Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101625/12/Bi/Fb

Linz, 06.04.1994

VwSen-101625/12/Bi/Fb Linz, am 6. April 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt, vom 12. November 1993 gegen die Punkte 1), 2), 3) und 4) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 21. Oktober 1993, VerkR96/2810/1993, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, aufgrund des Ergebnisses der am 23. März 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

I. Hinsichtlich Punkt 1) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als von einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h ausgegangen, die Geldstrafe auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt wird.

Hinsichtlich Punkt 2) wird der Berufung insofern stattgegeben, als von einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h ausgegangen, die Geldstrafe auf 2.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 48 Stunden herabgesetzt wird.

Im Punkt 3) wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Wortfolge "und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern" im Spruch zu entfallen hat, die Geldstrafe auf 3.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 3 Tage herabgesetzt wird.

Im Punkt 4) wird der Berufung keine Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Die Kostenbeiträge zum Strafverfahren erster Instanz ermäßigen sich nunmehr im Punkt 1) auf 50 S, im Punkt 2) auf 200 S und im Punkt 3) auf 300 S. Im Punkt 4) ist zusätzlich als Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren der Betrag von 200 S, ds 20 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 44a Z1 und 19 VStG, §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a, 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a, 15 Abs.1 iVm 99 Abs.2c und 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960.

zu II.: §§ 64 Abs.1 und Abs.2 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat mit dem oben angeführten Straferkenntnis über den Beschuldigten ua wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 52a Z10a iVm 99 Abs.3a StVO 1960, 2) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3a StVO 1960, 3) §§ 15 Abs.1 iVm 99 Abs.2c StVO 1960 und 4) §§ 18 Abs.1 iVm 99 Abs.3a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 1.500 S, 2) 2.800 S, 3) 4.000 S und 4) 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 36 Stunden, 2) 60 Stunden, 3) 4 Tagen und 4) 24 Stunden verhängt, weil er am 30. April 1993 um 14.00 Uhr das Kraftrad Kennzeichen im Gemeindegebiet von Ansfelden auf der Westautobahn A1 in Richtung Salzburg gelenkt habe, wobei er 1) von Strkm 174,500 bis Strkm 175,135 die von der Behörde verordnete und durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 30 km/h überschritten habe, 2) von Strkm 175,135 bis Strkm 178,000 die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h um 50 km/h überschritten habe, 3) beim unter Punkt 1) angeführten Tatort ein Fahrzeug vorschriftswidrig rechts überholt habe; diese Übertretung sei unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen worden, da er zwischen zwei Fahrzeugkolonnen auf Höhe der Leitlinie überholt habe, und 4) bei Strkm 178,000 beim Fahren hinter einem Fahrzeug keinen solchen Abstand eingehalten habe, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug vorschriftsmäßig plötzlich abgebremst worden wäre, da der Abstand zum vor ihm fahrenden Fahrzeug nur ca. 4 m bis 5 m betragen habe.

Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Kostenersatz von insgesamt 930 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber fristgerecht Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da im einzelnen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch ein Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 23. März 1994 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, seines ausgewiesenen Vertreters Rechtsanwalt , der Behördenvertreterin Frau M, des Zeugen Insp. K und des technischen Amtssachverständigen Ing. L durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Tachometer des vom Meldungsleger gelenkten Dienstmotorrades sei nicht auf seine Richtigkeit überprüft worden. Außerdem habe der Beamte ursprünglich ein Organmandat von 600 S verhängen wollen. Als sich herausgestellt habe, daß er nur 560 S in bar mithatte, habe der Beamte seine Erklärung zurückgenommen und die Anzeige angekündigt.

Ein Überholen zwischen dem rechten und dem linken Fahrstreifen sei nicht möglich, da er entweder den einen oder den anderen benutzt habe. Der Abstand von 4 m bis 5 m beim Hintereinanderfahren sei deshalb nicht richtig, weil er in Erinnerung habe, daß er auf ein Fahrzeug aufgelaufen sei und sich dann wieder zurückfallen habe lassen. Ein kurzfristiges Auflaufen könne aber auch dadurch entstehen, daß das Vorderfahrzeug abbremse.

Es könne richtig sein, daß er eine Geschwindigkeitsüberschreitung zu vertreten habe, sicher aber nicht im Ausmaß von 50 km/h. Eine Messung mit geeichten Geräten liege jedenfalls nicht vor.

In Anbetracht des zunächst in Aussicht gestellten Organmandates sei die Gesamtgeldstrafe von 9.600 S wesentlich überhöht und entspreche weder dem Grad seines Verschuldens noch seiner Einkommenssituation. Er verfüge als Student über eine monatliche Taschengeldzuwendung von 5.000 S, die unter dem Existenzminimum liege. Die Erstinstanz habe sich auch nicht mit der Möglichkeit einer Ermahnung auseinandergesetzt, sodaß er beantrage, die Strafen derart zu reduzieren, daß lediglich ein Betrag von 600 S im Sinn der ursprünglich ausgesprochenen Organmandatstrafe verhängt werde, soferne das Verfahren nicht ohnehin einzustellen sei.

Im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung wurde die zunächst auch auf Punkt 5) des Straferkenntnisses (Übertretung gemäß §§ 102 Abs.2 iVm 134 Abs.1 KFG 1967) bezogene Berufung diesbezüglich zurückgezogen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsmittelwerber bzw sein ausgewiesener Vertreter ebenso gehört wurde, wie die Vertreterin der Erstinstanz und bei der der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und auf dieser Grundlage ein kraftfahrtechnisches Sachverständigengutachten erstellt wurde.

4.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wird der Berufungsentscheidung zugrundegelegt:

Der Rechtsmittelwerber lenkte am 30. April 1993 gegen 14.00 Uhr das Kraftrad auf der Westautobahn im Bereich von Ansfelden in Richtung Salzburg und fiel dabei dem im Bereich der Autobahngendarmerie Haid mit dem Dienstmotorrad fahrenden Meldungsleger wegen überhöhter Geschwindigkeit auf. Der Meldungsleger fuhr dem Rechtsmittelwerber nach und stellte fest, daß dieser im Bereich zwischen Strkm 175,135 und 178,000 nicht nur eine höhere als die erlaubte Geschwindigkeit einhielt, sondern gleichzeitig zwischen den beiden auf dem rechten und dem linken Fahrstreifen befindlichen Kolonnen im Bereich der Leitlinie überholte. Am Ende der Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h beschleunigte der Rechtsmittelwerber ebenso wie der Meldungsleger, wobei dieser erneut eine Geschwindigkeitsüberschreitung feststellte. Im Bereich von km 178,000 auf der Bergkuppe schloß der Rechtsmittelwerber auf der linken Fahrspur auf ein Fahrzeug auf, wobei der Meldungsleger feststellte, daß der Abstand zwischen den Fahrzeugen ca 1 Fahrzeuglänge betrug. Er hielt den Rechtsmittelwerber beim Parkplatz Allhaming an und warf ihm im Rahmen einer Lenkerund Fahrzeugkontrolle vor, er sei zu schnell gewesen.

Außerdem stellte er fest, daß die Kennzeichentafel rechts umgebogen war, wodurch der letzte Buchstabe von hinten nicht einwandfrei lesbar war. Der Meldungsleger gab zu, etwas zu schnell gewesen zu sein, worauf ihm der Meldungsleger die Verhängung einer Organmandatstrafe von insgesamt 600 S anbot. Der Rechtsmittelwerber erklärte sich mit der Bezahlung einverstanden, stellte dann aber fest, daß er an Bargeld nur 560 S mithatte. Er bot dem Meldungsleger an, die restlichen 40 S zu holen und ihm zu bringen. Jedoch antwortete ihm dieser, wenn er es sich so recht überlege, seien die 600 S ohnehin zu wenig, weil er außer den beiden Geschwindigkeitsüberschreitungen und der verbogenen Kennzeichentafel im Bereich der 100 km/h-Beschränkung auch noch rechts überholt und auf der Bergkuppe einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten habe. Er kündigte dem Rechtsmittelwerber eine Anzeige an.

Im Rahmen des Beweisverfahrens hat der Meldungsleger die Nachfahrt so geschildert, daß er von der Ausfahrt der Autobahngendarmerie kommend dem Rechtsmittelwerber ab Strkm 174,500 in etwa gleichbleibendem Abstand nachfuhr, wobei er diesen nicht mehr konkret angeben konnte. Der Tacho des Dienstfahrzeuges werde im Rahmen von Radarmessungen regelmäßig überprüft und im Rahmen von regelmäßigen technischen Überprüfungen eingestellt. An konkrete Tachoabweichungen könne er sich aufgrund des verstrichenen Zeitraumes nicht mehr erinnern und er wisse auch nicht mehr, wann das Motorrad zuletzt vor dem 30. April 1993 überprüft wurde. Den Überholvorgang im Bereich der 100-km/h-Beschränkung habe er einwandfrei feststellen können, indem er auf dem linken Fahrstreifen fahrend die rechts fahrenden Fahrzeuge überholt habe, wobei die auf dem linken Fahrstreifen fahrenden Fahrzeuge jeweils Platz machten, obwohl das Blaulicht nicht eingeschaltet gewesen sei. Er habe auf dem linken Fahrstreifen durchgehend eine Geschwindigkeit von 130 km/h einhalten können und habe dabei festgestellt, daß der Rechtsmittelwerber zwischen den beiden Kolonnen überholt habe. Am Ende der 100-km/h-Beschränkung habe der Rechtsmittelwerber beschleunigt, wobei der Meldungsleger bei der in einem annähernd gleichbleibenden Tiefenabstand von ca 150 m durchgeführten Nachfahrt festgestellt habe, daß dieser eine Geschwindigkeit von ca 180 km/h einhielt. Der Rechtsmittelwerber habe auf der Bergkuppe auf ein langsamer fahrendes Fahrzeug aufgeschlossen. Er habe anhand der Schatten beider Fahrzeuge und anhand der Leitlinie festgestellt, daß der Rechtsmittelwerber höchstens eine Fahrzeuglänge Abstand einhielt. Der Meldungsleger konnte nicht mehr angeben, ob es sich bei diesem Fahrzeug um einen PKW oder um einen LKW gehandelt hat.

Der Rechtsmittelwerber hat grundsätzlich eine Geschwindigkeitsüberschreitung in beiden Fällen nicht bestritten, gab jedoch an, er sei im Bereich der 100-km/h-Beschränkung ca 120 km/h und danach mit ca 150 bis 160 km/h gefahren. Die Darstellung des Meldungslegers vom Überholen im Bereich der 100-km/h-Beschränkung könne richtig sein; er habe zwischen den beiden Fahrstreifen, weil ein ausreichend großer Sicherheitsabstand zwischen den jeweiligen Fahrzeugen vorhanden gewesen sei, gewechselt, sei aber seiner Erinnerung nach sicherlich nicht im Bereich der Leitlinie zwischen den beiden Kolonnen durchgefahren.

Der technische Amtssachverständige hat auf der Grundlage der Schilderungen des Meldungslegers und des Rechtsmittelwerbers ausgeführt, daß der Meldungsleger im Bereich der 100-km/h-Beschränkung von der Ausfahrt der Autobahngendarmerie kommend zunächst beschleunigen mußte, um einen gleichmäßigen Abstand zum Motorrad des Rechtsmittelwerbers einhalten zu können und die verbleibende Strecke bis zum Beginn des Überholmanövers bei km 174,500 zu kurz war, um die Geschwindigkeit in der geforderten Art und Weise mit absoluter Sicherheit festzustellen, zumal dieser Bereich bei 130 km/h in 2,6 sec durchfahren werde. Im Bereich, in dem der Rechtsmittelwerber überholt habe, biege die A25 von der A1 Richtung Wels ab, wobei die Gefährlichkeit des Rechtsüberholens darin bestehe, daß einspurige Fahrzeuge aufgrund ihrer schmalen Silhouette sehr schwer zu erkennen und bei einem eventuellen Fahrstreifenwechsel nach rechts leicht zu übersehen seien.

Ab km 175,135, dem Ende der 100-km/h-Beschränkung, hätten beide ihre Motorräder beschleunigt, wobei von der vom Meldungsleger angegebenen Geschwindigkeit insgesamt ein Toleranzabzug von 6 % (3 % als Meßfehlergrenze bei der Tachoüberprüfung durch die Radarmessung und 3 % für den möglichen Abrieb eines Motorradhinterreifens) zu berücksichtigen sei. Daraus ergebe sich eine tatsächliche Geschwindigkeit von 169 km/h, wobei es über den Bereich von 2,7 km für den Meldungsleger möglich gewesen sei, das Motorrad entsprechend zu beschleunigen und über einen Weg von 900 m eine gleichbleibende Geschwindigkeit beizubehalten, um diese anschließend aufgrund des Auflaufens des Rechtsmittelwerbers auf das vor ihm fahrende Fahrzeug zu verzögern. Der Rechtsmittelwerber lief bei km 178,000 auf ein vor ihm fahrendes Fahrzeug auf, von dem der Meldungsleger angab, es habe sich verhältnismäßig langsam bewegt. Beim einem LKW wäre mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h und 2 sec Sicherheitsabstand ein solcher von 32 m erforderlich, bei einem PKW von 130 km/h würde ein Sicherheitsabstand von ca 70 m erforderlich sein.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist zunächst auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach kein Rechtsanspruch darauf besteht, daß eine Verwaltungsübertretung lediglich nach den Bestimmungen des § 50 VStG geahndet wird (vgl ua Erkenntnis vom 9. Juli 1986, 86/03/0065); dabei handelt es sich um einen Akt des freien Ermessens. Der Beschuldigte hat lediglich einen Rechtsanspruch darauf, daß das einschreitende Organ der öffentlichen Aufsicht von der Verhängung einer Organstrafverfügung absieht, wenn die Voraussetzungen des § 21 Abs.2 VStG vorliegen.

Das Wahlrecht eines Wacheorgans, ein Organmandat zu verhängen oder Anzeige zwecks Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu erstatten, erlischt erst mit der Beendigung einer Ausfertigung des Organmandates (VwGH vom 22. Mai 1986, 86/02/0061).

Auf dieser Grundlage war die Vorgangsweise des Meldungslegers, der zunächst offensichtlich wegen zweier Verwaltungsübertretungen Organstrafverfügungen in Höhe von insgesamt 600 S verhängen wollte - zwei Verwaltungsübertretungen deswegen, weil 500 S die Höchststrafe für eine Organstrafverfügung darstellt -, der sich jedoch im Lauf der Amtshandlung an weitere Verwaltungsübertretungen des Rechtsmittelwerbers erinnerte, und deshalb zu dem Schluß gelangte, mit der angebotenen Strafe kein Auslangen mehr zu finden, nicht rechtswidrig. Der Rechtsmittelwerber selbst hat eingeräumt, das Angebot sei nur mündlich ergangen, schriftlich sei noch nichts fixiert gewesen, er sei aber anstandslos bereit gewesen, die 600 S zu bezahlen. Im Einklang mit der oben zitierten VwGH-Judikatur bestand daher für den Meldungsleger zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit, sein Angebot rückgängig zu machen, was für den Rechtsmittelwerber verständlicherweise nachteilig war, jedoch keine Rechtswidrigkeit begründete.

Zu den einzelnen Übertretungen ist auszuführen:

Zu den Punkten 1) und 2) (Übertretungen gemäß §§ 52a Z10a und 20 Abs.2 StVO 1960):

Hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitung im 100-km/h-Bereich konnte dem Rechtsmittelwerber aufgrund der zu kurzen Nachfahrstrecke kein technisch nachvollziehbarer Tatvorwurf gemacht werden, jedoch hat dieser eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 20 km/h bestätigt, sodaß dieser Wert der Rechtsmittelentscheidung zugrundegelegt wird.

Laut den Berechnungen des technischen Sachverständigen ergibt sich auf dem Bereich zwischen Strkm 175,135 und 178,000 unter Berücksichtigung sämtlicher Toleranzabzüge eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 169 km/h, sohin eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h.

Der Rechtsmittelwerber hat daher in beiden Fällen die ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten, wobei hinsichtlich des Ausmaßes der jeweiligen Geschwindigkeitsüberschreitungen der Spruch zu berichtigen war.

Zur Strafbemessung ist auszuführen, daß im Punkt 1) nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates dem Rechts mittelwerber, der ja gewillt war, die Organmandatstrafe sofort zu bezahlen, daraus, daß der Meldungsleger, nachdem er sich an weitere Übertretungen erinnert hat, von seinem Angebot Abstand genommen hat, kein Nachteil erwachsen sollte. Nach der Begründung des Meldungslegers erfolgte die Anzeigeerstattung nur aufgrund der weiteren Übertretungen, nicht aber, weil ihm die Strafe wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung im 100-km/h-Bereich zu gering erschien.

Mildernd war das Geständnis.

Im Punkt 2) war die Strafe aufgrund des geringeren Ausmaßes der Geschwindigkeitsüberschreitung herabzusetzen, wobei erschwerend eine einschlägige Vormerkung des Rechtsmittelwerbers aus dem Jahr 1991, mildernd kein Umstand zu berücksichtigen war. Die verhängten Strafen entsprechen sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen als auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Rechtsmittelwerbers (Student mit 5.000 S monatlich Taschengeld, kein Vermögen, keine Sorgepflichten).

Zu Punkt 3) (Übertretung gemäß §§ 15 Abs.1 iVm 99 Abs.2c StVO 1960):

Daß der Rechtsmittelwerber durch sein Verhalten gegen das Verbot des Rechtsüberholens verstoßen hat, hat er nach der Schilderung des Meldungslegers sogar selbst eingeräumt, jedoch hat er laut eigenen Angaben bei ausreichendem Sicherheitsabstand zwischen den jeweiligen Fahrzeugen der beiden Kolonnen vom rechten auf den linken Fahrstreifen und wieder zurück gewechselt. Ein Risiko sei damit nicht verbunden gewesen.

Nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates handelt es sich beim Wechseln vom linken auf den rechten Fahrstreifen, um dort ein kurzes Stück in der Kolonne mitzufahren und wieder auf den linken Fahrstreifen zu wechseln, sehr wohl um ein Rechtsüberholen, zumal davon auszugehen ist, daß beide Fahrzeugkolonnen die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h eingehalten haben, während der Rechtsmittelwerber mit einer Geschwindigkeit von ca 120 km/h unterwegs war und sich daher schneller als beide Fahrzeugkolonnen bewegt hat. Die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs.1 Z29 zweiter Halbsatz StVO 1960 trifft daher nicht zu.

Von einem nicht als Rechtsüberholen zu qualifizierenden "Kolonnenspringen" zwischen zwei Fahrzeugreihen im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 1983, 82/02/0256, ist deshalb nicht auszugehen, weil die beiden Fahrzeugreihen mit gleicher Geschwindigkeit - im Gegensatz zum Rechtsmittelwerber - unterwegs waren.

Dieser hat daher zweifellos den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und als Verwaltungsübertretung zu verantworten, wobei gemäß § 99 Abs.2c eine Verwaltungsübertretung begeht und mit Geldstrafe von 500 S bis 30.000 S (24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe) zu bestrafen ist, wer als Lenker eines Fahrzeuges zB beim Überholen unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber den anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt.

Die Erstinstanz hat dem Rechtsmittelwerber vorgeworfen, er habe diese Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern begangen, jedoch vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß eine besondere Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern in dem Sinn, daß zu einem Tatbild der Straßenverkehrsordnung, welches eine mangelnde Rücksichtnahme gegenüber anderen Straßenbenützern beinhaltet, ein besonderes Übermaß mangelnder Rücksichtnahme hinzutritt (vgl VwGH vom 9. Juli 1964, 76/63) im gegenständlichen Fall nicht vorliegt.

Zur Frage, ob eine Begehung der Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen anzunehmen ist, ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1985, 85/11/0052, zu verweisen. Demnach ist eine bei einem Verstoß gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften unterlaufene Fahrlässigkeit "unter besonders gefährlichen Verhältnissen" dann anzunehmen, wenn sie entweder unter Umständen erfolgt, unter denen nach allgemeiner Erfahrung der Eintritt eines besonders umfangreichen und schweren und zunächst gar nicht überblickbaren Schadens zu erwarten ist, oder wenn die Wahrscheinlichkeit, daß ein umfangreicher und schwerer und zunächst gar nicht überblickbarer Schaden eintreten werde, wegen der vorliegenden Umstände besonders groß ist und der Lenker, obwohl ihm die eine solche Verschärfung der Verkehrssituation bedingenden Umstände bewußt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbar waren, sich auf diese vom Vorstellungselement der Fahrlässigkeit umfaßten höheren Gefahrenmomente dennoch eingelassen hat.

Im gegenständlichen Fall hat der Rechtsmittelwerber auf einem gerade verlaufenden und zunächst zwei und bei der Abzweigung der Innkreisautobahn von der Westautobahn 4 Fahrstreifen aufweisenden Autobahnteilstück zwischen zwei sich mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h fortbewegenden Kolonnen mit einer Geschwindigkeit von 120 km/h überholt. Besonders gefährliche Verhältnisse sind hier deswegen anzunehmen, weil aufgrund der gegenüber den Kolonnen erhöhten Fahrgeschwindigkeit sowie des Umstandes, daß in diesem Bereich Fahrzeuglenker auf die zur Innkreisautobahn führenden Fahrstreifen umspuren und deshalb auch ein Umspuren der linksfahrenden Fahrzeuge auf den rechten Fahrstreifen nicht auszuschließen ist, sowie der Tatsache, daß Motorräder selbst bei vorschriftsmäßiger Verwendung des Abblendlichtes aufgrund ihrer schmalen Silhouette leicht zu übersehen sind, insbesondere wenn sie mit erhöhter Geschwindigkeit auf ein Fahrzeug aufschließen und sich für den nach rechts umspurenden Lenker im "toten Winkel" befinden, die Wahrscheinlichkeit, daß ein umfangreicher, schwerer und aufgrund der Anzahl der Fahrzeuge zunächst gar nicht überblickbarer Schaden eintreten könnte, wobei dem Rechtsmittelwerber, der immerhin seit dem Jahr 1987 einen Führerschein der Gruppe A und offensichtlich eine entsprechende Fahrpraxis besitzt, bei Aufwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit die Gefährlichkeit dieser Verkehrssituation bewußt sein mußte und er sich trotz der von ihm angestellten Risikoabwägung auf ein solches Fahrmanöver eingelassen hat. Für den unabhängigen Verwaltungssenat ist durchaus nachvollziehbar, daß ein vom linken auf den rechten Fahrstreifen umzuspuren beabsichtigender Fahrzeuglenker den rechts im toten Winkel befindlichen Rechtsmittelwerber leicht übersehen und diesen zu Sturz bringen hätte können, was nicht nur für den Rechtsmittelwerber zunächst unabschätzbare Folgen nach sich ziehen hätte können. Daß der Belag in regelmäßigen Abständen quer verlaufende Betonnähte aufweist, die für sich allein noch keine Sturzgefahr bedingen, möglicherweise aber im Fall eines Zusammentreffens verschiedener widriger Umstände zum Eintritt eines Schadens beitragen können, unterstreicht nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates die Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse, auch wenn die Fahrbahn trocken und der Zustand der Reifen am Motorrad einwandfrei waren.

Die verhängte Geldstrafe entspricht unter Berücksichtigung des erhöhten Strafrahmens sowohl dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung als auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Rechtsmittelwerbers (siehe oben). Auch diesbezüglich war eine einschlägige Vormerkung, allerdings nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen, als erschwerend und kein Umstand als mildernd zu werten. Aufgrund des Wegfalls der "besonderen Rücksichtslosigkeit" war der Spruch zu berichtigen und die Strafe herabzusetzen.

Zu Punkt 4) (Übertretung gemäß § 18 Abs.1 StVO 1960):

Der unabhängige Verwaltungssenat zweifelt nicht an der Wahrnehmbarkeit des vom Meldungsleger angeführten zu geringen Sicherheitsabstandes des Rechtsmittelwerbers zum vor ihm fahrenden Fahrzeug, zumal dieser bei einer Entfernung von ca 150 m - wobei zu berücksichtigen ist, daß der Rechtsmittelwerber seine Geschwindigkeit stark verzögern mußte, sodaß sich der Meldungsleger annähern konnte - anhand der Bodenmarkierungen und der Schatten der beiden Fahrzeuge - auch wenn der genaue Stand der Sonne nicht mehr eruierbar war - einwandfrei festzustellen war. Die im Spruch festgestellten 4 bis 5 m beruhen auf den Angaben des Meldungslegers, daß zwischen den Fahrzeugen maximal eine PKW-Länge lag, wobei sich dieser nicht mehr festlegen konnte, auf welche Art Fahrzeug der Rechtsmittelwerber aufgeschlossen hat. Aufgrund der Ausführungen des technischen Amtssachverständigen ergibt sich ein erforderlicher Sicherheitsabstand von 70 m auf einen mit 130 km/h fahrenden PKW und 32 m auf einen mit 60 km/h fahrenden LKW. Der Abstand von einer PKW-Länge entspricht weder dem einen noch dem anderen erforderlichen Sicherheitsabstand, sondern muß als wesentlich zu gering bezeichnet werden. Der Rechtsmittelwerber hat daher zweifellos auch diesen Tatbestand erfüllt und als Verwaltungsübertretung zu verantworten, selbst wenn - dafür hat das Beweisverfahren keinen Anhaltspunkt ergeben - dieses Fahrzeug aus irgend einem Grund abgebremst hätte und der Rechtsmittelwerber "aufgelaufen" wäre.

Die von der Erstinstanz verhängte Strafe entspricht vollinhaltlich den Kriterien des § 19 VStG; eine Überschreitung des Ermessensspielraumes diesbezüglich vermag der unabhängige Verwaltungssenat nicht zu erblicken.

Milderungs- oder Erschwerungsgründe waren diesbezüglich nicht zu berücksichtigen.

Es steht dem Rechtsmittelwerber aufgrund seiner finanziellen Situation frei, bei der Erstinstanz um die Möglichkeit, die Geldstrafen in Raten zu bezahlen, anzusuchen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Kostenbeitrag ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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