Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-167512/11/Zo/TR/AK

Linz, 17.07.2013

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Gottfried ZÖBL über die Berufung des x, x x/x, x x, vom 20.11.2012, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Vöcklabruck vom 7.11.2012, VerkR96-11225-2012-Kub, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vor Ort am 13.6.2013, zu Recht erkannt:

 

I.            Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.         Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem UVS zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs 4 AVG iVm § 51 Abs 1, § 51e und § 45 Abs 1 Z 1 VStG.

zu II: § 66 Abs 1 VStG.


Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Die BH Vöcklabruck hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 17.4.2012 zwischen 19:00 Uhr und 19:15 Uhr das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen x in x x, xstraße von x kommend Richtung x gelenkt habe und

1.  zu einem vor ihm am gleichen Fahrbahnrand fahrenden Fahrzeug mit dem Kennzeichen x nicht einen solchen Abstand eingehalten zu haben, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abbremsen würde

2.  nachdem er dieses Fahrzeug überholt habe, sein Fahrzeug jäh und für den Lenker des überholten Fahrzeuges überraschend abgebremst habe, obwohl es die Verkehrssicherheit nicht erfordert habe. Dadurch sei der Lenker des nachfolgenden Fahrzeuges behindert und gefährdet worden.

Dadurch habe er § 18 Abs 1 und § 21 Abs 1 StVO verletzt, weshalb über ihn gem § 99 Abs 3 lit a StVO  Geldstrafen von jeweils 40 Euro (gesamt daher 80 Euro) – Ersatzfreiheitsstrafe je 30 Stunden (gesamt daher 60 Stunden) – verhängt wurden.

Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in der Höhe von 8 Euro verpflichtet.

 

Rechtlich begründete die belangte Behörde die Entscheidung wie folgt:

 

Die angelastete Verwaltungsübertretung stütze sich auf eine Privatanzeige von Romina Binder und sei durch deren zeugenschaftliche Aussage vollinhaltlich bestätigt worden. Da gem § 18 Abs 1 StVO der Lenker eines Fahrzuges stets einen solchen Abstand vom nächsten vor ihm fahrenden Fahrzeug einzuhalten habe, dass es ihm jederzeit möglich sei rechtzeitig anzuhalten, selbst wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abbremse, werde auch die Rechtfertigung des Berufungswerbers, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst habe, nicht entkräftet.

Gem § 21 dürfe der Lenker sein Fahrzeug nicht jäh und für den Lenker eines nachfolgenden Fahrzeuges überraschend abbremsen, wenn andere Straßenbenutzer dadurch gefährdet oder behindert werden. In der Zeugenaussage der Lenkerin Romina Binder seien ihre ausführlichen Angaben anlässlich der Anzeigeerstattung vollinhaltlich aufrecht gehalten worden. Dabei sei angezeigt worden, dass der Berufungswerber unmittelbar nach dem Überholvorgang sie geschnitten und zum Abbremsen gezwungen habe. Das Verbot bestehe insbesondere dann, wenn der Lenker eines nachfahrenden Fahrzeuges die Hindernisfreiheit erkennen könne und daher nicht rechnen müsse, dass das vorausfahrende Fahrzeug plötzlich abgebremst werde. Behindert werde ein Fahrzeug dann, wenn es zum Bremsen oder Ablenken genötigt werde.

Die Behörde komme zur Ansicht, dass der Zeugenaussage der Anzeigerin x mehr Glauben geschenkt werden könne und daher die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung als erwiesen gelte.

Frau x habe durch die Anzeige keinen Vorteil, im Gegenteil sei es immer mit Zeitaufwand verbunden, eine Anzeigeerstattung sowie eine Zeugenaussage bei der Behörde zu machen.

Hinsichtlich der Angaben der Zeugin sei festzustellen, dass diese verpflichtet sei, die Wahrheit zu sagen, da sie sonst mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen habe. Hingegen dürfe sich der Beschuldigte im Verwaltungsstrafverfahren in jede Richtung verantworten, ohne irgendwelche Nachteile befürchten zu müssen, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.       

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber zusammengefasst aus, dass, als er und seine Freundin auf dem Weg Richtung x gewesen seien, vor ihm sich ein Auto befunden habe. Er habe zu diesem ausreichend Abstand gehalten, als es plötzlich grundlos eine Vollbremsung gemacht habe. Anschließend überholte er das Fahrzeug. Als er sich auf gleicher Höhe mit dem anderen Fahrzeug befunden habe, habe er gesehen, wie Frau x ihm den Mittelfinger zeigt habe. In weiterer Folge sei er so stehengeblieben, dass er niemanden gefährdet habe. Die Lenkerin habe ihr Fahrzeug ausrollen lassen, wobei sie genügend Anhalteweg gehabt habe. Er habe sie auf ihr Fehlverhalten aufmerksam machen wollen, jedoch habe sie ihn beschimpft. Er habe ihr entgegnet, dass er die Sache der Polizei melden werde. Als er zu Hause war, habe er den Entschluss gefasst, es sein zu lassen, da es lächerlich wäre.

Er möchte darauf hinweisen, dass die Beschuldigung ob des zu geringen Sicherheitsabstandes nicht richtig sei. x habe stark abgebremst und er sei ihr nicht aufgefahren, weswegen diese Behauptung falsch sei.

Weiters sei er so stehengeblieben, dass er niemanden – auch nicht x – gefährdet habe; sie habe einen ausreichenden Anhalteweg gehabt. Behindert habe er sie auch nicht, da er den Blinker rechts gesetzt habe und sie überholen hätte können, wenn sie gewollt hätte.

Die Aussagen von x seien unterschiedlich und nicht vollständig. Weiters könne sie nicht 50 km/h gefahren sein, da die Kurve keine so hohe Geschwindigkeit zulasse. Romina Binder sei aus Angst zur Polizei gegangen, da ihr bewusst gewesen sei, dass sie etwas falsch gemacht habe. Wenn er die Beschuldigungen begangen hätte, würde er das Straferkenntnis einsehen und den Strafbetrag zahlen. Er wolle aber mit der von ihm eingereichten Berufung die Wahrheit ans Licht bringen.

 

 

3. Der BH von Vöcklabruck hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich, UVS zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt  sich daher die Zuständigkeit des UVS, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der UVS hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 13.6.2013 an Ort und Stelle. An dieser haben der Berufungswerber und die Zeugen Romina Binder und Bettina Lehner teilgenommen. Die belangte Behörde bzw ein Vertreter dieser waren entschuldigt.  

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentlicher Sachverhalt:

 

Am 17.4.2012 zwischen 19:00 Uhr und 19:15 Uhr hat der Berufungswerber mit seinem Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen x in x, xstraße von x kommend in Richtung x, den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen x der Lenkerin x nach einer Rechtskurve überholt. x hat in weiterer Folge ob der Art und Weise des Auffahrens und des anschließenden weiteren Verhaltens des Berufungswerbers am 18.4.2012 Anzeige bei der PI Lenzing erhoben.

 

Hinsichtlich des konkret zugetragenen Sachverhaltes weichen die Aussagen des Berufungswerbers sowie der anzeigenden Person x stark voneinander ab:

Der Berufungswerber gibt bei seiner Einvernahme im Rahmen der vom UVS durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an Ort und Stelle an, dass er auf der xstraße im Bereich der dort befindlichen starken Rechtskurve, wo es auch bergauf gehe, dem Fahrzeug der Anzeigerin aufgelaufen sei, welche sehr langsam, seiner Einschätzung nach 15-20 km/h, gefahren sei. Er sei mit einem Abstand von ca 10 Meter hinter ihr nachgefahren. Die Anzeigerin habe in dem Bereich, in welchem auf der linken Seite ein Baum stehe, plötzlich eine Vollbremsung durchgeführt, wobei ihr Fahrzeug zum Stillstand gekommen sei. Er habe hinter ihr ohne Probleme anhalten können, wobei noch ausreichend Platz von ca 5 Meter zwischen den beiden KFZ gewesen sei. Der Grund für die Vollbremsung sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, da keine anderen Personen, Tiere oder sonstige Hindernisse im Bereich der Fahrbahn sich befunden haben. Die Anzeigerin sei daraufhin weitergefahren; dies aber sehr langsam. Er habe sie in weiterer Folge im Bereich eines Holzpflockes auf der rechten Seite überholt. Die Sichtweite wird vom zur Verhandlung beigezogenen Polizeibeamten mit ca 120 Meter vermessen. Damit konfrontiert gibt der Berufungswerber an, dass das vor ihm fahrende KFZ sehr langsam gefahren sei und er trotz dieser ungünstigen Sichtverhältnisse überholen habe können.

Am Beginn der Siedlung in x habe er sein KFZ zur Hälfte in der Wiese gehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe er einen „Vorsprung“ gegenüber dem anderen KFZ gehabt. Er könne sich daher nicht vorstellen, dass er die Lenkerin x durch sein Anhalten behindert habe; sie hätte jederzeit an ihm vorbeifahren können.

 

Die Aussagen werden im Wesentlichen auch von der einvernommenen Zeugin x – seiner Lebensgefährtin – bestätigt. Auch ihr ist die auffallend langsame Geschwindigkeit der Anzeigerin aufgefallen, welche sie mit 30 km/h geschätzt habe. Ob das Fahrzeug nach dem Abbremsen ganz zum Stillstand gekommen sei, könne sie nicht mehr genau sagen. Auch hinsichtlich des nachfolgenden Stehenbleibens des Berufungswerbers gibt die Zeugin an, dass noch ausreichend Platz zum Vorbeifahren gewesen sei.

 

Die Zeugin x gibt bei ihrer Einvernahme an, dass sie damals auf der xstraße Richtung x gefahren sei. Im Bereich einer Rechtskurve, welche bergauf gehe, sei sie ca 60 km/h gefahren, bergauf und in der Kurve zwischen 30 und 40 km/h. Hier sei ihr ein Fahrzeug von hinten ganz knapp aufgefahren, sodass sie die Scheinwerfer im Rückspiegel nicht mehr sehen habe können. Sie habe sich bedrängt gefühlt und sei daher kurz auf die Brems getippt. Ob sie mit dem 1. oder 2. Gang weitergefahren sei, könne sie nicht mehr sagen. Sie sei jedenfalls nicht ganz zum Stillstand gekommen. Sie sei dann weitergefahren; aufgrund der Steigung und ihres schwachen Motors entsprechend langsam. Der Berufungswerber habe sie nach der Rechtskurve überholt und sei ein paar Sekunden neben ihr gefahren. Danach sei er rasch weitergefahren. Sie habe auf ca 60 km/h beschleunigt. Der Abstand zum Fahrzeug habe sich ob seiner höheren Geschwindigkeit vergrößert, sei aber nicht besonders groß gewesen. Unmittelbar vor dem 1. Haus in x habe der Berufungswerber dann plötzlich stark abgebremst. Auch sie habe stark abbremsen müssen, sodass ihre Sachen auf der Rückbank nach unten gefallen seien. Er sei direkt vor ihr, mit einem kleinen Teil seines KFZ in der Wiese, stehengeblieben, weshalb sie nicht an ihm vorbeifahren habe können. Als Grund für die Anzeige gibt die Zeugin an, dass er zu ihr gesagt habe, dass er sie anzeigen werde, weswegen sie sich dazu entschieden habe ihn anzuzeigen.

 

4.2. Zu diesen Darstellungen wird in freier Beweiswürdigung folgendes festzuhalten:

 

Sowohl der Berufungswerber als auch die anzeigende Person x schildern jeweils für sich gesehen plausible und in sich konsistente Sachverhalte, welche grundsätzlich beide innerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegen und keinesfalls auszuschließen sind. Für den UVS OÖ kann es mangels weiterer Zeugen oder Beweise aufgrund dessen daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Berufungswerber die Wahrheit sagt und damit die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat. 

Die vom Berufungswerber angegebene Geschwindigkeit der Fr. x von nur 15 Km/h erscheint zwar unrealistisch niedrig, andererseits ist aber seine Behauptung gut nachvollziehbar, dass unmittelbar vor seinem Anhalten aufgrund der von ihm eingehaltenen höheren Geschwindigkeit ein ausreichender Abstand zu der hinter ihm fahrenden Zeugin Binder vorhanden war. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sie deswegen zu einem abruptem Abbremsen genötigt war.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gem § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Die Einstellungsgründe in § 45 Abs 1 VStG müssen nicht kumulativ vorliegen, vielmehr genügt ein einzelner; diesfalls trifft die Behörde eine Pflicht, das Verfahren einzustellen (vgl etwa Kneihs in N. Raschauer/Wessely [Hrsg], VStG [2010] § 45 Rz 1). Wie in Punkt 4.2. ausgeführt wurde, kann dem Beschuldigten die Tat nicht  mit Gewissheit nachgewiesen werden. Die Zweifel an der Verwirklichung der konkreten Tatbegehung schlagen daher zu Gunsten des Beschuldigten, in concreto des Berufungswerbers aus. In casu ist kein Überwiegen der Belastungsmomente gegenüber den Entlastungsmomenten erkennbar; wenn überhaupt halten sie sich die Waage (vgl idZ VwGH 10.10.2007, 2003/03/0187). Aus diesem Grund war daher spruchgemäß zu entscheiden. 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Mag. Gottfried ZÖBL

 

 

 

 

 

 

 

 

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