrn X, den Berufungswerber, mit. Es handelte sich dabei um eine Tagesbaustelle, die Arbeiten wurden am 05.06.2012 begonnen und sollten am selben Tag noch abgeschlossen werden.

 

Zur Ausführung dieser Arbeiten bediente sich der Berufungswerber der Arbeitskraft von Herrn X, der ihm von einem Arbeitskräfteüberlasser überlassen worden war. Der Berufungswerber war somit zum Tatzeitpunkt Beschäftiger des Leasingarbeiters, Herrn X. Herr X war insgesamt von April 2012 bis Juli 2012 für den Berufungswerber als Leasingarbeitnehmer tätig. Er ist gelernter Dachdecker ohne Prüfung.

 

Die für die Photovoltaikanlage notwendigen Elektroinstallationen sowie Montagearbeiten am Dach wurden von Herrn X als Einzelunternehmer selbständig vorgenommen.

 

Die Paneele der Photovoltaikanlage trugen der Berufungswerber und Herr X abwechselnd auf das Dach hinauf. Diese haben ein Gewicht von ca. 20 kg und eine Größe von 1,6 .

Herr X war damit beauftragt, die Kabel im Haus zu verlegen. Insbesondere hatte Herr X den Auftrag, im Hausinneren Kabelkanäle zu verlegen, Durchbohrungen durch die Decken vorzunehmen und den Wechselrichter anzubringen.

 

Der Berufungswerber hat für Dacharbeiten eine Hubarbeitsbühne, diese konnte jedoch beim gegenständlichen Auftrag nicht verwendet werden, da eine Zufahrt mit der Hubarbeitsbühne nicht möglich war.

 

4.3.2. Die Dachneigung betrug ca. 30 Grad, die Absturzhöhe auf jener Seite des Dachs, auf der die Photovoltaikanlage installiert wurde, (Hausrückseite) ca. 4-5 m aufgrund der Hanglage. Auf der Vorderseite des Hauses (straßenseitig) war die Leiter zum Aufstieg auf das Dach angelegt. Die Höhe vom Boden bis zur Dachrinne betrug ca. 3 m.

 

4.3.3. Bei einer zufälligen Autofahrt durch X am 05.06.2012 sah der Arbeitsinspektor X beim Gebäude X, X, eine Leiter, die straßenseitig zum Dach hinaufführte und an der Straße vor dem Gebäude einen Firmenwagen mit der Aufschrift „X“. Der Arbeitsinspektor beobachtete, wie jemand die Leiter hinauf auf das Dach stieg. Von dieser Position aus waren die Rückseite des Hauses und des Dachs für den Arbeitsinspektor nicht einsehbar, deshalb wendete er sein Fahrzeug und fuhr zurück. Von einem Parkplatz aus konnte der Arbeitsinspektor dann die Rückseite des Hauses und des Dachs einsehen, wobei er vier Personen auf dem Dach sah. Der Arbeitsinspektor ging zum Feuerwehrhaus und machte von dort aus Fotos vom Dach.

 

Bei den vier Personen auf dem Dach handelte es sich um den Berufungswerber, Herrn X, Herrn X und Herrn X.

Aufgrund der vom Arbeitsinspektor vorgelegten Fotos ergibt sich, dass der Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt mit einer „Flex“ (einem Winkelschleifer) Schneidarbeiten auf dem Dach durchführte.

Insbesondere aus Foto 5 ergibt sich, dass Herr X auf dem Dach bei der Kabeltrommel etwas zusammensteckte. Ob dies auf Anweisung des Berufungswerbers erfolgte, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass Herr X am Dach weitere Arbeiten ausführte.

Herr X war jedenfalls mehrere Minuten lang auf dem Dach.

Keiner der am Dach tätigen Personen war gesichert. Es waren keine Absturzsicherungen vorhanden und war keine der vier Personen am Dach, insbesondere auch nicht Herr X, angeseilt.

 

Der Arbeitsinspektor sprach in der Folge die Personen auf dem Dach an und forderte sie auf, vom Dach herunterzusteigen. Dieser Aufforderung folgten alle vier Personen.

 

4.3.4. Der Berufungswerber ist sorgepflichtig für zwei Kinder im Alter von 14 und 15 Jahren. Zur Einkommenssituation machte er weder im erstinstanzlichen Verfahren trotz ausdrücklicher Aufforderung (Aufforderung zur Rechtfertigung vom 25.06.2012, Zl. Ge96-64-2012-Bd/Pe) noch in der Berufung oder im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung irgendwelche Angaben.

 

Der Beschuldigte ist nicht allgemein verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Es liegen mehrere verkehrsrechtliche Verwaltungsvorstrafen vor (VerkR96-2076-2012, VerkR96-3722-2012, VerkR96-6531-2011), jedoch keine gewerberechtlichen oder Verwaltungsvorstrafen nach dem ASchG.

 

4.4. Der dargestellte Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus den Beweismitteln. Insbesondere deckt sich der als verfahrenswesentlich festgestellte Sachverhalt auch mit den Angaben des Berufungswerbers und der Zeugen. Die Tatsache, dass keine Schutzvorrichtungen verwendet wurden, wurde von keinem der Einvernommenen in Abrede gestellt.

Ob der Berufungswerber Herrn X die Weisung erteilt hatte, das Dach nicht zu betreten, erscheint aufgrund der vorliegenden Fotografien des Arbeitsinspektorats Linz zumindest zweifelhaft, kann aber insofern dahingestellt bleiben, als auch eine direkte Weisung des Berufungswerbers nach Judikatur des VwGH ihn nicht vom Verschulden befreien könnte (siehe dazu unten 5.3.). Es handelt sich somit um kein verfahrensrelevantes Faktum.

Aus welchem Grund und mit welcher Intention Herr X ursprünglich auf das Dach stieg, ob er nur den Berufungswerber oder Herrn X oder beide etwas fragen wollte oder auch konkret fragte, kann ebenso mangels Relevanz dahingestellt bleiben. Eine ausdrückliche Absprache oder Anweisung, wie vorzugehen ist, wenn der Arbeitnehmer eine Frage hatte, gab es nicht.

Es kann daher der festgestellte Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs. 5 ASchG (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 145,- bis EUR 7.260,- im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von EUR 290,- bis EUR 14.530,- zu bestrafen ist, begeht, wer als Arbeitgeber/in

1.   den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt, oder

2.   die nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden bescheidmäßigen Vorschreibungen nicht einhält.

 

Gemäß § 118 Abs. 3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl Nr. 340/1994, (nach Maßgabe der Z 4 leg.cit.) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs. 3 erster Satz BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern, wie insbesondere Dachfanggerüste (§ 88). § 87 Abs. 3 BauV stellt dabei die lex specialis zu § 7 BauV dar (vgl. E 15. Juli 2004, 2001/02/0042; E 23. Juli 2004, 2004/02/0199).

Nur in den Fällen des § 87 Abs. 5 BauV darf bei Arbeiten auf Dächern das Anbringen von Schutzeinrichtungen ausnahmsweise entfallen, sofern die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sind:

1.   bei geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- oder Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, oder

2.   bei Arbeiten am Dachsaum, wenn nicht gleichzeitig oder aufeinanderfolgend auch an der Dachfläche Arbeiten durchgeführt werden, sowie bei Arbeiten im Giebelbereich.

 

5.2. Aufgrund des ermittelten Sachverhalts steht zweifelsfrei fest, dass der Arbeitnehmer Herr X auf dem Dach des Gebäudes ungesichert Arbeit verrichtete. Durch diese Vorgehensweise und Missachtung der speziellen Gefahren wurde der Verpflichtung gemäß § 87 Abs. 3 BauV nicht entsprochen. Da der Arbeitnehmer auch nicht mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt war, wurde auch nicht das Erfordernis der Ausnahmeregelung des § 87 Abs. 5 BauV  erfüllt. Es wurde daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

5.3. Der Berufungswerber hat die Tat aber auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Berufungswerber initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringen von Beweismittel oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die Glaubhaftmachung nicht aus.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen wird. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer „Oberaufsicht“ nicht aus (VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.05.2006, 2005/02/0248). Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. „Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmerschutzvorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war“.

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht daher das Vorbringen des Berufungswerbers nicht aus, ihn von seinem Verschulden zu befreien. Selbst eine ausdrückliche Weisung, das Dach nicht zu betreten, stellt nach Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kein ausreichendes Kontrollsystem dar. Vielmehr hat ein lückenloses Kontrollnetz zu garantieren, dass die Anweisungen auch konkret befolgt werden. Vielmehr hat das Beweisverfahren eindeutig gezeigt, dass der Berufungswerber in unmittelbarer Nähe von Herrn X arbeitete und diesen jedenfalls mehrere Minuten lang nicht aufforderte, das Dach zu verlassen bzw. keine Maßnahmen vorbrachte und unter Beweis stellte, die unter vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften erwarten lassen. Anweisungen allein reichen nicht aus, vielmehr ist deren Befolgung zu kontrollieren. Eine solche Kontrolle wurde nicht behauptet. Dass der Arbeitnehmer unbemerkt auf das Dach steigen konnte und sich dort betätigte, zeigt, dass eine lückenlose Kontrolle – wie sich nach der Judikatur gefordert wird – nicht stattgefunden hat. Dies stellt ein sorgfaltswidriges Verhalten dar. Es war daher den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde zu folgen und vom Verschulden des Berufungswerbers, nämlich zumindest von fahrlässiger Tatbegehung auszugehen.

 

5.4. Zum Strafrahmen ist auszuführen, dass bei erstmaliger Übertretung gemäß § 130 Abs. 5 ASchG ein Strafrahmen von EUR 145,- bis EUR 7.260,- vorgesehen ist.

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides soweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist.

 

Die belangte Behörde hat auf den besonderen Unrechtsgehalt der Tat hingewiesen, nämlich dass die Bestimmungen des ASchG dem öffentlichen Interesse dienen und dass durch die Unterlassung diejenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, nämlich der Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers, im besonderen Maß gefährdet wurden. Dies war im Rahmen der objektiven Strafbemessungsgründe zu berücksichtigen.

Als straferschwerend wertete die belangte Behörde, dass, obwohl der Berufungswerber selbst auf dem Dach gearbeitet hatte, keinerlei Sicherheitsmaßnahmen gesetzt hatte.

Bei der Strafbemessung war insbesondere auch zu berücksichtigen, dass gerade Dacharbeiten besonders gefahrenträchtig sind. Es wäre daher diesen Gefahren besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Dass eine Gefahrenerhebung und Gefahrenbesprechung sowie Kontrolle der Maßnahmen zur Hintanhaltung der Gefahren nicht stattgefunden haben, bedeutet eine besondere Sorglosigkeit und hat bei der Strafbemessung berücksichtigt zu werden.

 

Die persönlichen Verhältnisse wurden von der belangten Behörde mangels Angaben durch den Berufungswerber geschätzt mit einem monatlichen Nettoeinkommen von EUR 2.500,--, durchschnittlichem Vermögen und keinen Sorgepflichten. In der mündlichen Verhandlung gab der Berufungswerber an, für zwei Kinder im Alter von 14 und 15 Jahren Sorgepflichten zu haben. Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen machte der Berufungswerber keine weiteren Angaben, weshalb diesbezüglich weiterhin von den Schätzungen der Erstbehörde auszugehen war. Hinsichtlich der Sorgepflichten war die Strafhöhe aufgrund der Angaben des Berufungswerbers anzupassen bzw. zu reduzieren.

 

Die vom Berufungswerber vorgebrachte allgemeine Unbescholtenheit liegt nachweislich nicht vor. Da der Berufungswerber aber noch nicht einschlägig vorbestraft war, war von den niedrigeren Strafsätzen des § 130 Abs. 5 ASchG auszugehen, stellt aber per se keinen Strafmilderungsgrund dar.

 

Die verhängte Geldstrafe ist somit in Anbetracht der persönlichen Verhältnisse nicht überhöht. Sie ist vielmehr tat- und schuldangemessen und auch erforderlich den Berufungswerber, der regelmäßig ungesicherte Dacharbeiten durchführt, von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Sie ist gerade aus spezialpräventiven Gründen auch gerechtfertigt, um zu bewirken, dass die Unternehmensorganisation hinkünftig so ausgerichtet wird, dass Arbeitnehmerschutzvorschriften beachtet und einhalten werden.

 

5.5. Im Ergebnis war dem Eventualbegehren Folge zu geben und die Höhe der verhängten Strafe aufgrund der Sorgepflichten herabzusetzen.

 

6. Bei diesem Verfahrensergebnis waren die Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde auf Grundlage von § 64 Abs. 2 VStG auf EUR 150,-- (10% der verhängten Geldstrafe) zu reduzieren. Gemäß § 65 VStG war dem Berufungswerber darüberhinaus kein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

 

Beschlagwortung: Kontrollsystem

 

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