Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-360250/2/MK/HK

Linz, 02.07.2013

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Markus Kitzberger über die Berufung der X, X, X, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. X, X, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr, vom 25. April 2013, AZ: S-2545/ST/13, wegen zweier Beschlagnahmen nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Steyr, vom 25. April 2013, AZ: S-2545/ST/13, der sowohl dem Berufungswerber (im Folgenden: Bw) als auch dem Finanzamt zugestellt wurde, wurde wie folgt abgesprochen:

 

„BESCHLAGNAHMEBESCHEID

 

Über die am 04.04.2013 i in der X der Firma X in X, X, von Organen des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr durchgeführte vorläufige Beschlagnahme eines Glücksspielgerätes ergeht von der Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Steyr als gemäß § 50 Abs. 1 Glücksspielgesetz zuständige Verwaltungsstrafbehörde I. Instanz folgender

 

Spruch:

 

Gemäß § 53 Abs.1 Z1 lit.a Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2011, wird von der Landespolizeidirektion , Poiizeikommissariat Steyr zur Sicherung der Einziehung die Beschlagnahme der vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräte mit der Geräte(Gehäuse)bezeichnung

FA 01) „SWEAT BEAT Musicbox". Seriennummer keine, und

FA 02) „Sweet Beat Musicbox. Seriennummer 1095, angeordnet.

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz kann die Behörde die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technische Hilfsmittel anordnen und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn

1. der Verdacht besteht, dass

a)         mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs.1 Glücksspielgesetz verstoßen wird oder

b)         durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs.1 Z7 verstoßen wird oder

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z1 lit.a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs.1 verstoßen wird oder

3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs.1 Z7 verstoßen wird.

 

Gemäß § 53 Abs.2 Glücksspielgesetz können die Organe der öffentlichen Aufsicht die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs.1 Glücksspielgesetz nicht fortgesetzt begangen oder wie­derholt werden.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 20. Juli 2011, ZI. 2011/17/0097, bereits ausgesprochen, dass die Beschlagnahme nach dem Glücksspielgesetz auch dann zulässig ist, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen sollte. Es ist daher nicht ent­scheidungswesentlich, ob im Beschwerdefall das Tatbild des § 168 StGB verwirklicht wurde.

 

Nach der Judikatur des VwGH ergibt sich aus § 53 Abs.3 GSpG, dass der Beschlagnahme­bescheid jedenfalls einer der genannten Personen, also dem Eigentümer, dem Veranstalter oder dem Inhaber zuzustellen ist, wobei das Gesetz offen lässt, ob der Bescheid im Falle, dass diese Personen nicht identisch sind, aber alle der Behörde bekannt sind, jeder dieser Personen zuzustellen ist (VwGH 24.6.1997, 94/17/0388).

 

Weiters genügt nach der Rechtsprechung des VwGH (2009/17/0202 v. 10.5.2010) für die Beschlagnahme gemäß § 52 Abs.1 Z1 und Abs.2 GSpG in Verbindung mit § 53 Abs.1 Z 1 lit.a GSpG, dass der hinreichend substantiierte Verdacht besteht, dass mit den gegenständlichen Geräten in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wurde, und entgegen den Vorschriften des Glücksspielgesetzes Glücksspiele zur Teilnahme vom Inland aus un­ternehmerisch zugänglich gemacht wurden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 2009, ZI. 2005/17/0223, und 2008/17/0009). Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall erfüllt, ohne dass es darauf ankommt, ob ein Glücksspielapparat im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG, oder aber "sonstige Eingriffsgegenstände" im Sinne des § 53 Abs.1 Z1 lit.a GSpG vorlie­gen. In beiden Fällen ist die Beschlagnahme nach dem Gesetz vorgesehen.

 

Gemäß § 1 Abs.1 Glücksspielgesetz ist ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.

 

Bei einer von Organen der Abgabenbehörde am 04.04.2013, um 11.50 Uhr in X, X durchgeführten Kontrolle wurden die Geräte mit der im Spruch angeführten Gehäuse(Geräte)bezeichnung betriebsbereit und voll funktionsfähig vorgefunden. Mit diesen Geräten wurde zumindest in der Zeit vom 01.03.2013 bis 04.04.2013 Spiele in Form eines elektronischen Glücksrades durchgeführt.

 

Für das elektronische Glücksrad konnte folgender Spielablauf festgestellt werden:

 

Bei den Geräten mit den Nr.FA 01 und FA 02 handelt es sich um „Funwechsler" mit der Be­zeichnung „Sweet Beat Musicbox". Die Geräte waren in der Version 1,2,3 und 4 benutz­bar. Das heißt, bei einem beleuchteten Zahlenfeld war der dort angezeigte Wert mit dem eingestellten Faktor 1 bis 4 zu multiplizieren um den in Aussicht gestellten Gewinn festzustel­len. Dieser Faktor 1,2 3 und 4 entspricht gleichzeitig dem zu leistenden Einsatz in der jeweils gewählten Funktion.

 

Während der Testspiele wurde ein Gewinn von € 0,- erzielt und vom Gerät selbständig, in Form von €1,00 Münzen, ausgefolgt. Die Beleuchtung der Zahlen- und Blindfelder erfolgte jeweils zufallsabhängig in der Funktion eines Glücksrades.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits am 28,6.2011(VwGH 28.6.2011, 2011/177/068 unter Hinweis auf VwGH 26.2.2001, 99/17/0214) festgestellt, dass weder ein vorgelagertes Musik­stück noch allfällig mehrfache Einsatzleistungen dem durchzuführenden Spielvorgang den Glücksspielcharakter nehmen. Diese Rechtsprechung ist branchenweit bekannt, ein Rechtsirrtum erscheint daher ausgeschlossen, zumal bereits ein geringes Verschulden am Rechtsirrtum (z.B. durch Nichteinholung von geeigneten berufsgruppenspezifischen Aus­künften) diesen als Schuldausschließungsgrund ausscheiden lässt.

 

Die Entscheidung über das Spielergebnis hing bei allen diesen Spielen somit jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab.

 

Es liegt somit der Verdacht nahe, dass diese Spiele als Glücksspiele im Sinne des § 1 Abs. 1 Glücksspielgesetz anzusehen sind.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Glücksspielgesetz sind Ausspielungen Glücksspiele

1. die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert oder zugänglich macht und

2. bei denen Spieler oder andere eine Vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3. bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine Vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

Gemäß § 2 Abs. 2 Glücksspielgesetz ist Unternehmer, wer selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

 

Aktenkundig ist, dass Sie (die Firma X) als „Lokalbetreiber" und somit als Inhaber der Glückspielgeräte diese unternehmerisch zugänglich gemacht haben. Sie bzw. Ihr Personal sorgen dafür, dass gegenständliche Glückspielgeräte täglich eingeschaltet und den Spielern betriebsbereit zu Verfügung stehen. Ohne Zweifel liegt Unternehmereigenschaft vor, da aus dem nachhaltigen Zugänglichmachen eines Glückspieles fortgesetzt Einnahmen erzielt werden.

 

Die Spiele konnten an den Geräten nur nach Eingabe von Geld durchgeführt werden. Somit mussten Spieler eine Vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz).

 

Bei den Geräten wurde ein Gewinn in Aussicht gestellt.

 

Anzunehmen ist daher, dass eine Ausspielung iSd. § 2 Abs.1 GSpG vorliegt.

 

Gemäß § 2 Abs.4 Glücksspielgesetz sind Ausspielungen verboten, für die eine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz nicht erteilt wurde und die nicht vom Glücks­spielmonopol des Bundes gemäß § 4 ausgenommen sind.

 

Gemäß § 3 Glücksspielgesetz ist das Recht zur Durchführung von Glücksspielen, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, dem Bund vorbehalten (Glücksspielmonopol).

Für diese Ausspielungen ist offensichtlich keine Konzession oder Bewilligung nach diesem Bundesgesetz bzw. nach landesrechtlichen Bestimmungen erteilt worden. Da auch eine

Ausnahme gemäß § 4 Glücksspielgesetz nicht vorlag, waren diese Ausspielungen verboten. Es ist daher anzunehmen, dass in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wurde.

 

Gemäß § 52 Abs.1 Z1 Glücksspielgesetz begeht einer Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde (in den Fällen der Z1) mit einer Geldstrafe von bis zu 40.000 Euro zu bestra­fen wer (Z1) zur Teilnahme vom Inland aus verbotene Ausspielungen im Sinne des §2 Abs.4 veranstaltet, organisiert oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unter­nehmer im Sinne des § 2 Abs. 2 daran beteiligt.

 

Sie stehen daher im Verdacht, als Unternehmer vom Inland Glücksspiele zugänglich gemacht zu haben und mit den angeführten Glückspielgerät in das Glückspielmonopol des Bundes eingegriffen und eine Verwaltungsübertretung gemäß § 52 Abs.1 Z1 Glücksspiel­gesetz begangen zu haben.

Die Organe der Abgabenbehörde waren daher befugt, das Glücksspielgerät gemäß § 53 Abs.2 Glücksspielgesetz aus eigener Macht vorläufig in Beschlag zu nehmen, um sicherzu­stellen, dass mit den Gegenständen nicht fortgesetzt oder wiederholt gegen eine oder meh­rere Bestimmungen des § 52 Abs.1 GSpG verstoßen wird.

 

Gemäß § 50 Abs.1 Glücksspielgesetz sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, im örtlichen Wirkungsbereich einer Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Steyr diese zustän­dig.

 

Gemäß § 52 Abs.2 Glücksspielgesetz tritt eine allfällige Strafbarkeit nach diesem Bundesgesetz hinter eine allfällige Strafbarkeit nach § 168 StGB zurück, wenn in Zusammenhang mit der Teilnahme an Ausspielungen vermögenswerte Leistungen für ein Spiel von über 10 Euro von Spielern geleistet werden. Die Befugnisse der Organe der öffentlichen Aufsicht und die Befugnisse im Rahmen der behördlichen Sicherungsmaßnahmen nach §§ 53, 54 und 56a Glücksspielgesetz bleiben davon unberührt. Somit ist die Verwaltungsstrafbehörde I. In­stanz zur Entscheidung über die Beschlagnahme zuständig.

 

Da von den Organen der Abgabenbehörde die vorläufige Beschlagnahme im örtlichen Wirkungsbereich der Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Steyr erfolgte, ist die Lan­despolizeidirektion , Polizeikommissariat Steyr gemäß § 50 Abs.1 Glücksspielgesetz zuständige Behörde zur Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 53 Abs.1 Glücksspielgesetz.

 

Gemäß § 54 Abs.1 Glücksspielgesetz sind Gegenstände, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs.1 verstoßen wird, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs.1 einzuziehen, es sei denn der Verstoß war geringfügig.

 

Von der Landespolizeidirektion , Polizeikommissariat Steyr wurde daher die Beschlagnahme der vorläufig sichergestellten Glücksspielgeräte und Eingriffsgegenstände gemäß § 53 Abs.1 Z1 lit.a Glücksspielgesetz zur Sicherung der Einziehung angeordnet, weil für diese die Einziehung gemäß § 54 Abs. 1 Glücksspielgesetz vorgesehen ist und der begrün­dete Verdacht besteht, dass mit diesen Glücksspielgeräten, mit denen in das Glücksspiel­monopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine Bestimmung des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz verstoßen wird.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes und der durchgeführten Ermittlungen war für die erkennende Behörde erwiesen, dass die gesetzlichen Vorausaussetzungen für eine Be­schlagnahme vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.“

 

 

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, rechtzeitige Berufung vom 10.05.2012, eingelangt bei der belangten Behörde am 14.05.2012.

 

Begründend führt die Bw im Wort wie folgt aus:

 

„In umseits näher rubrizierter Verwaltungssache erhebt die Einschreiterin gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 25.04.2013, AZ: S-2545/ST/13 nachstehende

 

Berufung

 

an den Unabhängigen Verwaltungssenat Oberösterreich.

 

Der Bescheid wird seinem gesamten Inhalt nach angefochten.

 

Als Berufungsgründe werden unrichtige Sachverhaltsfeststeilung und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Beschlagnahme der im Eigentum der X GmbH stehenden am 04.04.2013 im Lokal in X, X von Organen des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vorläufig beschlagnahmten Geldwechselautomaten mit integrierter Musikbox der Type „Sweet Beat 1-2-4 Musicbox", ohne Seriennummer (FA 01) und mit der Seriennummer 1095 (FA 02) zur Sicherung der Einziehung angeordnet.

 

Bei diesen Automaten handelt es sich um Geldwechsel- und Musikautomaten die über eine Geldwechselfunktion und über eine Musikunterhaltungsfunktion verfügen.

 

An der linken Frontseite befindet sich ein Einschub für Banknoten. Auf der rechten Frontseite befindet sich ein Münzeinwurf, eine grüne und eine rote Taste. In der Mitte befindet sich ein Display. Den größten Platz nehmen kreisförmig angeordnete Wabensymbole ein; in diesen sind mehrfach die Ziffer „2", sowie die Ziffern „6", „8" und „4" (folgend auch Zahlen- oder Betragswabe genannt) abgebildet, sowie mehrfach Bienen, nummeriert mit den Zahlen 1 bis 12, die der Auswahl des Musiktitels aus der auf der linken Frontseite angebrachten Musiktitelliste dienen (folgend auch Bienen genannt). Im Inneren des Gerätes befinden sich zwei Hopper (= Münzauswerfer). Der eine Hopper enthält 1-Euro-Münzen, der andere Hopper enthält 2-Euro-Münzen.

 

Beschreibung der Musikunterhaltungs- und Geldwechselfunktion:

 

Der Benutzer hat die Möglichkeit 1, 2 oder 4 von ihm auszuwählende Musikstücke zu hören oder einen vorangezeigten Geldbetrag zu erlangen. Wird im Wabensymbolkreis eine Biene beleuchtet, so kann bzw. können das bzw. die vom Benutzer nummernmäßig ausgewählten Musikstücke abgespielt werden; wird eine Zahlenwabe beleuchtet, so kann der vorangezeigte Geldbetrag erlangt werden.

 

Der Automat kann sowohl im 1-Euro-Modus als auch im 2-Euro-Modus als auch im 4-Euro-Modus betrieben werden. Die Auswahl zwischen 1-Euro-Modus, 2-Euro-Modus und 4-Euro-Modus erfolgt vor dem Geldeinwurf durch die grüne Taste. Demnach leuchtet oberhalb des Wabensymbolkreises die „1x Wabe", die „2x Wabe" oder die ,,4x Wabe" auf.

 

Wird Geld eingegeben, dann wird der Wert in Form einer Zahl im Kreditspeicherdisplay angezeigt. Es bleibt jedoch nur der Betrag in der Höhe von € 1,00 oder € 2,00 in der Anzeige stehen; abhängig vom 1-Euro, 2-Euro oder 4-Euro-Modus. Jeder eingegebene, diesen Wert übersteigende Geldbetrag wird in Form von Münzen vom Gerät wieder ausgefolgt. Im Wabensymbolkreis ist zunächst eine Biene befeuchtet. Die Auswahl des bzw. der vom Benutzer gewünschten Musiktitel erfolgt mittels Navigation zur Biene mit der der Musiktitelliste entsprechenden Nummer durch jeweils kurzes Drücken der roten Taste, wobei nach jedem kurzen Drücken die im Uhrzeigersinn nächste Biene beleuchtet wird, bis der Benutzer bei der von ihm gewünschten nummerierten Biene angelangt ist. Das Abrufen des Abspielens dieses Musiktitels erfolgt dann durch langes Drücken der roten Taste. Eine abgerufene Musikwiedergabe kann nicht vorzeitig abgebrochen werden;

jeder ausgewählte Musiktitel wird in seiner Gesamtlänge von jeweils ca. 3 Minuten zur Gänze abgespielt.

 

Nach jedem vom Benutzer ausgewählten Musikstück startet der Automat einen Beleuchtungsumlauf im Wabensymbolkreis nach dessen Abschluss ein anderes Wabensymbol beleuchtet wird. Ist eine Betragswabe beleuchtet und wird die rote Taste gedrückt, so werden so viele Münzen ausgeworfen, wie die Zahl der Betragswabe angibt (zB.: 1-Euro-Münze, Betragswabe „8": Es werden 8 1-Euro-Münzen ausgeworfen). Jedes Drücken der roten Taste bewirkt die Abbuchung vom Kreditspeicher, der somit nach jeder einzelnen Gerätebenutzung auf Null zurückgesetzt wird.

 

Der Benutzer muss somit nach jeder einzelnen Geldeingabe entscheiden, ob er

 

1) die Wiedergabe eines von ihm auszuwählenden Musikstückes anhören möchte (langes Drücken der roten Taste nach Navigation zur gewünschten entsprechend beleuchteten nummerierten Biene), oder

2) die in der beleuchteten Betragswabe allenfalls angekündigte Anzahl von Münzen vom Gerät ausgefolgt haben möchte (Betragswabe ist beleuchtet und Drücken der roten Taste), oder

3) den eingegebenen Betrag zurückerhalten und von der weiteren Benutzung des Gerätes Abstand nehmen möchte (Drücken der grünen Taste).

 

Es steht sohin immer bereits vor der Eingabe von Geld fest, was der Benutzer erhalten wird. Betätigt er die grüne Taste, so bekommt er den im Kreditspeicher stehenden Betrag zurück; dabei spielt es keine Rolle, ob eine Biene oder eine Betragswabe aufleuchtet. Leuchtet eine Biene auf und betätigt er die rote Taste, so wird die ausgewählte Musik abgespielt. Leuchtet eine Betragswabe auf und betätigt er die rote Taste, so erhält er so viele Münzen wie in der Betragswabe angezeigt. Welche Leistung nach einer Gerätebenutzung jeweils in Aussicht gestellt wird (Aufleuchten einer Biene - von der, sollte dieser Musiktitel nicht dem Wunsch des Benutzers entsprechen, der Benutzer jederzeit zur Biene des gewünschten Musiktitels navigieren kann - oder einer Betragswabe), hängt zwar ausschließlich vom Ergebnis eines programmgesteuert entscheidenden Zufallsgenerators ab, es wird jedoch für diese Entscheidung keinerlei vermögenswerte Leistungen bedungen oder erbracht.

 

Faktum ist, dass der Benutzer des Automaten den von ihm gewünschten Musiktitel aus der Musiktitelliste auswählen kann und die zur Auswahl stehenden Musikstücke in der jeweiligen Originallänge von jeweils circa drei Minuten zur Gänze wiedergegeben werden, ohne dass ein vorzeitiger Abbruch der Musikwiedergabe möglich wäre bzw. ist.

 

Dementsprechend erhält der Kunde für den von ihm geleisteten Kaufpreis von € 1.00 die jedenfalls adäquate Gegenleistung, der

• Wiedergabe eines aus zwölf konkret angeführten Musiktiteln von  ihm auszuwählenden Musikstückes,

• in einer Länge von jeweils circa drei Minuten,

• das in voller Länge abgespielt wird und dessen Wiedergabe nicht vorzeitig abgebrochen werden kann.

Der Umstand, dass über dieses Synallagma des Leistungsaustausches von adäquater Leistung und Gegenleistung hinaus für den Kunden die Möglichkeit besteht - unentgeltlich und ohne Leistung eines Spieleinsatzes - die Chance auf einen Gewinn zu erhalten, fällt nicht unter den Ausspielungsbegriff des § 2 Abs.1 GSpG, da eben kein Einsatz für die Teilnahme an einem Glücksspiel geleistet wird sondern die eingeräumte Gewinnchance für den Kunden unentgeltlich ist.

 

Der Automatenproduzent, die X GmbH, hat sich bei der Entwicklung des gegenständlichen Automaten neben dem Glücksspielsachverständigen Ing. X vorsichtshalber auch vom Glücksspielsachverständigen X, der bzw. da er von der SOKO Glücksspiel (nunmehr Finanzpolizei) bei ihren Kontrollen vielfach als Glücksspielsachverständiger beigezogen wurde, beraten lassen, um sicherzustellen, dass es mit diesem Automaten zu keinem Verstoß gegen das Glücksspielgesetz kommt.

 

Mit der Beiziehung gerade des für Angelegenheiten des Glücksspiels renommierten Sachverständigen X zur Beratung bei der Entwicklung des verfahrensgegenständlichen Automaten hat die X GmbH gerade der nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen besonderen Sorgfalt hinsichtlich der Erkundigung der Rechtslage entsprochen.

 

Schon aus wirtschaftlichen Gründen war es das ureigenste Interesse der X GmbH Rechtssicherheit darüber zu haben, dass es mit dem verfahrensgegenständlichen Automaten zu keinem Verstoß gegen das GSpG kommt, zumal die Entwicklung und Produktion mit erheblichen Investitionen verbunden ist. Was wäre daher naheliegender gewesen, als sich von einem Sachverständigen beraten zu lassen, der aufgrund seiner Fachkenntnis regelmäßig von der Finanzpolizei bei den von ihr durchgeführten Kontrollen wegen des Verdachtes einer Übertretung nach dem GSpG zur Beurteilung darüber beigezogen wird, ob bei dem kontrollierten Gerät der Verdacht eines Verstoßes gegen das GSpG besteht oder nicht.

 

Die X GmbH hat damit dem Sorgfaltsgebot bestmöglich entsprochen.

 

Neben dieser Beratung wurde mit dem von der X GmbH entwickelten, nunmehr gegenständlich vorläufig beschlagnahmten Automaten darüber hinaus insbesondere auch den Ausführungen der vom Sachverständigen X als Sachverständiger in einem Beschlagnahmeverfahren abgegebenen Gutachterlichen Stellungnahme vom 28.03.2011 entsprochen, um jegliche Gefahr einer Übertretung von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes auszuschließen.

 

 

Beweis: X, p.A. X, X,

X, p.A. der   Einschreiterin,

Sachverständigen-Stellungnahme des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Geldspiel- und Glücksspielautomaten, Glücksspiel, Glücksspieleinrichtungen und Zubehör, Ing. X vom 23.08.2011, (Beilage ./2), und

durchzuführender Probebetrieb an den verfahrensgegenständlichen Automaten der Type „Sweet Beat 1-2-4 Musicbox"

 

Die Beschlagnahme begründet die Landespolizeidirektion Oberösterreich im Wesentlichen damit, dass der Spielausgang ausschließlich vom Zufall abhängt und die möglichen Spiele nur gegen eine Vermögenswerte Ersatzleistung durchgeführt werden können. Aufgrund der in Aussicht gestellten Gewinne wäre durch das Veranstalten von verbotenen Ausspielungen in das Glücksspielmonopol eingegriffen worden.

 

Diese Rechtsansicht der Landespolizeidirektion Oberösterreich ist verfehlt.

 

Die Landespolizeidirektion Oberösterreich verkennt, dass kein Spieleinsatz geleistet wird, da der Kunde für den von ihm geleisteten Kaufpreis von € 1,00 die jedenfalls adäquate Gegenleistung, der

• Wiedergabe eines aus zwölf konkret angeführten  Musiktiteln von  ihm auszuwählenden Musikstückes,

• in einer Länge von jeweils circa drei Minuten,

• das in voller Länge abgespielt wird und dessen Wiedergabe nicht vorzeitig abgebrochen werden kann,

erhält und demzufolge auch keinen Spieleinsatz leistet.

 

Mangels Spieleinsatz (§ 2 Abs.1 Z2 GSpG) wird keine Ausspielung durchgeführt, sodass entgegen der von der Landespolizeidirektion Oberösterreich vertretenen Rechtsansicht auch keine (verbotene) Ausspielung iSd § 2 Abs.1 GSpG vorliegen kann, und sohin kein Verstoß gegen das Glücksspielgesetz vorliegt.

 

Selbst für den Fall, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Geldwechsel-und Musikautomaten um einen Glücksspielautomaten handeln sollte, ist der Geldwechsel- und Musikautomat der Einschreiterin auszufolgen, da mit Beschlagnahmebescheiden - in unvertretbarer Rechtsansicht - gegen das unionsrechtlich begründete Anwendungsverbot der 52 bis 54 GSpG verstoßen würde;

 

Am 09.09.2010, wurde das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft in der Rechtssache C-64/08 (Engelmann) verkündet. Ausgangsfall für die Entscheidung „Engelmann" war ein Strafverfahren nach § 168 StGB, weil Herr Engelmann, ein deutscher Staatsbürger, in Linz und Schärding Spielcasinos betrieb. Herr Engelmann verfügte über keine Konzession für den Betrieb einer Spielbank in Österreich. Er bestritt auch nicht, eine solche gar nicht beantragt zu haben, brachte aber vor, dass er eine Konzession aufgrund zahlreicher unionsrechtswidriger Bestimmungen im österreichischen Glücksspielgesetz auch gar nicht hätte erlangen können. In erster Instanz wurde er noch zu einer Geldstrafe von EUR 2.000,- verurteilt. Das Landesgericht Linz als Berufungsgericht hatte allerdings erhebliche unionsrechtliche Zweifel

• an dem Erfordernis einer Niederlassung in Form einer Aktiengesellschaft in Österreich,

• an der Kohärenz und Systematik der österreichischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels,

• sowie an der Vorgangsweise des Bundesministeriums für Finanzen bei der Vergabe von Glücksspielkonzessionen in Österreich.

 

Bezüglich des in der Rechtssache C-64/08 (Engelmann) ergangenen Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist zunächst auf die auf die Randnr. 24 und 26 hinzuweisen, wonach es dem vorlegenden Landesgericht Linz zufolge von der - in Übereinstimmung auch mit dem Unionsrecht - Zulässigkeit des Ausschlusses von Herrn Engelmann vom Erhalt einer Spielbankkonzession abhing, ob Herr Engelmann den Tatbestand des unerlaubten Glücksspiel nach § 168 StGB verwirklicht hat. Daher waren nach Ansicht des Europäischen Gerichthofes zuerst die erste und die dritte Vorlagefrage der Randnr. 25 zu prüfen.

 

Zur erfolgten Vergabe der Spielbankkonzessionen nimmt der Gerichtshof dann in Randnrn. 49-57 Stellung und kommt in Randnr. 58 zum Ergebnis, dass das Transparenzgebot das sich aus den Art. 43 EG und 49 EG sowie aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ergibt, einer Vergabe sämtlicher Konzessionen für den Betrieb von Spielbanken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates, die ohne Ausschreibung erfolgt, entgegensteht.

 

Da sich aus der Beantwortung der ersten und dritten Vorlagefrage bereits ergeben hat, dass der Ausschluss von Herrn Engelmann vom Erhalt einer Spielbankkonzession gegen das Unionsrecht verstoßen hat und unrechtmäßig war, erachtete der Gerichtshof in Randnr. 59 die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage o Vereinbarkeit/Zulässigkeit eines innerstaatlichen Monopols für den Betrieb von Spielbanken, wenn es im Mitgliedsstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, weil die innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an Glücksspielen ermuntern für nicht mehr notwendig.

 

Ebensowenig wie Herr Engelmann verfügt auch die Einschreiterin über keine Konzession für den Betrieb einer Spielbank und von Glücksspielautomaten in Österreich, da sie von der Möglichkeit eine solche zu erlangen, gemeinschaftsrechtswidrigerweise ausgeschlossen ist, zumal sämtliche Konzessionen vom Bundesministerium für Finanzen unter Verstoß gegen das im Gemeinschaftsrecht verankerte Transparenzgebot ohne Ausschreibung und unter Vermeidung einer transparenten Interessentensuche an die X AG vergeben wurden.

 

Beweis: Anfrage des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 04.11.2009 und Fragebeantwortung der Republik Österreich vom

04.12.2009 in der Rechtssache C-64/08 (Engelmann) (Beilage ./4)

 

In einem solchen Fall dürfen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes Sanktionen gegen Betreiber, die infolge des gemeinschaftsrechtswidrigen Ausschlusses über keine Konzession verfügen, nicht verhängt werden.

 

Zum unrechtmäßigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern vom Erhalt einer Konzession in einem Mitgliedsstaat hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 06. März 2007 (Strafverfahren gegen Massimiliano Placanica) für Recht erkannt (Punkt 3.), dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die Wirtschaftsteilnehmer mit der Rechtsform von Kapitalgesellschaften, deren Anteile auf reglementierten Märkten gehandelt werden, vom Glücksspielsektor ausschließt und darüber hinaus im Sinne eines solchen Ausschlusses fortwirkt.

 

Zu den Folgen des unrechtmäßigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern vom Erhalt einer Konzession in einem Mitgliedsstaat nimmt der Gerichtshof in Randnr. 63 Stellung, wobei im letzten Satz festgehalten wird, dass in jedem Fall festzustellen ist, dass in Ermangelung eines Verfahrens der Konzessionsvergabe, das auch den bei der letzten Ausschreibung rechtswidrig von einem möglichen Konzessionserhalt ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern offensteht, der Umstand, dass sie keine Konzession besitzen, nicht zum Anlass für die Verhängung einer Sanktion gegen sie genommen werden darf. (Generelles Sanktionsverbot)

 

Zu strafrechtlichen Sanktionen im speziellen wird in diesem Zusammenhang in Randnr. 69 festgehalten, dass sich aus der Rechtsprechung ergibt, dass ein Mitgliedsstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat (vgl. in diesem Sinn Urteil vom 15. Dezember 1983, Rienks, 5/83, Slg 1983, 4233, Randnr. 10 und 11).

 

Im gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass sowohl vorläufige Beschlagnahmen durch die Finanzpolizei wie auch Beschlagnahmen durch Bezirkshauptmannschaften oder Bundespolizeidirektionen - wie im folgenden noch ausgeführt wird, in unvertretbarer Rechtsansicht - gegen das unionsrechtlich begründete allgemeine wie auch Strafsanktionsverbot verstoßen.

 

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gilt sowohl  für  die  Vergangenheit  als  auch   bis  zur  Herstellung  einer unionsrechtskonformen Rechtslage der Grundsatz, dass Sanktionen jenen Anbietern, die bisher aufgrund unionsrechtswidriger Umstände von vornherein keine Konzession erhalten konnten, nicht entgegengehalten werden dürfen (dazu auch EuGH vom 08.09.2010, Markus Stoß u.a. C-316/07 unter anderem RN 115 iVm 19), sowie

Stadler/Arzt in ecolex 2010, 617 ff,

Talos/Stadler in ecolex 2010,1006 ff, mwN,

Franz Leidenmühler in medien und recht 5/2010, 247 ff. mwN,

Franz Koppensteiner in RdW 2011,134 ff. mwN, und

Franz Leidenmühler in medien und recht 5/2011, 243 ff. mwN

 

In den Urteilen Carmen Media und Markus Stoß hat der EuGH zudem klargestellt, dass das von einem Mitgliedsstaat verfolgte ordnungspolitische Ziel des Spielerschutzes (als alleinig übrig gebliebenes Monopolargument) tatsächlich auch in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden muss. Die in obigen Fällen für Deutschland bestimmten Regeln gelten naturgemäß auch für Österreich. Der EuGH legt auch hinsichtlich Glücksspielwerbung Kriterien fest: Die Werbung muss maßvoll und strikt auf das begrenzt sein, was erforderlich ist, um die Verbraucher zu den genehmigten Spielnetzwerken zu lenken. Hingegen darf eine solche Werbung insbesondere nicht darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme und zum Spielen angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost oder ihm ein positives Image verliehen wird, das daran anknüpft, dass die Einnahmen für Aktivitäten im Allgemeininteresse verwendet werden, oder indem die Anziehungskraft des Spiels durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne vorspiegeln (EuGH 08.09.2010, Markus Stoß u.a., C-316/07 u.a. RN 103). Daraus folgt, dass der Ist-Zustand in Österreich mit omnipräsenter Casino- und Lottowerbung - auch nach den Glücksspielgesetznovellen 2008 und 2010 - nach wie vor EU-widrig ist.

 

Schließlich ist desweiteren auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 08.09.2010. C-409/06. Winnerwetten GmbH hinzuweisen, wonach jedes nationale Gericht verpflichtet ist, das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden und die Rechte die es den Einzelnen verleiht, zu schützen, indem es jede möglicherweise entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechtes unangewendet lässt (EuGH Winner Wetten, C-409/06 RN 55).

 

Unter Berufung auf den Europäischen Gerichtshof vertritt auch Koppensteiner (Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134), dass „im Fall eines unionsrechtswidrigen Marktzugangsregimes das dieses Marktzugangregimes strafrechtlich absichernde Sanktionsrecht unanwendbar zu bleiben hat".

 

Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtschutzes ist nach ständiger Rechtssprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechtes. Die Gerichte der Mitgliedsstaaten haben insoweit den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen (EuGH, Winner Wetten, C-409/06 RN 58).

 

Auch in der Entscheidung vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer betont der Gerichthof der Europäischen Gemeinschaften in Rn 32 und 43 abermals und unzweideutig, dass der Verstoß gegen eine Regelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen darf, wenn diese Regelung unionsrechtswidrig ist. Diese Rechtsfolge haben die österreichischen Gerichte und Behörden größtenteils trotz ihrer aus Art 4 Abs.3 des Vertrages über die Europäische Union entspringen Pflicht zur Anwendung der EuGH-Rechtsprechung ignoriert.

 

Stellt sich in einem Verfahren eine vom Gemeinschaftsrecht vorgegebene Vorfrage im Rahmen der zu treffenden Entscheidung, so kann diese Vorfrage dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt werden.

 

Die Unionsrechtswidrigkeit der intransparenten Vergabe bezieht sich nicht nur auf den Zeitpunkt der Vergabe, sondern dauerhaft bis zur Neuausschreibung und korrekten Vergabe der Konzession. Es steht im groben Widerspruch zu der Rechtsprechung des EuGH und der effektiven Durchsetzung der europarechtlichen Grundfreiheiten, im Falle einer Vergabe der Konzessionen "unter der Hand" von mitgliedstaatlichen Anbietern die Erfüllung der Konzessionsvoraussetzungen vor einer europarechtskonformen, rechtmäßigen Ausschreibung zu verlangen. Vielmehr liegt es am jeweiligen Mitgliedstaat die fehlende Rechtfertigung der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit zu sanieren. Bis dahin schlagen aber die Grundfreiheiten durch.

 

Angesichts der eindeutigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes und der übereinstimmenden Literatur ist es daher - sollten für die erkennende Behörde noch Zweifel am Anwendungsverbot der §§ 52 bis 54 GSpG bestehen - dringend geboten dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

"Sind die Art 49 und 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 4 des Vertrages über die Europäische Union sowie die zum Glücksspielrecht ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dahingehend auszulegen, dass gegen einen Glücksspielanbieter, der über keine nach nationalem Recht des Mitgliedsstaates erteilte Konzession verfügt, auch dann wegen des Fehlens dieser Konzession keinerlei Strafsanktionen verhängt werden dürfen, wenn dieser Glücksspielanbieter nicht sämtliche nach dem nationalen Recht des Mitgliedsstaates vorgeschriebenen Konzessionsvoraussetzungen erfüllt, wenn bei der Vergabe sämtlichen, nach dem nationalen Recht des Mitgliedsstaates zu vergebenden Konzession jegliche Transparenz gefehlt hat und der Glücksspielanbieter schon aufgrund dieser unionsrechtswidrigen Vergabe der Konzession für den Zeitraum bis zumindest 31.12.2012 von der Möglichkeit ausgeschlossen ist, sich um eine solche Konzession zu bewerben?"

 

Die Einschreiterin weist insbesondere darauf hin, dass alle Beschränkungen an den europarechtlichen Grundfreiheiten zu messen sind und die österreichische Glücksspielpolitik nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes insgesamt kohärent und systematisch auf im zwingenden Allgemeininteresse liegende Rechtsfertigungsgründe ausgerichtet sein muss. Bemerkenswerterweise ist der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache Engelmann nicht mehr auf die ihm gestellte Frage nach der (In)Kohärenz der österreichischen Glücksspielpolitik eingegangen, da er dies aufgrund der bereits festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten für nicht mehr erforderlich hielt (vgl Koppensteiner, Der Europäische Gerichtshof und das Glücksspiel, RdW 2011,134 (136)). Das bedeutet aber gerade nicht, dass österreichische Gerichte und Behörden auf die Kohärenzprüfung verzichten könnten, zumal an der Erfüllung dieses Erfordernisses nach wie vor erhebliche Zweifel bestehen (vgl bspw Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 (1008); Leidenmühler, Das "Engelmann"-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, Medien und Recht 2010,247).

 

Der Europäische Gerichtshof hat jüngst klargestellt, dass bei jeder nationalen Beschränkung der Grundfreiheiten im Glücksspielbereich zu prüfen ist, ob sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 56). Insbesondere hat der Europäische Gerichtshof auch Präzisierungen dahingehend vorgenommen, dass zur Rechtfertigung der Errichtung eines Monopols der Mitgliedstaat ein besonders hohes Schutzniveau verfolgen muss, da es sich um eine besonders schwere Restriktion handelt (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 48, 71). Die nationalen Gerichte haben dabei zu prüfen, "ob die nationalen Behörden im entscheidungserheblichen Zeitraum tatsächlich bestrebt waren, im Hinblick auf die geltend gemachten Ziele ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, und ob die Errichtung eines Monopols im Licht dieses angestrebten Schutzniveaus tatsächlich als erforderlich angesehen werden konnte" (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 54). Der Europäische Gerichtshof bestätigt in diesem Zusammenhang, dass die tatsächliche Verhältnismäßigkeit der restriktiven Regelung vom Mitgliedstaat bewiesen werden muss (EuGH vom 15.09.2011. Rs C-347/09 Dickinger und Ömer. Rn 54) und dass es grundsätzlich Feststellungen geben muss. dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht im betreffenden Mitgliedstaats ein Problem darstellen (EuGH vom 15.09.2011. Rs C-347/09 Dickinger und Ömer. Rn 66 und 100).

 

Dieser Nachweis wurde bis heute vor keinem österreichischen Gericht und vor keiner österreichischen Behörde erbracht. Ebensowenig wurden derartige Feststellungen bis dato in keiner einzigen Entscheidung eines österreichischen Gerichtes und in keiner einzigen Entscheidung einer österreichischen Behörde jemals getroffen.

 

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer enthält weiters Präzisierungen zum zulässigen Umfang der vom Monopolisten betriebenen Werbung. Nach dem Europäische Gerichtshof ist zwischen Strategien des Monopolinhabers zu unterscheiden, die nur die potenzielle Kunden über die Existenz der Produkte informieren und durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen einen geordneten Zugang zu Glücksspielen sicherstellen sollen, und Strategien, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern, anregen oder anreizen. Es müsse zwischen einer restriktiven Geschäftspolitik, die nur den vorhandenen Markt für den Monopolinhaber gewinnen oder die Kunden an ihn binden soll, und einer expansionistischen Geschäftspolitik, die auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielt, differenziert werden (EuGH vom 15.09.2011, Rs C-347/09 Dickinger und Ömer, Rn 69).

 

Abgesehen von den im Akt des Landesgerichtes Linz zu 1 Cg 190/11y erliegenden Urkunden Beilagen ./ 4 bis ./38 zum exorbitanten Werbeaufwand des derzeitigen Monopolisten ist es eine notorische Tatsache, dass in Österreich seit Jahren kein Tag vergangen ist, an dem die österreichische Bevölkerung vom derzeitigen Monopolisten nicht über Radio. -TV. -Printmedien, -und Plakatwerbung aufgefordert wurde „an ihr Glück zu glauben" und „ihr Spiel zu machen".

 

Diese täglich auf die österreichische Bevölkerung einprasselnden, nicht zu überhörenden und nicht zu übersehenden Werbebotschaften haben mit informativer Werbung nichts zu tun und sind in aggressiver Weise spielaufreizend!

 

Beweis: Beschuldigtenvertreter Dr. X

X, X, X,

Dr. X, X, X,

X, X,X

 

Angesichts der gängigen exzessiven Werbepraxis der österreichischen Monopolisten wird diesen europarechtlichen Anforderungen für die Rechtfertigung einer Monopolstellung nicht genügt, was auch jüngst vom Landesgericht Linz (als Zivilgericht erster Instanz) in seinem Urteil vom 22. März 2012. 1 Co 190/11v-14 bestätigt wurde.

 

Beweis: beizuschaffender Akt des Landesgerichtes Linz, 1 Cg 190/11 y,

mit den Beilagen ./4 bis./ 38

Urteil des Landesgerichtes Linz vom 22.03.2012, 1 Cg 190/11y-14 (Beilage ./5)

 

Das Sanktionsverbot wurde jüngst auch vom Landesgericht Ried im Innkreis in seinem Berufungsurteil vom 23.04.2012 - als letztinstanzliches Gericht - bestätigt, in dem es ausführt:

 

Zur Frage der Konsequenzen des Urteils des EuGH vom 09. September 2010 in der RsC 64/08 „Engelmann" für die Anwendung des § 168 StGB liegt bislang, soweit auch unter Einsatz von RlS-Justiz überschaubar, eine Entscheidung des OGH nicht vor.

 

Vielmehr ist hiezu eine kontroversielle Diskussion zwischen Vertretern der Lehre einerseits und einer gemeinsamen Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Finanzen andererseits entstanden.

 

Dabei schließt sich das Berufungsgericht den Vertretern der Lehre an, wobei Univ.Prof.DDr. Peter Lewisch im Rahmen dessen Rechtsgutachtens vom 04. November 2010 am überzeugendsten erscheint Danach kommt Lewisch, der sich unter anderem auch ausführlich mit der gemeinsamen Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz und des Bundesministeriums für Finanzen auseinandergesetzt hat, zum Ergebnis, dass sich aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Engelmann die EU-Rechtswidrigkeit der österreichischen glücksspielrechtlichen Marktzugangsrecht in den entscheidenden Fragen des Sitzerfordernisses und der intransparenten Vergabe der Konzessionen ohne Ausschreibung ergibt. Die diesbezüglichen Regeln des österreichischen Glücksspielrechts haben daher gegen die Artikel 43 und 49 EG - nunmehr Artikel 49 und 56 AEUV - verstoßen. Diese EU-Rechtswidrigkeit im Bezug auf das österreichische Marktzugangsrecht schlägt auf das strafrechtliche Rechtsdurchsetzungsregime durch: Sind die glücksspielrechtlichen Marktzugangsregeln EU-rechtswidrig, dürfen diese auch nicht im Wege eines Strafverfahrens gemäß § 168 StGB durchgesetzt werden. Es gilt infolge der Vorrangwirkung des EU-Rechts ein unmittelbar EU-rechtlich begründetes Anwendungsverbot konfligierenden Strafrechts.

 

Darauf, ob sich das maßgebliche Sachrecht auch EU-konform ausgestalten ließe, kommt es nicht an. Maßgeblich ist der Verstoß gegen das EU-Recht hier und jetzt Im Ergebnis bedeutet dies, dass im Fall Engelmann und auch in allen vergleichbaren Konstellationen § 168 StGB unangewendet zu bleiben hat.

 

Mehr noch: Angesichts der eindeutigen Rechtslage wäre eine Anwendung des § 168 StGB rechtlich unvertretbar!

 

Beweis: beizuschaffender   Akt   des   Bezirksgerichtes   Ried   im   Innkreis, 4 U 85/06f,

Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 23.04.2012, 22 BI13/12v (Beilage ./6)

beizuschaffender Akt des Bezirksgerichtes Schärding, 1 U 223/05p Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 23.07.2012, 22 Bi 29/12x (Beilage ./7)

 

Ebenso   Landesgericht   Innsbruck   als   letztinstanzliches   Gericht   im Berufungsurteil vom 19.06.2012, 21 BI374/11z (Beilage ./8).

 

Ebenso Landesgericht Feldkirch als letztinstanzliches Gericht im Berufungsurteil vom 03.04.2013, 25 BI 32/12p (Beilage ./9).

 

Desweiteren weist die Einschreiterin darauf hin, dass auch der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich jüngst massive europarechtliche Bedenken gegen das österreichische Glücksspielrecht geäußert hat und in vier anhängigen Verfahren (VwSen-740121/2/Gf/Rt u.a.) wegen Beschlagnahme und Verwaltungsübertretung der §§ 2 Abs. 4, 52 Abs. 1 GSpG mit Antrag vom 10.08.2012 an den Gerichtshof der Europäischen Union auf Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV nachstehende vier Vorlagefragen vorgelegt hat:

 

1. Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den in den Ausgangsverfahren maßgeblichen Bestimmungen der §§ 3 bis 5 sowie §§ 14 und 21 GSpG, die die Durchführung von Glücksspielen mittels Automaten nur unter der -sowohl strafsanktionierten als auch unmittelbar sacheingriffsbedrohten -Voraussetzung der Erteilung einer vorangehenden, jedoch nur in begrenzter Anzahl verfügbaren Erlaubnis ermöglicht, obwohl bislang - soweit ersichtlich - von staatlicher Seite in keinem einzigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren nachgewiesen wurde, dass eine damit verbundene Kriminalität und/oder Spielsucht tatsächlich ein erhebliches Problem, dem nicht durch eine kontrollierte Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten auf viele Einzelanbieter, sondern nur durch eine kontrollierte, mit bloß maßvoller Werbung verbundene Expansion eines Monopolisten (bzw. sehr weniger Oligopolisten) abgeholfen werden kann, darstellen, entgegen?

 

2. Für den Fall, dass diese erste Frage zu verneinen ist: Steht das in Art. 56 AEUV und in den Art. 15 bis 17 EGRC zum Ausdruck kommende Verhältnismäßigkeitsprinzip einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und §168 StGB, durch die im Wege unbestimmter Gesetzesbegriffe im Ergebnis eine nahezu lückenlose Strafbarkeit auch vielfältiger Formen von nur sehr

entfernt beteiligten (u.U. in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässigen) Personen (wie bloßen Vertretern, Verpächtern oder Vermietern von Glücksspielautomaten) eintritt, entgegen?

 

3. Für den Fall, dass auch die zweite Frage zu verneinen ist: Stehen die demokratisch-rechtsstaatlichen Anforderungen, wie diese offenkundig dem Art. 16 EGRC zu Grunde liegen, und/oder das Fairness- und Effizienzgebot des Art. 47 EGRC und/oder das Transparenzgebot des Art. 56 AEUV und/oder das Doppelverfolgungs- und -bestrafungsverbot des Art. 50 EGRC einer nationalen Regelung wie den §§ 52 bis 54 GSpG, § 56a GSpG und §168 StGB, deren wechselseitige Abgrenzung mangels eindeutiger gesetzlicher Regelung für einen Bürger ex ante kaum vorhersehbar und berechenbar, sondern im konkreten Einzelfall jeweils erst im Wege eines aufwändigen förmlichen Verfahrens klärbar ist, an die sich jedoch weitreichende Unterschiede hinsichtlich der Zuständigkeiten (Verwaltungsbehörde oder Gericht), der Eingriffsbefugnisse, der damit jeweils verbundenen Stigmatisierung und der prozessualen Stellung (z.B. Beweislastumkehr) knüpfen, entgegen?

 

4. Für den Fall, dass eine dieser drei ersten Fragen zu bejahen ist: Steht Art. 56 AEUV und/oder Art. 15 bis 17 EGRC und/oder Art. 50 EGRC einer Bestrafung von Personen, die in einer der in § 2 Abs. 1 Z. 1 und § 2 Abs. 2 GSpG genannten Nahebeziehung zu einem Glücksspielautomaten steht, und/oder einer Beschlagnahme bzw. Einziehung dieser Geräte und/oder einer Schließung des gesamten Unternehmens solcher Personen entgegen?

 

Inhaltlich soll dabei vom Gerichtshof der Europäischen Union beurteilt werden, ob das dem österreichischen Glücksspielgesetz zu Grunde liegende Monopol bei der Vergabe von Lizenzen zur Durchführung verschiedener Glücksspielarten (wie zum Beispiel Lotterien, Spielbanken, Pokersalons, Automatenglücksspiel) dem Verhältnismäßigkeits- und Kohärenzgebot des Art. 56 AEUV entspricht und ob die darauf aufbauenden Straf- und Sicherheitsbefugnisse der Behörden (Beschlagnahme, Einziehung und Betriebsschließung) durch den Rahmen der Europäischen Grundrechtecharta gedeckt sind.

 

Mit dieser Vorgangsweise soll möglichst rasch Rechtsklarheit und damit auch Rechtssicherheit geschaffen werden.

 

Beweis:   Presseaussendung vom 16.08.2012 (Beilage ./A)

 

Das Verfahren ist nunmehr beim Gerichtshof der Europäischen Union zu C-390/12 anhängig.

 

Beweis:   Info Curia Abfrage vom 02.04.2013, (Beilage ./B)

 

Da die oben angeführten Fragen des Vorabentscheidungsersuchens des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich auch für das Verfahren der Einschreiterin von entscheidungswesentlicher Bedeutung sind stellt die Einschreiterin den

 

Antrag

 

das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Rechtssache C-390/12 über den Vorlageantrag des Unabhängigen Verwaltungssenates Oberösterreich auszusetzen. (Vgl. VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316; VwGH 09.11.2011, 2011/22/0284 mwH).

Desweiteren weist die Einschreiterin ergänzend auf nachstehende Judikatur -zusammen- und dargestellt von Univ.Prof. Dr. Franz Leidenmühler und Ass.Prof.Dr. Michael Mayrhofer Institut für Europarecht, Johannes Kepler Universität Linz - hin:

 

Österreichische Monopolregelung im Glücksspiel als Beschränkung der Grundfreiheiten des Unionsrechts

 

1. Glücksspielmonopol als Beschränkung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit

 

Die österreichische Monopolregelung im Glücksspiel sowie die zur Absicherung erlassene Strafnorm des § 168 StGB und § 52 GSpG beschränken die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungs- (Art. 56 AEUV) sowie Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Zu dieser Auffassung ist mittlerweile auch der größte Teil des einschlägigen Schrifttums gelangt.

 

Siehe Griller/Reindl, Unvereinbarkeit des österreichischen Glücksspielgesetzes mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, ZfV 1998, 234 ff.; Schwartz, Glücksspielmonopol mit Ablaufdatum, ecolex 1999, 582 ff. (584); Streit, Glücksspiel ohne Grenzen im Binnenmarkt?, MR 1999, 360 ff.; Wohlfahrt, Der Zweck heiligt nicht immer die Mittel, ecolex 2000, 166 ff. (167 f.); Leidenmühler/Plöckinger, Grenzüberschreitende Internet-Glücksspiele, ÖJZ 2006, 842 ff. (848); Faffelberger, Österreichisches Glücksspielgesetz europarechtskonform?, ÖJZ 2008, 847 ff. (849); Leidenmühler, Internet-Glücksspiel und Dienstleistungsfreiheit nach „Liga Portuguesa" - Weiterhin viele offene Fragen, EuLF 2010, 11-1 ff.; ders. Das „Engelmann"-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, 247 ff.; Barbist/Pinggera, Zur Zulässigkeit des österreichischen Gücksspielmonopols, EuZW 2010, 285 f.; Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff.; Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011,134 ff.; Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Omer; Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243 ff.; Aquilina/Arzt, Der Kampf um den Glücksspielmarkt geht in die nächste Runde, ecolex 2011, 1070 ff. (1072); Kohl, Straflosigkeit von konzessionslosem Glücksspiel?, ZfV 2011,756 ff.

 

Auch immer mehr Gerichte kommen mittlerweile zum Ergebnis der Unionsrechtswidrigkeit der österreichischen Glücksspielregelungen.

 

Siehe z.B. LG Korneuburg 8.6.2007, 2 Cg 81/07 y; HG Wien 11.7.2007, 17 Cg 37/07 h-4; LG Ried 14.3.2011,22 BI 33/08 d; LG Linz 22.3.2012, 1 Cg 190/11 y-14; LG Ried 23.4.2012, 22 BI 13/12v; LG Ried 23.7.2012, 22 BI 29/12x.

 

Und zuletzt hat der EuGH in seiner Entscheidung in der Rs. Dickinger und Ömer hinsichtlich der österreichischen Rechtslage festgestellt:

 

„41. Eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die des Ausgangsverfahrens, die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen - auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen -Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Dienstleistungen über das Internet anzubieten, stellt eine Beschränkung des in Art. [56 ABU V] verbürgten freien Dienstleistungsverkehrs dar"

 

Eine Regelung wie die österreichische, „die die Veranstaltung und die Förderung von Glücksspielen einer Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines einzigen Anbieters unterwirft und es allen anderen - auch den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen - Anbietern untersagt, im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats von dieser Regelung erfasste Leistungen anzubieten" beschränkt nicht nur den freien Dienstleistungsverkehr, wie vom EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer ausdrücklich festgestellt, sondern auch die Niederlassungsfreiheit jener Anbieter aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht nur - wie die Dienstleistungserbringer - vorübergehend, sondern dauerhaft Leistungen in Österreich anbieten wollen.

 

So ist auch der EuGH schon in seinem Urteil im Fall Engelmann (EuGH, Rs. C-64/08, Engelmann) davon ausgegangen, dass sich die Regelungen des österreichischen GSpG auch an der Niederlassungsfreiheit messen lassen müssen (Rz. 28 u. 32).

 

2. Beschränkung der Grundfreiheiten nur ausnahmsweise und unter strengen Voraussetzungen zulässig: Ausnahmen zu den Grundfreiheiten sind eng auszulegen

 

Der EuGH gesteht den Mitgliedstaaten in ständiger Rsp. zwar zu, in die Grundfreiheiten des Binnenmarkts, etwa durch Errichtung einer Monopolregelung, einzugreifen, dies aber nur ganz ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen.

 

Siehe EuGH, Rs. C-260/89, ERT. Rz. 24, wonach Ausnahmen zu den Grundfreiheiten immer „eng auszulegen" sind. Ähnlich EuGH, Rs. C-273/97, Sirdar, Rz. 16: Ausnahmen nur „in ganz außergewöhnlichen Fällen".

 

Im Folgenden wird dargelegt, dass derzeit weder die vom EuGH geforderten verfahrensmäßigen Vorgaben (L), noch die materiellen Voraussetzungen (II.) für eine zulässige Beschränkung der Grundfreiheiten von Anbietern aus anderen Mitglied Staaten erfüllt sind.

 

I. Verfahrensrechtliche Vorgabe des Unionsrechts für die Zulässigkeit einer Monopolregelung im Glücksspielbereich: Nichtdiskriminierung und Transparenz

 

In seinem Urteil im Fall Engelmann hat der EuGH die Kriterien für die Vergabe der Konzessionen im Zusammenhang mit dem österreichischen GSpG klargestellt. Der EuGH weist darauf hin, dass

 

„49. [...] die öffentlichen Stellen, die solche Konzessionen vergeben, [...] die Grundregeln der Verträge, insbesondere Art. [49] und [56 AEUV ...] zu beachten haben".

 

Aus den betreffenden Bestimmungen über die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit leitet der EuGH ein Diskriminierungsverbot sowie ein Transparenzgebot ab.

Aus diesem Grund hat er die damals gegebene Verpflichtung der Konzessionsinhaber, ihren Sitz im Inland zu haben, als unvereinbar mit der in Art. 49 AEUV gewährleisteten Niederlassungsfreiheit angesehen (Rs. C-64/08, Engelmann, Rz. 32).

 

Außerdem stellte nach Auffassung des EuGH die ohne angemessenen Grad an Öffentlichkeit durchgeführte Vergabe einer Konzession an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in dem Mitgliedstaat niedergelassen ist, dem der öffentliche Auftraggeber angehört (die Österreichische Lotterien GmbH), eine Ungleichbehandlung zum Nachteil von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmern dar, die keine reale Möglichkeit hatten, ihr Interesse an der fraglichen Konzession zu bekunden. Eine derartige Ungleichbehandlung verstößt laut EuGH daher gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und stellt eine (mittelbare) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit dar, die nach den Art. 49 und 56 AEUV verboten ist.

 

Siehe EuGH, Rs. C-64/08, Engelmann, Rz. 43, 51 u. 58. Zum Transparenzgebot vgl. Stadler/Aquilina, Der unionsrechtliche Transparenzgrundsatz im Glücksspiel, ecolex2010, 813 ff.

 

Ob mit der im Jahr 2011 auf Basis der GSpG-Novelle 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010) durchgeführten Neuvergabe der Konzession für Ausspielungen gem. §14 GSpG den Anforderungen des EuGH an ein nicht-diskriminierendes und transparentes Verfahren tatsächlich Genüge getan wurde, ist zu bezweifeln (Verfahren vor dem VfGH laufen). Die vom EuGH im Urteil Engelmann festgestellten Unionsrechtswidrigkeiten wurden immer noch nicht beseitigt.

 

Zwar wurde das Sitzerfordernis für die Ausspielungskonzession derart abgeändert, dass ein Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat ausreichend wäre, allerdings nur, wenn der potentielle Konzessionär auch im anderen Mitgliedsstaat, in dem er niedergelassen ist, über eine „vergleichbare Lizenz" verfügt. Andernfalls muss der Konzessionär, im Fall einer erfolgreichen Bewerbung, eine Niederlassung in Österreich gründen. Die Erläuternden Bemerkungen des Ministerialentwurfs (zu den §§14 und 21 GSpG) führen weiters aus, dass es die Pflicht der Bewerber (!), die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, ist, den Nachweis der Vergleichbarkeit der Konzessionen sowie eine Erklärung der ausländischen Glücksspielaufsichtsbehörde zur Bereitschaft zur Verwaltungszusammenarbeit mit den österreichischen Behörden beizubringen.

 

Diese Änderungen durch die GSpG-Novelle 2011, auf deren Grundlage das Vergabeverfahren für die Ausspielungskonzession durchgeführt wurde, diskriminieren Konzessionswerber aus anderen Mitgliedstaaten weiterhin, weit es für Konzessionswerber aus Österreich ausreicht, einen Sitz im Inland zu haben, während Interessenten aus anderen Mitgliedstaaten zahlreiche Hürden zu absolvieren haben: Selbst mit einem Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat muss eine vergleichbare Lizenz in diesem Mitgliedstaat nachgewiesen und die Erklärung der dortigen Behörde beigebracht werden, während ein österreichischer Bewerber keines von beidem vorweisen muss. Darüber hinaus lässt die Bestimmung „vergleichbare Aufsicht und Kontrolle im Ausland" der österreichischen Behörde einen allzu weiten Ermessensspielraum. Eine Erklärung seitens der ausländischen Glücksspielbehörde, die der Bewerber einholen muss, ist nicht rechtfertig bar. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist es die Pflicht der österreichischen Behörden (und nicht des Bewerbers), die Verwaltungszusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden aufrecht zu erhalten.

 

Zudem war die Vergabe der Ausspielungslizenz an Kriterien geknüpft, die auf den bisherigen Konzessionsinhaber, die X GmbH zugeschnitten waren (Mindestkapital, Namensaktien, Verbot von Filialbetrieben außerhalb Österreichs, Bestellung eines Staatskommissärs usw.) und über das zur Zielerreichung erforderliche hinausgehen und daher mit der Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar sind.

 

Siehe Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff-(1007); Leidenmühler, Internet-Glücksspiel und Dienstleistungsfreiheit nach „Liga Portuguesa" -Weiterhin viele offene Fragen, EuLF 2010, 11-1 ff. (4); Kattinger, Als ob Casinos Austria ausgeschrieben hätte, NZZ v.27.12.2011.

 

Dies führt zum Ergebnis, dass das GSpG selbst nach den Novellierungen 2011 weiterhin nicht unionsrechtskonform ausgestaltet ist und die Konzessionsvergabe an die X GmbH nicht in einem den Anforderungen des Unionsrechts genügenden Verfahren erfolgt ist.

 

Eingehend Stadler/Aquilina, Das Engelmann-Urteil und seine Auswirkungen auf Österreich, TIME Law News 05/2010,10 ff. (15 f.).

 

In einem ähnlich gelagerten Fall hat der EuGH am 16.2.2012 im Urteil Costa und Cifone (verb. Rs. C-72/10 u. C-77/10) verlangt, dass im Falle einer Neuausschreibung einer Konzession die Geschäftspositionen des bisherigen Inhabers nicht geschützt werden dürfen:

 

„53. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die von den bestehenden Betreibern erworbenen Geschäftspositionen durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geschützt werden. Bereits der Umstand, dass die bestehenden Betreiber einige Jahre früher als die rechtswidrig ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmer ihre Tätigkeit aufnehmen und sich auf dem Markt mit einer gewissen Bekanntheit und Stammkunden etablieren konnten, verschafft  ihnen   einen   ungerechtfertigten   Wettbewerbsvorteil. Ihnen gegenüber den neuen Konzessionären zusätzliche Wettbewerbsvorteile einzuräumen, hat zur Folge, dass die Wirkungen des rechtswidrigen Ausschlusses dieser neuen Konzessionäre [...] aufrechterhalten und verstärkt werden, und stellt damit eine weitere Verletzung der Art. [49 u. 56 AEUV] sowie des Grundsatzes der Gleichbehandlung dar. Eine solche Maßnahme erschwert auch rechtswidrig von der Ausschreibung [...] ausgeschlossenen Wirtschaftsteilnehmern übermäßig die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte, so dass sie nicht dem Effektivitätsgrundsatz genügt."

 

Damit gilt auch bis auf weiteres die vom EuGH im Engelmann-Urteil - sowie zuvor schon in den Fällen Placanica (verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04, Placanica u.a., Rz. 69) und Stoß (verb. Rs. C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, Markus Stoß u.a., Rz. 115) -getroffene Feststellung, wonach keine Bestrafung wegen Nichterfüllung einer Verwaltungsformalität erfolgen darf, wenn die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt wurde.

 

„Außerdem ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt hat [...]."

 

Diese Rechtslage dauert so lange an, bis in einem tatsächlich diskriminierungsfreien Verfahren eine unionsrechtskonforme Konzessionsvergabe erfolgt ist.

 

Siehe Leidenmühler, Das „Engelmann'-Urteil des EuGH - Rien ne va plus für das österreichische Glücksspielgesetz, MR 2010, 247 ff. (249); Stoiber, Tore für Glücksspiel weit offen, SN v. 28.9.2010, 14; Strejcek, Glücksspiel ohne Konzession gehört entkriminalisiert, Der Standard v. 13.10.2010; Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011,134 ff.

 

II.       Materielle Vorgabe des  Unionsrechts für die Zulässigkeit eines Monopols im Glücksspielbereich: Kohärenz

 

In seinem Urteil in der Rs. Dickinger und Ömer (Rs. C-347/09), hat der EuGH seine Judikatur zu den Voraussetzungen für die Errichtung eines Glücksspielmonopols präzisiert. Der EuGH geht dabei speziell auf die österreichischen rechtlichen und faktischen Gegebenheiten ein und knüpft die Kohärenz und damit die Zulässigkeit eines Monopols als Eingriff in die Grundfreiheiten des Unionsrechts an drei kumulative Voraussetzungen.

 

Liegen diese nicht vor, so können die betreffenden Regelungen jenen Unternehmen, die sich auf die Grundfreiheiten des Unionsrechts stützen können ( - sei es direkt, sei es aufgrund des innerstaatlich normierten Gleichheitssatzes - ) nicht entgegengehalten werden - die gesamte Monopolregelung ist unanwendbar (Rz. 40 ff.)!

 

Der Ausgangssachverhalt im Fall Dickinger und Ömer hat die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs betroffen. Der EuGH hat dies aber zum Anlass genommen, sich ganz allgemein mit der unionsrechtlichen Zulässigkeit einer Monopolregelung im Glücksspielbereich auseinanderzusetzen, sodass diese Kriterien unverändert auf die Zulässigkeit von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit übertragen werden können.

 

Die Beweislast für die ausnahmsweise Zulässigkeit der Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine monopolistische Regelung trägt dabei die Republik Österreich (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 54).

 

Im Detail verlangt der EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer, dass zur Beurteilung ihrer ausnahmsweisen unionsrechtlichen Zulässigkeit die österreichische Monopolregelung hinsichtlich Ausspielungen ganz streng auf folgende drei (kumulativ zu bejahende) Fragen zu prüfen ist:

 

1.           Kann der Nachweis geführt werden, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können?

 

2.           Zum zweiten ist der Nachweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind. Dies, so der EuGH, ist z.B. dann nicht der Fall, wenn „verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht“ gestellt werden.

 

3.           Zum dritten muss das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen den Vorgaben des EuGH hinsichtlich seiner Kohärenz genügen.

 

Den mit der Frage der unionsrechtlichen Zulässigkeit des österreichischen Glücksspielregelungen im Einzelnen befassten Gerichten und Behörden wird damit vom EuGH eine ganze Reihe umfangreicher empirischer Feststellungen sowie rechtlicher Würdigungen aufgetragen.

 

Vgl. Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Omer: Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243 ff. (244).

 

Liegen diese drei Voraussetzungen nicht kumulativ vor, so ist laut EuGH die gesamte Monopolregelung nicht unionsrechtskonform und kann daher (inklusive der entsprechenden Strafbestimmung des § 168 StGB sowie der entsprechenden verwaltungsstrafrechtlichen Regelungen) wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden:

 

„43. Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist zunächst festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung mit [dem Unionsrecht] nicht vereinbar ist'.

 

Die Beweislast trifft dabei nicht nur aufgrund der in Art. 6 Abs. 2 EMRK grundgelegten Unschuldsvermutung in allen Punkten die Republik Österreich. Der EuGH hat in der Rs. Dickinger und Ömer auch auf seine ständige Rsp. hingewiesen, wonach die Rechtfertigungslast für einen Eingriff in eine unionsrechtliche Grundfreiheit generell und jedenfalls beim Mitgliedstaat liegt, der ausnahmsweise eine Beschränkung dieser Garantien vornehmen will (Rz. 54).

 

1. Erste Voraussetzung: Kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Spiel müssen ein Problem darstellen

 

Zum ersten hält der EuGH im Urteil Dickinger und Ömer fest, dass die Monopolregelung nur dann eine Beschränkung der Grundfreiheiten eines Anbieters aus einem anderen EU-Mitgliedstaat rechtfertigen kann, wenn es der Republik Österreich, gelingt (Beweislast!), den Nachweis zu führen, dass im entscheidungserheblichen Zeitraum kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben („erheblicher Umfang der rechtswidrigen Tätigkeiten"; vgl. Rz. 67) und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können:

 

„66. Im Rahmen dieser Prüfung hat das vorlegende Gericht insbesondere zu untersuchen, ob im entscheidungserheblichen Zeitraum die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich ein Problem waren und eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können".

 

2. Zweite Voraussetzung: Geschäftspolitik und Werbeverhalten des Monopolisten müssen maßvoll und begrenzt sein

 

Zum zweiten stellt der EuGH wie schon bisher in ständiger Rsp. fest, dass für die Rechtmäßigkeit eines Monopols die vom Inhaber des Monopols verfolgte Geschäftspolitik besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich ihres kohärenten und systematischen Charakters erfordert. Dabei wird das vorlegende Gericht vom EuGH aufgefordert, zu prüfen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Monopolinhabers gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage ist, die geltend gemachten Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen.

 

„57. Das vorlegende Gericht wird folglich u. a. unter Berücksichtigung der Entwicklung des Glücksspielmarkts in Österreich prüfen müssen, ob die staatlichen Kontrollen über die Tätigkeit des Inhabers des Monopols gewährleisten können, dass dieser tatsächlich in der Lage sein wird, die geltend gemachten Ziele mit einem Angebot, das nach Maßgabe dieser Ziele quantitativ bemessen und qualitativ ausgestaltet ist, in kohärenter und systematischer Weise zu verfolgen".

 

Vor allem erwartet der EuGH von der Republik Österreich, den Beweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs, insbesondere seine Werbeaktivitäten, maßvoll und begrenzt sind, und nicht etwa „verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht stellen" und damit auf das Wachstum des gesamten Marktes an Spieltätigkeiten abzielen.

 

Insgesamt weist der EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer mit einer bislang nicht da gewesenen Deutlichkeit darauf hin, dass eine von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische, sich an die Allgemeinheit wendende Politik des Monopolisten unzulässig ist. Dass die Werbepolitik der Österreichischen Lotterien GmbH aber genau diesen - wie wir nun wissen unzulässigen - expansionistischen Charakter aufweist, hat schon das BG Linz in seinem Vorlageantrag im Fall Dickinger und Omer vom 10.4.2009 (GZ. 19 U 65/07z) festgehalten (Vorlagefrage 1 .b); siehe dazu EuGH, Rs. Dickinger und Omer, Rz. 59).

 

Und tatsächlich liegt es klar auf der Hand, dass die von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische Politik des Monopolisten (X GmbH und X AG können aufgrund der wechselseitigen Beteiligungsverflechtungen hier durchaus als Einheit betrachtet werden) den vom EuGH geforderten Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen geradezu konterkariert.

 

Nach den eindeutigen Vorgaben des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer darf die Werbung des Konzessionsinhabers nämlich keinesfalls

 

„[68] darauf abzielen, den natürlichen Spieltrieb der Verbraucher dadurch zu fördern, dass sie zu aktiver Teilnahme am Spiel angeregt werden, etwa indem das Spiel verharmlost, ihm wegen der Verwendung der Einnahmen für im Allgemeininteresse liegende Aktivitäten ein positives Image verliehen wird oder seine Anziehungskraft durch zugkräftige Werbebotschaften erhöht wird, die bedeutende Gewinne verführerisch in Aussicht stellen".

 

Der EuGH erlaubt damit nur Strategien des Monopolinhabers, die die am Markt vorhandenen Kunden über die Existenz der Produkte informieren sollen. Jene Strategien dagegen, die zu aktiver Teilnahme an Glücksspielen auffordern und anregen, die also auf das Wachstum des gesamten Marktes für Spieltätigkeiten abzielen, sind strikt untersagt, wenn das Monopol unionsrechtskonform sein will (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 69). Erfüllt der Konzessionsinhaber diese Voraussetzungen nicht, ist die gesamte Monopolregelung nicht unionsrechtskonform und kann wegen des Vorrangs des Unionsrechts nicht mehr angewendet werden (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 43).

 

Dies wurde jüngst auch von GA Mazak in den Schlussanträgen vom 20.09.2012

zu den verbundenen Rechtssachen C-186/11 William Hill und C-209/11 Sportingbet Plc festgestellt, im IV-Ergebnis wie folgt:

 

74. Aus den vorstehenden Gründen schlage ich vor, die vom Simvoulio tis Epikrateias (Griechenland) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

Die Art. 49 AEUV und 56 AEUV sind in dem Sinne auszulegen, dass eine nationale Regelung, die das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Organisation und zum Betrieb von Glücksspielen einem einzigen Unternehmen überträgt, das in der Form einer börsennotierten Aktiengesellschaft errichtet worden ist, gerechtfertigt sein kann, soweit sie tatsächlich das Ziel der Verminderung des Angebots von Glücksspielen oder das Ziel der Bekämpfung der mit Glücksspielen zusammenhängenden Kriminalität durch Lenkung der Spieler in kontrollierte Bahnen verfolgt und soweit sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, diese Ziele kohärent und systematisch zu erreichen. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, welches dieser Ziele mit der streitigen nationalen Regelung tatsächlich verfolgt wird und ob die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, die Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen. Insbesondere kann das nationale Gericht soweit es entscheidet, dass das Ziel der streitigen nationalen Regelung in der Beschränkung des Glücksspielangebots in Griechenland besteht nicht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Regelung tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, wenn es feststeilen sollte, dass der Monopolinhaber tatsächlich eine Expansionspolitik betreibt und dass das ihm übertragene ausschließliche Recht zu einer Ausweitung statt einer Verminderung des Glücksspielangebots führt. Sollte das nationale Gericht hingegen feststellen, dass das alleinige Ziel der streitigen nationalen Regelung darin besteht die mit Glücksspielen zusammenhängende Kriminalität zu bekämpfen, indem Spieler in erlaubte und geregelte Bahnen gelenkt werden, kann eine vom Monopolinhaber betriebene Expansionspolitik, die u. a. durch eine Ausweitung des Glücksspielangebots und Werbuno für diese Glücksspiele gekennzeichnet ist nur dann als kohärent angesehen werden, wenn die kriminellen und betrügerischen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Glücksspiel in Griechenland tatsächlich ein Problem erheblichen Umfangs darstellen, dem eine Ausweitung der zugelassenen und regulierten Tätigkeiten abhelfen könnte. Im Übrigen müssen erstens die Ausweitung des Glücksspielangebots und die Werbung für diese Glücksspiele maßvoll und eng auf das begrenzt bleiben, was   erforderlich   ist   um   die   Verbraucher   zu   den   kontrollierten Spielenetzwerken  zu lenken, und zweitens muss das Glücksspielangebot des Monopolinhabers einer strikten behördlichen Kontrolle unterliegen. Die streitige nationale Regelung, mit der das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Organisation und zum Betrieb von Glücksspielen übertragen wird, darf, sofern sie nach den Feststellungen des nationalen Gerichts nicht mit den Art. 49 AEUV und 56 AEUV vereinbar ist weil sie nicht dazu beiträgt, Wetttätigkeiten zu begrenzen oder Spieler in systematischer und kohärenter Weise in kontrollierte Bahnen zu lenken, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden.

 

Die Marktpolitik der Konzessionsinhaber Österreichische Lotterien GmbH und Casinos Austria AG erfüllt geradezu mustergültig alle vom EuGH aufgestellten Kriterien, wie das Marktverhalten des Monopolisten gerade NICHT sein darf:

 

 

a.           Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel

 

In zahlreichen Werbekampagnen erfolgt eine Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel. So stehen die Österreichische Lotterien GmbH/Casinos Austria AG bei den Werbeausgaben in Österreich an 7. Stelle (35,5 Mio Euro; Focus Media Research 2010). Regelmäßig erfolgen ganzseitige Einschaltungen in sämtlichen Tagesmedien.

 

Eine neue Video-Kampagne (ausgestrahlt im TV und im Internet) für die Internet-Plattform X („X") zielt darauf ab, Menschen aus tristen oder belastenden Alltagssituationen in eine bunte Welt der Online-Spiele abtauchen zu lassen.

 

Durch die Kooperation mit dem ORF, z.B. durch Ausstrahlung der Lottoziehungen oder der Sendung „X" (öffentliche Lottoziehungen im Vorabendprogramm wurden übrigens von deutschen Gerichten aus Kohärenzgründen schon als EU-widrig angesehen - vgl. OVG Münster, 29.9.2011, Az. 4 A 17/08) wird eine große Reichweite erzielt.

 

Weiters dienen Werbekampagnen wie z.B. für die Produkte „Magic Money", „Lucky Joker" oder „Cherry Star" eindeutig der Anregung zur aktiven Teilnahme am Spiel.

 

Ein weiterer Beleg für die Strategie, das Glücksspiel „massentauglich" zu machen, ist der über die Post abgewickelte Verkauf von Briefmarken zu € 1,45 mit dem Motiv „25 Jahre Lotto". Oberhalb der Marke befindet sich ein Barcode, den man in der Trafik für einen Lotto-Gratistipp einlösen kann.

 

Beweis: Einschaltung „Ihre Glücksseite" in der Tageszeitung Österreich; Werbebeispiel für das Produkt „Lucky Joker" (Beilage ./I).

 

b.           Dem Spielen als solchem wird ein positives Image zugeschrieben

 

Werbebotschaften wie z.B. „Gewinnen macht schön" oder „Das Glück steht Ihnen gut" schreiben dem Spielen als solchem definitiv ein positives Image zu. Auch Slogans wie „Gewinne Ruhm für die Ewigkeit!" beim Hörsaal-Poker oder „Lotto sichert Ihre Pension" belegen das Spielen um „Ruhm" oder um die Altersversorgung positiv.

 

Bildliche Verknüpfungen mit erfreulichen Ereignissen (z.B. Hochzeit) konnotieren das Spielen ebenfalls positiv.

 

Zudem wird durch das Suggerieren der vermeintlichen gemeinnützigen Ver­wendung der Erlöse der X GmbH/X AG (z.B. Unterstützung des Wiener Burgtheaters) dem Spielen ein positives Image zugeschrieben („Ein Gewinn für die Kultur" und „Gut für Österreich")

 

Beweis: Annoncen „Gewinnen macht schön"; „Das Glück steht Ihnen gut"; „Hörsaal-Poker" (Beilage ./II); Annonce „Brautpaar" (Beilage ./III);

Anzeige im Burgtheatermagazin „Ein Gewinn für die Kultur!" (Beilage ./IV);

 

c.            Bedeutende Gewinne werden verführerisch in Aussicht gestellt

 

Im Rahmen der „Euro-Millionen" werden Gewinne bis zu 120 Millionen Euro (!) in Aussicht gestellt; Zeitungswerbung „10 Millionen Euro an einem Tag"; Einschaltung mit Sujets wie „Automatisch Millionär werden: Millionär auf Knopfdruck mit MegaMillion"; permanent werden millionenschwere „Lotto-Jackpots" beworben.

 

Beweis: Einschaltungen „Euro-Millionen" (Beilage ./V);

 

d.           Neue Zielgruppen werden zum Spielen animiert

 

Durch das Ansprechen neuer Zielgruppen (insbesondere Frauen und junge Menschen der „Generation Facebook") wird versucht, den Markt für Spiele insgesamt zu erweitern.

 

aa) Frauen

Die Werbelinie „Diamantenfieber" im Jahr 2009 sollte Frauen zum „Damentag" in die Casinos locken; im Jahr 2010 war eine Muttertagswerbeaktion für einen Casino-Besuch gezielt auf Frauen als neue Zielgruppe ausgerichtet. Erklärungen in den Annoncen („Wie funktioniert Roulette?"; „Wie funktioniert Poker?") belegen explizit, dass von diesen Werbungen neue Zielgruppen angesprochen werden sollen und damit der Markt für Glücksspiel insgesamt erweitert werden soll, da dem bestehenden Publikum die Regeln dieser populärsten Spiele sicherlich bekannt sind. Kommt hinzu, dass solche Einschaltungen, mit denen etwa das Funktionieren von Roulette erklärt wird, durchaus geeignet sind, die Adressaten dieser Einschaltung (im Fall der gegebenen Annonce: Frauen) herabzuwürdigen, da ihnen derlei fundamentale Kenntnisse nicht zugetraut werden.

 

Beweis: Annoncen „Damentag"; „Diamantenfieber" (Beilage ./Vl);

 

bb) „Generation Facebook"

Jugendliche Internet-Benutzer wiederum sollen beispielsweise durch die an das populäre Facebook-Spiel „Farmville" angelehnte Internet-Slotmaschine „Farmwin" angesprochen werden. Mit dem Unterschied, dass im Gegensatz zum ohne Einsatz zu spielenden Facebook-Spiel „Farmville" bei der Variante auf win2day.at pro Spiel ein Einsatz von bis zu € 15 möglich ist.

 

Viele andere Spiele (z.B. „Pinguin Splash - die coole Slot"! oder „Panda") sprechen in Stil und Bewerbung jugendliches Zielpublikum an.

 

Eines der jüngsten Produkte, das ebenfalls durch graphischen Auftritt und Bedienweise vorrangig auf die „Generation Facebook" ausgerichtet ist, ist die Multi-fine-Slotmaschine „Robbie Rich", die in jugendlichem Design speziell zum Spielen unterwegs mit iPhone oder Android ausgelegt ist: Im Werbetext auf der Homepage win2day.at heißt es dazu: „Damit Sie Robbie Rich immer griffbereit haben, können Sie das Spiel direkt auf Ihr Handy laden". Das Spiel wird weiters mit dem Slogan „Unterwegs abtauchen mit Robbie Rich" beworben. Pro Spiel ist ein Einsatz von bis zu 15 € möglich.

 

In Richtung junges Zielpublikum geht schließlich auch die Einrichtung einer eigene X-Facebook-Seite

 

Beweis: Werbung Internet-Spiele „Farmwin"; „Robbie Rieh" (Beilage ./VII).

 

cc) Stylisches und selbstbewusstes Zielpublikum

Nach Eigenangaben soll schließlich durch eine neue „stylische" Werbelinie im Internetauftritt auch der moderne, selbstbewusste Gast angesprochen werden So heißt es im Subtext eines Werbevideos auf „Youtube.com":

 

„Start der neuen Werbelinie Stylish, modern und zeitgemäß — die neue Kampagne von X inszeniert das "X" aus einem neuen Blickwinkel. Der neue Auftritt - kreiert und umgesetzt von der Agentur "X" -stellt dabei den modernen, selbstbewussten Gast ins Zentrum der Kommunikation, setzt das

 

Erlebnis gekonnt in Szene und verleiht den Casinos Austria einen neuen, stilsicheren Auftritt. Gespielt wird bei den Sujets mit Headlines in Dialogform wie etwa "Sie sind ein Glückskind? Beweisen Sie es!", die mit Augenzwinkern und einer stylischen Bildsprache das Flair der Casinos wiederspiegelt".

 

Beweis: Video mit Subtext auf Youtube:

www.voutube,com/watch?v=WiQNFBIoQJU: hochgeladen von casagTV am 27.9.2011

 

e. Zwischenergebnis

Das faktische Verhalten der Konzessionsinhaber X GmbH und X AG widerspricht damit den klaren Vorgaben des EuGH eindeutig und offenkundig. Zu diesem Ergebnis gelangen auch sämtliche bislang publizierten Beiträge zu diesem Thema aus der Wissenschaft.

 

Siehe Aquilina/Arzt, Der Kampf um den Glücksspielmarkt geht in die nächste Runde, ecolex 2011, 1070 ff.: „Bei der Erfüllung der Kohärenzkriterien scheitert Österreich nach wie vor" (1072); ebenso Leidenmühler, EuGH-Urteil Dickinger und Ömer: Neues zum Online-Glücksspiel, MR 2011, 243 ff.

 

Damit steht jedenfalls fest, dass das österreichische Monopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht der klaren, vom EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer vorgegebenen Voraussetzung einer „maßvollen und begrenzten Werbung des Monopolisten" entspricht und daher unionsrechtswidrig ist.

 

Da die betreffende Regelung nicht mit den unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts vereinbar ist, kann der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers (sei es eines solchen, der sich direkt auf die Grundfreiheiten des Unionsrechts stützen kann, sei es eines solchen, auf den diese aufgrund des innerstaatlichen Gleichheitssatzes zu übertragen sind) dagegen nach der insoweit klaren Aussage des EuGH nicht zu rechtlichen Sanktionen führen (EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 43).

 

3.    Dritte    Voraussetzung:     Kohärenz    der    gesamten    staatlichen Glücksspielpolitik

 

Hinzu kommt, dass auch die dritte der vom EuGH geforderten kumulativen Voraussetzungen für die ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten durch ein Glücksspielmonopol nicht vorliegt: nämlich die Kohärenz der staatlichen Glücksspielpolitik insgesamt.

 

Denn nach der ständigen Rsp. des EuGH können Beschränkungen des Binnenmarktes im Bereich des Glücksspiels, wie sie etwa aus einem Konzessions­- oder Monopolsystem resultieren, nur dann gerechtfertigt werden, wenn sie geeignet sind, die geltend gemachten Ziele, etwa der Ordnungspolitik und des Verbraucherschutzes, „in einer kohärenten und systematischen Weise" zu erreichen (Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 56).

 

In zahlreichen Urteilen (z.B. EuGH, Rs. C-46/08, Carmen Media Group) hat der EuGH die Anforderungen an die Gesamtkohärenz präzisiert, muss demnach festgestellt werden, dass

 

„71. [...][a] andere Arten von Glücksspielen von privaten Veranstaltern, die über eine Erlaubnis verfügen, betrieben werden dürfen, als auch [b], dass in Bezug auf andere Arten von Glücksspielen, die nicht unter das Monopol fallen und zudem ein höheres Suchtpotenzial als die dem Monopol unterliegenden Spiele aufweisen, die zuständigen Behörden eine zur Entwicklung und Stimulation der Spieltätigkeiten geeignete Politik der Angebotserweiterung betreiben, um insbesondere die aus diesen Tätigkeiten fließenden Einnahmen zu maximieren, [so kann] das nationale Gericht berechtigten Anlass zu der Schlussfolgerung haben [...], dass ein solches Monopol nicht geeignet ist, die Erreichung des mit seiner Errichtung verfolgten Ziels dadurch zu gewährleisten, dass es dazu beiträgt, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen.“

 

In ersten Äußerungen im Schrifttum wird festgestellt, dass es angesichts seiner konkreten Anwendungsmodalitäten dem österreichischen rechtlichen Rahmen im Glücksspielsektor jedenfalls an der vom EuGH geforderten Kohärenz mangelt.

 

Talos/Stadler, EuGH kippt österreichisches Glücksspielmonopol, ecolex 2010, 1006 ff. (1007 f.). Siehe zum Kohärenzerfordernis weiters Lippert, Das Kohärenzerfordernis des EuGH, EuR 2012, 90 ff.

 

Der Grund liegt darin, dass die Normierung des Glücksspielsektors im weiteren Sinne ein erhebliches Maß an Inkonsequenz aufweist, da Glücksspiele mit gleichartigem Gefahrenpotential sowie Sportwetten völlig unterschiedlich reguliert werden. So ist etwa für Spielbanken mittlerweile die Vergabe von 15 Konzessionen an private Unternehmen vorgesehen (§ 21 Abs. 5 GSpG), für Ausspielungen (darunter fallt auch das Internet-Glücksspiel) die Vergabe einer Konzession (§ 14 GSpG), ebenso kann das Recht zur Durchführung sonstiger Ausspielungen unter bedeutend weniger strengen Auflagen an private Rechtsträger übertragen werden (§§ 32 bis 36 GSpG), weiters ist derzeit noch bis zum Ablauf der Übergangsfrist am 31.12.2014 das sog. „kleine Automatenglücksspiel" den Bundesländern zur Regelung überlassen (§ 60 Abs. 25 Z. 2 GSpG) und in vier Ländern zulässig, ebenso die Sportwetten, die in ganz Österreich aufgrund landesgesetzlicher Vorschriften als nur sehr locker reguliertes freies Gewerbe - u.a. auch online - angeboten werden.

 

Diese Inkohärenz ist durch die GSpG-Novellen 2008, 2010 u. 2011, die die Vergabe einer Konzession für einen „Pokersalon" an einen privaten Bewilligungswerber (§ 22 GSpG) durch den Bundesminister für Finanzen sowie die Vergabe von Bewilligungen für „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten" (§ 5 GSpG) durch die Bundesländer neu einführen, weiter verstärkt worden.

 

In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nach den Bestimmungen des österreichischen GSpG die Einnahmen aus dem Glücksspiel grundsätzlich den privaten Anbietern zugutekommen. Ebenso dienen das auf landesgesetzlicher Grundlage angebotene „kleine Automatenglücksspiel" bzw. die „Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten" sowie das Sportwettenangebot in erster Linie privater Gewinnerzielung.

 

Dazu kommt die stete Ausweitung des Angebots durch den Konzessionsinhaber, gerade im Bereich des Online-Glücksspiels, verbunden mit einer aggressiven, nahezu omnipräsenten Werbestrategie durch die X GmbH und X.

 

Weiters entspricht auch der Spielerschutz, insbesondere der Schutz der Spieler vor

übermäßigen Spielausgaben (z.B. durch persönliche Einsatzlimits u.a.) in der Praxis des Konzessionärs (siehe etwa den Fall „Kartnig") nicht den unionsrechtlichen Anforderungen an ein kohärentes System.

 

Und schließlich enthält das GSpG immer noch eine Reihe von Bestimmungen, die Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten unzulässig diskriminieren, wie z.B. die Werbebeschränkungen für Spielbanken aus dem EU-Raum (§ 56 Abs. 2 GSpG), wie kürzlich GA Mazak in den Schlussanträgen zur Rs. C-176/11, Hit Larix, festgestellt hat.

 

 

 

4. Zwischenergebnis

 

Die vom EuGH präzisierten (kumulativen) Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten von Glücksspielanbietern durch die Republik Österreich liegen allesamt nicht vor, vor allem wegen des in der Rs. Dickinger und Ömer präzisierten Maßstabs, der an das (Werbe)Verhalten des Monopolisten anzulegen ist.

 

Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, kann sie in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug sowie auf jene Inlandssachverhalte, wo dies aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes geboten ist, nicht weiter angewendet werden.

 

Vorabentscheidungsurteile des EuGH binden formal zwar nur das vorlegende Gericht (im gegebenen Fall das BG Linz) sowie die mit dem Fall befassten Instanzen; die vom EuGH vorgenommene Auslegung der Bestimmungen des Unionsrechts hat aber durchaus auch Bedeutung für alle anderen mit gleichgelagerten Sachverhalten befassten Gerichte und Behörden.

 

Daher hat auch das LG Linz - soweit ersichtlich das erste Gericht, das seit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Dickinger und Ömer mit einem einschlägigen Sachverhalt befasst war-zutreffend ausgeführt (LG Linz 22.3.2012, 1 Cg 190/11y - (Beilage ./5) anonymisiert in Kopie beigeschlossen):

 

„In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15.09.2011, Rs. C-34 7/09, Dickinger und Ömer, wies der EuGH darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung ein Glücksspielmonopol eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, eine solche Beschränkung jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie dem Ziel, ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, gerechtfertigt sein kann. [...]

 

Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Judikatur des EuGH gilt es nunmehr zu klären, ob im Allgemein Interesse liegende zwingende Gründe bestehen, die das österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung als adäquat und verhältnismäßig erscheinen lassen.

[...]

 

Der Werbeaufwand des Monopolisten ist enorm [...].

 

Unter Heranziehung der Judikatur des EuGH ist festzuhalten, dass die mit dem Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen gerechtfertigt werden können. Die (aggressive) Bewerbung der von den Monopolisten angebotenen Glücksspiele zielt vielmehr darauf ab, den Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen anstatt einer solchen Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken. [...]

 

Im Ergebnis hegt das erkennende Gericht daher keinen Zweifel daran, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung unionsrechtswidrig ist. Dies bedeutet wiederum, dass die monopolisierenden Bestimmungen der §§ 14, 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt sind. Die Beklagten sind sohin berechtigt, die gegenständlichen Dienstleistungen in Österreich anzubieten[...].

 

Der Einwand [...], wonach die Beklagten nicht berechtigt seien, das Roulettespiel in Österreich über das Internet anzubieten, da sie keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz hätten, geht sohin ins Leere, da dieser Umstand nur dann relevant wäre, wenn gar keine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen würde.“

 

III. Konsequenzen

 

Die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes entsprechen nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH für eine zulässige Beschränkung der Grundfreiheiten durch eine Monopolregelung und sind daher unionsrechtswidrig. Aus diesem Grunde ist die gesamte Monopolregelung des GSpG derzeit infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht verdrängt (Vorrang des EU-Rechts) und kann in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht weiter angewendet werden.

 

Gleiches gilt aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für reine Inlandssachverhalte wie im Falle der Einschreiterin.

 

Zu den Inlandssachverhalten

 

Was einen reinen Inlandssachverhalt angeht, so ist ein solcher zwar nicht direkt von den Grundfreiheiten des Unionsrechts erfasst. Das Unionsrecht steht aber dem nicht entgegen, dass aufgrund nationaler Bestimmungen (Diskriminierungsverbot, Gleichheitssatz, Willkürverbot usw.) zur Beseitigung der sog. Inländerdiskriminierung vorgeschrieben wird, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden.

 

Von einer Inländerdiskriminierung spricht man im Zusammenhang mit dem Unionsrecht nach hA dann, wenn EU-Ausländer einerseits und Inländer (Österreicher) andererseits in Bezug auf ihre Wirtschaftstätigkeit im Inland anders behandelt werden oder inlandsbezogene und grenzüberschreitende Sachverhalte eine Ungleichbehandlung erfahren, die auf eine Benachteiligung von eigenen Staatsangehörigen mit Sitz im Inland hinauslaufen kann (vgl. etwa Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz. 758, mit weiteren Nachweisen). Eine solche Diskriminierung widerspricht nach der ständigen, mit VfSIg. 14.963/1997 begonnenen Rechtsprechung des VfGH im Regelfall dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz (Art. 2 StGG, Art. 7 Abs. 1 B-VG) (vgl. zB VfSIg. 17.555/2005,18.656/2008 uvam.).

 

Die Anwendung des Unionsrechtes auf österreichische Staatsbürger war Thema im Bereich des österreichischen Grundverkehrsrechtes und ist im Gefolge der EuGH-Urteile zugunsten von Gebietsfremden (EuGH 01.06.1999, Konle, C-302/97, Slg. 1999, I-3099; EuGH 15.05.2003, Salzmann, C-300/01, Slg. 2003, I-4899; EuGH 23.09.2003, Ospelt, C-452/01, Slg. 2003, I-9743) heute einhellige Meinung in Lehre und Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes.

 

Begünstigungen von Gebietsfremden und Diskriminierung von Inländern konnten dem Gleichheitsgrundsatz nicht mehr standhalten (Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht, RZ 1355, Seite 647 mwH auf VfSLG 17.150; 17.422; VfGH 08.06.2005, G 163/04; VfGH 08.06.2005, G 159/04; VwGH 28.07.2004, 2002/04/0173).

 

Der EuGH hat in Vorabentscheidungsverfahren regelmäßig auch bei Vorliegen von Sachverhalten, die unzweifelhaft mit keinem ihrer Elemente über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausreichen, dennoch Bestimmungen des Unionsrechts auslegt - mit dem Hinweis, dass diese Auslegung für das vorlegende Gericht wegen der verfassungsrechtlich gebotenen Beseitigung der Inländerdiskriminierung von Relevanz sein kann.

 

Ständige Rsp.; siehe nur EuGH, verb. Rs. C-94/04 u. C-202/04, Cipolla u.a., Rz. 30; verb. Rs. C-570/07 u. C-571/07, Blanco Perez und Chao Gömez, Rz. 39; verb. Rs. C-357/2010 bis C-359/2010, Duomo Gpa, Rz. 28.

 

So hat der EuGH erst kürzlich von sich aus, ohne dass das vorlegende Gericht darauf Bezug genommen hätte, im Urteil Garkalns (Rs. C-470/11 v. 19.7.2012) in einem rein innerlettischen Sachverhalt, eine Auslegung des Unionsrechts mit dem Hinweis auf die gebotene Beseitigung einer Inländerdiskriminierung vorgenommen:

 

„20. Im vorliegenden Fall steht zwar fest, dass Garkalns ein in Lettland gegründetes lettisches Unternehmen ist und sämtliche Elemente des Ausgangsrechtsstreits innerhalb dieses einzigen Mitgliedstaats liegen. Dennoch kann die Antwort des Gerichtshofs, wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, dem vorlegenden Gericht auch unter derartigen Umständen von Nutzen sein, insbesondere dann, wenn sein nationales Recht vorschreiben sollte, dass einem inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in dergleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden".

 

Also immer dann, wenn nationale Bestimmungen wie etwa der Gleichheitssatz eine Beseitigung von Inländerdiskriminierungen gebieten, schlagen die Grundfreiheiten des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den EuGH auch auf inländische Wirtschaftsteilnehmer wie die Einschreiterin in Inlandssachverhalten durch.

 

Was die Rechtslage in Österreich angeht, so widerspricht nach der ständigen Judikatur des VfGH eine Inländerdiskriminierung im Regelfall dem Gleichheitssatz des Art. 7 B-VG (siehe VfGH 15.12.2011, G 77/10):

 

2.3.1. Nach ständiger Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ist eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger gegenüber Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung (vgl. VfSIg. 13.084/1992, 14.863/1997, 14.963/1997). Dieser Grundgedanke wurde vom Verfassungsgerichtshof in Anbetracht der 'doppelten Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht auch auf die so genannte 'Inländerdiskriminierung' übertragen (vgl. VfSIg. 14.863/1997, 14.963/1997,15.683/1999,18.656/2008).

 

Verstößt eine gesetzliche Bestimmung des nationalen Rechts gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, dann wird sie in Fällen mit Gemeinschaftsbezug (aufgrund des Anwendungsvorranges des Gemeinschaftsrechts) verdrängt. Die nationalen Normen sind dann so zu lesen, als ob die verdrängte Bestimmung nicht vorhanden wäre; es ist also der gemeinschaftsrechtskonforme nationale Regelungstorso anzuwenden. In allen anderen Fällen ist die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Vergleicht man nun die nationale Norm mit dem (durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechtes entstandenen) nationalen Regelungstorso, so ist zu prüfen, ob dabei nicht Sachverhalte ohne Gemeinschaftsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug diskriminiert werden (VfSIg. 17.150/2004,18.656/2008)."

 

Ständige Rsp.; siehe VfSIg. 14.963/1997; VfSIg. 17.150/2004; VfSIg. 17.422/2004; VfGH 15.12.2011, G 77/10.

 

Der gegebene Fall, in dem innerstaatliche Glücksspielregelungen einschließlich Strafbestimmungen aufgrund des Vorrangs der Grundfreiheiten des Unionsrechts auf Unionsbürger nicht angewendet werden dürfen, auf gleichgelagerte rein innerstaatliche Sachverhalte aber weiterhin anzuwenden sein sollen, ist geradezu ein Paradebeispiel der unsachlichen und unzulässigen Benachteiligung eigener Staatsangehöriger.

 

Dass in einem Sachverhalt wie diesem die Ungleichbehandlung nicht von vorneherein unmittelbar durch österreichische Normen, sondern erst durch den Anwendungsvorrang des Unionsrechts bewirkt wird, ändert nichts an der unzulässigen Diskriminierung (VfSIg. 17.150/2004):

 

„2.3. Verstößt eine gesetzliche Bestimmung des nationalen Rechts gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, dann wird sie in Fällen mit Gemeinschaftsbezug verdrängt. Die nationalen Normen sind dann so zu lesen, als ob die verdrängte Bestimmung nicht vorhanden wäre; es ist also der gemeinschaftsrechtskonforme nationale Regelungstorso anzuwenden. In allen anderen Fällen ist die nationale Norm in ihrer Gesamtheit anzuwenden.

 

Vergleicht man nun die nationale Norm mit dem (durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts entstandenen) nationalen Regelungstorso, wird eine Ungleichbehandlung ersichtlich und es ist zu prüfen, ob dabei nicht Sachverhalte ohne Gemeinschaftsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug diskriminiert werden."

 

Siehe auch VfSIg. 17.422/2004 und die dort zitierte Literatur. Vgl. aus dem Schrifttum weiters Münnich, Art. 7 EWGV und Inländerdiskriminierung, ZfRV 1992, 92 ff.; Loos/Zlatojevic, Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizern im FPG und NAG -verfassungswidrige Inländerdiskriminierung, migraLex 2006, 91 ff.; Haslehner, Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der europäischen Grundfreiheiten durch Verfassungs- und DBA-Recht, Taxlex 2007, 4040 ff. (442 ff.).

 

Eine sachliche Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung kann auch nicht im Vorliegen eines reinen Inlandssachverhalts erblickt werden. Denn wie der VfGH in ständiger Rsp. (siehe z.B. VfSIg. 14.963/1997; VfSIg. 17150/2004; VfSIg. 17.422/2004; VfGH 15.12.2011, G 77/10) ausführt, lässt es das Prinzip der doppelten Bindung des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Unionsrecht

 

„[...] im Allgemeinen nicht zu, den Umstand, dass eine bestimmte Regelung unionsrechtlich geboten ist, zugleich als alleinige sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Inländern und Unionsbürgern bei Anwendung einer Norm heranzuziehen. Dies gilt entsprechend für die Differenzierung zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und - jeweils bezogen auf Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR - grenzüberschreitenden Sachverhalten bzw. Sachverhalten mit Bezügen zum Unionsrecht'.

 

Zum Ergebnis der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Inländerdiskriminierung könnte man wohl nur in jenen seltenen Fällen kommen, wo das Unionsrecht die Inländerdiskriminierung unmittelbar erfordern würde und Letztere nicht bloß eine Folge des Zusammenspiels von nationalem und Unionsrecht ist. Eine solche Situation erscheint aber kaum denkbar.

 

Siehe Haslehner, Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs der europäischen Grundfreiheiten durch Verfassungs- und DBA-Recht, Taxlex 2007, 4040 ff. (443).

 

Im gegebenen Fall kommt hinzu, dass es sich bei den in den Fällen mit Unionsbezug aufgrund des Anwendungsvorrangs verdrängten innerstaatlichen Normen u.a. um Strafbestimmungen (europarechtliches Strafanwendungsverbot) handelt, sodass Sachverhalte ohne Unionsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug im Hinblick auf die Anwendung des Grundsatzes nulla poena sine lege diskriminiert und Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit ihres Tuns im Ungewissen gelassen würden.

 

Aus diesem Grunde ist im gegebenen Fall vom Vorliegen einer Rechtslage auszugehen, die dazu führt, dass inländische Wirtschaftsteilnehmer wie die Einschreiterin in unsachlicher Weise schlechter behandelt werden als in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallende Sachverhalte. Aus diesem Grunde gebietet der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz, dass inländischen Wirtschaftsteilnehmern wie der Einschreiterin die gleichen Rechte zustehen, die Wirtschaftsteilnehmern aus anderen Mitgliedstaaten in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünden.

 

Diese Auffassung wird mittlerweile von einer Reihe von Gerichtsentscheidungen gestützt. So hat zuletzt das LG Ried am 23.7.2012 (22 Bl 29/12x) zur Argumentation der Straflosigkeit eines inländischen Glücksspielanbieters ausgeführt, dass die einschlägige EuGH-Judikatur zur (derzeitigen) Unanwendbarkeit österreichischer Strafvorschriften gegenüber Glücksspielanbietern auch in rein innerstaatlichen Sachverhalten Geltung habe:

 

„[...] Es kann nämlich nicht sein, dass der ausländische EU-Bürger nach österreichischem Recht straffrei wäre, wohingegen der österreichische Staatsbürger wegen desselben Sachverhalts zu bestrafen sein sollte. Dies stellte eine Inländerdiskriminierung dar und würde daher gegen fundamentale, inländische verfassungsrechtliche Prinzipen verstoßen".

 

Das hat eine Reihe von Konsequenzen:

 

• Keine (gerichtliche) Strafbarkeit gem. § 168 StGB

 

Die Unanwendbarkeit der Monopolbestimmungen muss laut EuGH auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des § 168 StGB sowie auf die diversen verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen durchschlagen. Der EuGH hält in der Rs. Dickinger und Ömer dazu in aller Klarheit fest: „Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung [i.e. die Monopolregelung] mit Art. [49 AEUV] nicht vereinbar ist'

 

• Keine Verwaltungsstrafen gem. § 52 GSpG

 

Die vom EuGH geforderte Straflosigkeit umfasst auch verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen.

 

• Keine Beschlagnahmen (§ 53 GSpG) und Einziehungen (§ 54 GSpG)

 

Da die unionsrechtswidrige Monopolregelung als solche gegenüber jenen Anbietern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihre Grundfreiheiten in Anspruch nehmen (sowie aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für vergleichbare Inlandssachverhalte), nicht zur Anwendung gebracht werden darf, ist auch eine Beschlagnahme aus den Gründen der § 53 iVm. § 52 Abs. 1 Z. 1, 2, 6 und 9 nicht zulässig. Selbiges gilt für (anschließende) Einziehungen iSv. § 54 GSpG.

 

IV. Zusammenfassung

 

·                 Ein Mitgliedstaat, der ausnahmsweise in diese Freiheiten eingreifen will, braucht dafür einen Rechtfertigungsgrund und trägt die Beweislast der Verhältnismäßigkeit und Kohärenz seines Eingriffs.

 

·                 Die vom EuGH präzisierten (kumulativen) Voraussetzungen für eine solche ausnahmsweise Beschränkung der Grundfreiheiten durch die Republik Österreich liegen allesamt nicht vor, vor allem wegen des in der Rs. Dickinger und Ömer präzisierten Maßstabs, der an das (Werbe)Verhalten des Monopolisten anzulegen ist.

 

·                 Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, darf sie jedenfalls in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht weiter angewendet werden (Vorrang der unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts). Sie kann daher Wirtschaftsteilnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, nicht entgegengehalten werden. Gleiches gilt aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes auch für vergleichbare Inlandssachverhalte, da dieser nach ständiger Judikatur des VfGH im gegebenen Fall vorschreibt, dass inländischen Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats in der gleichen Lage kraft Unionsrechts zustünden.

 

·                          Die durch das österreichische Glücksspielrecht normierten Einschränkungen sind damit unwirksam.

 

·                 Das schlägt u.a. auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des  §  168  StGB  sowie  auf die  diversen  Verwaltungssanktionen (Strafbestimmungen, Beschlagnahmen, Einziehungen gem. §§ 52 ff. GSpG) durch.

 

B) Zur Unanwendbarkeit der Beschlagnahmeregelungen des Glücksspielgesetzes (GSpG), BGBl. 620/1989 idF BGBl. 69/2012 ist - Univ.Prof. Dr. Franz Leidenmühler und Ass.Prof. Dr. Michael Mayrhofer Johannes Kepler Universität Linz, folgend -insbesondere auszuführen:

 

I. Rechtslage

Die Behörde darf die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, gemäß § 53 Abs. 1 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl 620/1989 idF BGBl 169/2012, anordnen, wenn

 

„1. der Verdacht besteht, dass

a)        mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder[..J

 

2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 11ii a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52Abs. 1 verstoßen wird [...]."

 

Zufolge Abs. 2 können die

„Organe der öffentlichen Aufsicht [...] die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. [...]".

 

Nach dem jeweils verwiesenen § 52 Abs. 1 GSpG sind Übertretungen des GSpG, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes (§ 3 GSpG) eingegriffen wird, sanktioniert. Eine Beschlagnahme nach § 53 Abs. 1 oder 2 GSpG ist auch dann zulässig, wenn eine Strafbarkeit nach § 168 StGB vorliegen und sohin eine Anwendung des insofern bloß subsidiären § 52 Abs. 1 GSpG ausscheiden sollte (§ 52 Abs 2 GSpG; VwGH 20.7.2011, 2011/17/0097; 16.11.2011, 2011/17/0226; VfGH 14.6.2012, G 4/12, Rz. 26, 31). Erst sobald die ausschließliche Gerichtszuständigkeit feststeht, kommt eine verwaltungsbehördliche Sicherungsmaßnahme nicht mehr in Betracht (VfGH 14.6.2012, G 4/12, Rz. 31). In diesem Fall ist eine Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen (§ 110StPO).

 

Die Beschlagnahme setzt sohin den Verdacht des (fortgesetzten) Verstoßes mit Glücksspielautomaten (oder sonstigen Eingriffsgegenständen) gegen Bestimmungen des Glücksspielstrafrechts, namentlich gegen eine verwaltungsstrafrechtliche Bestimmung des § 52 Abs. 1 GSpG oder gegen kriminalstrafrechtliche Bestimmung des § 168 StGB voraus. Sie steht - als typische Sicherungsmaßnahme - damit in einem untrennbaren normativen Zusammenhang mit dem Glücksspielstrafrecht (siehe in diesem Sinne zu § 39 VStG zB VwGH 23.7.2009, 2007/05/0184). Das Glücksspielstrafrecht wiederum dient der Sicherung des Glücksspielmonopols des Bundes gemäß § 3 GSpG.

Im diesem Sinn führt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes (UVS ) in einem Vorlageantrag an den EuGH vom 10.8.2012, VwSen-740121/2/Gf/Rt ua., zutreffend das Folgende aus:

 

„Mit dieser behördlichen Strafkompetenz sind zugleich umfassende behördliche Sicherungsbefugnisse - bzw. aus der Sicht der über die Glücksspielautomaten Verfügungsberechtigten: umfassende Eingriffsbefugnisse der Behörde - verbunden, um - auch bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem die anfällige Strafbarkeit einer Handlung noch in keiner Weise feststeht - weitere Verletzungen des Glückspielmonopols iSd § 3 GSpG hintanhalten zu können, nämlich die Befugnis zur vorläufigen und dauerhaften Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen (§ 53 Abs. 1 und 2 GSpG) sowie deren Einziehung und nachfolgende Vernichtung (§ 54 Abs. 1 und 3 GSpG) und schließlich die Befugnis zur Betriebsschließung (§ 56a GSpG)."

 

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG in einem akzessorischen Verhältnis zu den glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des GSpG und des StGB steht. Die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung des Glücksspielstrafrechts schlägt daher auf die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung der Beschlagnahme durch.

 

II. Unanwendbarkeit der Regelungen über die Beschlagnahme

 

A. Die Rechtmäßigkeit einer Beschlagnahme gemäß § 53 GSpG hängt nach dem Gesagten zwingend von der Anwendbarkeit der glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG sowie des § 168 StGB ab. Scheidet die Anwendung letzterer wegen Unionsrechtswidrigkeit aus, kommt eine Beschlagnahme einerseits wegen des akzessorischen Charakters dieser Sicherungsmaßnahen nicht in Betracht, weil nicht einmal ein „Verdacht" einer Verwaltungsübertretung (§ 53 Abs. 1 GSpG) bzw. einer gerichtlich strafbaren Handlung vorliegen kann. Andererseits verbietet sich eine Beschlagnahme schon aufgrund des Unionsrechts.

 

Das hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom 20.7.2011, 2011/17/0097, (diesem folgend etwa UVS Wien 22.8.2012, UVS-02/11/6846/2012 ua.) bestätigt:

 

„Die vom EuGH gezogene Schlussfolgerung für strafrechtliche Sanktionen wird grundsätzlich auch auf Sicherungsmaßnahmen wie die hier vorliegende Beschlagnahme nach § 53 Abs.1Z1 GSpG zu beziehen sein [...]."

 

B. Der Widerspruch des Glücksspielmonopols des Bundes und damit der an diesen anknüpfenden (verwaltungs-)strafrechtlichen Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit des Unionsrechts (Art. 56 ff AEUV) ist (spätestens) seit dem Urteil des EuGH vom 15.9.2011 in der Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer, evident.

 

Wie bereits ausgeführt, verlangt der EuGH in diesem Urteil im Detail, dass zur Beurteilung ihrer ausnahmsweisen unionsrechtlichen Zulässigkeit die österreichische Monopolregelung hinsichtlich Ausspielungen ganz streng auf folgende drei (kumulativ zu bejahende) Fragen zu prüfen ist:

 

1.           Kann der Nachweis geführt werden, dass kriminelle und betrügerische Aktivitäten im Zusammenhang mit den Spielen und die Spielsucht in Österreich tatsächlich ein Problem dargestellt haben und nur eine Ausweitung der zugelassenen und geregelten Tätigkeiten diesem Problem hätte abhelfen können?

 

2.           Zum zweiten ist der Nachweis zu führen, dass die Geschäftspolitik des Konzessionärs - und insbesondere seine Werbeaktivitäten - maßvoll und begrenzt sind. Dies, so der EuGH, ist z.B. dann nicht der Fall, wenn „verführerisch bedeutende Gewinne in Aussicht" gestellt werden.

 

3.           Zum dritten muss das Gesamtsystem der innerstaatlichen Glücksspielregelungen den Vorgaben des EuGH hinsichtlich seiner Kohärenz genügen.

 

(Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in diesem Zusammenhang auf die obigen Ausführungen verwiesen).

 

Nach dem Urteil des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer ist im Ergebnis allen österreichischen Gerichten und Verwaltungsbehörden (vgl. etwa Streinz in Streinz [Hg.], EUV/AEUV2 Art. 4 EUV Rz. 158) die Prüfung zur Pflicht gemacht, ob die Ausgestaltung des Glücksspielmonopols im Hinblick auf die drei vom EuGH genannten Kriterien mit der unionalen Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

 

C. Diese Prüfung führt in der Praxis regelmäßig und zutreffend zum Ergebnis, dass die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist und im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht weiter angewendet werden kann (zur verfassungswidrigen Inländerdiskriminierung siehe oben III.).

 

So hat das LG Linz - soweit ersichtlich das erste Gericht, das seit der EuGH-Entscheidung in der Rs. Dickinger und Omer mit einem einschlägigen Sachverhalt befasst war - zutreffend ausgeführt (LG Linz 22.3.2012, 1 Cg 190/11 y-14):

 

„In seiner jüngst ergangenen Entscheidung vom 15.09.2011, Rs. C-347/09, Dickinger und Ömer, wies der EuGH darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung ein Glücksspielmonopol eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt, eine solche Beschränkung jedoch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, wie dem Ziel, ein besonders hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, gerechtfertigt sein kann. [...]

 

Vor dem Hintergrund der soeben beschriebenen Judikatur des EuGH gilt es nunmehr zu klären, ob im Allgemeininteresse liegende zwingende Gründe bestehen, die das österreichische Glücksspielmonopol in seiner konkreten rechtlichen Ausgestaltung als adäquat und verhältnismäßig erscheinen lassen. [...]

 

Der Werbeaufwand des Monopolisten ist enorm [...].

 

Unter Heranziehung der Judikatur des EuGH ist festzuhalten, dass die mit dem Glücksspielmonopol einhergehenden Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nicht mit Verbraucher- oder Spielerschutzerwägungen gerechtfertigt werden können. Die (aggressive) Bewerbung der von den Monopolisten angebotenen Glücksspiele zielt vielmehr darauf ab, den Markt auf neue Verbrauchergruppen auszudehnen anstatt einer solchen Ausweitung im Interesse des Verbraucherschutzes entgegenzuwirken. [...]

 

Im Ergebnis hegt das erkennende Gericht daher keinen Zweifel daran, dass das österreichische Glücksspielmonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung unionsrechtswidrig ist. Dies bedeutet wiederum, dass die monopolisierenden Bestimmungen der§§ 14, 21 GSpG infolge Widerspruchs gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verdrängt sind. Die Beklagten sind sohin berechtigt, die gegenständlichen Dienstleistungen in Österreich anzubieten [...].

 

Der Einwand [...], wonach die Beklagten nicht berechtigt seien, das Roulettespiel in Österreich über das Internet anzubieten, da sie keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz hätten, geht sohin ins Leere, da dieser Umstand nur dann relevant wäre, wenn gar keine Verletzung der Dienstleistungsfreiheit vorliegen würde."

 

Dass die Werbepolitik der X GmbH einen - wie wir nun wissen unzulässigen - expansionistischen Charakter aufweist, hat schon das BG Linz in seinem Vorlageantrag im Fall Dickinger und Ömer vom 10.4.2009 (GZ. 19 U 65/07z) festgehalten (Vorlagefrage 1.b; siehe dazu EuGH, Rs. Dickinger und Ömer, Rz. 59). Und tatsächlich liegt es klar auf der Hand, dass die von intensivem Werbeaufwand begleitete expansionistische Politik des Monopolisten (X GmbH und X AG können aufgrund der wechselseitigen Beteiligungsverflechtungen hier durchaus als Einheit betrachtet werden) den vom EuGH geforderten Schutz der Verbraucher vor einem Anreiz zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen geradezu konterkariert.

 

Ebenso deutlich begründet der UVS des Landes Oberösterreich in einem aktuellen Vorlageantrag vom 10.8.2012, VwSen-740121/2/Gf/Rt ua, an den EuGH die Unvereinbarkeit des Glücksspielmonopols mit der Dienstleistungsfreiheit und damit dessen Unanwendbarkeit:

 

„1.1. Davon ausgehend, dass die Behörden bislang in keinem der ho. anhängigen Fälle iSd Urteils des EuGH vom 15. September 2011, C-347/09, auch nur ansatzweise versucht haben, nachzuweisen, dass die Kriminalität und/oder die Spielsucht im präjudiziellen Zeitraum tatsächlich ein erhebliches Problem darstellte(n) und bejahendenfalls, dass diesem insbesondere nur durch ein Monopolsystem mit kontrollierter Expansion von zugelassenen Spieltätigkeiten hätte abgeholfen werden können, sowie, dass tatsächlich die Kriminalitätsbekämpfung und der Spielerschutz -und nicht etwa bloß eine Maximierung oder massive Erhöhung der Staatseinnahmen -das wahre Ziel der Monopolregelung bildeten, und dass sich die Geschäftspolitik der Monopolisten ohnehin bloß auf eine kontrollierte Expansion mit einer maßvollen, eng auf die Zielerreichung begrenzten, nicht zu aktiver Spielteilnahme anregender oder in Verbindung mit karitativen Zwecken ein positives Image kreierender Werbung beschränkt hat - was insbesondere schon angesichts der aus den Gesetzesmaterialien resultierenden fiskalpolitischen Intentionen (s.o. [...]) und des gerichtsbekannten ‚enormen' und aggressiven Werbeaufwandes' [...] geboten gewesen wäre - scheint sich zunächst zu ergeben, dass die im GSpG konkret normierte Ausgestaltung des Glücksspielmonopols des Bundes schon dem Grunde nach nicht mit der in den Art. 56 ff AEUV garantierten Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.

 

Siehe Presseaussendung des UVS Oberösterreich vom 16.08.2012 als Beilage ./A in Kopie beigeschlossen.

 

1.2. Diese in Art. 62 iVm Art. 52 Abs.1 AEUV wurzelnde Problematik resultiert in gleicherweise auch vor dem Hintergrund der in den Art. 15 und 16 EGRC garantierten Berufsfreiheit und unternehmerischen Freiheit der Unionsbürger."

 

D. Die Unanwendbarkeit der Monopolbestimmungen muss laut EuGH auch auf die das Monopol absichernde Strafvorschrift des § 168 StGB sowie auf die diversen verwaltungsstrafrechtlichen Bestimmungen durchschlagen. Der EuGH hält in der Rs. Dickinger und Ömer dazu in aller Klarheit fest:

 

„Im Kontext des Ausgangsverfahrens ist festzustellen, dass der Verstoß eines Wirtschaftsteilnehmers gegen eine in einem Mitgliedstaat erlassene Monopolregelung im Glücksspielbereich nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen kann, wenn diese Regelung [i. e. die Monopolregelung] mit Art. [49 AEUV] nicht vereinbar ist".

 

Wegen der Akzessorietät der Regelungen über die verwaltungsbehördlichen Sicherungsmaßnahmen, dh insbesondere der Regelung des § 53 GSpG über die Beschlagnahme, dürfen auch diese im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten von den Verwaltungsbehörden von sich aus (EuGH Rs. 106/77, Simmenthal II, Slg. 1978, 629, Rz. 21/23) nicht (mehr) angewendet werden. Insofern ist die Aussage des VwGH vom 20.7.2011, 2011/17/0097, in Erinnerung zu rufen:

 

„Die vom EuGH gezogene Schlussfolgerung für strafrechtliche Sanktionen wird grundsätzlich auch auf Sicherungsmaßnahmen wie die hier vorliegende Beschlagnahme nach § 53 Abs.121 GSpG zu beziehen sein [...]."

 

Einer dennoch durchgeführten Beschlagnahme fehlte - wegen der Unanwendbarkeit des § 53 GSpG sowie des § 110 StPO - die gesetzliche Grundlage. Sie wäre daher rechtswidrig.

 

III. Verfassungswidrigkeit der Regelungen über die Beschlagnahme

 

(Vorauszuschicken ist, dass sich die verfassungsgerichtliche Prüfung des § 53 Abs.1 GSpG im mit Erkenntnis vom 14.6.2012 abgeschlossenen Verfahren zu G 4/12 lediglich auf die Frage beziehen durfte (zur Bindung des VfGH an die im Gesetzesprüfungsantrag aufgeworfenen Bedenken vgl nur die Rz. 23 dieses Erkenntnisses), inwieweit nach dieser Regelung verwaltungsbehördliche und gerichtliche Sicherungsmaßnahmen hinreichend klar voneinander abgegrenzt sind. Zu den nachfolgenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Regelung konnte der VfGH bislang jedoch noch nicht Stellung nehmen.)

 

A. Inländerdiskriminierung

Sofern ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vorliegt, scheidet zwar eine unmittelbare Berufung auf das Unionsrecht aus. Für die Regelung des § 53 GSpG ist damit gleichwohl nichts gewonnen. Der - in seinen konkreten Konsequenzen zuvor beschriebene - Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Fällen mit „grenzüberschreitenden,, Sachverhalten bewirkt nämlich eine Diskriminierung von inländischen Unternehmen.

 

Von einer Inländerdiskriminierung spricht man im Zusammenhang mit dem Unionsrecht nach hA dann, wenn EU-Ausländer einerseits und Inländer (Österreicher) andererseits in Bezug auf ihre Wirtschaftstätigkeit im Inland anders behandelt werden oder inlandsbezogene und grenzüberschreitende Sachverhalte eine Ungleichbehandlung erfahren, die auf eine Benachteiligung von eigenen Staatsangehörigen mit Sitz im Inland hinauslaufen kann (vgl. etwa Öhlinger, Verfassungsrecht, Rz. 758, mit weiteren Nachweisen). Eine solche Diskriminierung widerspricht nach der ständigen, mit VfSIg. 14.963/1997 begonnenen Rechtsprechung des VfGH im Regelfall dem verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatz (Art. 2 StGG, Art. 7 Abs. 1 B-VG) (vgl. zB VfSIg. 17.555/2005,18.656/2008 uvam.).

 

Da in der vorliegenden Konstellation keine objektive Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung von österreichischen Unternehmen einerseits und Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten andererseits vorliegt, ist § 53 GSpG, soweit er auf Sachverhalte mit ausschließlichem Inlandsbezug angewendet wird, verfassungswidrig.

 

B. Verletzung des Bestimmtheitsgebots gemäß Art 7 EMRK iVm Art 18 B-VG

Selbst wenn eine Verwaltungsbehörde oder ein Gericht trotz des EuGH-Urteils in der Rs. Dickinger und Ömer und entgegen dem von der gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Praxis eingeschlagenen Weg (siehe zu diesem oben ILO.) keinen Vorrang der unionsrechtlicher Grundfreiheiten annehmen will, scheidet eine rechtmäßige Bestrafung wegen Verstößen gegen das Glücksspielrecht und damit eine Beschlagnahme von Glücksspielautomaten und sonstigen Eingriffsgegenständen auch aufgrund der nachfolgenden Erwägungen aus.

 

Der VfGH hat wiederholt im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip ausgesprochen, dass der Gesetzgeber klar und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen hat, wo er strafen will, und dass die Rechtsordnung dem Einzelnen die Möglichkeit geben muss, sich dem Recht gemäß zu verhalten. Auch Art 7 EMRK schließt das Gebot in sich, Strafvorschriften so klar zu gestalten, dass es dem Einzelnen möglich ist, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren (vgl VfSIg 11.776/1988 und 12.947/1991 jeweils mit weiteren Nachweisen; siehe ferner zB VfSIg 13.505/1993,18.516/2008,18.895/2009; VfGH 30.6.2012, G 132/11 uvam.). Strafvorschriften müssen sohin von Verfassungswegen einen derart hohen Bestimmtheitsgrad aufweisen, dass der Einzelne aus dem Wortlaut der jeweiligen Bestimmung erkennen kann, welche Handlungen ihn strafbar werden lassen (EGMR 25.5.1993, Beschwerde Nr. 14.307/88, Fall Kokkinakis, Z 52; VfSIg 18.516/2008; VfGH 30.6.2012, G 132/11). Andernfalls sind sie verfassungswidrig.

 

Die strafrechtlichen Bestimmungen des § 52 Abs.1 GSpG sowie des § 168 StGB können seit dem Urteil des EuGH in der Rs. Dickinger und Ömer nicht mehr isoliert, sondern nur im Kontext mit dem Unionsrecht betrachtet werden. Je nachdem, ob die vom EuGH genannten Kriterien für eine unionsrechtskonforme Ausgestaltung des Glücksspielmonopols vorliegen oder nicht, sind diese Bestimmungen anwendbar oder müssen unangewendet bleiben. Damit hängt die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens von Umständen ab, die (zumindest zum Teil) nur der Monopolist, nicht aber auch sonstige Glücksspielunternehmen in der Hand haben. Insbesondere hängt die Unionsrechtswidrigkeit des Monopols und sohin die Unanwendbarkeit (auch) des Glücksspielstrafrechts von der Gestaltung des jeweiligen Marktauftritts („Werbung"), also vom Belieben des Monopolisten ab. Dieser kann in erster Linie durch sein Werbeverhalten das Glücksspielstrafrecht gleichsam „ein- oder ausschalten".

 

Aus dem Blickwinkel des Art 18 B-VG und des Art 7 EMRK weisen damit aber weder § 52 Abs.1 GSpG noch § 168 StGB jeweils im Verein mit dem unter bestimmten faktischen Umständen Vorrang beanspruchenden Art 56 AEUV einen Inhalt auf, der es dem Einzelnen im Sinne der Rechtsprechung des VfGH nicht ermöglicht, sein Verhalten am Gesetz zu orientieren. Es liegt auf der Hand, dass eine Strafnorm, die von den Rechts unterworfenen subtile empirische Analysen der Aktivitäten eines Dritten, im konkreten Fall der Geschäftspolitik und der Werbeaktivitäten des Monopolisten, verlangt, nicht hinreichend bestimmt und deshalb verfassungswidrig ist. Diese Wertung schlägt zwingend auf die Regelungen über die Sicherungsmaßnahmen durch, die, wie schon begründet wurde, in einem untrennbaren normativen Zusammenhang mit dem Glücksspielstrafrecht stehen und dieses qua Verweis zum tatbestandlichen Inhalt haben.

 

 

IV. Zusammenfassung

 

A. Die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG steht in einem akzessorischen Verhältnis zu den glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des GSpG und des StGB. Die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung des Glücksspielstrafrechts schlägt daher auf die unions- und verfassungsrechtliche Beurteilung der Beschlagnahme durch.

 

B.  Da die Monopolregelung und -praxis des österreichischen Glücksspielgesetzes nicht den Vorgaben der Judikatur des EuGH entspricht und daher unionsrechtswidrig ist, darf sie jedenfalls in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug nicht weiter angewendet werden (Vorrang der unmittelbar anwendbaren Grundfreiheiten des Unionsrechts). Sie kann daher Wirtschaftsteilnehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit Gebrauch machen, nicht entgegengehalten werden. Damit sind auch die Regelungen über die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG unanwendbar.

 

C. Soweit ein bloßer Inlandssachverhalt vorliegt, diskriminieren die Regelungen über die Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 1 und 2 GSpG Inländer bzw. inländische Unternehmen. Sie sind daher vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des VfGH wegen Verletzung des Gleichheitssatzes verfassungswidrig.

 

D. Die glücksspielstrafrechtlichen Bestimmungen des GSpG und des StGB - und in ihrem Gefolge die Regelungen über die Beschlagnahme - vertieren wegen des in erster Linie vom wirtschaftlichen Verhalten des „privaten" Monopolisten abgängigen Anwendungsvorgangs des Unionsrechts und damit ihrer von Faktizitäten abhängigen Anwendbarkeit ihren nach Art 18 Abs.1 B-VG und Art 7 EMRK gebotenen Bestimmtheitsgrad.

 

Die trotz des Sanktionsverbotes mit dem angefochtenen Bescheid angeordnete Beschlagnahme des verfahrensgegenständlichen Geldwechsel- und Musikautomaten ist sohin in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig und der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts belastet.

 

Die Einschreiter stellen daher den

 

Berufungsantrag

 

der Unabhängige Verwaltungssenat Oberösterreich wolle eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen und nach Aufnahme der beantragten Beweise den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die angeordnete rechtswidrige Beschlagnahme der Geldwechsel- und Musikautomaten aufgehoben wird.“

 

 

2.1. Mit Schreiben vom 25.06.2013 übermittelte die belangte Behörde unter gleichzeitiger Vorlage der Berufung den bezughabenden Verwaltungsakt.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, insbesondere die im Akt einliegende Dokumentation (Bescheinigung, Niederschrift, Überprüfungsprotokolle, Aktenvermerk) der einschreitenden Organe des Finanzamtes.

 

Da die Entscheidung über eine Beschlagnahme einen verfahrensrechtlichen Bescheid darstellt, konnte der Unabhängige Verwaltungssenat unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.12.2011, 2011/17/0171; ebenso jüngst VwGH 27.4.2012, 2011/17/0313 sowie 27.4.2012, 2011/17/0315) gemäß § 51e Abs. 4 VStG ungeachtet eines allfälligen Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, zumal eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung auch nicht erwarten ließ und dem auch nicht Art. 6 EMRK entgegensteht. Mit anderen Worten: Es waren ausschließlich Rechtsfragen zu beurteilen; der dafür entscheidungswesentliche Sachverhalt war aufgrund der Aktenlage eindeutig geklärt. Die Beurteilung der Glücksspielnatur des in Rede stehenden Spieltyps und der vorliegenden Verdachtslage iSd § 53 Abs. 1 Z 1 lit. a GSpG war unzweifelhaft möglich.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht sohin von dem unter Pkt. 1.1. und 1.2. dargestellten, in den entscheidungswesentlichen Passagen unbestrittenen Sachverhalt aus. Zusammengefasst ist festzuhalten:

 

Aufgrund einer von Organen der Abgabenbehörde am 04.04.2013 um ca. 12:20 Uhr X der Bw, X, X, durchgeführten Kontrolle wurden die oa. Geräte, die nicht im Eigentum der Bw stehen (laut Verfahrensakt ist die X GmbH, X, Eigentümerin der Geräte), aufgestellt und grundsätzlich funktionsfähig vorgefunden und in der Folge vorläufig beschlagnahmt. Mit diesen Geräten wurden zumindest von 01.03.2013 bis zur Beschlagnahme am 04.04.2013 wiederholt virtuelle Glücksrad-ähnliche Spiele durchgeführt, bei denen für einen bestimmten Einsatzbetrag in Verbindung mit bestimmten Symbolen Gewinne in Aussicht gestellt worden sind (vgl. dazu die Ausführungen in der Dokumentation des Finanzamtes über die erfolgten Probespiele an den oa. Geräten, an deren Richtigkeit kein Grund zu zweifeln besteht: Testeinsatz von 2,00 Euro – in Aussicht gestellter Gewinn von 80,00 Euro).

 

Der konkrete Spielablauf stellt sich für das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates unter Bezugnahme auf die in der Anzeige der Finanzbehörde auf der Grundlage durchgeführter Testspiele getroffenen Feststellungen, die im Wesentlichen von der Bw – unter Hinweis auf sachkundige Darstellungen - konkretisierend bestätigt wurden, wie folgt dar:

 

Der Benutzer hat die Möglichkeit 1, 2 oder 4 von ihm auszuwählende Musikstücke zu hören oder einen vorangezeigten Geldbetrag zu erlangen. Wird im Wabensymbolkreis eine Biene beleuchtet, so kann bzw. können das bzw. die vom Benutzer nummernmäßig ausgewählten Musikstücke abgespielt werden; wird eine Zahlenwabe beleuchtet, so kann der vorangezeigte Geldbetrag erlangt werden.

 

Der Automat kann sowohl im 1-Euro-Modus als auch im 2-Euro-Modus als auch im 4-Euro-Modus betrieben werden. Die Auswahl zwischen 1-Euro-Modus, 2-Euro-Modus und 4-Euro-Modus erfolgt vor dem Geldeinwurf durch die grüne Taste. Demnach leuchtet oberhalb des Wabensymbolkreises die „1x Wabe", die „2x Wabe" oder die „4x Wabe" auf.

 

Wird Geld eingegeben, dann wird der Wert in Form einer Zahl im Kreditspeicherdisplay angezeigt. Es bleibt jedoch nur der Betrag in der Höhe von € 1,00 oder € 2,00 in der Anzeige stehen; abhängig vom 1-Euro, 2-Euro oder 4-Euro-Modus. Jeder eingegebene, diesen Wert übersteigende Geldbetrag wird in Form von Münzen vom Gerät wieder ausgefolgt. Im Wabensymbolkreis ist zunächst eine Biene beleuchtet. Die Auswahl des bzw. der vom Benutzer gewünschten Musiktitel erfolgt mittels Navigation zur Biene mit der der Musiktitelliste entsprechenden Nummer durch jeweils kurzes Drücken der roten Taste, wobei nach jedem kurzen Drücken die im Uhrzeigersinn nächste Biene beleuchtet wird, bis der Benutzer bei der von ihm gewünschten nummerierten Biene angelangt ist. Das Abrufen des Abspielens dieses Musiktitels erfolgt dann durch langes Drücken der roten Taste. Eine abgerufene Musikwiedergabe kann nicht vorzeitig abgebrochen werden; jeder ausgewählte Musiktitel wird in seiner Gesamtlänge von jeweils ca. 3 Minuten zur Gänze abgespielt.

 

Nach jedem vom Benutzer ausgewählten Musikstück startet der Automat einen Beleuchtungsumlauf im Wabensymbolkreis nach dessen Abschluss ein anderes Wabensymbol beleuchtet wird. Ist eine Betragswabe beleuchtet und wird die rote Taste gedrückt, so werden so viele Münzen ausgeworfen, wie die Zahl der Betragswabe angibt (z.B.: 1-Euro-Münze, Betragswabe „8": Es werden 8 1-Euro-Münzen ausgeworfen). Jedes Drücken der roten Taste bewirkt die Abbuchung vom Kreditspeicher, der somit nach jeder einzelnen Gerätebenutzung auf Null zurückgesetzt wird.

 

Der Benutzer muss somit nach jeder einzelnen Geldeingabe entscheiden, ob er

1.        die Wiedergabe eines von ihm auszuwählenden Musikstückes anhören möchte (langes Drücken der roten Taste nach Navigation zur gewünschten entsprechend beleuchteten nummerierten Biene), oder

2.        die in der beleuchteten Betragswabe allenfalls angekündigte Anzahl von Münzen vom Gerät ausgefolgt haben möchte (Betragswabe ist beleuchtet und Drücken der roten Taste), oder

3.        den eingegebenen Betrag zurückerhalten und von der weiteren Benutzung des Gerätes Abstand nehmen möchte (Drücken der grünen Taste).

 

Der Ausgang dieses Spiels konnte vom Spieler nicht beeinflusst werden. Die Entscheidung über das Spielergebnis hing somit jedenfalls vorwiegend vom Zufall ab.

 

2.4. Nach § 51c VStG hat der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Zur Zulässigkeit der – rechtzeitig erhobenen – Berufung:

 

3.1.1. Der bekämpfte Bescheid wurde der Bw gegenüber – als Inhaberin der beschlagnahmten Gegenstände – durch Zustellung am 29.04.2013 erlassen. Der Bw kommt daher als Sachinhaberin Parteistellung im Beschlagnahmeverfahren zu (vgl. VwGH 14.12.2011, 2011/17/0084 mwN; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1502, Anm. 3a. zu § 39 VStG).

 

3.2. In der Sache:

 

3.2.1. Vorweg ist festzuhalten, dass die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Bescheiderlassung nach § 50 Abs.1 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, in der im Beschlagnahmezeitpunkt geltenden Fassung, gegeben war.

 

3.2.2. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 73/2010 wurde das Glücksspielwesen einem grundsätzlich neuen System unterstellt, und zwar derart, dass neben den dem Monopol des Bundes unterliegenden Ausspielungen in Form von Lotterien und Spielbanken nunmehr auch das für vergleichsweise geringere Einsätze und Gewinne konzipierte sog. "kleine Glücksspiel" mittels Automaten explizit einer Konzessionspflicht unterstellt und damit für zulässig erklärt ist, wobei die darauf bezüglichen Vorschriften vom Landesgesetzgeber zu erlassen sind; hinsichtlich derartiger "Landesausspielungen" besteht sohin (mangels eines entsprechenden Kompetenztatbestandes in Art. 12 B-VG) eine ergänzende, inhaltlich allerdings auf jener des Bundes notwendig aufbauende Regelungszuständigkeit der Länder (die jedoch – im Gegensatz zum Verhältnis zwischen Grundsatz- und Ausführungsgesetz gemäß Art. 12 B-VG – von Letzteren nicht in Anspruch genommen werden muss, also auch ungenutzt bleiben kann).

 

Im Besonderen gilt nunmehr Folgendes:

 

3.2.3. Gemäß § 53 Abs.1 Z1 lit.a Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl. Nr. 620/1989, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 112/2012, kann die Behörde die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, sonstigen Eingriffsgegenständen und technischen Hilfsmitteln anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn der Verdacht besteht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs.1 GSpG verstoßen wird.

 

Gemäß § 54 Abs.1 GSpG sind Gegenstände, mit denen gegen Bestimmungen des § 52 Abs.1 leg.cit. verstoßen wird, zur Verhinderung weiterer Verwaltungsübertretungen gemäß Bestimmungen des § 52 Abs.1 leg.cit. einzuziehen, es sei denn, der Verstoß war geringfügig.

 

Gemäß § 52 Abs.3 letzter Satz GSpG unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe eine verbotene Ausspielung iSd § 2 Abs.4 GSpG durchgeführt oder auf andere Weise in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, sofern sie nicht gem. § 54 leg.cit. einzuziehen sind, dem Verfall.

 

Nach § 52 Abs.1 Z.1 GSpG begeht ua. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, der verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs.4 GSpG veranstaltet, organisiert, anbietet oder unternehmerisch zugänglich macht oder sich als Unternehmer iSd § 2 Abs.2 leg.cit. daran beteiligt.

 

Ebenso begeht eine Verwaltungsübertretung und ist gemäß § 52 Abs.1 Z6 GSpG mit einer Geldstrafe bis zu 22.000 Euro zu bestrafen, wer die Teilnahme an verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs.4 GSpG – insbesondere durch die Vermittlung der Spielteilnahme, das Bereithalten von anderen Eingriffsgegenständen als Glücksspielautomaten oder die unternehmerische Schaltung von Internet-Links – fördert oder ermöglicht.

 

Ausspielungen sind gemäß § 2 Abs.1 GSpG Glücksspiele (das sind gem. § 1 Abs.1 leg.cit. Spiele, bei denen die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt),

1.        die ein Unternehmer veranstaltet, organisiert, anbietet oder zugänglich macht und

2.        bei denen Spieler oder andere eine vermögenswerte Leistung in Zusammenhang mit der Teilnahme am Glücksspiel erbringen (Einsatz) und

3.        bei denen vom Unternehmer, von Spielern oder von anderen eine vermögenswerte Leistung in Aussicht gestellt wird (Gewinn).

 

Unternehmer ist gemäß Abs.2 leg.cit., wer selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübt, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

 

Eine Ausspielung mit Glücksspielautomaten liegt gemäß § 2 Abs.3 leg.cit. vor, wenn die Entscheidung über das Spielergebnis nicht zentralseitig, sondern durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung im Glücksspielautomaten selbst erfolgt.

 

Gemäß § 2 Abs.4 GSpG sind verbotene Ausspielungen solche Ausspielungen, für die einerseits eine Konzession oder Bewilligung nach dem GSpG nicht erteilt wurde und die andererseits auch nicht iSd § 4 GSpG vom Glücksspielmonopol des Bundes ausgenommen sind.

Nach § 4 Abs.2 GSpG unterliegen Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten gemäß § 5 GSpG (unter Einhaltung ordnungspolitischer Mindestanforderungen an Bewilligungswerber sowie besonderer Begleitmaßnahmen) nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes. Dies trifft – soweit im vorliegenden Fall von Interesse – insbesondere dann zu, wenn im Zuge einer Ausspielung in einem Automatensalon (mit mindestens 10 und höchstens 50 Glücksspielautomaten) als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 10 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 10.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, bzw. im Zuge einer Ausspielung im Wege einer Einzelaufstellung als ordnungspolitische Mindestvoraussetzung eine Spielsuchtvorbeugung derart, dass die vermögenswerte Leistung des Spielers höchstens 1 Euro pro Spiel beträgt und der Gewinn 1.000 Euro pro Spiel nicht überschreitet, eingehalten wird (§ 5 Abs.1 Z.1 iVm § 5 Abs.5 lit.a Z.1 und 2 bzw. § 5 Abs.5 lit.b Z.1 und 2 GSpG).

 

Insgesamt folgt daraus für den vorliegenden Fall, dass Landesausspielungen mittels Glücksspielautomaten in Automatensalons bzw. im Wege der Einzelaufstellung dann schon von vornherein nicht dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, wenn der Höchsteinsatz von 10 Euro bzw. 1 Euro pro Spiel bzw. der Höchstgewinn von 10.000 Euro bzw. 1.000 Euro pro Spiel nicht überschritten wird.

 

Das GSpG geht ersichtlich davon aus, dass der Betrieb eines Automatensalons ebenso wie eine Landesausspielung in Form der Einzelaufstellung einer Konzession bzw. Bewilligung bedarf (vgl z.B. § 5 Abs 1 und 8 sowie die §§ 31a und 31b GSpG); es normiert das Verfahren zur Konzessions- bzw. Bewilligungserteilung jedoch nicht unmittelbar selbst, sondern überlässt dessen Regelung den Landesgesetzgebern.

 

Soweit es das Land Oberösterreich betrifft, besteht eine an § 5 GSpG anknüpfende Regelung der Landesausspielungen erst durch das am 4. Mai 2011 kundgemachte Oö. Glücksspielautomatengesetz (LGBl Nr. 35/2011), welches in den §§ 3 ff für die Ausspielung mit Glücksspielautomaten eine Bewilligung durch die Landesregierung vorsieht.

 

Gemäß § 12a Abs.1 GSpG sind elektronische Lotterien Ausspielungen, bei denen die Spielteilnahme unmittelbar durch den Spieler über elektronische Medien erfolgt und die Entscheidung über das Spielergebnis zentralseitig herbeigeführt sowie über elektronische Medien zur Verfügung gestellt wird.

 

3.2.4. Nach stRsp des Verwaltungsgerichtshofs (jüngst VwGH 27.4.2012, 2011/17/0046 uHa VwGH 20.7.2011, 2011/17/0097; ebenso nunmehr auch VfGH 14.06.2012, G 4/12-10 ua) ist von der Zulässigkeit einer verwaltungsbehördlichen Beschlagnahme auch in Fällen der Subsidiarität des verwaltungsbehördlichen Straftatbestandes auszugehen. Denn die Notwendigkeit der Sicherung des Verfalls oder der Einziehung sei im Fall eines subsidiären Verwaltungsstraftatbestandes in gleicher Weise gegeben wie im Fall eines kumulativ neben einem gerichtlichen Straftatbestand anwendbaren Straftatbestandes oder im Falle des gänzlichen Fehlens eines gerichtlichen strafbaren Tatbestandes, der durch die verwaltungsstrafrechtlich sanktionierten Handlungen verwirklicht sein könnte. Da nach dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes eine verwaltungsbehördliche Beschlagnahme auch dann zulässig ist, "wenn wegen der inkriminierten Handlungen gleichzeitig ein gerichtliches Strafverfahren geführt wird bzw. zu führen ist", stellt sich auch nicht die Frage, "welcher Grad der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung eines gerichtlichen Straftatbestandes vorliegen muss, um die Beschlagnahme unzulässig zu machen".

 

Die vorliegende Beschlagnahme erfolgte aufgrund eines Verdachtes, dass gegen die Bestimmungen des § 52 Abs.1 GSpG fortgesetzt verstoßen wird. Dieser Verdacht iSd § 53 Abs.1 Z1 lit.a GSpG muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch im Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch) ausreichend substanziiert sein (VwGH 26.1.2009, 2005/17/0223 und 2008/17/0009; 10.5.2010, 2009/17/0202; vgl. jüngst auch VwGH 20.7.2011, 2011/17/0097).

 

3.2.5. Hinsichtlich des Charakters der an dem beschlagnahmten Gegenstand verfügbaren virtuellen Glücksrad-ähnlichen Lichterkranzspielen ergibt sich aufgrund des unter 2.3. skizzierten Spielablaufes der Verdacht, dass das Spielergebnis vorwiegend vom Zufall abhängt und die Spiele damit als Glücksspiele iSd § 1 Abs.1 GSpG zu qualifizieren sind.

 

3.2.6. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu dem oa. Gerät vergleichbaren Gegenständen in ständiger Judikatur (vgl. nur VwGH 28.6.2011, 2011/17/0068) festhält, ist aufgrund des geschilderten Spielverlaufes davon auszugehen, dass die beschlagnahmten Geräte eine Gewinnchance bot. Durch den Einwurf (bzw. das Belassen im Gerät nach Gebrauch der Geldwechselfunktion) von einer bzw. mehreren Euro-Münzen und Abspielen eines Musikstückes – was jedenfalls zum Verlust eines Euros führte – und dem damit verbundenen automatischen Start des Lichtkranzlaufes erwarb der Spieler die Chance, bei Aufleuchten einer entsprechenden Zahl durch Betätigen der roten Taste den angezeigten Gewinn zu realisieren. Ob in dem Fall, in dem diese Chance nicht eröffnet wird, ein (weiteres) Musikstück abgespielt wird oder nicht, ist für die Beurteilung, dass das Gerät eine vom Zufall abhängige Gewinnchance bietet, nicht zuletzt auch aufgrund der jüngst ergangenen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (u.a. VwGH 16.11.2011, 2011/17/0238 mwN) ohne Belang. Da der Spieler für den Start eines Lichtkranzlaufes – dessen Ergebnis programmgesteuert erfolgt und damit jedenfalls vom Zufall abhängt – jedenfalls einen Euro zu leisten hat, liegt ein aus zwei Teilen bestehendes Spiel vor, dessen Ausgang vom Spieler – entgegen der in der Berufung vertretenen Ansicht – nicht beeinflusst werden kann: das über einen Gewinn entscheidende Aufleuchten eines Symbols (Bienensymbol oder Zahlwabensymbol) wird vom Gerät bzw. die Gerätesteuerung selbsttätig herbeigeführt. Dass im zweiten Teil des Spiels für den Spieler kein Risiko mehr vorhanden ist, sondern die Betätigung der roten bzw. grünen Taste jedenfalls zur Auszahlung des angezeigten Betrags führt, ändert nichts daran, dass der Spieler zu Beginn des Spiels (konkret: dem Abspielen des ersten Musikstückes, das den Lichtkranzlauf in Gang setzt, für einen Euro), das ihm die Gewinnchance bietet, den Ausgang nicht vorhersehen und ihn auch nicht beeinflussen kann. Welches Musikstück vor dem Weiterspielen eines Benützers des Gerätes zur allfälligen Realisierung eines Gewinns abgespielt wird (und ob es diesbezüglich eine Auswahlmöglichkeit des Spielers gibt oder nicht bzw. ob überhaupt ein Musikstück gespielt wird), vermag an dem Umstand, dass dem Spieler die Möglichkeit geboten wird, allenfalls für seinen Einsatz etwas zu gewinnen, nichts zu ändern.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden hat, ist es für das Vorliegen eines Glücksspiels im Sinne des § 1 Abs.1 GSpG nicht maßgeblich, ob und wie viele Einzelhandlungen oder Spieletappen erforderlich sind, um das Glücksspiel durchführen zu können (vgl. so schon VwGH 26.2.2001, 99/17/0214). Das in Rede stehende Gerät eröffnet dem Benützer unzweifelhaft eine Gewinnchance.

 

Wiederum unter Verweis auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung (VwGH 28.6.2011, 2011/17/0068) spricht gerade die Tatsache, dass die Gewinnchance nicht in jedem Fall der Benützung eröffnet wird, gerade für das Vorliegen eines Glücksspielautomaten bzw. sonstigen Eingriffsgegenstandes zur Durchführung elektronischer Lotterien. Das Abspielen eines Musikstücks setzt – wie auch in der Berufung selbst festgehalten – den Vorgang eines Beleuchtungsumlaufes mit zufallsbedingtem Stillstand auf einem "Glücksrad"-ähnlichem Lichterkranz in Gang. Das Ergebnis dieses Vorgangs ist vom Zufall abhängig und führt zu einem Gewinn oder nicht. Dass dem Spieler nach Stillstand des Lichtkranzlaufes eine Wahlmöglichkeit zwischen Realisierung eines allfälligen Gewinns, Auszahlung des bestehenden Kreditspeicherguthabens oder Wiedergabe eines Musikstückes eröffnet wird, ändert nichts daran, dass erst durch Leistung eines Euros zur Wiedergabe des ersten Musikstückes der Lichtkranzlauf gestartet wird, dessen Spielergebnis vom Gerät (durch eine mechanische oder elektronische Vorrichtung) selbsttätig oder zentralseitig herbeigeführt wird.

Kurzum: Diese Wahlmöglichkeit ändert nichts an der Tatsache, "dass der Spieler durch den Einsatz von Geld eine Gewinnchance erhält" (vgl. jüngst VwGH 16.11.2011, 2011/17/0238).

 

Anders als in der Berufung behauptet handelt es sich daher bei diesen Glücksspielen offensichtlich um Ausspielungen iSd § 2 GSpG: Aufgrund des oa. Gerätes mit den darauf verfügbaren Lichtkranzkettenspielen, bei denen Spieleinsätze zu leisten und Gewinne in Aussicht gestellt sind, ist – in Ermangelung einer Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz – von einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs. 1 iVm Abs. 4 GSpG auszugehen.

Wenn die Bw in der Berufung daher vorbringt, dass der vom Spieler geleistete Kaufpreis von einem Euro jedenfalls die Wiedergabe eines aus zwölf konkret angeführten Musiktiteln von ihm auszuwählendes Musikstückes, in einer Länge von jeweils circa drei Minuten, das in voller Länge abgespielt wird und dessen Wiedergabe nicht vorzeitig abgebrochen werden kann, als "adäquate Gegenleistung" erhält, und daher "kein Einsatz für die Teilnahme an einem Glücksspiel geleistet wird, sondern die eingeräumte Gewinnchance für den Kunden unentgeltlich ist", ist sie auch im Lichte der jüngsten höchtsgerichtlichen Rechtsprechung nicht im Recht.

 

Denn wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 16.11.2011, 2011/17/0238 konstatierte, verhindert eine "etwaige Zusatzleistung neben der Anzeige von Gewinn in Geld oder keinem Gewinn in Geld ... den Glücksspielcharakter nicht. Es wird durch den Fun-Wechsler nicht ... einfach für einen Geldbetrag ein Sachgut (oder das Abspielen eines Musikstücks) angeboten, sondern das Angebot besteht darin, dass entweder ein Musikstück abgespielt wird oder der angezeigte Gewinn lukriert werden kann. ... Mit bloßen Warenautomaten lässt sich somit der Fun-Wechsler nicht vergleichen." Dass zum Starten des Lichtkranzlaufes ein – kaum hörbares – Musikstück für einen Einsatz von einem Euro abgespielt wird, ändert daher nichts daran, dass dem Spieler allein durch diesen Einsatz von einem Euro (wenn auch in Kombination mit einem Musikstück) eine Gewinnchance eröffnet wird. Es liegt im gegenständlichen Fall daher jedenfalls eine verbotene Ausspielung iSd § 2 GSpG vor.

 

Weiters handelt es sich bei diesen Glücksspielen offensichtlich um Ausspielungen iSd § 2 GSpG: Aufgrund des oa. Gerätes mit den darauf verfügbaren Spielen, bei denen Spieleinsätze zu leisten und Gewinne in Aussicht gestellt sind, ist – in Ermangelung einer Konzession oder Bewilligung nach dem Glücksspielgesetz – von einer verbotenen Ausspielung iSd § 2 Abs. 1 iVm Abs. 4 GSpG auszugehen. Dabei ist es im Rahmen des Beschlagnahmeverfahrens unerheblich, ob die Ausspielung mit Glücksspielautomaten iSd § 2 Abs. 3 GSpG oder in Form von elektronischen Lotterien iSd § 12a Abs.1 GSpG erfolgte; in beiden Fällen liegt bei Fehlen einer entsprechenden Konzession bzw. Ausnahme vom Glücksspielmonopol des Bundes eine verbotene Ausspielung gem. § 2 Abs.4 leg.cit. vor.

 

Für die Beschlagnahme genügt iSd § 53 Abs. 1 Z1 lit. a GSpG der entsprechend substanziierte Verdacht, dass mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen (mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird) fortgesetzt gegen § 52 Abs.1 leg.cit. verstoßen wird; es muss also etwa ein begründeter Verdacht von (fortgesetzten) verbotenen Ausspielungen iSd § 2 Abs. 4 leg.cit. – konkret deren Veranstaltung, Organisation oder unternehmerische Zugänglich-Machung bzw. Beteiligung (§ 52 Abs.1 Z1 leg.cit.) bzw. die Förderung oder Ermöglichung der Teilnahme an solchen Ausspielungen (§ 52 Abs.1 Z6 leg.cit.) – bestehen. Dass aber mit dem oa. Gegenstand zumindest von August 2010 bis zur Beschlagnahme verbotene Ausspielungen iSd § 2 leg.cit. im oa. Aufstellungslokal mit entsprechend erbrachtem Spieleinsatz der Spieler bei in Aussicht gestellten Gewinnen durchgeführt wurden bzw. jedenfalls ein diesbezüglicher Verdacht vorliegt, ergibt sich unstreitig aus den Ausführungen in der Niederschrift des Finanzamtes und wird auch vom Bw dem Grunde nach nicht bestritten. Darauf gründet sich der Verdacht, dass auch künftig – dh "fortgesetzt" – gegen die Bestimmungen des § 52 Abs.1 (insbes. Z1 bzw. Z6) GSpG verstoßen wird (vgl. eingehend VwGH 20.12.1999, 97/17/0233).

 

Die rechtliche Qualifikation der Stellung der Bw in Bezug auf die strafbare Handlung, auf die sich der Verdacht bezieht, ist nicht von Bedeutung (VwGH 10.5.2010, 2009/17/0202). So ist unter Zugrundelegung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nach § 52 Abs.1 Z1 iVm § 53 Abs.1 Z1 lit.a GSpG nicht ausschlaggebend, ob der Bw selbst Veranstalter der entgegen dem Glücksspielgesetz betriebenen Glücksspiele ist bzw. ob diese Spiele auf seine Rechnung betrieben wurden. "Ausschlaggebend ist lediglich der Verdacht eines Verstoßes gegen das Glücksspielgesetz, unerheblich ist es hingegen, ob (auch) der Eigentümer der Geräte eine Übertretung des Glücksspielgesetzes zu verantworten hat."

 

3.3. Besonders breiten Raum nehmen in der Berufung die Ausführungen betreffend die Unionrechtswidrigkeit und der damit verbundenen Unanwendbarkeit der hier einschlägigen Bestimmungen des GSpG ein. Die in der Berufung vorgebrachten unionsrechtlichen Bedenken gegen die österreichische Rechtslage nach dem Glücksspielgesetz greifen aber nicht.

 

3.3.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl.2011/17/0068, mit der Judikatur des EuGH (insbesondere Urteil v 8.09.2010, Rs C-316/07 ua, Rechtssachen Placanica und Stoß, und Urteil v 9.09.2010, Rs C‑64/08, Rechtssache Engelmann) zum Art 43 und 49 EGV (nunmehr Art 49 und 56 AEUV) und weiter im darauffolgenden Erkenntnis vom 20. Juli 2011, Zl. 2011/17/0097, damit befasst. Dabei hat er ausgesprochen, dass aus der jüngeren Judikatur des EuGH nicht abgeleitet werden könne, dass das Gemeinschaftsrecht (Unionsrecht) der Anwendung jeglicher nationaler Vorschrift auf dem Gebiet des Glücksspielwesens entgegenstünde, sobald nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform ist. Die Verpflichtung zur Nichtanwendung nationaler Rechtsvorschriften bestehe nach der Rechtsprechung des EuGH nur für solche Rechtsvorschriften, die im Widerspruch zu Unionsrecht stehen. So könne eine nationale Vorschrift, die das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform (Aktiengesellschaft) für die Verleihung einer Konzession auf dem Gebiet des Glücksspielwesens normiere, für sich nicht unionsrechtlich bedenklich sein. Eine aus der Rechtsprechung des EuGH ableitbare Unanwendbarkeit von Sanktionen gegenüber Personen, denen unionsrechtswidriger Weise die Erlangung einer Konzession verwehrt worden wäre, greife etwa gegenüber einem Rechtsträger in Form einer GmbH nicht. Dies sei auch auf die Rechtsform der Limited zu übertragen.

 

3.3.2. Entsprechend der vom EuGH in der Rechtssache Engelmann (Urteil v 9.09.2010, Rs C-64/08) mit Rücksicht auf das Transparenzgebot geforderten Ausschreibung wurde die österreichische Rechtslage der §§ 14 und 21 GSpG zur Konzessionsvergabe bekanntlich inzwischen geändert (BGBl I Nr. 111/2010) und eine öffentlich Interessentensuche vorgesehen, wobei sich auch Wirtschaftsteilnehmer mit Sitz im Hoheitsgebiet von anderen Mitgliedsstaaten bewerben können.

 

3.3.3 Auch aus der Rechtssache Dickinger und Ömer (Urteil v 15.09.2011, Rs C 347/09) lässt sich die in der Berufung behauptete Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols und die Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen nicht ableiten. Der EuGH hat in dieser Entscheidung zur österreichischen Rechtslage festgehalten, dass ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonderes Schutzniveau für Verbraucher im Glücksspielsektor zu gewährleisten, Grund zu der Annahme haben kann, dass ihm nur die Errichtung eines Monopols zugunsten einer einzigen Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, erlaubt, die Kriminalität in diesem Sektor zu beherrschen und hinreichend wirksam zu verfolgen. In diesem Zusammenhang können auch gewisse verhältnismäßige Beschränkungen des Monopolinhabers erforderlich sein: Etwa kann das Erfordernis einer bestimmten Rechtsform der Glücksspielanbieter durch das Ziel der Geldwäsche- und Betrugsvorbeugung gerechtfertigt sein; ebenso kann sich das Erfordernis, über ein Gesellschaftskapital in einer bestimmten Höhe zu verfügen, als nützlich erweisen, um eine gewisse Finanzkraft des Anbieters zu gewährleisten und sicherzustellen, dass er in der Lage ist, die Verpflichtungen zu erfüllen, die er gegenüber Gewinnern haben könnte. Das Unionsrecht sei auch derart auszulegen, dass – um mit den Zielen der Kriminalitätsbekämpfung und der Verringerung der Spielgelegenheiten im Einklang zu stehen – eine nationale Regelung nur den Einsatz maßvoller Werbung zulassen darf.

 

Der Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, könne keinen Einfluss auf die Beurteilung der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben.

 

Im zitierten Urteil des EuGH in der Rechtssache Dickinger und Ömer hält der Gerichtshof fest, dass es den Mitgliedstaaten grundsätzlich frei steht, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet der Glücksspiele – im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung – festzulegen. Es steht durchaus im Einklang mit den unionsrechtlichen Vorgaben, wenn der österreichische Gesetzgeber davon ausgeht, dass das Glücksspielmonopol vorrangig ordnungspolitischen Zielen (wie Verbraucherschutz iSv Spielerschutz sowie soziale Sicherheit der Familien und Kinder, Jugendschutz, Vorbeugung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Kriminalitätsabwehr, Wettbewerbsfairness – vgl. eingehend RV 657 BlgNR 14. GP) dient (vgl. die Erl der RV 1067 und AB 1139 BlgNR 17. GP; weiters Strejcek/Bresich, Glücksspielgesetz-Kommentar [2009], 24 und Rz 9 ff zu § 3 GSpG).

 

Eine entsprechende Aufsicht über die Ausübung der Konzessionen durch den Bundesminister für Finanzen ist ausdrücklich im § 31 GSpG vorgesehen. Durch das Erfordernis eines gewissen Stamm- und Grundkapitals für die Erteilung einer Konzession (nach § 14 Abs.2 und nach § 21 Abs.2 GSpG) will der Gesetzgeber sicherstellen, dass "das verlangte eingezahlte Eigenkapital dem konzessionierten Spielbetrieb bei Konzessionsantritt als Haftungsstock auch unbelastet zur Verfügung steht" (RV 981 BlgNR 14. GP zu § 14 und zu § 21 GSpG). Weiters wird im § 56 Abs.1 GSpG normiert, dass bei Werbeauftritten ein "verantwortungsvoller Maßstab" zu wahren ist, was im Aufsichtswege überwacht wird.

 

Nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats hat die Berufung keine hinreichend schlüssige Argumentation vorgebracht, warum die geltende Regelung nicht im Sinne der Judikatur des EuGH verhältnismäßig sein soll. Deshalb sind beim erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenats auch keine Bedenken wegen der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit aufgekommen.

 

3.3.4. Von der schlechthin behaupteten Unanwendbarkeit von glücksspielrechtlichen Bestimmungen kann – insbesondere auch im Lichte der dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur (vgl u.a. VwGH 21.12.2012, 2010/17/0221) – daher überhaupt keine Rede sein.

 

So stellte der Verwaltungsgerichtshof erst jüngst uHa seine ständige Judikatur – zu den vorliegenden Berufungsvorbringen vergleichbaren Behauptungen – erneut fest (VwGH 21.12.2012, 2010/17/0221):

"Die Beschwerden enthalten umfangreiche Ausführungen, weshalb das österreichische Glücksspielgesetz dem Unionsrecht widerspreche. Es wird behauptet, aus der Rechtsprechung des EuGH ergebe sich, dass die glücksspielrechtlichen Bestimmungen unangewendet zu bleiben hätten.

Im Hinblick auf diese Ausführungen ist der Beschwerdeführer, neben der Tatsache, dass im Beschwerdefall kein Sachverhalt vorliegt, der zur Anwendung des Unionsrecht führt, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2011/17/0068, zu verweisen. Bereits in diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass es nicht zutrifft, dass aus der jüngeren Rechtsprechung des EuGH abgeleitet werden könne, dass das Unionsrecht der Anwendung jeglicher nationalen Vorschrift auf dem Gebiet des Glücksspielwesens entgegenstehe, wenn nur eine Regelung auf diesem Gebiet nicht unionsrechtskonform gewesen sei (in diese Richtung Koppensteiner, Der EuGH und das Glücksspiel, RdW 2011, 134 ff). Bei der Verfolgung der vom EuGH für die Rechtfertigung der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit anerkannten Zielsetzungen steht die Rechtsprechung des EuGH Vorschriften im nationalen Recht wie etwa dem Erfordernis einer bestimmten Rechtsform und/oder Kapitalausstattung nicht entgegen."

 

3.3.5. Auch hinsichtlich des weiteren Berufungsvorbringens bezüglich einer allfällig gleichheitswidrigen Inländerdiskriminierung sind beim Oö. Verwaltungssenat ob der diesbezüglichen ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung keine Bedenken entstanden. So hielt der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich erst jüngst uHa auf seine ständige Rechtsprechung zu einem vergleichbaren glücksspielrechtlichen Sachverhalt ausdrücklich fest (VwGH 15.9.2011, 2011/17/0200):

"Hiezu ist festzustellen, dass die Frage der Inländerdiskriminierung nur dann relevant ist, wenn eine nationale Umsetzungsregelung oder der Vorrang des Gemeinschaftsrechts zu einer Differenzierung zwischen EU-Bürgern und Inländern führt. Da dies - wie ebenfalls in dem bereits genannten Erkenntnis vom 28. Juni 2011, Zl. 2011/17/0068, dargelegt - für Sachverhalte wie dem im Beschwerdefall gegebenen jedoch nicht der Fall ist, ist es hier nicht entscheidend, welche Konsequenz die Annahme der Anwendbarkeit der verfassungsrechtlichen Überlegungen des Verfassungsgerichtshofes zum Grundverkehrsrecht auch auf den vorliegenden Zusammenhang hätte."

 

3.4. Die Anregung („Antrag“) in den Berufungen, das gegenständliche Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des EuGH über einen Vorabentscheidungsantrag auszusetzen, wird seitens des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates aufgrund der zuletzt ergangenen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 14.6.2012, G4/12-10 ua) sowie im Lichte der aktuellen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht aufgegriffen.

 

4. Aufgrund eines hinreichend substanziierten Verdachtes auf einen fortgesetzten Verstoß gegen Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG war daher spruchgemäß zu

entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

 

Mag. Markus Kitzberger

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum