Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-151013/6/Lg/HK

Linz, 02.07.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 27. Juni 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung von Frau M W, vertreten durch Rechtsanwälte OG G K L, M, L, gegen das Straferkenntnis des Bezirks­hauptmannes des Bezirkes Urfahr-Umgebung vom 30. November 2012, Zl. VerkR96-3604-2012-STU, wegen  einer Übertretung des Bundesstraßenmautgesetzes (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt. Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als von einer Bestrafung abgesehen wird.

 

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskosten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 21, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe von 300 Euro bzw. eine von 72 Stunden verhängt, weil sie ein Kraftfahrzeug auf den mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, weil am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht gewesen sei, welche nicht die erforderlichen Sicherheitsmerkmale der Vignette (Schriftzug UNGÜLTIG bzw. beschädigte oder fehlende Elemente der Sicherheitsstanzung auf der Vignette) benützt habe.

 

Begründend führt das angefochtene Straferkenntnis aus:

 

Begründung:

 

Auf Grund einer Anzeige der ASFINAG vom 08. Mai 2012 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land mit Strafverfügung vom 04. Juni 2012, VerkR96-14410-2012, wegen der im Spruch näher angeführten Verwaltungsübertretung über Sie eine Geldstrafe von 300,00 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 120 Stunden verhängt.

 

Mit Schriftsatz vom 19. Juni 2012 erhoben Sie Einspruch gegen die Strafverfügung und gaben Folgendes an:

Mit großer Verwunderung hätten Sie die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land erhalten. Nach Erhalt des Schreibens zur Zahlungsaufforderung der Ersatzmaut durch die ASFINAG hätten Sie sich sofort mit der ASFINAG in Verbindung gesetzt und mit Frau Z gesprochen. Sie hätten Ihr bekannt gegeben, die Vignette zeitgerecht gekauft und Ende Jänner 2012 am Fahrzeug mit dem Kennzeichen X angebracht zu haben. Da es an diesem Tag sehr kalt gewesen sei, hätten Sie einen passenden Schaber gekauft, um die Vorjahresvignette zu entfernen. Sie hätten aktuelle Vignette an dieser Stelle aufgeklebt. Für Sie sei diese Angelegenheit damit erledigt gewesen. Sie ersuchten um Aufhebung der unrechtmäßigen Strafverfügung und Ersatzmaut.

 

Daraufhin wurde das Verfahren gemäß § 29a VStG 1991 an die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung abgetreten.

 

Sodann wurde von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung eine Stellungnahme zur gegenständlichen Übertretung und Ihren Einspruchsangaben angefordert. Diese führt darin u.a. Folgendes aus:

‚Die Angaben des Beschuldigten werden allesamt als unzutreffend zurückgewiesen. Es handelt sich einwandfrei um eine ungültige Vignette. Der Tatbestand der Mautprellerei wurde somit erfüllt. Zudem belastet sich der Beschuldigte selbst, da dieser in seinem Einspruch Bilder seiner zerstörten Vignette übermittelt hat. Auch bei den Beweisbildern des Mautsystems ist die Vignette völlig unleserlich zerstört. Der alleinige Erwerb oder Besitz einer Vignette (ob gültig oder ungültig) erfüllt nicht die gesetzlichen Bestimmungen zur korrekten Entrichtung der Maut. In Österreich besteht auf dem hochrangigen Straßennetz eine Mautpflicht. Demnach darf das mautpflichtige Straßennetz nur benutzt werden, sofern man die Maut ordnungsgemäß entrichtet Gemäß § 3 BStMG sind auch die Autobahnrastplätze Teil des hochrangigen Straßennetzes. Mautordnung Teil A1 findet Anwendung auf alle Kraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5t.

Im gegenständlichen Fall benutzte der Lenker des Fahrzeuges das mautpflichtige Straßennetz mit einer Jahresvignette an denen die Sicherheitsmerkmale ausgelöst waren. So sind weder die

 

Ziffern ‚1‘ und ‚2‘ (von 12=2012) noch der Buchstabe ‚B‘ überhaupt zu identifizieren. Beide Merkmale sind stark verstümmelt. Es ist offensichtlich, dass diese Vignette mindestens 1mal vom ursprünglichen Anbringungsort entfernt wurde und umgeklebt wurde. Obendrauf war die Vignette ungültigerweise in den Tönungsstreifen geklebt Die Vignette ist komplett zerstört und daher ungültig. Dies wurde von der automatischen Vignettenkontrolle erkannt und registriert. In der Anlage übermitteln wir Ihnen auch die entsprechenden Beweisbilder zu Ihrer Information und weiteren Bearbeitung. 1. Die Vignette war durch das Ablösen von dem ursprünglichen Anbringungsort - durch das korrekte Auslösen der Sicherheitsmerkmale - ungültig geworden und in diesem Zustand erneut geklebt worden. 2. Die Sicherheitsmerkmale müssen beim erstmaligen Ablösen der Vignette auslösen um das Umkleben in ein anderes Fahrzeug oder andere Manipulationen zu verhindern. Wurde die nicht ordnungsgemäße Entrichtung der Maut durch automatische Überwachung festgestellt, ohne dass es zu einer Betretung des Kraftfahrzeuglenkers kommt, kann dem/einem Zulassungsbesitzer gemäß der derzeit gültigen Mautordnung eine schriftliche Aufforderung zur Zahlung der Ersatzmaut übermittelt werden. Der Aufforderung zur Leistung der Ersatzmaut wird entsprochen, wenn diese binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält. Nachdem keine fristgerechte Zahlung auf unserem Konto eingegangen ist, war eine Anzeige einzuleiten.‘

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 19. Jul 212 wurde Ihnen die Möglichkeit geboten, sich zu der Ihnen angelasteten Verwaltungsübertretung zu rechtfertigen.

 

Am 26. Juli 2012 sprachen Sie in dieser Angelegenheit bei der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vor, wurde Ihnen die von der ASFINAG angeforderten Stellungnahme zur Kenntnis gebracht und gaben bekannt, dass Sie diese Sache mit Ihrem Rechtsanwalt besprechen würden.

 

In Ihrer Rechtfertigung vom 06. August 2012, vertreten durch G K L Rechtsanwälte OG, M, L, führten dazu im Wesentlichen Folgendes aus: Sie verwiesen auf Ihre Einspruchsangaben. Nach Erhalt der Zahlungsaufforderung über die Ersatzmaut hätten Sie sich mit der ASFINAG in Verbindung gesetzt und sei Ihnen zugesichert worden, dass Sie in dieser Angelegenheit zurückgerufen werden würden. Nachdem dies unterlieben sei, seien Sie der Annahme gewesen, dass die Sache somit erledigt sei. Weiters führten Sie aus, eine Vignette entsprechend den Bestimmungen des § 11 Abs. 1 BStMG am Fahrzeug angebracht zu haben. Sie legten die Rechnung über den Erwerb der Vignette und drei Lichtbilder vor, auf denen die ggst. Jahresvignette zu sehen sei, vor. Abschließend beantragten Sie ein Gutachten aus dem Bereich für Verkehrssicherheitsanlagen.

 

Sodann wurde von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung ein verkehrstechnisches Gutachten in Auftrag gegeben, ob im ggst. Fall bei der Aufnahme der vorliegenden Bilder im Hinblick auf die Bildautomatik der Verkehrskamera ein technischer Fehler ausgeschlossen werden könne.

 

Der Gutachter kommt zu Folgendem Ergebnis:

‚Im gegenständlichen Fall wurde von einer Vingettenkamera eine Vingette festgestellt, bei der die Sicherheitsmerkmale nicht mehr eindeutig zu erkennen waren. Die verwendeten Vingettenkameras sind für den Zweck konzipiert die Sicherheitsnmerkmale zu erkennen und Ablösungen festzustellen. Soweit bekannt ist arbeitet die Vingettenkamera zuverlässig. Die durchgeführten Test vor in Betriebnahme des Systems haben keine Hinweise auf eine Fehlfunktion ergeben. Anhand der vorliegenden Fotos kann augenscheinlich festgestellt werden, das die Ziffer 2 für das Jahr 12 und das vor der Ziffer 12 gedruckte B nicht vollständig vorhanden ist. Derartige, erkannbare Ablösungen sind darauf zurückzuführen.das versucht wurde die bereits aufgeklebte Vingette wieder abzulösen. Dabei wird ein Teil der Sicherheitsmerkmale zerstört.Auf Grund der vorliegenden Fotos sowie auf grund bereits diverser anderer Fälle die berarbeitet worden sind, ist davon auszugehen.das bei der gegnständlichen Vingette ein Teil der Sicherheitsmerkmale nicht meht vorliegen und Beanstandung erolgte. Die festgestellten Ablösungen sind nicht auf einen Defekt der Kamera oder Mangel bei der Bildaufzeichnung zurückzuführen.‘

 

Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 05. November 2012 wurden Sie vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt, Ihnen das oa. Gutachten zur Kenntnis gebracht und Ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

 

In Ihrer Stellungnahme vom 23. November 2012 führten Sie dazu ua. Folgendes aus: Der Amtssachverständige habe in seinem Gutachten nur die Möglichkeit eines Defektes der Vignettenkamera erörtert, nicht jedoch die Möglichkeit eines Defektes der Vignette selbst bzw. der Wahrscheinlichkeit, dass die Sicherheitsmerkmale in Folge des Anbringens auf die selbe Stelle, an der sich die Vignette aus dem Jahr 2011 befunden hätte, nicht mehr vollständig sichtbar gewesen wären. Die diesbezügliche Überprüfung sei von erheblicher Relevanz, weshalb sie eine ergänzende Stellungnahme des Amtsachverständigen forderten, in wie fern es möglich ist, dass die Sichtmerkmale der Vignette durch Anbringung auf die vorher beklebte Stelle auf der Windschutzscheibe zerstört bzw. diese allenfalls durch Sonneneinstrahlung und Lichteinwirkung beschädigt werden. Weiters wiederholten Sie im Wesentlichen Ihre vorangegangenen Einspruchs­- und Rechtfertigungsangaben. Abschließend beantragten Sie die ersatzlose Behebung der gegen Sie erlassenen Strafverfügung.

 

Darüber hat die Behörde wie folgt erwogen:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 BStMG unterliegt die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahr­zeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, der zeitabhängigen Maut.

 

Gemäß §11 Abs. 1 BStMG ist die zeitabhängige Maut ist vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

Gemäß § 20 Abs. 1 BStMG begehen Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 Euro bis zu 3.000 Euro zu bestrafen.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1991 genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Gemäß § 19 Abs. 1 BStMG ist für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut In der Mautordnung ist eine Ersatzmaut festzusetzen, die den Betrag von 250 € einschließlich Umsatzsteuer nicht übersteigen darf.

 

§ 19 Abs. 4 BStMG lautet:

Kommt es bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 zu keiner Betretung, so ist die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft ermächtigt, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung beruht, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 den Zulassungsbesitzer schriftlich zur Zahlung einer Ersatzmaut aufzufordern, sofern der Verdacht auf automatischer Überwachung oder auf dienstlicher Wahrnehmung eines Organs der öffentlichen Aufsicht beruht. Die Aufforderung hat eine Identifikationsnummer und eine Kontonummer zu enthalten. Ihr wird entsprochen, wenn die Ersatzmaut binnen vier Wochen ab Ausfertigung der Aufforderung dem angegebenen Konto gutgeschrieben wird und der Überweisungsauftrag die automationsunterstützt lesbare, vollständige und richtige Identifikationsnummer enthält.

 

Auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse steht für die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung bei freier Beweiswürdigung fest, dass Sie die Ihnen angelastete Verwaltungs­übertretung tatsächlich begangen haben, da am Fahrzeug eine Mautvignette angebracht war, welche nicht die erforderlichen Sicherheitsmerkmale der Vignette aufwies (Schriftzug UNGÜLTIG bzw. beschädigte oder fehlende Elemente der Sicherheitsstanzung auf der Vignette).

Dies ist durch die dem Verfahrensakt zu Grunde liegenden Beweisergebnisse, insbesondere die Stellungnahme der ASFINAG und das oben zitierte Gutachten der Abt. Verkehr des Amtes der Oö. Landesregierung vom 27. Oktober 2012 als erweisen an zusehen.

Ihre Rechtfertigungsangaben, wie oben zitiert, stellen somit keinen Schuldausschließungsgrund dar, da der Schriftzug der am Fahrzeug angebrachten Vignette UNGÜLTIG war bzw. beschädigte oder fehlende Elemente der Sicherheitsstanzung auf der Vignette festgestellt werden konnten. Die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme zum Gutachten des Amtssachverständigen war nach Ansicht der Behörde nicht erforderlich, da die festgestellte Übertretung anhand der vorliegenden Beweisergebnisse zweifelsfrei feststeht.

Sie konnten sich in jede Richtung hin rechtfertigen. Dieser Umstand darf nicht schlechthin gegen Sie gewertet werden. Ihre Angaben können jedoch lediglich als der menschlich zwar verständliche aber untaugliche Versuch gewertet werden, sich strafbefreiend zu verantworten.

Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung gelangte daher zur Ansicht, dass die Ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung objektiv als erwiesen angesehen werden muss. Weiters sind auch keine Umstände hervorgekommen, welche Sie in subjektiver Hinsicht (§ 5 VStG 1991) entlasten würden.

Die Strafbemessung erfolgte entsprechend den Bestimmungen des § 19 VStG 1991 unter Berücksichtigung Ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten. Diese wurden von der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. Juli 2012 geschätzt, von Ihnen im laufenden Verfahren im Rahmen Ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 06. August 2012 entsprechend korrigiert und daher in dieser Form der Strafbemessung ebenso zu Grunde gelegt wie der Unrechtsgehalt der Übertretung sowie das Ausmaß Ihres Verschuldens.

Erschwerende Umstände traten im Verfahren nicht zu Tage.

Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kommt Ihnen nicht mehr zu gute.

Die Vorschreibung der Verfahrenskosten ist im § 64 VStG 1991 gesetzlich begründet.“

 

 

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

Berufung:

Die genannte Entscheidung wird vollinhaltlich angefochten.

 

Beweiswürdigunq:

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Judi­katur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 26. Februar 2009, ZI. 2008/09/0007, mwN) nicht, dass der in der Begründung des Beschei­des/Straferkenntnisses niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungs­gerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Be­achtung dieser Grundsätze ist auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdi­gung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Dies insbesonde­re, da ich während des gesamten bisherigen Verfahrens wiederholt vorgebracht habe, dass ich die gegenständliche Vignette seit ihrer Anbringung an die Windschutzscheibe des Fahr­zeuges mit dem Kennzeichen S-KOMET6 nicht entfernt habe, und trotz dieses Vorbringens die Vignette weder von der belangten Behörde noch vom beigezogenen Amtssachverständi­gen begutachtet wurde, um die Vignette auf allfällige anfängliche Beschädigungen zu überprü­fen. Lediglich durch ein auf die Vignette selbst bezogenes Gutachten hätte die belangte Be­hörde feststellen können, ob diese jemals von der Windschutzscheibe entfernt worden ist oder nicht. Durch das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten, welches sich ausschließ­lich auf allenfalls vorhandene Fehler der Vignettenkamera bezog, konnte und durfte die Be­hörde nicht den Schluss ziehen, dass ich die Vignette durch Entfernen bzw. Ablösen beschä­digt hätte. Abgesehen davon, hätte bei der Beweiswürdigung ebenso die Tatsache berück­sichtigt werden müssen, dass ich kein anderes Fahrzeug als jenes mit dem Kennzeichen X besitze, sodass ein Entfernen oder Ablösen der Vignette gar keinen nachvollziehba­ren Grund darstellt (fehlender subjektiver Tatvorsatz).

 

Übergangener Beweisantrag:

Die Erstbehörde hat die von mir gestellten Beweisanträge auf Einholung eines Gutachtens zur (kriminologischen) Untersuchung der von mir angebrachten Vignette zum Beweis dafür, dass diese seit ihrer Anbringung an die Windschutzscheibe nicht entfernt wurde sowie auf Einho­lung eines ergänzenden Gutachtens in Hinblick auf die in der Stellungnahme vom 22.11.2012 aufgeworfenen Fragen, zu Unrecht übergangen.

Zunächst ist die Rechtsansicht der Erstbehörde, eine ergänzende Stellungnahme zum einge­holten Gutachten sei nicht erforderlich, da die festgestellte Übertretung anhand der vorliegen­den Beweisergebnisse zweifelsfrei feststehe, nicht zutreffend, da anhand der Beweisergebnis­se bzw. des eingeholten Gutachtens lediglich feststeht, dass die Vignettenkamera nicht defekt war. Darüber, ob der gegenständlichen Vignette bereits anfänglich Sicherheitsmerkmale fehl­ten oder diese sich mit der Zeit selbst auflösten, konnte durch das eingeholte Gutachten nicht festgestellt werden; zumindest hätte die belangte Behörde darüber keine Schlussfolgerung ziehen können bzw. dürfen.

 

Der Beweisantrag war auch relevant. Er ist in abstractu geeignet, Einfluss auf den Ausgang der Entscheidung zu nehmen. Im Falle, als nämlich die Erstbehörde nach Einholung der bean­tragten Beweise, zum Ergebnis kommt, dass der dem Beweisantrag zugrundeliegende Sach­verhalt zutrifft, hätte diese mit einer Verfahrenseinstellung vorgehen müssen. Ich zeige sohin einen relevanten Verfahrensmangel auf, da bei dem beantragten einzuholen­den Gutachten und dem ergänzenden Gutachten nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser zur entscheidungswesentlichen Frage, ob ich die mir zur Last gelegte Tat begangen habe oder nicht, insbesondere durch Begutachtung der Vignette selbst wesentliche Angaben gemacht werden hätten können, die zu einem anderen Bescheid hätten führen können. Die Unterlassung der Einholung des beantragten Gutachtens und gleichfalls beantragten er­gänzenden Gutachtens zu den geführten Beweisthemen belastet das angefochtene Strafer­kenntnis somit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der ange­fochtene Bescheid leidet daher an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrens­vorschriften.

 

Unverschuldeter und damit entschuldigender Rechtsirrtum:

Es liegt ein unverschuldeter und damit entschuldigenden Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs 2 VStG vor. Ein solcher setzt voraus, dass dem Beschuldigten das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschuldigt auch eine irrige Geset­zesauslegung den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es - zur Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden oblie­genden Sorgfaltspflicht - einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch

 

Demnach ist der Rechtsunterworfene bei Zweifel über den Inhalt der Verwaltungsvorschrift verpflichtet, hierüber bei der zuständigen Behörde Auskunft einzuholen. Gegenständlich habe ich nach Erhalt der Aufforderung zur Zahlung einer Ersatzmaut durch die ASFINAG mit der zuständigen Dame telefoniert und ihr, nachdem sie mich darüber aufgeklärt hatte, weswegen ich diese Zahlungsaufforderung überhaupt erhalten hatte, den Sachverhalt geschildert, näm­lich, dass ich die Vignette Ende Jänner 2012 an die Windschutzscheibe angebracht habe und sich diese seitdem unangetastet an der angebrachten Stelle befindet. Die zuständige Dame meinte daraufhin, dass sie dies abklären werde und sich allenfalls nochmals bei mir melden werde; andernfalls sei die Angelegenheit als erledigt zu betrachten. Da sich folglich niemand mehr bei mir meldet, durfte ich berechtigt davon ausgehen, dass es sich bei der Zahlungsauf­forderung um einen Irrtum handelte und lenkte das Fahrzeug mit dem Kennzeichen X aus diesem Grunde weiterhin mit der angebrachten Vignette, was allerdings dazu führte, dass ich im Juni 2012 zwei weitere Aufforderungen zur Zahlung einer Ersatzmaut von der ASFINAG betreffend anderer Tatzeitpunkte erhielt, die ich infolge Rechtsunsicherheit zahl­te, um nicht im Rahmen der in den Zahlungsaufforderungen angedrohten Verwaltungsstrafver­fahren mehr zahlen zu müssen. Als ich in weiterer Folge die Strafverfügung der Bezirks­hauptmannschaft Linz-Land zu VerkR96-14410-2012 erhielt, war ich sehr überrascht, zumal ich aufgrund der Rechtsauskunft der ASFINAG davon ausgegangen war, dass die Angele­genheit betreffend die Tatzeit 06.02.2012, 08.12 Uhr, erledigt worden war. Wäre ich von An­fang an darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Vignette eine Beschädigung aufweist, infolge derer von einer nicht ordnungsgemäßen Entrichtung der Mautgebühr ausgegangen wird, hätte ich zur Vermeidung weiterer Kosten die Ersatzmaut gezahlt und die Vignette er­setzt. Dies hätte folglich dazu geführt, dass mir keine weiteren Verwaltungsübertretungen an­gelastet worden wären und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nicht gegen mich eingeleitet worden wäre.

 

Fehlende Voraussetzung für die Strafbarkeit:

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis selbst anführt, genügt gemäß § 5 Abs. 1 VStG 1991 zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wobei ein solches bei Zuwiderhan­deln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft. Dass mich an der mir vorgeworfenen Verletzung der Veraltungsvorschrift kein Verschulden trifft habe ich während des gesamten Verfahrens wiederholt vorgebracht und zum Beweis dafür insbesondere die Einholung eines Gutachtens zur Fest­stellung anfänglicher Beschädigungen der Vignette beantragt, welches Beweismittel jedoch von der Behörde - wie bereits oben ausgeführt - übergangen wurde. Dadurch hat mir aber die Behörde die Möglichkeit genommen, mich vollständig entlasten zu können und dadurch den Beweis zu erbringen, dass mich an der vorgeworfenen Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Doch auch ausgehend vom bisherigen Vorbringen, hätte die Behörde kein fahrlässiges Verhalten meinerseits annehmen dürfen, da ich die zeitabhängige Maut ord­nungsgemäß entrichtet habe, zumal ich die Vignette für das Jahr 2012 gekauft und ordnungs­gemäß an die Windschutzscheibe des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X ange­bracht habe. Anfängliche oder mit der Zeit entstandene Beschädigungen der Vignette sind auf kein Verschulden meinerseits zurückzuführen, sondern allenfalls auf die Beschaffenheit der Vignette selbst, welche jedoch nicht zu meinen Lasten fallen kann bzw. darf.

 

Außerordentliche Strafmilderung:

Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich, so kann gemäß § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Es kommt dabei nicht auf die Zahl der gegebenen Milderungsgründe und Erschwerungsgründe, sondern ausschließlich auf deren Bedeutung im Rahmen des konkreten Sachverhalts an (VwGH vom 27. Februar 1992, ZI 92/02/0095). Die Anwendung des § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) setzt somit u.a. voraus, dass die vorliegenden Milderungsgründe - und zwar nicht der Zahl nach, sondern - dem Gewicht nach die Erschwerungsgründe erheblich überwiegen. Dass diese Voraussetzung zutrifft oder nicht zutrifft, hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides in nachvollziehbarer (nachprüfbarer) Weise aufzuzeigen. Dazu ist es erforderlich, die zum Tragen kommenden Milderungs- und Erschwerungsgründe einander gegenüber zu stellen und deren Bedeutung im Rahmen des konkret gegebenen Sachverhaltes zu bewerten (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16. Oktober 2001, ZI. 99/09/0058, und die bei Wal­ter/Thiene!, Verwaltungsverfahrensgesetze II, zweite Auflage 2000, Seite 381 f, wiedergege­bene höchstgerichtliche Judikatur). Da die Erstbehörde in dieser Hinsicht keine (zumindest keine hinreichend überprüfbare) Begründung im angefochtenen Straferkenntnis aufgezeigt hat, ist dieser mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaf­tet.

 

Zudem hätte im Sinne des § 21 Abs. 1 VStG lediglich eine Ermahnung ausgesprochen werden dürfen. Nach dieser Bestimmung hätte die Erstbehörde ohne weiteres Verfahren von der Ver­hängung einer Strafe absehen müssen, weil die angelastete Verwaltungsübertretung als ge­ringfügig anzusehen ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend bzw. gar nicht vorhan­den waren. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs. 1 VStG und zwar das kumulative Vorliegen beider in dieser Gesetzesstelle genannten Kriterien, nämlich ein geringfü­giges Verschulden und lediglich unbedeutende Folgen, hätten als gegeben angesehen wer­den müssen, zumal ich die gegenständliche Vignette nach bestem Wissen und Gewissen an die Windschutzscheibe angebracht habe, wo sie auch dauerhaft angebracht geblieben ist und dieses Verhalten keine die Allgemeinheit nachteilig treffende Folgen nach sich zog. Das vor­geworfene tatbildmäßige Verhalten liegt hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisier­ten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurück (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 28. April 2004, ZI. 2001/03/0429; Walter/Thiene!, Die österreichischen Verwaltungsverfah­rensgesetze, II. Band, 2000, 388ff, angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtsho­fes), sodass ich einen Rechtsanspruch auf Anwendung dieser Bestimmung habe (Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 1998, ZI. 96/09/0163).

Es werden daher gestellt nachstehende

Anträge;

Es wolle der Berufung stattgeben und das angefochtene Straferkenntnis dahingehend abge­ändert werden, dass lediglich eine Ermahnung ausgesprochen wird.

In eventu wolle der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Erledi­gung und Entscheidung an die Unterinstanz zurückverwiesen werden. Jedenfalls aber möge eine mündliche Berufungsverhandlung gem. § 66 Abs. 3 AVG anbe­raumt werden.“

 

 

 

3. Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenstücke.

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte die Berufungswerberin dar, sie bekomme das gegenständliche Fahrzeug von ihrem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, welcher stets auch die Jahresvignette bezahle. Über ein weiteres Fahrzeug verfüge sie nicht. Sie habe daher keinen Anlass, die Maut zu prellen. Die gegenständliche Vignette habe sie selbst aufgeklebt. Sie habe vor dem Aufkleben die Trägerfolie abgelöst. Im Rahmen des Ersatzmautverfahrens habe ihr Arbeitgeber der ASFINAG den Sachverhalt mitgeteilt, welche eine Überprüfung der Sache zugesagt, aber dann nichts mehr von sich hören lassen habe.

 

Die Berufungswerberin legte die Vignette samt der gesondert aufbewahrten Trägerfolie vor. Der Sachverständige stellte anhand des Kontrollfotos fest, dass es sich dabei um die gegenständliche Vignette handelte. Weiters stellte der Sachverständige fest, die Behauptung der Berufungswerberin, sie habe die Vignette nach Ablösen der Trägerfolie aufgeklebt, sei nachvollziehbar. Die unvollständige Trennung der Vignette und Folie sei aufgrund eines technischen Gebrechens nicht ausgeschlossen, sei es wegen eines Produktionsfehlers oder wegen eines Lagerungsfehlers beim Verkäufer. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in Verbindung mit dem fehlenden Motiv eine Mautprellerei ist davon auszugehen, dass die Berufungswerberin die Vignette unter Ablösung der Trägerfolie an der Windschutzscheibe angebracht hat.

 

Gemäß Pkt. 7.1 der Mautordnung ist die Vignette „unbeschädigt“ anzubringen. Insofern liegt bei dem gegebenen Erscheinungsbild der Vignette ein Verstoß gegen die Mautordnung vor. Da weiters davon auszugehen ist, dass der Berufungswerberin der desolate Zustand der Vignette nicht aufgefallen ist und darin ein Sorgfaltsverstoß liegt, kann das Verhalten auch nicht als entschuldigt angesehen werden. In Anbetracht der kurzen Zeit zwischen dem Aufkleben der Vignette (laut Berufungswerberin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung: Ende Jänner) und dem Deliktszeitpunkt erscheint es vertretbar, das Verschulden als geringfügig einzustufen. Da auch die Tatfolgen (Ankauf und Anbringen der Vignette ohne weitere Missbrauchsgefahr) als unbedeutend eingestuft werden können, sind gegenständlich die Voraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG gegeben. Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

 

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