Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281488/5/Py/Rd/Hu

Linz, 03.07.2013

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Andrea Panny über die Berufung des x, vertreten durch x, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15. November 2012, Ge96-118-2012, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeit­gesetz zu Recht erkannt:

    I.        Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Strafer­kenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 II.        Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kostenbeiträge. 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.           Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 15. November 2012, Ge96-118-2012, wurden über den Berufungswerber Geld­strafen zu den Fakten 1. bis 8. von jeweils 200 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 30 Stunden, zu Faktum 9. eine Geldstrafe von 350 Euro, Ersatzfrei­heitsstrafe von 53 Stunden und zu den Fakten 10. und 11. von jeweils 145 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 22 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen zu Fakten 1. bis 8. jeweils Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 iVm § 28 Abs.5 Z2 iZm § 28 Abs.6 Z1 lit.a AZG iVm § 9 Abs.2 VStG, zu Faktum 9. Art.8 Abs.1 iVm § 28 Abs.5 Z3 iZm § 28 Abs.6 Z2 AZG iVm § 9 Abs.2 VStG und zu Fakten 10. und 11. jeweils Art.8 Abs.2 iVm § 28 Abs.5 Z3 iZm § 28 Abs.6 Z1 lit.a AZG iVm § 9 Abs.2 VStG verhängt.

 

Nachstehender Tatvorwurf wurde dem Berufungswerber im Spruch des ange­fochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt:

 

"Im Zuge einer Kontrolle der Schaublätter des bei der x mit Sitz in x, beschäftigen Arbeitnehmers x, konnte von der Landesverkehrsabteilung des Landespolizeikommandos für Salzburg festgestellt werden, dass die x, als Arbeitgeberin

1.) am 8.5.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden vierzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 8.5.2012 wurde von 06 Uhr 01 bis 12 Uhr 08 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 40 Minuten nur eine Lenkpause von 15 Minuten eingehalten.

2.) am 10.5.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden sechsundvierzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 10.5.2012 wurde von 06 Uhr 03 bis 11 Uhr 44 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 46 Minuten keine Lenkpause eingehalten.

3.) am 12.05.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden siebenundfünfzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 12.5.2012 wurde von 06 Uhr 02 bis 12 Uhr 16 nach einer Lenkzeit von 4 Stunde 47 Minuten keine Lenkpause eingehalten.

4.) am 22.05.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden siebenundfünfzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten eingelegt hat. Am 22.5.2012 wurde von 06 Uhr 14 bis 12 Uhr 15 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 57 Minuten keine Lenkpause eingehalten.

5.) am 24.5.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden siebenundfünfzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten eingelegt hat. Am 12.5.2012 wurde von 05 Uhr 59 bis 12 Uhr 05 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 57 Minuten keine Lenkpause eingehalten.

6.) am 26.5.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden dreiunddreißig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 16.5.2012 wurde von 06 Uhr 06 bis 12 Uhr 01 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 33 Minuten keine Lenkpause eingehalten.

7.) am 31.5.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden fünfzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunter­brechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 31.5.2012 wurde von 05 Uhr 55 bis 12 Uhr 09 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 50 Minuten nur eine Lenkpause von 16 Minuten eingehalten.

8.) am 2.6.2012 dem Arbeitnehmer x die Lenkpausen gemäß Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 156/2006 nicht gewährt hat, zumal dieser nach einer Lenkdauer von vier Stunden zweiundvierzig Minuten keine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von wenigstens 45 Minuten, eingelegt hat. Am 2.6.2012 wurde von 05 Uhr 54 bis 12 Uhr 23 nach einer Lenkzeit von 4 Stunden 42 Minuten nur eine Lenkpause von 16 Minuten eingehalten.

9.) innerhalb eines 24 Stundenzeitraumes nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit vom 11.5.2012, 20 Uhr 13 bis zum 12.05.2012, 20 Uhr 13 dem Arbeitnehmer x keine neue Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden gewährt hat, zumal dem Fahrer in diesem Zeitraum lediglich eine zusammenhängende Ruhezeit von 7 Stunden 56 Minuten gewährt worden ist, wobei die zulässige dreimalige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt wurde,

10.) innerhalb eines 24 Stundenzeitraumes nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit vom 25.5.2012, 20 Uhr 39 bis zum 24.05.2012, 20 Uhr 27 dem Arbeitnehmer x keine neue Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden gewährt hat, zumal dem Fahrer in diesem Zeitraum lediglich eine zusammenhängende Ruhezeit von 8 Stunden 37 Minuten gewährt worden ist, wobei die zulässige dreimalige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt wurde,

11.) innerhalb eines 24 Stundenzeitraumes nach dem Ende der vorangegangenen täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit vom 1.6.2012, 20 Uhr 51 bis zum 2.6.2012, 20 Uhr 51 dem Arbeitnehmer x keine neue Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden gewährt hat, zumal dem Fahrer in diesem Zeitraum lediglich eine zusammenhängende Ruhezeit von 8 Stunden 27 Minuten gewährt worden ist, wobei die zulässige dreimalige Verkürzung der Ruhezeit pro Woche auf jeweils 9 zusammenhängende Stunden berücksichtigt wurde.

Als verantwortlicher Beauftragter der x für alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen sind Sie für diese Verwaltungsübertretungen gemäß § 9 Abs.2 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich."

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung gegen die Tatvorwürfe 1 und 2 (gemeint wohl: Übertretungen des Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 und Art.8 Abs.1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006) eingebracht und darin die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Ver­waltungsstraf­ver­fahrens beantragt.

Begründend wurde hiezu ausgeführt, dass es dem Lenker sehr wohl möglich gewesen wäre, die Ruhezeiten einzuhalten. Es habe keine betriebliche Not­wen­dig­keit seitens des Dienstgebers bestanden, die Ruhezeiten nicht einzuhalten. Der Lenker selbst habe in seiner Einnahme ausgesagt, dass er die Ruhezeiten deshalb nicht eingehalten habe, weil er früher zu Hause sein wollte. Es sei somit alleinig die Entscheidung des Lenkers gewesen, die Ruhezeiten nicht einzuhalten und hätte der Berufungswerber auch bei Einrichtung allfälliger Kontrollein­richtungen betreffend die Ruhezeiten die Nichteinhaltung nicht verhindern können.   

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeits­in­spek­torat Vöcklabruck wurde am Verfahren beteiligt und äußerste sich zur Berufung dahingehend, dass es sich bei den Übertretungen 1 bis 8 (Nicht­gewährung der Lenkpause gemäß Art.7 der VO (EG) Nr. 561/2006 um ein fort­gesetztes Delikt, welches als sehr schwer einzustufen sei, handle. Die unter den Punkten 9 bis 11 angeführte gewährte tägliche Ruhezeit stelle ein geringfügige Übertretung des Art.8 Abs.4 der VO (EG) Nr. 562/2006 dar, wonach im gegen­ständlichen Fall eine Ruhezeit von mindestens neun ununterbrochenen Stunden gewährt hätte müssen. Aus der Sicht des Arbeitnehmerschutzes werde wegen Verstoß Nr. 1 bis 8 insgesamt 300 Euro und wegen Verstoß Nr. 9 bis 11 insgesamt 145 Euro beantragt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG Abstand genommen werden, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Um­schreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens noch­mals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen wer­den. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheid­begründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechts nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1522 ff).

 

5.2. Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht weder die Strafverfügung vom 13. Juli 2012 noch der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, zumal in beiden Bescheiden dem Berufungswerber nicht zur Last gelegt wurde, dass die Arbeitszeitüberschreitungen im Rahmen einer gewerbsmäßigen Güterbeförderung mit einem Kraftfahrzeug, dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 t über­steigt, durchgeführt wurde. Dabei handelt es sich aber um wesentliche Tat­bestandselemente, welche erst die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 begründen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwal­tungs­strafverfahren einzustellen.

Unbeschadet dessen ist noch anzuführen, dass der Spruch mit noch weiteren wenngleich einer Verbesserung – eine solche kam aus dem oben angeführten Behebungsgrund naturgemäß nicht in Betracht – zugänglichen Mängeln behaftet ist:

 

So wäre entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.3.2006, Zl. 2003/11/0028, zumal es die rechtliche Beurteilung der Tat betrifft, das Tatbestandselement "nationaler oder internationaler (innergemein­schaftlicher) Straßenverkehr", wenngleich es kein notwendiges Element der Verfolgungshandlung darstellt, aber im Spruch sehr wohl zum Ausdruck kommen muss, in den Spruch aufzunehmen gewesen. Ebenso verhält es sich betreffend das Kennzeichen des verwendeten Kraftfahrzeuges und die Bezeichnung in welcher Funktion (Lenker) der Arbeitnehmer den gesetzlichen Bestimmungen zuwidergehandelt hat.

 

Bezüglich der Verhängung der Geldstrafen ist die belangte Behörde darauf hinzu­weisen, dass es sich gegenständlich um jeweils fortgesetzte Delikte gehandelt hat. So wäre hinsichtlich der Fakten 1, 7 und 8 wegen einer Übertretung des Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (Verkürzung der erforderlichen Lenkpause), hinsichtlich Fakten 2, 3, 4, 5 und 6, wegen einer Übertretung des Art.7 der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 (die erforderliche Lenkpause wurde erst nach mehr als viereinhalb Stunden eingelegt), sowie hinsichtlich Fakten 9 bis 11 (Nichteinhaltung der täglichen Ruhezeit innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden) jeweils eine Geldstrafe zu verhängen gewesen.  

 

Weiters ist noch anzuführen, dass der Spruchtext einige Übertragungsfehler aufweist.

 

6. Der Ausspruch über die Kosten ist in den angeführten gesetzlichen Bestimmungen begründet.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsge­richtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevoll­mächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Andrea Panny

 

 

 

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