Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730754/2/BP/JO

Linz, 03.08.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geb. am X, StA Türkei, vertreten durch X, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels vom 21. Juni 2013, Zl. 1012002/FP/13, betreffend die Erlassung eines auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1.1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, vom 21. Juni 2013, Zl. 1012002/FP/13, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis des § 63 Abs.1 iVm Abs.3 iVm § 53 Abs.3 Z1 des Fremdenpolizeigesetzes (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot verhängt.

 

Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:

 

Gemäß § 2 Abs. 4 Zi. 1 FPG sind Sie Fremder, weil Sie die Österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

 

Die Dauer des erlassenen Aufenthaltsverbotes entspricht jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger positiver Gesinnungswandel Ihrer Einstellung zu den österreichischen Rechtsvorschriften erwartet werden kann.

 

(...)

 

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Sie reisten am 10.03.2002 über Ungarn illegal in das Bundesgebiet und stellten am 11.03.2002 einen Antrag auf Internationalen Schutz. Das Asylverfahren wurde mit Bescheid vom 16.08.2004 gemäß §§ 7 und 8 AsylG rechtskräftig negativ beschieden (Zurückziehung der Berufung aufgrund bevorstehender Adoption).

 

Aufgrund des schriftlichen Vertrages vom 02.01.2004 bewilligte das Bezirksgericht Gmunden die Annahme an Kindesstatt durch X und X.

 

Am 22.10.2004 wurde Ihnen eine Niederlassungsbewilligung, gültig bis 05.10.2005 von der BH Gmunden erteilt. In der Folge wurden die Aufenthaltstitel verlängert und derzeit sind Sie im Besitz einer Rot-Weiß-Rot Karte Plus, gültig bis 13.09.2014.

 

Bereits am 18.12.2004 wurden Sie wegen des Verdachtes des Suchtmittel-Missbrauches von der Kriminalpolizei Wels einvernommen. Sie wurden angezeigt, am 18.12.2004 um 02.05 Uhr in Wels den PKW X in einem durch Suchtmittel beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben und wurde Ihnen mit Bescheid der BH Gmunden die Lenkberechtigung Klasse B für die Dauer von vier Monaten entzogen.

 

Am 22.01.2005 um 06.35 Uhr wurden Sie aufgrund eines Haftbefehles des LG Wels festgenommen und an die Staatsanwaltschaft Wels wegen Verbrechens nach § 28 SMG angezeigt. Am 23.01.2005 wurden Sie in die JA X eingeliefert. Am 25.01.2005 wurden Sie aus der JA X entlassen.

 

 

Am 05.12.2006 wurde Ihnen von der BH Gmunden niederschriftlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bei weiteren groben Verstößen gehen die in Österreich gültigen Gesetze zur Kenntnis gebracht. Sie gaben an. Fehler gemacht zu haben und nun „sauber" zu sein und dass es zu keinen weiteren Problemen kommen werde.

 

Am 02.08.2005 stellten Sie einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Mit Bescheid des Landes OÖ. vom 13.12.2007 wurde Ihr Antrag aufgrund Ihrer Vorstrafe abgewiesen.

 

Am 13.03.2008 wurden Sie vom SPK Wels wegen Vergehens nach dem SMG der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Dieses Verfahren wurde am 02.04.2009 gem. § 227 StGB eingestellt.

 

Am 13.05.2008 wurden Sie vom SPK Wels wegen Vergehens nach dem SMG der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Am 09.07.2008 wurde dieses Verfahren gem. § 35 SMG mit einer Probezeit von 2 Jahren erledigt.

 

 

Am 01.10.2008 wurde über Sie vom Strafamt Wels wegen § 81 Abs. 1 SPG eine Geldstrafe von 100 Euro verhängt.

 

Am 18.12.2008 wurden Sie vom SPK Wels wegen Vergehens nach dem SMG der Staatsanwaltschaft Wels angezeigt. Dieses Strafverfahren wurde aufgrund Zurückziehung der Anklage im Sinne des § 227 StPO rechtskräftig beendet.

 

Am 11.08.2009 wurden Sie bei der BPD Wels niederschriftlich wegen der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einvernommen. Sie gaben an. seit 3 Jahren verheiratet zu sein und dass Ihre Gattin in der Türkei lebe. Sie seien arbeitslos und befänden sich im Methadonprogramm. Sie baten, von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abzusehen und erklärten sich einverstanden, dreimonatlich vorzusprechen und Bestätigungen über Therapien vorzulegen.

 

Am 18.11.2009 kamen Sie auf Ladung zur Fremdenpolizei Wels und legten eine Bestätigung vor, dass Sie sich seit 13.05.2009 in Betreuung bei der Beratungsstelle „X" befinden. Am 04.06.2010 kamen Sie auf Ladung und legten einen Kurzarztbericht über einen stationären Aufenthalt in der OÖ. Landesnervenklinik vom 10.02.2010 bis 04.03.2010 vor. Sie absolvierten einen Opiatentzug.

 

      Mit Urteil des LG Wels, 12 Hv 69/11k vom 12.10.2011 wurden Sie rechtskräftig mit 18.10.2011 wegen § 28a (1) 5. Fall SMG, §§ 27 (1) Z. 1 1. Und 2. Fall, 28 (2) SMG im Tatzeitraum Anfang 2009 bis Mai 2010 zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Es wurde auf 2 Verurteilungen Bedacht genommen, weil sie wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung ergangen sind.

 

      Mit Urteil des LG Wels, GZ: 12 Hv 69/12m vom 15.06.2012 rechtskräftig wegen Verbrechens nach §§ 12 3. Alternative, 127, 128 (1) Z. 1 4. Fall, 129 Z. 2 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt.

 

Sie wurden von einem Schöffengericht schuldig gesprochen, in der Nacht vom 12.01. auf den 13.01.2012 in Wels zur Tat des X, -

nämlich Wegnahme von Behältnissen dem Inhaber des Lokals „X" X unter Ausnützung dessen hilflosen Zustandes, nämlich eines einer Bewusstlosigkeit gleichzusetzenden Zustandes, fremde bewegliche Sachen von EUR 3.000,00 nicht übersteigendem Gesamtwert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, teils durch Aufbrechen, indem er a) einen im Lokal aufgestellten Geldwechselautomaten mit einem nicht näher bekannten Tatwerkzeug aufbrach und das darin befindliche Bargeld in der Höhe von ca. 400 Euro an sich brachte; b) einen im Lokal aufgestellten Wettautomaten mit einem nicht näher bekannten Tatwerkzeug aufbrach und das darin befindliche Bargeld in der Höhe von ca. EUR 200,00 an sich brachte; c) einen im Lokal befindlichen Laptop im Wert von ca. 290 Euro sowie 8 Stangen Zigaretten im Wert von ca. 330 Euro an sich brachte-vorsätzlich beigetragen zu haben, indem Sie Aufpasser Dienste leisteten.

 

Sie haben hiedurch das Verbrechen des schweren Diebstahles durch Einbruch nach den §§ 12 3. Alternative, 127, 128 Abs. 1 Z. 1 4. Fall, 129 Z. 2 StGB begangen.

 

Folgende Entscheidungsgründe werden im Urteil angeführt:

 

Sie verfügen als Hilfsarbeiter über ein monatliches Nettoeinkommen von rund EUR 1.000,00, haben kein Vermögen und keine Sorgepflichten. Sie wurden insgesamt dreimal nach dem SMG jeweils zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt. Sie waren sich bewusst und fanden sich damit ab, dass X unter Ausnützung der Hilflosigkeit des X und durch Aufbrechen der Automaten und Wegnahme des Bargeldes sowie des Laptops und der Zigaretten einen Einbruchdiebstahl beging und Sie selbst durch Leisten von Aufpasserdiensten vor dem Lokal einen Beitrag zur Ausführung der Tat durch X leisteten.

 

Entgegen Ihrer leugnenden Verantwortung war aber auch Ihre Beitragstäterschaft festzustellen, zumal Sie die näheren Umstände und das Vorgehen des X kannten und Sie, hätten Sie sich nicht daran beteiligen wollen, ja jederzeit den Tatort verlassen hätten können. Dass Sie sich an der Tat des X beteiligten und dies auch wollten, ergibt sich auch daraus, dass Sie bei der Aufteilung der Diebsbeute einen Anteil Zigaretten erhielten, wofür ja sonst überhaupt kein Anlass bestanden hätte.

 

Am 14.03.2013 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Stellungnahme betreffend der Erlassung eines auf die Dauer von 5 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes übermittelt. Sie hatten die Möglichkeit, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, zu der beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes schriftlich bei der Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Stellung zu nehmen und damit Ihre Rechte und rechtlichen Interessen zu wahren. Sollten Sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, wird das Verfahren ohne Ihre weitere Anhörung beendet werden. Darüber hinaus wurden Sie aufgefordert, innerhalb o.g. Frist schriftlich an die Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Angaben über ihre familiären, sozialen und beruflichen Bindungen in Österreich zu machen. Andernfalls kann auf Ihre Angaben im gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahren nicht eingegangen werden.

 

Am 26.03.2013 langte eine Stellungnahme Ihrer rechtlichen Vertretung X, X, ein.

Zusammengefasst wird angegeben, dass das Tatgeschehen eindeutig auf eine Charakterstärke von Ihnen verweist. Der Tatbeitrag sei in höchstem Grade zu relativieren. Sie hätten sich zur falschen Zeit am falschen Ort befunden und seien alkoholisiert gewesen. Sie hätten nachvollziehbare Befürchtungen, dass dann, wenn Sie als beruhigendes Element die Szene verlassen hätten, Herr X sogar seine Ankündigung, er werde das Lokal anzünden, verwirklichen könne. Aus diesem Grund sei es sehr nachvollziehbar, dass Sie aus Charakterstärke, nämlich zur Verhinderung einer noch schlimmeren Lokalzerstörung, einfach vor Ort geblieben seien.

Zu Ihren persönlichen Verhältnissen geben Sie an, seit drei Jahren frei von jeglichem Drogenkonsum zu sein und in einer stabilen Partnerschaft zu leben. Sie seien verlobt und sei eine Eheschließung beabsichtigt. Weiters erwarten Sie die Geburt des gemeinsamen Kindes, die für den 01.04.2013 geplant sei.

Beruflich seien Sie vollständig integriert und würden ab 01.04.2013 als Arbeitnehmer in der Funktion als Maschinenbediener bei Fa. X in X übernommen. Durch Ihren weiteren Verbleib seien die öffentlichen Interessen nicht gefährdet.

 

Die Behörde hat erwogen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Gründe für ein Aufenthaltsverbot gegeben sind, grundsätzlich maßgeblich ist, ob eine Gefährlichkeitsprognose in dem Sinne zutrifft, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erforderlich erscheint, um eine von Ihnen ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. Dabei ist auch festzustellen, ob dies unter dem Aspekt des Schutzes des Privat- und Familienlebens zulässig ist. Nach Meinung der Behörde war davon auszugehen, dass Ihr der schwerwiegenden Verurteilung zu Grund liegendes persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt, die Suchtgiftkriminalität und Eigentumskriminalität hintan zu halten. Ihre Tatbegehungen zum wiederholten Male trotz Verurteilungen und Androhungen von Aufenthaltsverboten erscheinen für die Allgemeinheit gefährlich und lassen eine persönliche Haltung erkennen, die den Grundregeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft fundamental zuwiderläuft. Ihr Gesamtverhalten bedeutete eine grobe Missachtung der Rechtsordnung und einen ausgeprägten Mangel an Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten.

 

Eine Integration auf dem Arbeitsmarkt kann Ihnen durchaus zugestanden werden, zumal Sie in den letzten 1 ½ Jahren durchgehend gearbeitet haben. Sie geben an, in einer Beziehung zu leben, allerdings scheinen Sie bei der hsg. Behörde und auch laut Melderegister als verheiratet auf, wobei die Behörde davon ausgeht, dass es sich hier um die in Ihrer Einvernahme vom 11.08.2009 angegebene Gattin in der Türkei handelt.

 

Ihre Angaben vor den Behörden, nicht mehr kriminell zu werden, haben sich leider nicht bewahrheitet und erscheinen Ihre Argumente in der Stellungnahme vom 26.03.2013 als reine Schutzbehauptung.

 

Der festgestellte Sachverhalt rechtfertigt die Annahme, dass Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist zum Schutze des wirtschaftlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung von in Art.8 Abs.2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten.

 

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK Ihr Aufenthaltsverbot zulässig ist. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes wiegen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation, zumal Sie in der Türkei verheiratet sind, ohne Probleme in Ihr Heimatland ein- und ausreisen konnten und eine Rückkehr dorthin nicht unzumutbar erscheint. Überdies besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter mit Schreiben vom 10. Juli 2013 (Einlangen bei der LPD ) rechtzeitig Berufung, in welcher wie folgt ausgeführt wird:

 

Der erstinstanzliche Bescheid wird in seinem gesamten Umfang aus den Berufungsgründen der Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie der inhaltlichen Rechtswidrigkeit angefochten.

 

1. Verletzung von Verfahrensvorschriften:

 

Ein wesentliches Bewertungskriterium für die erste Instanz ist der Umstand gewesen, dass seitens der Fremdenpolizei der Einschreiter nach wie vor als verheiratet mit der in der Türkei lebenden Ex­-Gattin, Frau X, geführt wird.

 

Dieses Ergebnis widerspricht dem gesamten Vorbringen des Einschreiters. Aus welchem Grunde seitens der Aufenthaltsbehörde wesentlich nachteilige Sachverhaltselemente, die offensichtlich im Widerspruch zum Vorbringen des Einschreiters stehen, als Entscheidungsgrundlage herangezogen wurden, und zwar ohne jegliche Prüfung und ohne jegliche Kommunikation mit dem Einschreiter, widerspricht sowohl dem Grundsatz der Verfahrensökonomie als auch auf massive Art und Weise dem Recht auf das Parteiengehör.

 

Sofern seitens der erstinstanzlichen Behörde Zweifel oder offene Fragen am Vorbringen des Einschreiters bestanden hätten, so wäre diese jedenfalls verpflichtet gewesen, den Einschreiter zu den wesentlichen Sachverhaltselementen, die seitens der erstinstanzlichen Behörde als Realität angenommen wurden, noch einmal zur Rechtfertigung aufzufordern. Wenn nämlich die erste Instanz ohne derartige Aufklärungsbemühungen Entscheidungen trifft, die zutiefst die Menschenwürde und das Leben des Einschreiters beeinträchtigen, so widerspricht dies auch dem Grundsatz des fair trail gemäß Artikel 6 EMRK.

 

Außerdem wird die Berufungsinstanz zu einer Sachverhaltsermittlungsbehörde umfunktioniert, was wiederum dem Grundsatz der Verfahrensökonomie widerspricht.

 

Klargestellt wird, dass der Einschreiter seit dem Jahre 2010 von seiner Ex-Gattin, Frau X, geschieden ist. Diese Ehescheidung wurde vor einem türkischen Gericht durchgeführt. Der Einschreiter ist nun bemüht die entsprechenden Unterlagen zu beschaffen und der Behörde vorzulegen.

 

Weitere Tatsache ist, dass der Einschreiter nun mit seiner Verlobten, Frau X, geboren am X, lebt und zwar im gemeinsamen Haushalt in X. Wie schon berichtet ist der Einschreiter Vater geworden, und zwar am X durch die Geburt des Kindes X. Die Eltern, also Frau X und Herr X, sind bereits bemüht das Aufgebot beim Standesamt X zu bestellen, wobei es auch diesbezüglich der Vorlage der Scheidungspapiere aus der Türkei aus dem Jahre 2010 bedarf.

 

Die Eheschließung des Einschreiters wird sobald wie behördlich möglich durchgeführt.

 

Da somit die erstinstanzliche Behörde unter Verletzung von wesentlichen Verfahrensvorschriften, also sowohl des Rechtes auf Parteiengehör, als auch des Grundsatzes der Verfahrensökonomie und des Rechtes auf ein faires Verfahren von einem völlig unzureichenden Sachverhalt ausgegangen ist und dennoch ein 5 jähriges Aufenthaltsverbot erlassen hat, leidet der erstinstanzliche Bescheid an Verfahrensmängeln, die in jedem Falle einer Verfahrensergänzung durch die erste Instanz bedürfen.

 

Aus diesem Grunde wird der Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides gestellt.

 

2. Inhaltliche Rechtswidrigkeit:

 

Sowohl gemäß Artikel 8 Abs. 2 EMRK als auch gemäß §§ 53 und 63 ff FPG ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nur dann gerechtfertigt, wenn die öffentlichen Interessen an der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich größer sind als die privaten Interessen der betroffenen Person an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet der Republik Österreich.

 

Außerdem darf ein derartig weitreichender Einschnitt in das Privat-und Familienlebens einer betroffenen Person nur dann durchgeführt werden, wenn dies im Dienste einer demokratischen Kultur gerechtfertigt ist.

 

Die erstinstanzliche Behörde ist in der gegenständlichen Entscheidung von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Außerdem wurde die Interessenabwägung unrichtig durchgeführt. Schließlich wurden auch die fortschreitende Integration und vor allem auch die hervorragende Leistung des Einschreiters im Bereich der ursprünglich vorhandenen Suchtmittelgewöhnung unrichtig bewertet.

 

Vollkommen unrichtig ist auch die Bewertung des hochgradig sonderbaren Sachverhaltes, welches der strafrechtlichen Verurteilung des Landesgerichtes Wels vom 15.6.2012, 12 Hv 69/12m, zugrunde liegt. Hier hat die Behörde übersehen, dass es dem Einschreiter gelungen ist größeren Schaden zu vermeiden und er diesbezüglich aufgrund seiner Charakterstärke sogar den Vorwurf einer Tatbeteiligung durch die Strafbehörden in Kauf genommen hat. Ebenso wurde unrichtig bewertet, dass es sich hier aufgrund des vorbildlichen Verhaltens des Einschreiters nur im Zusammenhang mit seiner körperlichen Anwesenheit zum Vorwurf einer Beteiligung gekommen ist, obwohl sich aus dem gerichtlichen Sachverhalt eindeutig ergibt weder eine Tathandlungsbeteiligung noch eine Planungsbeteiligung vorhanden war. Der psychische Beistand, den das Strafgericht dem Einschreiter auf unrichtige Art und Weise vorgeworfen hat, hat nämlich gerade der Vermeidung eines größeren Schadens gedient.

 

Schließlich wird auch auf den korrekten Sachverhalt verwiesen, wonach der Einschreiter beabsichtigt seine Lebensgefährtin, Frau X, und Mutter des gemeinsamen Kindes, X, geboren am X, zu ehelichen. Die Ehe mit der Ex-Gattin, Frau X, ist bereits seit 2010 geschieden.

 

Da somit der Einschreiter seine gesamten privaten Interessen und seine Familie zur Gänze in Österreich gebündelt hat und er zudem am Arbeitsmarkt hervorragende integriert ist, er arbeitet seit 1.4.2013 bei der Firma X in X, besteht ein hochgradiges privates Interesse an einem weiteren Fortbestand der Aufenthaltsmöglichkeit im Bundesgebiet der Republik Österreich, damit er sein Schritt für Schritt in Ordnung gekommenes Privat- und Berufs- und Familienleben weiterhin fortsetzen kann und nicht durch ein Aufenthaltsverbot seine gesamte Familie und sich selbst in ein traumatisches Unglück stürzen muss.

 

Demgegenüber gehören die stets abnehmenden Verurteilungen im Suchtmittelbereich der Vergangenheit an, wobei durch die rückläufige Tendenz sehr klar erkennbar ist, dass dem Einschreiter eine vollkommene Suchtmittelentwöhnung gelungen ist.

 

Schließlich gibt es aufgrund der letzten Verurteilung des Landesgerichtes Wels, 12 Hv 69/12m, vom 15.6.2012 nicht die geringste öffentliche Gefährdung seitens des Einschreiters, zumal dieser im Dienste der beteiligten Personen zur Vermeidung einer weitergehenden Eigen- und Fremdgefährdung sogar die behördlichen Konsequenzen, nämlich den Vorwurf einer Tatbeteiligung durch bloße physische Anwesenheit ohne jegliche psychische oder physische Tathandlung, in Kauf genommen hat.

 

Da somit die privaten Interessen des Einschreiters an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet der Republik Österreich bei weitem jene öffentlichen Interessen an einer Verhängung eines Aufenthaltsverbotes bei weitem übersteigen, wird daher die ersatzlose Aufhebung des verhängten Aufenthaltsverbotes beantragt.

 

Abschließend stellt der Bw die Berufungsanträge, der gegenständlichen Berufung möge Folge gegeben werden und

  1. der erstinstanzliche Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Polizeikommissariat Wels, Fremdenpolizeiliche Angelegenheiten vom 21.6.2013, 1012002/FP/13, zur Gänze aufgehoben und zwecks Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurück verwiesen werden, in eventu
  2. möge in Stattgebung der gegenständlichen Berufung das mit 5 Jahren befristete Aufenthaltsverbot aufgehoben werden und das zugrunde liegende Verfahren ohne Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ersatzlos eingestellt werden.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 12. Juli 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da sich bereits aus der Aktenlage ergab, dass der in Rede stehende Sachverhalt geklärt ist und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten völlig unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 68/2013, kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des

§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

3.1.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass sich der Bw aufgrund seit dem Jahr 2004 jeweils befristeten Aufenthaltstiteln (aktuell Rot-Weiß-Rot Karte Plus) rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

Allerdings ist davor noch auf die besonderen Ausschließungsgründe des § 64 FPG einzugehen. Einschlägig ist hier vor allem § 64 Abs. 4 FPG.

 

3.2.1. Gemäß § 64. Abs. 1 FPG darf gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine Ausweisung gemäß § 62 und ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

Gemäß § 64 Abs. 2 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen (§ 62) werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

 

Gemäß § 64 Abs. 3 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen (§ 62) werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. § 73 StGB gilt.

 

Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel “Daueraufenthalt - EG” oder “Daueraufenthalt-Familienangehöriger” verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Gemäß § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnitts des besonderen Teils des StGB oder

2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

3.2.2. Der Bw kam erst im Jahr 2002 im Alter von rund 18 Jahren nach Österreich, wuchs also hier nicht von klein auf auf (vgl. § 64 Abs. 1 Z. 2 FPG). Die Anwendung des § 64 Abs. 1 Z. 1 FPG scheitert am ununterbrochenen 10-jährigen straffreien Aufenthalt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts.

 

Weiters scheidet auch die Anwendung des § 64 Abs. 2 FPG mangels einschlägigen Sachverhalts aus.

 

Die Anwendung des Abs. 3 leg cit scheitert am Vorliegen einer (hier gleich mehrerer) rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung.

 

§ 64 Abs. 4 ist für den vorliegenden Fall ebenfalls nicht relevant, da der Bw über keinen Daueraufenthaltstitel verfügt. Zudem lägen auch entsprechende Verurteilungen wegen Verbrechen im Sinn des § 64 Abs. 5 Z. 1 FPG vor. 

 

3.2.3. Im Ergebnis bedeutet dies, dass keiner der Ausschließungsgründe des
§ 64 FPG in Anwendung gebracht werden kann.

 

3.3.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG bedarf es zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen die dort genannte Personengruppe, dass aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass deren Aufenthalt entweder die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Betreffend die Auslegung der oa. bestimmten Tatsachen, verweist § 63 Abs. 2 FPG auf § 53 Abs. 2 und 3 FPG.

 

3.3.2. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens 10 Jahren, in den Fällen der Z. 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7. aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

3.3.3. Im vorliegenden Fall ist zunächst § 53 Abs. 3 Z. 1 FPG einschlägig, da der Bw nach dem Sachverhalt zweifelsfrei von einem Strafgericht zuletzt im Jahr 2012 zu einer bedingt erlassenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wurde.

 

Es ist – schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nun zu prüfen, ob das Verhalten des Bw auch aus derzeitiger Sicht geeignet erscheint, die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 63 Abs. 1 FPG zu gefährden.

 

3.3.4. Die Verhinderung von Straftaten gerade in so sensiblen Bereichen der Vermögens- aber auch der Suchtgiftdelikte zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basiert.

 

Maßgeblich ist aber nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird.

 

3.3.5.1. Die vom Bw begangenen Delikte gliedern sich zum einen in 3 Verurteilungen wegen Drogendelikten (2005 Vergehen nach dem SMG 2 Monate bedingt, 2008 Verbrechen nach dem SMG 10 Monate bedingt und 2011 Verbrechen nach dem SMG 1 Jahr bedingt), wobei der Tatzeitraum der letzten Straftat im Jahr 2010 endete. Angesichts der doch 3 Verurteilungen wäre grundsätzlich – angesichts der hohen Rückfallwahrscheinlichkeit von einem zumindest latent vorhandenen Gefährdungsszenario auszugehen. Dabei soll aber nicht vergessen werden, dass der Bw nunmehr schon seit immerhin 3 Jahren nicht rückfällig wurde und dass vor allem diese Verurteilungen – die den Behörden auch bekannt waren – keine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Bw nach sich gezogen hatten.

 

3.3.5.2. Zum Anderen wurde der Bw zuletzt im Juni 2012 wegen des Verbrechens der Beitragstäterschaft zum schweren Einbruchsdiebstahl zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt.

 

Die Darstellung des Bw, er habe diese Tat aus Charakterstärke begangen, erscheint wenig überzeugend, da er, um Schlimmeres zu verhindern, wohl auch andere Möglichkeiten gehabt hätte, als in der Rolle eines den Diebstahl absichernden Aufpassers aufzutreten. Es hätte schon genügt, die Polizei zu informieren und sich dann zu entfernen. Dass diese naheliegende Handlungsweise dem Bw auch jetzt noch nicht in den Sinn zu kommen scheint, spricht nicht für seine Verbundenheit mit den in Österreich geltenden Rechts- und Wertvorstellungen.

 

Allerdings muss zugunsten des Bw festgestellt werden, dass es sich bei der begangenen Straftat eben bloß um den Beitrag zu einem schweren Einbruchsdiebstahl handelte, weshalb der unmittelbare Täter fraglos mit weit höherem Unwert agierte. Auch ist festzustellen, dass der Bw lediglich mit einem Anteil an Zigaretten an der Beute partizipierte und das gesamte Bargeld sowie der erbeutete Laptop dem unmittelbaren Täter zukamen. Weiters liegt ein gut 1,5 Jahre langer Zeitraum des nachträglichen Wohlverhaltens vor, zumal die Straftat im Jänner 2012 begangen worden war und sich der Bw seither in Freiheit befand.

 

3.3.5.3. Wenn also im vorliegenden Fall nicht von einem besonders hohen Maß an krimineller Energie auszugehen sein wird, muss dennoch festgehalten werden, dass in Zusammenschau aller Umstände und der offenbar mangelnden Einsicht des Bw ihm keine günstige Zukunftsprognose ausgestellt werden kann. Es ist aber gleichzeitig festzuhalten, dass das vom Bw ausgehende Gefährdungspotential nicht über die Maßen hoch angesetzt werden kann. Um aber gänzlich von dessen Wegfall sprechen zu können, wäre ein gewisser Zeitraum des weiteren Wohlverhaltens angezeigt. Die dafür von der belangten Behörde gewählte 5-jährige Befristung scheint hier als zu hoch gegriffen.   

 

Allerdings ist im vorliegenden Fall auch besonders auf den Aspekt des Privat- und Familienlebens einzugehen. 

 

3.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein  aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

3.4.2. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen  Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Dabei ist festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Höchstgerichte grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind.

 

3.4.3. Es ist nun festzustellen, dass im Fall des Bw sowohl das Familien- als auch das Privatleben hinsichtlich der Interessensabwägung gemäß § 61 Abs. 2 FPG zu erörtern sind, da der Bw mit seiner Verlobten im selben Haushalt lebt und am
X ein gemeinsames Kind zur Welt kam. Auch verfügt der Bw aufgrund seines gut 11-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet fraglos über weiterreichende private Kontakte und Beziehungen.

 

3.4.4.1. Wie sich aus dem Sachverhalt ergibt, befindet sich der Bw seit gut 11   Jahren legal im Bundesgebiet. Aktuell verfügt er über eine Rot-Weiß-Rot-Karte Plus, deren Gültigkeit sich bis ins Jahr 2014 erstreckt.

 

3.4.4.2. Wie auch von der belangten Behörde festgestellt wurde, kann dem Bw durchaus eine gelungene berufliche Integration zugemessen werden, da er gerade auch in den letzten Jahren durchwegs legal beschäftigt war und aufgrund seines Einkommens auch als selbsterhaltungsfähig eingestuft werden kann.

 

Die soziale Integration ist beim Bw ebenfalls gegeben, da er nicht nur sprachlich sondern auch sonst kulturell integriert ist. Zudem gelang ihm die Abkehr vom Drogenmilieu, was zu einer Verfestigung seines soziokulturellen Lebens führte. Schlussendlich erfährt diese Tendenz eine weitere Vertiefung in Form der Gründung einer Familie, durch die Scheidung von seiner im Heimatstaat verbliebenen Ehefrau, die geplante Hochzeit mit seiner Verlobten und vor allem durch die Geburt des gemeinsamen Kindes, wodurch die Verantwortlichkeit des Bw neu herausgefordert ist.

 

3.4.4.3. Das Privat- und Familienleben des Bw kann im vorliegenden Fall als schützenswert eingestuft werden. Obwohl die aktuelle Beziehung zu seiner Verlobten nicht den überwiegenden Teil seines Aufenthalts im Bundesgebiet währt, war sie im Stande den anfänglich orientierungslos anmutenden Bw in seiner Entwicklung zu stabilisieren. Zudem würde die räumliche Trennung von dem kürzlich geborenen Kind dieses Familienleben zu zerrütten und zu einer erneuten Destabilisierung des Bw beizutragen im Stande sein.

 

3.4.4.4. Dem volljährigen Bw, der im Heimatland bis zu seinem 18. Lebensjahr aufgewachsen war und dort als sprachlich und kulturell integriert gelten kann, ist eine Reintegration grundsätzlich nicht unzumutbar; jedoch ist diese als erschwert zu betrachten. Eine besondere Härte stellt natürlich die Trennung von der Familie dar.

 

3.4.4.5. Zu den strafgerichtlichen Verurteilungen wird auf Punkt 3.3. dieses Erkenntnisses einschließlich der relativen Gefährlichkeitsprognose verwiesen. An verwaltungsrechtlichen Übertretungen scheint eine gegen § 81 SpG aus dem Jahr 2008 auf.

 

3.4.4.6. Das Privat- und Familienleben entstand nicht erst zu einem aufenthaltsrechtlich unsicheren Zeitpunkt. Genau so wenig können Verzögerungen von Seiten der Behörden festgestellt werden.

 

3.4.5. Insgesamt ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die persönlichen Interessen des Bw am Verbleib im Bundesgebiet die weniger stark ausgeprägten öffentlichen Interessen an seiner dauerhaften Außerlandesschaffung überwiegen. 

 

Der Bw kann sich somit durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen, weshalb die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn aktuell nicht zulässig scheint.

 

3.5.1. Es war daher im Ergebnis der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

3.5.2. Da der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte die Übersetzung des Spruchs sowie der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides gemäß § 59 Abs. 1 FPG unterbleiben. 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von insgesamt 28,10 Euro (Eingabe- und Beilagengebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

 

 

Bernhard Pree

 

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