Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-150993/9/Lg/Ba/HK

Linz, 25.07.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ewald Langeder nach der am 26. Juni 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung des R S, vertreten durch S und D Rechtsanwälte, K, G, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 17. September 2012, Zl. 0013099/2012, wegen Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes (BStMG) zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird dem Grunde nach abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis insoweit bestätigt.  Die Geldstrafe wird jedoch auf 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 56 Stunden herabgesetzt. Der Antrag auf weitere Herabsetzung der Strafe bzw. auf Absehen von der Strafe wird abgewiesen.

 

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich auf  50 Euro. Ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem UVS ist nicht zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: §§ 16 Abs.2, 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: §§ 64 Abs.1 und 2, 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro bzw. eine Ersatzfrei­heitsstrafe in Höhe von 67 Stunden verhängt, weil ihm Folgendes vorgeworfen wurde:

 

"Der Beschuldigte, Herr R S, geboren am X, wohnhaft: J, L, wurde am 25.3.2012 um 15:18 Uhr als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X auf der A7, Auffahrt Unionstraße, Fahrtrichtung Ansfelden von Mautaufsichtsorganen der Asfinag mittels deutlich sichtbarer Zeichen (Anhaltezeichen mit Anhaltestab) aufgefordert anzuhal­ten. Der Beschuldigte hat dieser Aufforderung nicht Folge geleistet und ist ohne anzuhalten wei­tergefahren.

 

Verletzte Verwaltungsvorschrift(en) in der gültigen Fassung:

§ 21  Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG)"

 

 

In der Begründung führt das angefochtene Straferkenntnis aus:

 

"Der im Spruch angeführte Sachverhalt wurde mit Schreiben der Asfinag vom 25.3.2012 angezeigt.

 

Mit Strafverfügung vom 30.4.2012 wurde gegen den Beschuldigten wegen der im Spruch darge­stellten Verwaltungsübertretung ein ordentliches Verwaltungsstraf­ver­fahren eingeleitet.

 

Der Beschuldigte erhob gegen diese Strafverfügung fristgerecht Einspruch und brachte vor:

 

Hinsichtlich der behaupteten Übertretung (Übertretung des Bundesstraßen-Mautgesetzes) bin ich der Meinung, dass ich diese nicht begangen habe.

In eventu bin ich der Meinung, dass die ausgesprochene Geldstrafe in der Höhe von € 600,- zu hoch bemessen wurde. Ich ersuche daher um ein Absehen von der Strafe, in eventu beantrage ich die Außerkraftsetzung jenes Teils der Strafverfügung betreffend die Strafbemessung. Ich begründe meinen Einspruch wie folgt:

Richtig ist, dass ich zum gegenständlichen Zeitpunkt auf der A7, Auffahrt Unionstraße, Fahrtrich­tung Ansfelden mit dem Fahrzeug, Kennzeichen X unterwegs war. Ich wechselte auf­grund der wegen der Kontrolleinrichtung der Mautaufsicht gesperrter rechten Fahrseite auf die lin­ke Fahrseite und verlangsamte meine Fahrgeschwindigkeit auf Schritttempo, um rechtzeitig beim neben der Fahrbahn stehenden Mautaufsichtsorgan anhalten zu können. Bevor ich mein Auto zum völligen Stillstand bringen konnte wurde ich jedoch vom Mautaufsichtsorgan, mit welchem ich Blickkontakt aufgenommen hatte mittels eindeutigem Handzeichen aufgefordert weiterzufahren. Er hat mich sozusagen 'durchgewunken'. Dieser Aufforderung bin ich natürlich nachgekommen, auch um die Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu beeinträchtigen. Ich habe das 'durchwinken' nicht in Fra­ge gestellt oder als ungewöhnlich empfunden, sondern bin davon ausgegangen, dass man offen­sichtlich meine ordnungsgemäß angebrachte gültige Autobahn-Vignette an der Windschutzscheibe wahrgenommen hat. Ich wurde zudem schon öfter bei Verkehrskontrollen 'durchgewunken', weil das vermutlich nicht unüblich ist. Die Rechnung und den unteren Vignettenabschnitt (Trägerfolie mit Seriennummer) der an diesem Fahrzeug angebrachten Jahresvignette lege ich meinem Schreiben in Kopie bei. Ich bin unbescholten, habe bis dato keine derartige Venwaltungsübertretung begangen und möchte nochmals betonen, dass ich selbstverständlich einer Aufforderung zur Anhaltung unverzüglich Folge geleistet hätte!

Aufgrund der obigen Umstände ersuche ich daher die Behörde von ihrem gesetzlichen Ermessen Gebrauch zu machen und von einer Bestrafung abzusehen, in eventu beantrage ich die Außer­kraftsetzung jenes Teils der Strafverfügung, mit welchem die Geldstrafe bemessen wurde und er­suche gleichzeitig um Reduzierung der Strafe.

 

Herr F H gab bei seiner niederschriftlichen Zeugeneinvernahme am 14.6.2012 zu Proto­koll:

 

Ich arbeite seit 2.2.2009 bei der Asfinag als Mautaufsichtsorgan.

Am 25.3.2012 habe ich mit Herrn G L bei der Auffahrt Unionstraße, Fahrtrichtung Ansfelden, Vignettenkontrollen durchgeführt. Wir stellen ca. 10 m vor dem Kontrollort ein Warndreieck auf. Unter dem Warndreieck ist auch noch die Aufschrift 'Kontrolle' angebracht. Weiters werden noch Verkehrsleitkegel aufgestellt. An dieser Stelle ist nur eine Fahrspur vorhanden. Diese Fahr­spur wird durch die Verkehrsleitkegel noch etwas eingeengt, damit die kontrollierten Personen wis­sen, wo sie anhalten sollen. Wir halten die Autos auf der Fahrbahn an um eine erste Sichtkontrolle zu machen. Nach dieser Kontrolle werden die Autos entweder weitergewunken oder die Lenker beauftragt in die Parkbucht zu fahren. Es wird auch jedes Auto kontrolliert. Manche Fahrzeuge, bei denen wir schon sehen, dass die Jahresvignette in Ordnung ist, werden bei Schritttempo durchge­wunken.

Nachdem das Fahrzeug vor dem BMW mit dem Kennzeichen X von meinem Kollegen wei­tergewunken wurde, gab mein Kollege dem Lenker mit dem Kennzeichen X mit der Anhal­tekelle die Anweisung anzuhalten. Das Fahrzeug fuhr zu diesem Zeitpunkt sehr langsam. Der Len­ker ignorierte dieses Anhaltezeichen, obwohl mein Kollege mit ihm Augenkontakt hatte, und be­schleunigte stark. Der Lenker ist dann direkt auf mich zugefahren. Ich stand am Fahrbahnrand. Ich konnte mich nur durch einen Sprung zur Seite retten. Ich habe zuerst in die andere Richtung ge­sehen. Erst als mein Kollege mir zurief: 'F, steh um!' und ich hörte, dass das Fahrzeug be­schleunigt, habe ich mich umgedreht und sah den Wagen direkt auf mich zukommen. Ich hatte noch Augenkontakt mit dem Fahrer, bevor ich zur Seite sprang. Ich habe dem Fahrzeug noch nachgeschrieen, er solle stehenbleiben. Der Lenker hat jedoch weiter beschleunigt.

 

Herr G L gab bei seiner niederschriftlichen Zeugeneinvernahme am 18.6.2012 zu Pro­tokoll:

 

Ich bin seit 20.6.2011 bei der Asfinag als Mautaufsichtsorgan beschäftigt. Ich habe am 25.3.2012 gemeinsam mit meinem Kollegen, Herrn H, bei der Auffahrt Uni­onstraße, Fahrtrichtung Ansfelden, Vignettenkontrollen durchgeführt. Ich stand direkt neben der Fahrbahn und gab den Fahrzeuglenkern die Handzeichen. Auf der Straße haben wir sog. Verkehrsleitkegel aufgestellt um die Fahrspur so zu verengen, dass die Fahrzeuge direkt neben uns vorbeifahren müssen. Ein Stück vom Kontollort entfernt wird ein Dreieck mit der Zusatzaufschrift 'Kontrolle' aufgestellt.

Ich signalisiere den Fahrzeuglenkern mit der Kelle, dass sie langsamer werden sollen. Wenn ich die Vignette bei langsamen Tempo erkennen kann, muss der Fahrzeuglenker nicht anhalten. Wenn die Vignette bei langsamer Fahrt nicht erkennbar ist, signalisiere ich dem Fahrzeuglenker mit der Kelle, dass er anhalten muss. Wenn dann die Vignette nicht in Ordnung ist, winke ich ihn in die Parkbucht.

Der BMW mit dem Kennzeichen X ist - als er sich näherte - langsamer geworden. Ich ha­be die Vignette nicht erkannt, deshalb ist die Kelle oben geblieben und ich habe ihm damit signali­siert, dass er anhalten soll. Der Lenker hat aber Gas gegeben und ist direkt auf mich und meinen Kollegen zugefahren. Wir mussten dem Fahrzeug ausweichen um nicht überfahren zu werden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Fahrzeuglenker mein Signal als 'Durchwinken' verstanden hat. Der Fahrzeuglenker ist nicht nur weitergefahren, sondern hat das Fahrzeug direkt auf meinen Kollegen und mich zugesteuert und dann erst im letzten Moment einen 'Schlenkerer' auf die Seite gemacht um uns auszuweichen.

Wenn ich einen Fahrzeuglenker durchwinke, gebe ich die Kelle herunter und winke mit der ande­ren Hand, dass er weiterfahren könne.

 

Für die erkennende Behörde ist der im Spruch dargestellte Sachverhalt aufgrund der Aktenlage sowie des Ergebnisses des durchgeführten Ermittlungsverfahrens erwiesen. Aufgrund der über­einstimmenden, glaubwürdigen Aussagen der Mautaufsichtsorgane wird davon ausgegangen, dass der Beschuldigte der Anweisung des Mautaufsichtsorganes zum Anhalten in der Parkbucht keine Folge geleistet hat.

 

In rechtlicher Würdigung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes hat die erkennende Behörde erwogen:

 

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen des Bundesstraßen-Mautgesetzes 2002 (BStMG) lauten auszugsweise wie folgt:

 

 

Verletzung der Informations- und Anhaltepflicht

§ 21

 

Wer der Bestimmung des § 8 Abs. 4 zuwiderhandelt oder entgegen § 18 Abs. 2 der Aufforderung zum Anhalten nicht Folge leistet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3000 € zu bestrafen.

 

 

 

 

Mitwirkung der Mautaufsichtsorgane

§ 18

 

(1) Die Mautaufsichtsorgane wirken an der Vollziehung dieses Gesetzes durch Überwachung der Einhaltung seiner Vorschriften, durch Entgegennahme von Zahlungen gemäß § 19, durch Maß­nahmen zur Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens, durch Einhebung vorläufiger Sicherheiten gemäß § 27 und durch Verhinderung der Fortsetzung der Fahrt gemäß § 28 mit.

(2) Zum Zweck der Kontrolle der ordnungsgemäßen Entrichtung der Maut und der Durchführung von Verkehrserhebungen (wie Verkehrszählungen u. dgl.) sind die Mautaufsichtsorgane berechtigt, Kraftfahrzeuglenker durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen zum Anhalten aufzufordern, sie anzuhalten, die Identität des Lenkers und des Zulassungsbesitzers festzustellen, Nachweise über das Eigengewicht des Fahrzeuges und Nachweise, die die Zuordnung von Fahrzeugen zu einer Tarifgruppe gemäß § 9 Abs. 5 und 6 ermöglichen, zu überprüfen und das Fahrzeug, insbesondere das Gerät zur elektronischen Entrichtung der Maut, die Anbringung der Vignette, den Fahrtschrei­ber, den Wegstreckenmesser und das Kontrollgerät gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85, ABI. Nr. L 370 vom 31. Dezember 1985, S. 8, zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 432/2004, ABI. Nr. L 71 vom 10. März 2004, S. 3, zu überprüfen. Kraftfahrzeuglenker haben der Aufforderung zum Anhalten Folge zu leisten, an der Identitätsfeststellung mitzuwirken und die Überprüfung des Fahrzeuges zu dulden. In Angelegenheiten des Straßenverkehrs besonders ge­schulte Mautaufsichtsorgane sind zu diesen Zwecken nach jeweiliger vorheriger Abstimmung mit der für die Handhabung der Verkehrspolizei zuständigen Behörde und einsatzbezogener Abspra­che mit der örtlich zuständigen Dienststelle der Bundespolizei berechtigt, die aus Gründen der Verkehrssicherheit allenfalls notwendigen Verkehrsbeschränkungen (zB Geschwindigkeitstrichter) im Bereich von Mautkontrollplätzen anzuordnen und durch Straßenverkehrszeichen kundzuma­chen sowie eine allenfalls notwendige Regelung mit Lichtzeichen vorzunehmen. Für die Anwen­dung dieser Maßnahmen gilt § 44b Abs. 2 bis 4 Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159.

 

Der Beschuldigte wurde am 25.3.2012 um 15:18 Uhr als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kenn­zeichen X auf der A7, Auffahrt Unionstraße, Fahrtrichtung Ansfelden von Mautaufsichtsor­ganen der Asfinag mittels deutlich sichtbarer Zeichen (Anhaltezeichen mit Anhaltestab) aufgefor­dert anzuhalten. Der Beschuldigte hat dieser Aufforderung nicht Folge geleistet und ist ohne anzu­halten weitergefahren.

Die Angaben des Beschuldigten, er sei 'durchgewunken' worden, sind nicht glaubwürdig.

 

Es ist somit der Tatbestand der dem Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung in objek­tiver Hinsicht erfüllt.

 

Schuldfrage:

 

Das BStMG sieht keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens vor. Es kommt daher § 5 Abs. 1 VStG zum Tragen, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist immer dann anzunehmen, wenn

Der Beschuldigte hat im vorliegenden Fall ein Ungehorsamsdelikt begangen.

 

Den Schuldentlastungsbeweis im Sinne der vorstehenden Gesetzesbestimmung konnte er mit sei­ner Rechtfertigung nicht erbringen.

 

Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbe­standsmäßigkeit erwiesen.

 

Zur Strafhöhe ist festzustellen, dass gemäß § 19 Abs. 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen In­teressen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteili­ge Folgen nach sich gezogen hat, ist. Nach Abs. 2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschul­dens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungs­strafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemes­sung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Dies bedeutet, dass die erkennende Behörde auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 VStG ihre Wer­tung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens darzutun hat. Eine Strafbe­messung innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den in § 19 leg.cit. festgelegten Kriterien vorzunehmen ist.

 

Als strafmildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Beschuldigten gewertet, straferschwe­rend war, dass der Beschuldigte die Mautaufsichtsorgane gefährdete.

 

Bei der Berücksichtigung der Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse des Beschul­digten ging die Behörde aufgrund einer realistischen Schätzung von einem monatlichen Nettoein­kommen von € 1.200,- aus. Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 19 VStG maßgebender Bemessungsgründe erscheint daher die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden des Beschuldigten angemessen.

 

Das Ausmaß der gemäß § 16 VStG festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Unrechts- ­und Schuldgehalt der Verwaltungsübertretung."

 

 

2. In der Berufung wird dagegen vorgebracht:

 

"1. Sachverhalt:

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde der Beschuldigte schuldig erkannt, als Lenker des von der Firma S Dienstleistungs AG gehaltenen Fahrzeuges X am 25.03.2012 über Aufforderung eines Mautaufsichtsorganes nicht angehalten zu haben. Es wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von €600,--

zzgl. Verfahrenskosten €  60,--

sohin gesamt € 660,--

verhängt.

 

2.    Anfechtungsgründe:

 

Das bekämpfte Straferkenntnis wird aus den Gründen formeller und materieller Rechtswid­rigkeit angefochten.

 

3.    Rechtsmittelausführung:

 

3.1. Vorweg verweist der Beschuldigte darauf, dass binnen der gesetzlich vorgese­henen Verjährungsfrist eine ordnungsgemäße Anlastung der Tat nicht stattge­funden hat.

 

Gem. § 31 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorge­nommen wurde oder die hinreichende Anlastung der Tat erfolgt Die Verjäh­rungsfrist beträgt sechs Monate ab dem Zeitpunkt, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen wurde.

 

3.2. Gemäß § 18 Abs. 1 EStMG 2002 können Mautaufsichtsorgane zum Zwecke der Kontrolle der ordnungsgemäßen Entrichtung der Mautkraftfahrzeuglenker durch deutlich sichtbare oder hörbare Zeichen zum Anhalten auffordern. Kraftfahr­zeuglenker haben jeder Aufforderung zum Anhalten Folge zu leisten.

 

3.3. Der Beschuldigte bestreitet ausdrücklich, dass er am Vorfallstag von einem Mautaufsichtsorgan mittels deutlich sichtbaren Zeichens aufgefordert worden wä­re, anzuhalten. Vielmehr hat der Beschuldigte die Kontrolle wahrgenommen, sein Fahrzeug verlangsamt (um rechtzeitig anhalten zu können), in weiterer Folge jedoch wiederum beschleunigt, da ihm vom Mautaufsichtsorgan gedeutet wurde, weiterzufahren. Er wurde also 'durchgewunken',

 

3.4. Der Beschuldigte konnte das ihm vom Mautaufsichtsorgan gegebene Handzei­chen nur in die dargestellte Richtung, nämlich, dass er 'durchgewunken' wird, in­terpretieren. Jede andere Deutung erscheint insoferne lebensfremd und unlogisch, als beide zeugenschaftlich einvernommene Mautaufsichtsorgane bestätigen, dass der Beschuldigte mit seinem PKW langsamer geworden ist bzw. sogar im Schritttempo fuhr. Der Beschuldigte selbst führte aus, dass er jederzeit bereit war, anzuhalten, jedoch aufgrund des ihm gegebenen Signals ('Durchwinken') sein Fahrzeug beschleunigte.

 

3.5. Insgesamt ist daher davon auszugehen, dass der Beschuldigte, dass ihm angelastete Delikt gemäß § 18 Abs. 2 iVm. § 21 BStMG 2002 nicht erfüllt hat.

 

3.6. Selbst wenn man die Richtigkeit der Angaben der Mautaufsichtsorgane unterstellen wollte, kann schlechtesten Falls davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte ein ihm gegebenes Signal falsch interpretiert hat. Hinweise darauf finden sich insbesondere in den Angaben des einvernommen Zeugen F H, welcher ausführt, dass das vor dem vom Beschuldigten gefahrenen Fahrzeug 'durchgewunken' wurde. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, dass der Beschuldige dieses Signal auf sich bezogen und in weiterer Folge sein Fahrzeug eben beschleunigt hat.

 

Diese durchaus aus den Aussagen heraus denkbare Variante des Sachverhaltes würde jedoch die zur Herstellung des Deliktes notwendige, subjektive Tatsei­te entfallen lassen, sodass auch in diesem Sinne eine Bestrafung des Beschul­digten unzulässig wäre. Konkret wäre die subjektive Tatbestandsmäßigkeit nicht erfüllt.

 

Nach der Judikatur des VwGH können auch besondere Umstände vorliegen, die die Aufmerksamkeit des Beschuldigten in anderer Weise in Anspruch genommen haben. Folglich wäre das Nichtbemerken des Zeichens des Mautaufsichtsorganes dem Berufungswerber nicht als Verschulden anzulasten (VwGH 92/02/0313). Trotz gehöriger Aufmerksamkeit konnte der Beschwerdeführer die sich wider­sprechenden Halte- und Weiterfahrzeichen nicht anders deuten.

 

3.7. Nochmals sei jedoch klar darauf verwiesen, dass der Beschuldigte davon ausgeht, dass er vom Mautaufsichtsorgan 'durchgewunken' und ihm kein
Anhaltesignal gegeben wurde.

 

Nach geltender Rechtsprechung des VwGH ist das Vorliegen der Erkennbarkeit der Situation eine Voraussetzung für die Strafbarkeit (VwGH 2002/02/0309) und ist das Verhalten des Beschuldigten in der gegenständlichen Situation in analo­ger Anwendung der Rechtsprechung des VwGH mangels eindeutigem Anhalte­zeichen nicht strafbar.

 

3.8. Selbst unter der Maßgabe, dass der Tatbestand - wider Erwarten - in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt sein sollte, erweist sich die verhängte Geldstrafe der Höhe nach weder Tat- noch schuldangemessen. Es liegen jedenfalls die Vo­raussetzungen für eine Anwendbarkeit der Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG, mithin die Verhängung ohne Ermahnung oder Ausspruch einer Strafe vor.

 

4.    Rechtsmittelanträge:

 

Zusammengefasst und unter Verweis auf obige Ausführungen stellt der Beschuldigte nach­stehende

 

Berufungsanträge

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich wolle seiner Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Verwaltungsstrafverfah­ren gegen seine Person einstellen, in eventu von der Verhängung einer Geldstrafe absehen und lediglich eine Ermahnung aussprechen, in eventu die Geldstrafe tat- und schuldange­messen reduzieren.

 

Die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung unter Einvernahme des Beschul­digten, sowie der Zeugen F H und G L wird ausdrücklich beantragt."

 

3. Der Akt enthält die im angefochtenen Straferkenntnis bezogenen Aktenstücke.

 

 

4. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung legte der Berufungswerber dar, er habe den Hinweis auf die Mautkontrolle in Form eines Zeichens, die Straßenverengung durch "Hütchen" und die Mautorgane wahrgenommen. Er habe die Fahrt verlangsamt und an sich stehen bleiben wollen, das Mautorgan habe ihm jedoch gedeutet, er solle weiterfahren, was er dann unter Beschleunigung des Fahrzeugs auch getan habe. Dem Berufungswerber seien mangels besonderer Auffälligkeiten keine Details in Erinnerung. Dass ein Problem vorlag, habe der Berufungswerber erst im Zuge des Strafverfahrens verstanden, zumal er ja  die Vignette gekauft und geklebt habe. Der Berufungswerber benutze das Fahrzeug laufend und die Firma bezahle auch die Mautkosten, weshalb "irgendwelche Spielchen mit der ASFINAG" keinen Sinn machen würden. Außerdem sei der Berufungswerber von einem Radrennen aus L gekommen "und... rundum zufrieden (gewesen), also durchaus nicht grantig oder irgendwie negativ zur Kontrolle eingestellt." Dem Berufungswerber sei nicht erinnerlich, auf das zweite Mautorgan zugefahren zu sein; derlei widerspreche seiner allgemeinen Fahrpraxis und hätte gegenständlich keinen Sinn gehabt. Zusammenfassend legte der Berufungswerber dar: "Es war aber wirklich so, dass ich nicht registriert habe, dass hier ein Missverständnis vorlag."

 

Das Mautorgan L sagte zeugenschaftlich aus, er habe das gegenständliche Fahrzeug durch Anheben der Kelle in waagrechte Stellung mit der roten Seite nach vorne angewiesen, stehen zu bleiben. Mit der anderen Hand habe er dem Lenker gedeutet, er solle neben dem Zeugen stehen bleiben.

 

Der Lenker habe gestikuliert und damit offenbar andeuten wollen, er habe ohnedies eine Vignette. Er habe Gas gegeben und sei unter Missachtung der Anweisung des Mautaufsichtsorgans weitergefahren. Wegen der Beschleunigung des Fahrzeugs habe der Zeuge seinem ca. einen halben Meter hinter ihm stehenden Kollegen zugerufen, er solle zur Seite gehen.

 

Das Mautaufsichtsorgan H sagte, er habe das gegenständliche Fahrzeug erst nach dem Zuruf "F steh um!", was heiße: "schau dass du wegkommst" wahrgenommen und sei auf die Seite gesprungen, sonst hätte ihn das Fahrzeug des Berufungswerbers "zusammengeführt".

 

Im Schlussvortrag räumte der Vertreter des Berufungswerbers ein, dass der Berufungswerber ein Signal missinterpretiert habe. Es liege kein Verstoß gegen die gegenständliche Vorschrift vor. Jedenfalls fehle es an der subjektiven Tatseite. Es werde daher beantragt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, in eventu eine geringere Strafe zu verhängen.

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat darüber erwogen:

 

Das Mautorgan L legte glaubwürdig dar, in der geschilderten Form den Berufungswerber zum Anhalten angewiesen zu haben. Irgendwelche Formmängel bei dieser Anweisung sind nicht erkennbar und wurden auch nicht behauptet. Sowohl der Berufungswerber als auch sein Vertreter räumten ausdrücklich ein Missverständnis auf Seiten des Berufungswerbers ein. Daraus geht zweierlei hervor: Erstens, dass der Berufungswerber die Anweisung des Mautaufsichtsorgans missachtet weil missinterpretiert hat und zweitens, dass im Zweifel zu Gunsten des Berufungswerbers kein Vorsatz anzunehmen ist.

 

Die Tat ist daher den Berufungswerber in objektiver und, da keine Entschuldigungsgründe ersichtlich sind, auch in subjektiver Hinsicht zuzurechnen. Als Schuldform ist Fahrlässigkeit anzunehmen, weil einem normgerechten Lenker bei gehöriger Aufmerksamkeit das Verständnis der Anweisungen eines Mautaufsichtsorgans zuzumuten ist.

 

Die Strafbemessung und ihre Begründung im angefochtenen Straferkenntnis ist nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die verfahrenserleichternde Einräumung eines Missverständnisses durch den Berufungswerber erscheint die spruchgemäße Herabsetzung der Strafen gerechtfertigt; dies erspart dem Berufungswerber die Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Überwiegende Milderungsgründe im Sinne des § 20 VStG sind nicht erkennbar. Die Tat bleibt auch nicht so weit hinter dem deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalt zurück, dass eine Anwendung des § 21 VStG angebracht wäre. Dies insbesondere im Hinblick auf den angesprochenen Sorgfaltsmaßstab, welchem ein Lenker unterliegt.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ewald Langeder

 

 

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