Linz, 02.07.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn X, geb. X, X, X, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, vom 15. Mai 2013, VerkR96-7445-2013-Kub, nach der am 2. Juli 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:
Der Berufung wird statt gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.
Der mit der Berufung gestellte Antrag auf Verfahrensunterbrechung wird als unbegründet abgewiesen.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 u. Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991, – AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, beide zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013.
Entscheidungsgründe:
1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem oben zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe in Höhe von 220 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 96 Stunden verhängt. Es wurde im sinngemäß zur Last gelegt er habe den Führerschein von 18.2.2013 bis zur Erlassung des Straferkenntnisses (den 15.5.2013) nicht abgeliefert, obwohl ihm mittels Bescheid (Erkenntnis) des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19.02.2013 (Entscheidung mündlich verkündet am 18.02.2013), GZ: VwSen-523357/9/Kof/CG, die Lenkberechtigung rechtskräftig entzogen wurde. Gleichzeitig sei verfügt worden, dass er den Führerschein unverzüglich bei der genannten Behörde oder bei der nächsten Sicherheitsdienststelle abzuliefern habe.
Dadurch habe er gegen § 37 Abs.1 iVm § 29 Abs.3 FSG verstoßen.
1.1. Begründend führte die Behörde erster Instanz folgendes aus:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner als fristgerecht erhoben Berufung mit folgenden Ausführungen entgegen:
3.1. Mit diesen Ausführungen vermag er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses nicht aufzuzeigen.
4. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit ausgelöst. Dieser ist durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung schien mit Blick auf das Berufungsvorbringen geboten (§ 51e Abs.1 Z1 VStG).
4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt, durch Beischaffung und Verlesung des h. Erk. v. 19.2.2013, VwSen-523357/9/Kof/CG – welches am 18.2.2013 am Schluss der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung verkündet wurde - sowie durch Anhörung des Berufungswerbers.
Der Berufungswerber wurde als Beschuldigter befragt. Die Behörde erster Instanz nahm entschuldigt an der Berufungsverhandlung nicht teil.
5. Unbestritten steht wohl fest, dass dem Berufungswerber die Lenkberechtigung rechtskräftig entzogen wurde. Der Umfang des rechtskräftigen Ausspruches umfasst in dessen Punkt IV. des Entzugsbescheides vom 13.12.2012 auch die „unverzügliche Ablieferungspflicht“ des Führerscheins ab Rechtskraft des Bescheides, bei der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck oder der Polizeiinspektion X. Demnach bestand die Ablieferungspflicht grundsätzlich ab Verkündung der Berufungsentscheidung.
Wie der Berufungswerber jedoch im Rahmen der Berufungsverhandlung durchaus glaubwürdig aufzeigte, geriet der Führerschein im Dezember 2012 anlässlich des Vertauschens seiner Jacke im Zuge einer öffentlichen Veranstaltung, in Verlust. Dies habe er den im März im behördlichen Auftrag bei ihm einschreitenden Beamten auch gesagt, wobei er den Verlust erst bei dieser Gelegenheit bemerkte.
Laut Aktenlage wurde dieses Verfahren mit einer von der Behörde erster Instanz am 15.3.2013 erstellten VStV-Anzeige, GZ: VerkR96-7445/2013 eingeleitet. Die Anzeige stützt sich auf die Ablieferungspflicht ab Verkündung des h. Berufungsbescheides VwSen-523357/9/Kof/CG.
Die polizeiliche Intervention beim Berufungswerber zur Einholung des Führerscheins lässt sich dem Akt nicht entnehmen. Gegen den Berufungswerber wurde am 27.3.2013 vorerst eine Strafverfügung erlassen. Die im Ergebnis mit der Berufung inhaltsgleichen Einspruchsbegründung folgte keine weiteren Ermittlungen seitens der Behörde erster Instanz, sondern es wurde postwendend das hier angefochtene Straferkenntnis erlassen.
Bereits im Einspruch verwies der Berufungswerber auf das Abhandenkommen seines Führerscheins, was er auch gegenüber den zur Einziehung des Führerscheins bei ihm erschienen Polizeibeamten erklärt habe.
Der durchaus aufrichtig wirkende Berufungswerber zeigt sich im Rahmen der Berufungsverhandlung nachhaltig besorgt, als er auf die missbräuchliche Verwendung seines angeblich entfremdeten Führerscheins hingewiesen wurde. Da er erst im Zuge der Einholung des Führerscheins, seitens zweier jüngerer Beamten auf den Verlust aufmerksam wurde, sei bis dahin keine Anzeige erstattet worden. Dies würde er nun unverzüglich nachholen. Der Berufungswerber erklärte ferner ebenfalls glaubhaft, dass der sich gegenwärtig von seinem Neffen und seinem heute ihn begleitenden Bevollmächten chauffieren lasse und er seit dem Unfall kein Kraftfahrzeug mehr lenke. Auch das kann dem Berufungswerber geglaubt werden.
Da letztlich der Verlust des Führerscheins jedenfalls nicht widerlegt werden kann, geht der Vorwurf, diesen nicht abgeliefert zu haben, de facto ins Leere.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Der Behörde erster Instanz wäre wohl grundsätzlich darin zu folgen gewesen, dass ab der mündlich verkündeten Berufungsentscheidung am 18.2.2013, h. GZ: VwSen-523357/9/Kof/CG über den Entzug der Lenkberechtigung auch über die Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins rechtskräftig und vollstreckbar abgesprochen wurde.
Ebenfalls würde keine Grundlage für die Unterbrechung dieses Verfahrens vorliegen, weil der Tatbestand dem klaren Wortlaut des § 29 Abs.3 FSG folgend, „nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern ist.“
Das Wort "unverzüglich" setzt eine "bestimmte Leistungsfrist" in Gange wobei sich auf Rechtsprechung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz beruft.
Eine Norm ist zuvorderst nach dem Wortlaut auszulegen (vgl. VwGH 30. Jänner 2004, Zl. 2003/02/0234). Unverzüglich bedeutet "ohne Verzug". Damit ist der Beginn der Ablieferungspflicht klar.
Gemäß § 29 Abs.3 FSG ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern. Die Vollstreckbarkeit besteht ab Rechtskraft des Entzugsbescheides und demnach ab dem 18.2.2013 (vgl. etwa VwGH 16.9.2011, 2010/02/0245).
Vor diesem Hintergrund würde die Rechtsauffassung des Berufungswerbers wohl ins Leere gehen.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt wohl in mittlerweile in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass im Falle eines durch die Berufungsbehörde aufgehobenen Bescheides über die Entziehung der Lenkerberechtigung eine nach Erlassung dieses Bescheides ausgesprochene Bestrafung des Betroffenen wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges ohne gültige Lenkberechtigung der Beseitigungswirkung der Aufhebung des Entziehungsbescheides widerspricht und daher rechtswidrig ist (jüngst VwGH v. 23. Mai 2013, Zl. 2011/11/0016 unter Hinweis auf VwGH vom 21. April 1999, Zl. 98/03/0336, vom 17. Dezember 2004, Zl. 2004/02/0320 und vom 24. Februar 2012, Zl. 2011/02/0142).
Diese Judikatur ist auf die administrative Maßnahme der Entziehung der Lenkberechtigung (bzw. auf ein Lenkverbot) zu übertragen, und zwar auch für Konstellationen, in denen die Aufhebung der Entziehung (bzw. des Lenkverbotes) für den Zeitraum, in dem das Lenken trotz entzogener Lenkberechtigung (bzw. trotz Lenkverbots) stattgefunden hat, unter einem mit dem (erstmaligen) Ausspruch der administrativen Maßnahme (der Entziehung der Lenkberechtigung oder des Lenkverbotes) wegen des vermeintlichen Lenkens ohne gültige Lenkberechtigung (bzw. trotz Lenkverbots) erfolgt ist.
Dies mag wohl nicht auch auf die Aufforderung zur Abgabe des Führerscheins zutreffen, zumindest nicht solange als ein vorläufig rechtskräftiger Entzug der Lenkberechtigung - was hier der Fall zu sein scheint - die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde. Widrigenfalls würde jeglichem Entzugsverfahren bis zur Entscheidung des Höchstgerichtes der inhaltliche Zweck (nämlich einem Lenker ohne Lenkberechtigung nicht am Verkehr teilnehmen zu lassen) die Grundlage entzogen.
Sollte jedoch dem Berufungswerber in seinem beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren gegen das h. Erk. vom 19.2.2013, VwSen-523357/Kof/CG Berechtigung zuerkannt werden, wäre - wohl in analoger Anwendung der obigen Judikatur - eine allfällige Grundlage für Wiederaufnahme dieses Verfahrens von Amts wegen zur Beseitigung des (gegenständlichen) Strafausspruches.
Auch dem Antrag auf Verfahrensunterbrechung hat mangels einer bislang vom Verwaltungsgerichtshof (noch) nicht zuerkannten aufschiebenden Wirkung und daher vorläufiger mangels Präjudizialität des Beschwerdeverfahrens keine sachliche Grundlage, weil hier von einer rechtskräftigen entzogenen Lenkberechtigung und demnach grundsätzlich von einer Abgabepflicht des Führerscheins auszugehen gewesen wäre (vgl. VwGH 29.3.2011, 2011/11/0039).
5.1. Dennoch war hier der Berufung Berechtigung zuzuerkennen.
Nun ist aber von einem Beweisergebnis auszugehen, dass dem gesetzlichen Befehl zur Ablieferung des Führerscheins wegen des glaubhaft gemachten Verlustes dieses Dokumentes objektiv nicht nachgekommen werden konnte (VwGH 19.6.2007, 2007/11/0025, sowie auch h. Erk. (vgl. auch h. Erk. v. 16.11.2011 VwSen-523002/6/Br/Th).
Das Straferkenntnis war demnach mangels einer vom Berufungswerber verschuldeten Unterlassung aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r