Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720345/6/BP/WU

Linz, 08.08.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am X, StA von Spanien, dzt. X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. Juni 2013, GZ: 1075966/FRB, mit dem über den Berufungswerber ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot verhängt wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 7. August 2013, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

§ 65 iVm § 67 Abs. 1 und 2 sowie § 61 des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl I 2005/100 idF BGBl I 2013/68

 


Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 17. Juni 2013, AZ: 1075966/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) gem. § 67 Abs. 1 und 2 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF. ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

1.1.2. Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Berufungswerber am 6. Mai 2013 vom LG Linz, 27 Hv 14/2013 f, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. und 6. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt worden sei.

 

Aus der Urteilsausfertigung gehe hervor, dass der Berufungswerber in Linz und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) mehrfach übersteigenden Menge aus Mexiko aus- und nach Österreich bzw. Deutschland eingeführt habe, indem er Kokainlieferungen in Mengen zwischen 10 und 100 Gramm Kokain bei dem in Mexiko aufhältigen X X geordert habe und per EMS-Paketsendungen, verpackt in CD-Hüllen, an sich oder X schicken lassen habe sowie anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen bzw. verschafft habe, wobei der Berufungswerber in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (große Menge) gehandelt habe, und zwar

 

aus- und eingeführt, nämlich

1.     im September 2011 ca. 10 Gramm Kokain

2.     im Jänner 2012 ca. 30 Gramm Kokain

3.     im Februar 2012 ca. 80 Gramm Kokain

4.     im April 2012 ca. 80 Gramm Kokain

5.     im Mai 2012 ca. 100 Gramm Kokain

6.     im Juli 2012 ca.100 Gramm Kokain

7.     im August 2012 ca. 100 Gramm Kokain

8.     im September 2012 49,8 Gramm Kokain (enthaltend 31,6 Gramm Reinsubstanz 63 %, welches am 21.09.2012 am Flughafen Frankfurt/Main polizeilich sichergestellt wurde);

 

anderen überlassen bzw. verschafft, nämlich

1.               X jeweils zum Grammpreis zwischen € 45,- und € 50,-

a)     im Februar 2012 ca. 40 Gramm Kokain

b)     im April 2012 ca. 80 Gramm Kokain

c)     im Mai 2012 ca. 50 Gramm Kokain

d)     im August 2012 ca. 100 Gramm Kokain

2.               X zum Grammpreis von € 55,-

a)     im September 2011 ca. 10 Gramm Kokain

b)     im Jänner 2012 ca. 30 Gramm Kokain

c)     im Februar 2012 ca. 40 Gramm Kokain

d)     im April 2012 ca. 40 Gramm Kokain, nachdem Sie das Kokain aus der zu oben I. 4. beschriebenen Schmuggelsendung von X erhalten hatten;

e)     im Mai 2012 ca. 50 Gramm Kokain

f)      im Juli 2012 ca. 100 Gramm Kokain

g)     im August 2012 ca. 50 Gramm Kokain, nachdem Sie das Kokain aus der zu oben I. 7. beschriebenen Schmuggelsendung erhalten hatten.

 

1.1.3. Zur rechtlichen Beurteilung führt die belangte Behörde nach Zitierung der einschlägigen Rechtsvorschriften aus, dass der Berufungswerber am 6. Februar 2013 zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes angegeben habe, diese Maßnahmen einzusehen. Der Berufungswerber habe in Österreich keine Verwandten, jedoch eine Lebensgefährtin. Sein Lebensmittelpunkt sei seit 2010 in Österreich. Es tue dem Bw leid, was er gemacht habe. Er werde sich in Zukunft an die österreichische Rechtsordnung halten.

 

Die belangte Behörde hat Folgendes erwogen:

Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse (an der Verhinderung von strafbaren Handlungen zum Schutz der Gesundheit) in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiegt, als das private Interesse des Fremden. Ein rigoroses Vorgehen gegen Suchtgiftdelikte, ganz gleich in welcher Form, ist schon deshalb dringend geboten, da der immer größer werdende Konsum von Suchtgiften zu verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft und hier wiederum vor allem bei Jugendlichen, führt.

Außerdem nimmt die mit dem Genuss von Suchtgiften einhergehende Suchtgiftkriminalität bereits Dimensionen an, die zu einer eklatanten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit führen.

Nicht zuletzt bezeichnet auch der EuGH Suchtgifte als „Geißel der Menschheit". Die Suchtgiftkriminalität ufert bereits mit besorgniserregenden Wachstumsraten immer mehr zu einem gesellschaftlichen Destabilisierungsfaktor aus, dessen wirksame Bekämpfung gerade aus der Sicht seiner grenzüberschreitenden Intensivierung auf immer größere Schwierigkeiten stößt.

Dass notorischen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen und Risken, die mit Suchtgiftmissbrauch regelmäßig verbunden sind, hinreichend Anlass zu konsequenter Wahrnehmung der verfügbaren Abwehrmöglichkeiten bieten, bedarf ebenso wenig einer weiterreichenden Erörterung, wie die Abhängigkeit der präventiven Wirksamkeit strafrechtlicher Sanktionen vom Gewicht ihrer Täterbelastung und ihrem Bekanntheitsgrad in potentiellen Täterkreisen.

 

Da Ihnen als EWR-Bürger eine geschützte Rechtsposition zukommt, ist auf § 67 FPG abzustellen und zunächst zu prüfen, ob das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Wie der EuGH im Urteil vom 27.10.1977, Rs 30/77 ausführt, stellt jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung dar. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt.

Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt.

Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtsstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Prognosebeurteilung hat der VwGH in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass es letztlich immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten des Fremden ankommt.

Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen.

Im konkreten Fall handelt es sich nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um das Grundinteresse der Gesellschaft, strafbare Handlungen im Zusammenhang mit Suchtmitteln, insbesondere den Suchtgifthandel, zu verhindern.

 

Wie bereits dargelegt, ist darüber hinaus eine Gefährdungsprognose zu erstellen und die Überprüfung an Hand der, je nach Lage des Falles einschlägigen Bestimmungen vorzunehmen.

 

Im Sinn der wiedergegebenen Judikatur ist jedoch nicht primär maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinn einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Licht

 

einer strafgerichtlichen Verurteilung - zu würdigen ist. Im konkreten Einzelfall ist zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass Sie sich hinkünftig rechtskonform verhalten werden.

 

Bei der Suchtgiftkriminalität handelt es sich um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist und der eine große Sozialschädlichkeit innewohnt.

Schon jede Begünstigung des Suchtmittelhandels bedeutet eine Gefährdung der Gesellschaft in ihren Grundinteressen, im Konkreten der Unterbindung des Handels mit Suchtgiften und der damit verbundenen Gefährdung, insbesondere von Jugendlichen.

 

Nachdem Sie nun seit etwa eineinhalb Jahren in Österreich leben, hier fallweise einer Beschäftigung nachgegangen sind und eine Lebensgefährtin haben, wird durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zweifellos zumindest in Ihr Privatleben eingegriffen werden.

Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes scheint allerdings die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten, sondern auch im Licht des § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

 

Gem. § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

 

Aufgrund der oben bereits geschilderten Art, Schwere und Häufigkeit der von Ihnen begangenen Verbrechen ist einerseits eine Gefährdungsprognose dahingehend zu stellen, dass Ihr Aufenthalt für ein weiteres Monat (nach Haftentlassung) die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet, andererseits können Sie Vorbereitungen für die Ausreise wohl auch -wenn auch unter schwierigeren Umständen - während der (langen) Strafhaft treffen.

 

Obwohl Ihre sofortige Ausreise nach-Haftentlassung im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit für notwendig erachtet wird, wurde von einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid Abstand genommen, weil aufgrund der langen Haftdauer davon ausgegangen werden kann, dass Entscheidungen bei Ergreifung eines Rechtsmittels noch während der Haft ergehen werden, und somit die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes mit Ihrer Entlassung aus der Strafhaft eintreten wird.

 

1.2. Gegen den angefochtenen Bescheid, nachweislich zugestellt am 20. Juni 2013, erhob der Bw rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, zur Post gegeben am 25. Juni 2013.

 

Begründend führt der Bw ua. aus, dass er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Töchtern (9 und 10 Jahre) vor ca. 2,5 Jahren nach Österreich gekommen sei, weil seine Lebensgefährtin Österreicherin sei und in Spanien die Wirtschaftslage sehr schwierig gewesen sei. Nachdem beide ihre Jobs verloren hätten, seien sie retour nach Österreich gekommen. Mit seiner Lebensgefährtin lebe er seit 7 Jahren in einer Beziehung, daher habe er auch die Vaterrolle für ihre Kinder übernommen.

In seiner Freizeit spiele er in einer Band (alte österreichische Lieder). Er spreche mittlerweile sehr gut Deutsch, auch weil er sich sehr für die deutsche Sprache interessiere. Sein Lebensmittelpunkt sei Österreich, hier habe er seine Familie und Freunde. In Spanien gäbe es für ihn keine Zukunft, da er keine Arbeit finde.

Er sei das erste Mal im Gefängnis bzw. straffällig geworden. Er habe einen sehr großen Fehler begangen und er werde so einen Blödsinn nie wieder machen. Er wisse, dass seine Lebensgefährtin und deren beiden Töchter sehr unter dieser momentanen Situation leiden würden.

Er wolle unbedingt in Österreich bleiben. Er sei gut integriert und fühle sich hier zu Hause. Er wolle auch unbedingt in Österreich arbeiten, da er gelernter Bibliothekar sei.

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 4. Juli 2013, eingelangt am 10. Juli 2013, wurde der gegenständliche Verwaltungsakt von der Landespolizeidirektion Oberösterreich dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt.

 

2.2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt. Zusätzlich wurde für den 8. August 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt.

 

2.3. Der UVS des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung zunächst von dem unter den Punkten 1.1.2. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

Aus dem Gerichtsurteil geht hervor, dass der Bw sowohl geständig als auch reuig war und zudem zur Wahrheitsfindung und zur Sicherstellung der Suchtmittel beitrug. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte der Bw korrespondierend dazu dar, dass er schon vor seinem Aufgriff aus seinen kriminellen Aktivitäten aussteigen habe wollen. Er beteuert nicht rückfällig werden zu wollen. Der Bw konsumierte selbst nie Kokain.

 

Der Bw ist seit 2 Wochen verheiratet. Die Gattin und deren Kinder lebten in Spanien und sprechen auch gut spanisch.

 

Die nunmehrige Ehegattin des Bw leidet unter Gebärmutterhalskrebs, unterzog sich deswegen schon einer Operation, wobei im nächsten Jahr eine weitere erfolgen soll. 

 

2.4.1.  Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung schilderte der Bw  glaubhaft, wie es zu seinem kriminellen Auftreten kam. Daraus ergibt sich, dass der Bw nicht selbst initiativ geworden war, sondern eine ihm gebotene Möglichkeit nutzte, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Auch beschrieb er glaubhaft, dass er aus Angst vor der Entdeckung – schon vor seinem Aufgriff – aus dem Drogenhandel habe aussteigen wollen. Er scheint das Unrecht seiner Taten einzusehen und auch reuig zu sein. Er vermittelte glaubhaft, dass er zu dem kriminellen Umfeld in Österreich und auch in Mexiko keinen Kontakt mehr unterhält.

 

Bezeichnend war aber auch, dass er – nach redlichen Alternativen befragt – nicht den Eindruck erweckte, dass er diese für sich ausreichend in Erwägung gezogen habe und leichthin die kriminelle Möglichkeit zur finanziellen Verbesserung gewählt hatte. Dazu passt auch die mehrfach getätigte Äußerung des Bw, in Spanien keine wirtschaftlichen Perspektiven zu sehen.

 

2.4.2.  Betreffend das Privat- und Familienleben ergab sich zunächst, dass der Bw über verschiedene Verwandte in Spanien verfügt, und dass er mit seiner jetzigen Frau und deren Kindern, für die er die Vaterrolle übernommen hat, insgesamt mehrere Jahre in Spanien lebte, wodurch jene auch die Landessprache beherrschen.

 

Weiters ergab sich im Verfahren, dass die Ehegattin des Bw seit 2 Jahren an Gebärmutterhalskrebs leidet, was sich aus von ihr nach der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumenten zweifelsfrei bestätigt. Sie unterzog sich im letzten Jahr einer Operation und steht eine weitere im nächsten Jahr bevor. 

 

2.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 67 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes – 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2013, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

 

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen spanischen Staatsangehörigen, der von seiner unionsrechtlich eingeräumten Freizügigkeit Gebrauch machte, indem er im November 2010 nach Österreich einreiste und sich seither hier aufhält, also grundsätzlich um eine Person des in den § 65 in Verbindung mit § 67 Abs. 1 FPG erster Satz angesprochenen Adressatenkreises. Nachdem sich der Bw nicht schon seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufhält bzw. aufgehalten hat (2010 bis 2013), kommt § 67 Abs. 1 vorletzter Satz FPG nicht zur Anwendung.

 

3.2.1. Es ist – im Hinblick auf die oa Bestimmung - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit tatsächlich, gegenwärtig und erheblich zu gefährden.

 

Bei Interpretation des unbestimmten Gesetzesbegriffs "tatsächlich" ist festzuhalten, dass darunter sowohl eine nach Intensität als auch Konkretheit vorliegende Wirksamkeit angesprochen wird. Als Synonym bzw. Deskription von tatsächlich könnte demnach auch "wirksam feststellbar", im Umkehrschluss: nicht fiktiv oder potentiell, verstanden werden.

 

Zum Vorliegen des Tatbestandselements der Gegenwärtigkeit bedarf es eines Sachverhalts, dessen Wirkungen nicht schon in der Vergangenheit erschöpft, sondern auch zumindest in die Gegenwart reichend anzusehen sind. Dies impliziert jedoch auch die Beurteilung einer aus Sicht des gegenwärtigen Augenblicks erstellten Zukunftsprognose.

 

"Erheblich" wiederum bedeutet in etymologischer Herleitung: "Schwer genug, um die Waagschale zu heben". Ursprünglich aus dem Rechtsbegriff Relevanz abgeleitet, übersteigt "erheblich" in der Gemeinsprache den Ursprungsbegriff der Intensität nach.

 

Die eben dargestellten Tatbestandselemente müssen zur Rechtfertigung eines Aufenthaltsverbotes kumulativ gegeben sein.

 

3.2.2.1. In Österreich wurde der Bw am 6. Mai 2013 vom LG Linz, 27 Hv 14/2013 f, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 2. und 3. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. und 6. Fall, Abs. 2 Z 3 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

 

3.2.2.2. Maßgeblich ist dabei aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird bzw., ob die oa. Tatbestandselemente gegeben sind.  

 

Aus der oa. Urteilsausfertigung geht hervor, dass der Bw in Linz und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b) mehrfach übersteigenden Menge aus Mexiko aus- und nach Österreich bzw. Deutschland einführte, indem er Kokainlieferungen in Mengen zwischen 10 und 100 Gramm Kokain bei dem in Mexiko aufhältigen X orderte und per EMS-Paketsendungen, verpackt in CD-Hüllen, an sich oder X schicken ließ sowie anderen durch gewinnbringenden Verkauf überließ bzw. verschaffte, wobei der Berufungswerber in Bezug auf Suchtgift in einer das 15-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge (große Menge) handelte, und zwar

 

aus- und eingeführt, nämlich

1. im September 2011 ca. 10 Gramm Kokain

2. im Jänner 2012 ca. 30 Gramm Kokain

3. im Februar 2012 ca. 80 Gramm Kokain

4. im April 2012 ca. 80 Gramm Kokain

5. im Mai 2012 ca. 100 Gramm Kokain

6. im Juli 2012 ca.100 Gramm Kokain

7. im August 2012 ca. 100 Gramm Kokain

8. im September 2012 49,8 Gramm Kokain (enthaltend 31,6 Gramm Reinsubstanz 63 %, welches am 21.09.2012 am Flughafen Frankfurt/Main polizeilich sichergestellt wurde);

 

anderen überlassen bzw. verschafft, nämlich

1. X jeweils zum Grammpreis zwischen € 45,- und € 50,-

a) im Februar 2012 ca. 40 Gramm Kokain

b) im April 2012 ca. 80 Gramm Kokain

c) im Mai 2012 ca. 50 Gramm Kokain

d) im August 2012 ca. 100 Gramm Kokain

2. X zum Grammpreis von € 55,-

a) im September 2011 ca. 10 Gramm Kokain

b) im Jänner 2012 ca. 30 Gramm Kokain

c) im Februar 2012 ca. 40 Gramm Kokain

d) im April 2012 ca. 40 Gramm Kokain, nachdem Sie das Kokain aus der zu oben I. 4. beschriebenen Schmuggelsendung von X erhalten hatten;

e) im Mai 2012 ca. 50 Gramm Kokain

f) im Juli 2012 ca. 100 Gramm Kokain

g) im August 2012 ca. 50 Gramm Kokain, nachdem Sie das Kokain aus der zu oben I. 7. beschriebenen Schmuggelsendung erhalten hatten.

 

3.2.3.1. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es zweifelsfrei ein hohes und konstantes Maß an krimineller Energie erfordert, über einen immerhin einjährigen Zeitraum hinweg Kokain, das durchaus als schwere Droge einzustufen ist, in großer Menge nach Österreich einzuführen und hier abzusetzen. Gerade die Funktion als „Drehscheibe“ in dem organisierten Importhandel fällt hier in ihrer Verwerflichkeit besonders auf. Auch bestand fraglos eine hohe Gewinnabsicht. Dennoch ist aber auch festzustellen, dass der Bw – wie sich aus der mündlichen Verhandlung ergab, nicht strategisch initiativ wurde, sondern eine ihm gebotene Gelegenheit zur Bewältigung eines finanziellen Engpasses ergriff.

 

Von einer kurzfristigen Motivation oder Tatbegehung kann wiederum nicht ausgegangen werden. Zu den Gefahren und zur Verwerflichkeit des supranationalen Drogenhandels darf – um Wiederholungen zu vermeiden – auf die unter Punkt 1.1.3. dieses Erkenntnisses dargestellten Ausführungen der belangten Behörde verwiesen werden.

 

Am Vorliegen der Tatbestandselemente der tatsächlichen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann daher kein Zweifel bestehen.

 

Wenn der Bw nun zu Recht vorbringt, dass die in Rede stehende Verurteilung seine erste war, ist dies anzuerkennen, aber gleichzeitig auf den langen Tatzeitraum hinzuweisen. Sowohl aus dem Urteil des LG als auch aus den Ausführungen des Bw im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung geht hervor, dass die innere Abkehr von seinen kriminellen Aktivitäten relativ frühzeitig begann. Er trug daher auch im gerichtlichen Strafverfahren zur Wahrheitsfindung und zur Sicherstellung eines Teils der Suchtmittel bei, zeigte sich geständig und reuig, was in den Strafzumessungsgründen des Urteils ausgesprochen wurde. Weiters vermittelte der Bw glaubhaft, dass er die damaligen Kontakte sowohl in Österreich als auch nach Mexiko völlig abgebrochen habe. Darüber hinaus scheint eine Resozialisierung durch den Umstand begünstigt, dass der Bw selbst nie drogenabhängig war.

 

In Anbetracht der Tatsache, dass der Bw zur Befriedigung eines finanziellen Bedürfnisses leichthin bereit war, zu massivst kriminellen Mitteln zu greifen, und diese „Charakterschwäche“ wohl noch nicht gänzlich überwunden scheint, ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass ein gewisser Beobachtungszeitraum vonnöten sein wird, um den nunmehr geäußerten Gesinnungswandel zu bestätigen, denn von einem nachträglichen Wohlverhalten kann im vorliegenden Fall aufgrund der aufrechten Strafhaft nicht die Rede sein. 

 

Es ist also zu konstatieren, dass im vorliegenden Fall auch die Gegenwärtigkeit der Gefährdung der öffentlichen Interessen zu bejahen ist.

 

Es ist sohin aktuell dem Bw noch keine günstige Zukunftsprognose auszustellen.

 

3.2.3.2. Grundsätzlich werden somit vom Bw die in § 67 Abs. 1 FPG normierten Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes erfüllt. Es gilt in diesem Zusammenhang jedoch immer auch, im Sinne einer Interessensabwägung auf das durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme betroffene Privat- und Familienleben des Fremden in Österreich Bedacht zu nehmen.

 

3.3.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.3.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit effektiv zu begegnen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse äußerst hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall sind durch die beabsichtigte Maßnahme sowohl das Privat- als auch das Familienleben des Bw betroffen, zumal er mit einer österreichischen Staatsangehörigen schon seit 7 Jahren in Lebensgemeinschaft (davon rund 2,5 Jahre in Österreich) lebt, diese auch kürzlich geheiratet hat und für deren beide minderjährigen Töchter die Vaterrolle übernahm. Die Interessen der Gattin und der Kinder werden gemäß § 61 Abs. 3 FPG besonders zu berücksichtigen sein.

 

Zudem hat er in Österreich zwar keine sonstigen Verwandten, aber sich einen gewissen Freundeskreis aufgebaut, der aus seinen musikalischen Aktivitäten resultiert.  

 

3.3.4.1. Der Bw hält sich in Österreich seit rund 2,5 Jahren auf, dies auch legal. Bereits im Jahr 2008 war er zudem mit seiner „Familie“ hier wohnhaft.

 

3.3.4.2. Der vor seiner Inhaftierung in Österreich weitgehend beschäftigte Bw kann wohl als beruflich integriert angesehen werden (er wird sich noch für geraume Zeit in Strafhaft befinden). Grundsätzlich stehen aber der Selbsterhaltungsfähigkeit keine bekannten Hindernisse entgegen.

 

In sozialer Hinsicht kann der Bw – gemessen an einem relativ kurzen Aufenthalt – auf wesentliche Elemente der Integration verweisen, wie seine sehr guten Sprachkenntnisse oder seine Aktivität in einer Band, die mittelhochdeutsche Lieder präsentiert und im Rahmen von Ritterfesten udgl. auftritt. Allerdings erfährt diese ansonsten hervorragende soziale Integration eine gewisse Einschränkung durch die oben beschriebenen kriminellen Aktivitäten und die daraus resultierende Strafhaft.

 

3.3.4.3. Das Privatleben des Bw scheint durchaus schützenswert, vor allem im Hinblick auf die minderjährigen Töchter der Ehegattin und der Ehegattin selbst. Zunächst ist anzuführen, dass der kürzlich geschlossenen Ehe eine 7-jährige Lebensgemeinschaft vorausgeht, in deren Rahmen der Bw voll in die Vaterrolle den Stieftöchtern gegenüber eintrat. Er wird auch regelmäßig von seinen Angehörigen im Gefängnis besucht. Auf Betreiben der Gattin fand die Eheschließung statt, da sie dokumentieren will, zum Bw zu stehen. Die Verlobung erfolgte aber schon im letzten Jahr vor Inhaftierung des Bw.

 

Eine besondere Berücksichtigung muss der erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung hervorgetretene Umstand finden, dass die Gattin des Bw vor rund 2 Jahren an Gebärmutterhalskrebs erkrankte. Der Bw stand in dieser Situation zu ihr, was fraglos eine Vertiefung der Beziehung bewirkte und nun besondere Verantwortlichkeit des Bw betreffend die minderjährigen Stieftöchter mit sich bringt.

 

3.3.4.4. Der Bw kam erst vor 2,5 Jahren nach Österreich, hatte in Spanien die Schule besucht und daran ein nicht abgeschlossenes Geschichtsstudium. Er ist sowohl sprachlich als auch kulturell in seinem Heimatland bestens integriert. Dort leben zudem verschiedene enge Familienangehörige. Auch verfügt er über eine Ausbildung als Bibliothekar. Dass er sich in Österreich bessere wirtschaftliche Bedingungen erwartet, kann in der gegenständlichen Erörterung keine Berücksichtigung finden.

 

Betreffend die Trennung von seiner Gattin und den Stieftöchtern ist festzustellen, dass diese, auch wenn sich der Bw noch für knapp 8 Monate in Haft befinden wird, unter dem Umstand der Krebserkrankung der Gattin, einen massiven Eingriff und eine unverhältnismäßige Härte für die Angehörigen, denen als österreichische Staatsangehörige gemäß § 61 Abs. 3 FPG ein besonderes Schutzinteresse zukommt, bedeutet.

 

Es ist zwar festzuhalten, dass sowohl die Ehegattin als auch die minderjährigen Töchter nicht nur aufgrund der Sprachkenntnisse, sondern auch aufgrund des Umstandes, dass sie bereits in Spanien gelebt hatten, den Bw begleiten könnten, allerdings wird dies der Ehegattin, die sich im nächsten Jahr einem weiteren schweren Eingriff im Unterleib wird unterziehen müssen, wohl nicht leicht zuzumuten sein, da eine anschließend indizierte Therapie nicht mit den, mit einem Staatenwechsel verbundenen, Anforderungen vereinbar sein würde. Die Stieftöchter werden ebenfalls in dieser Situation des Stiefvaters bedürfen, wobei hier eine Beschränkung auf moderne Kommunikationsmittel nicht ausreichend sein wird und auch ein erneuter Staatenwechsel eine besondere Härte darstellen würde.

 

3.3.4.5. Zu den Straftaten darf auf Punkt 3.2. dieses Erkenntnisses verwiesen werden. Verwaltungsrechtliche Straftaten sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

 

3.3.4.6. Weder entstand das Privat- und Familienleben des Bw während eines aufenthaltsrechtlich unsicheren Status noch sind besondere Verzögerungen in den behördlichen Verfahren hervorgekommen.

 

3.3.5. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall sowohl die persönlichen Interessen des Bw am Verbleib im Bundesgebiet als auch die öffentlichen Interessen an einer dauerhaften Außerlandesschaffung des Bw stark ausgeprägt sind. Den Ausschlag geben aber die Interessen der an Krebs erkrankten Ehegattin und der Stieftöchter im Sinn des § 61 Abs. 3 FPG, die ein Überwiegen der persönlichen Interessen nach sich ziehen. Es wäre der Gattin wohl kaum zumutbar, trotz ihrer schweren Erkrankung einen neuerlichen Wohnsitzwechsel zu vollziehen oder alleinstehend die Obsorge für ihre Töchter zu übernehmen. Auch den Stieftöchtern wäre ein erneuter Wohnsitzwechsel nicht zumutbar, indem sie aufgrund der besonderen gesundheitlichen Situation der Mutter des Stiefvaters bedürfen werden.

 

Der Bw kann sich also erfolgreich auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

3.4.1. Es war daher im Ergebnis der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

3.4.2. Nachdem der Bw über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, konnte gemäß § 67 Abs. 5 FPG auf die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides verzichtet werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.


 

 

Bernhard Pree

 

 

 

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