Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523498/4/Zo/CG/AK

Linz, 15.07.2013

 

                                                                                                                                                                                                           

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens des Herrn X, geb. X, vertreten durch Rechtsanwalt X, vom 26.06.2013, betreffend das mit Erkenntnis des UVS vom 19.06.2013, Zl. VwSen-523413/7 abgeschlossene Verfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

 

 

  1. Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird stattgegeben und das Erkenntnis des UVS OÖ. vom 19.06.2013, Zl. VwSen-523413/7 aufgehoben;

 

  1. Der Berufung gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von  Braunau vom 27.02.2013, Zl. VerkR21-63-2013, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsverfahren eingestellt.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 69 Abs.1 Z.3 AVG.

zu II.: §§ 66 Abs.4 und 67 a Z.1 AVG iVm §§ 24 Abs.1 Z.1, 7 Abs.1 Z.2, Abs.3 und Abs.4 FSG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.            Mit Erkenntnis des UVS OÖ. vom 19.06.2013, Zl. VwSen-523413/7, wurde der Berufung des nunmehrigen Antragstellers gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 27.02.2013, Zl. VerkR21-63-2013, wegen Entziehung der Lenkberechtigung teilweise stattgegeben. Die Entziehung der Lenkberechtigung wurde grundsätzlich bestätigt, die Entzugsdauer jedoch auf 15 Monate herabgesetzt.

Dieses Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Berufungswerber in der Zeit von Juli 2012 bis 25. Jänner 2013 insgesamt 15-mal jeweils in der Nähe von Schulen in dem von ihm benutzten PKW mit dem Kennzeichen X, teilweise bei offener Seitentür onanierte, um sich selbst zu erregen. Er beging diese Handlungen teilweise vor 14 bis 15 Jahre alten Mädchen. Der Berufungswerber war weiters bereits im Jahr 2003, im Jahr 2006 und im Jahr 2008 jeweils zu einer gerichtlichen Strafe wegen Sittlichkeitsdelikten verurteilt worden.

 

Diese Handlungen seien zwar in § 7 Abs.3 Z.8 FSG nicht als bestimmte Tatsache  genannt, seien diesen jedoch insbesondere wegen der Verwendung eines PKW und der massiven Häufung gleichwertig.

 

2.            In dem dagegen eingebrachten Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens führte der Antragsteller zusammengefasst aus, dass er (nur) in vier Fällen des Vergehens nach § 218 Abs.2 StGB und in einem Fall des Vergehens nach § 208 Abs.1 (Vorfall in Ried im Innkreis) schuldig erkannt wurde und zu einer zur Gänze bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden sei. Hingegen sei zum Vorwurf des Besitzers pornografischer Darstellungen von unmündigen Minderjährigen sowie zu den übrigen vorgeworfenen Fakten ein Freispruch erfolgt. Es sei Bewährungshilfe angeordnet  und ihm die Weisung erteilt worden, dass er binnen zwei Wochen die Psychotherapie zu beginnen bzw. weiter zu führen habe. In der gerichtlichen Hauptverhandlung habe der Bewährungshelfer die bedingte Strafnachsicht samt Weisungen unter weiterer Bewährungshilfe befürwortet, weil es in den Zeiten der psychiatrischen Intervention zu keinen Tathandlungen gekommen sei und voraussichtlich auch nicht kommen werde. Das Landesgericht Ried sei also von einer günstigen Zukunftsprognose ausgegangen, also davon, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Die vom Strafgericht sowie vom UVS des Landes Oberösterreich erstellten Zukunftsprognosen würden daher diametral auseinandergehen. Weiters würden die Vergehen nach § 208 Abs.1 und § 218 Abs.2 StGB keine schweren strafbaren Handlungen im Sinne des § 7 Abs.1 FSG darstellen, der maximale Strafrahmen betrage dafür 1 Jahr.

 

Hätte der UVS des Landes Oberösterreich zu seinem Entscheidungszeitpunkt das Urteil des LG Ried gekannt, wäre es für ihn zu einem günstigeren Ergebnis gekommen, weshalb der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs.1 Z.3 AVG vorliege.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau am Inn hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Es ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Aus diesem ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich war. Diese wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der UVS des Landes Oberösterreich hat seiner Entscheidung vom 19.06.2013, VwSen-523413/7, jenen Sachverhalt zu Grunde gelegt, welcher sich aus dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis vom 23.04.2013, Zl. 1 St 24/13 i ergeben hat. Entsprechend diesem Strafantrag habe der Berufungswerber in der Zeit von Juli 2012 bis 25. Jänner 2013 in insgesamt 15 Fällen jeweils in der Nähe von Schulen in dem von ihm benutzten PKW mit dem Kennzeichen X, teilweise bei offener Seitentür onaniert, um sich selbst zu erregen. Er habe diese Handlungen teilweise vor 14 bis 15 Jahre alten Mädchen begangen.

 

Entsprechend dem nunmehr ergangenen Urteil des LG Ried hat der Berufungswerber (nur) am 28. September 2012, am 10.01.2013, am 16.01.2013 und am 25.01.2013 jeweils im Bereich von Schulen derartige Handlungen begangen, wobei nur am 28. September 2012 diese vor zwei unmündigen Personen vorgenommen wurde. Bezüglich der anderen im Strafantrag enthaltenen Tatvorwürfe wurde er freigesprochen. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, welche zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Weiters wurde ihm die Weisung erteilt, sich einer sexualbezogenen psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 69 Abs.1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1. ……….

2. ……….

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

5.1.2.  Die Bestimmung des  § 208 StGB ist bei den bestimmten Tatsachen des  § 7 Abs.3 Z.8 FSG nicht ausdrücklich aufgezählt. Für die Beurteilung, ob sie diesen hinsichtlich der Verwerflichkeit und der Gefährlichkeit gleichwertig ist, ist auch die Zahl der Delikte zu berücksichtigen und weiters der Umstand, inwieweit diese tatsächlich vor unmündigen Personen (§ 208 StGB) oder lediglich öffentlich (§ 218 StGB) begangen wurden. Das LG Ried hat diese Umstände in einem erheblichen Umfang anders beurteilt, als sie im Strafantrag der Staatsanwaltschaft dargestellt wurden und den Berufungswerber (lediglich) wegen 4 Vorfällen verurteilt, wobei nur in einem Fall seine Handlung von unmündigen Personen wahrgenommen werden konnte. Das LG Ried hat daher diese Vorfrage anders beurteilt als der UVS in der ersten Entscheidung, wobei diese abweichende Beurteilung für die Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit des Berufungswerbers relevant ist. Dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher gemäß § 69 Abs.1 Z.3 AVG stattzugeben.

 

5.2.1. Gemäß § 24 Abs.1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.    die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.    die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.

Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich

1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder

2. um eine Entziehung der Klasse A wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.

 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Z2 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht aufgrund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z8 FSG gilt als bestimmte Tatsache iSd Abs.1 insbesondere, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung gemäß den §§ 201 bis 207 oder 217 StGB begangen hat.

 

Gemäß § 7 Abs.4 FSG sind für die Wertung der in Abs.1 genannten und in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend, wobei in den in Abs. 3 Z. 14 und 15 genannten bestimmten Tatsachen die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit nicht zu berücksichtigen sind.

 

5.2.2. Richtig ist, dass die Delikte des § 208 und § 218 StGB in § 7 Abs.3 Z.8 FSG nicht enthalten sind. Bei den in § 7 Abs.3 FSG aufgezählten bestimmten Tatsachen handelt es sich jedoch nur um eine beispielhafte Aufzählung, was sich aus dem Wort „insbesondere“ ergibt. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können auch andere – nicht ausdrücklich aufgezählte – Übertretungen die Verkehrszuverlässigkeit ausschließen, wenn sie in ihrer Schwere, durch das Zusammentreffen mit anderen Straftaten oder im Zusammenhang mit der Verwendung von Kraftfahrzeugen den beispielsweise aufgezählten Straftaten des § 7 Abs.3 FSG gleichwertig sind.

 

Dazu ist zum Nachteil des Berufungswerbers zu berücksichtigen, dass er in allen Fällen seinen PKW gelenkt hat und die Taten in dieser Form ohne Verwendung seines PKW nicht hätte begehen können. Allerdings ist nunmehr aufgrund des Urteiles des LG Ried davon auszugehen, dass er lediglich in 4 Fällen derartige strafbare Handlungen begangen hat, wobei diese nur in einem Fall tatsächlich von unmündigen Mädchen wahrgenommen wurden. Es kann daher nicht mehr von einer massiven Häufung strafbarer Handlungen ausgegangen werden, weshalb die vom Berufungswerber begangenen Straftaten nicht mehr ohne weiteres den vom Gesetzgeber in § 7 Abs.3 FSG genannten Tatsachen gleichgestellt werden kann.

 

Selbst wenn man von einer Gleichwertigkeit ausgeht, ist doch zu berücksichtigen, dass seit dem letzten Vorfall in etwa ein halbes Jahr vergangen ist und der Berufungswerber in dieser Zeit keine weiteren ähnlichen strafbaren Handlungen begangen hat. Unter Berücksichtigung dieses Wohlverhaltens über ein halbes Jahr  (und der geringeren Anzahl der Delikte) ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr davon auszugehen, dass er bei Belassung der Lenkberechtigung weitere ähnliche Straftaten begehen wird, sodass der Berufungswerber zum jetzigen Zeitpunkt jedenfalls (wieder) als verkehrszuverlässig anzusehen ist. Seiner Berufung war daher stattzugeben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 18,20 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

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