Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101647/10/Weg/Ri

Linz, 02.08.1994

VwSen-101647/10/Weg/Ri Linz, am 2. August 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des Ing. G vom 23. November 1993 gegen das mündlich verkündete Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 23. November 1993, VerkR 96/3242/1992, nach der am 22. April 1994 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird F o l g e gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs.2 lit.b und § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 800 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, "weil dieser am 22. Mai 1992 um 15.15 Uhr den PKW auf der R-Bundesstraße Nr. von Straßenkilometer 21,700 bis 21,800 in Gerling, Gemeinde Herzogsdorf, in einer unübersichtlichen Kurve vorschriftswidrig überholt hat." Gemeint ist wohl, daß der Beschuldigte den angeführten PKW gelenkt und einen LKW überholt hat.

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren in der Höhe von 80 S in Vorschreibung gebracht.

2. Dieses Straferkenntnis gründet auf einer Anzeige eines Straßenaufsichtsorganes, der in dieser Anzeige die Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge und auch den Beginn des Überholmanövers nicht anführte.

3. Der Berufungswerber wendet gegen dieses Straferkenntnis sinngemäß ein, daß er am Beginn des Überholmanövers ausreichend Überholsicht gehabt habe und somit der Vorwurf, er hätte in einer unübersichtlichen Kurve überholt, ungerechtfertigt sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Vernehmung des Meldungslegers als Zeugen, durch Vernehmung des Beschuldigten und durch Beiziehung eines straßenverkehrstechnischen Amtssachverständigen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 22. April 1994, zu der ein Vertreter der belangten Behörde nicht erschienen ist.

Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung steht fest, daß der Meldungsleger den Beginn des Überholmanövers nicht gesehen hat. Er stand auf der rechten Fahrbahnseite bei Straßenkilometer 21,9 der Rohrbacher Bundesstraße und sah den Beschuldigten mit seinem PKW einen LKW-Zug, der sich in Richtung Rohrbach bewegte, überholen. Über die Geschwindigkeiten des überholenden und des überholten Fahrzeuges hat der Meldungsleger weder im erstinstanzlichen Verfahren noch anläßlich der mündlichen Verhandlung eine Aussage getroffen.

Es ist deshalb hinsichtlich der Geschwindigkeiten von den Angaben des Beschuldigten auszugehen, der einen vor ihm mit 60 km/h fahrenden LKW-Zug überholte, wobei die Geschwindigkeit des überholenden Fahrzeuges zwischen 100 km/h und 110 km/h betragen hat.

Anläßlich des Lokalaugenscheines zeigte sich, daß der Beginn des Überholmanövers vom Standort des Meldungslegers aus tatsächlich nicht einsehbar ist, dies umsoweniger, als noch zusätzlich der letztlich überholte LKW-Zug die Sicht verstellte.

Der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige hat im Zuge der mündlichen Verhandlung zu zwei Sachverhaltsalternativen eine gutächtliche Äußerung abgegeben:

Die erste Sachverhaltsalternative war, daß der Beschuldigte das Überholmanöver (Beginn des seitlichen Vorbeibewegens) bei Kilometer 21,780 begonnen hat.

Die zweite Alternative war, daß der Beschuldigte bei Kilometer 21,780 sein Fahrzeug etwa in der Mitte des LKW-Zuges vorbeibewegte, was den Beginn des Überholvorganges um knapp 15 m vorverlegen würde, demnach der Überholbeginn bei Straßenkilometer 21,765 läge.

Auszugehen war in beiden Fällen von einer Differenzgeschwindigkeit in der Höhe von 40 km/h.

Zu beiden Alternativen hat der Sachverständige gutächtlich ausgeführt, daß (unter der vorgegebenen Prämisse, daß der Überholvorgang erst beginnt, wenn sich das überholende Fahrzeug mit der Front am Heck des überholten Fahrzeuges befindet) eine ausreichende Überholsicht gegeben war.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges nicht überholen bei ungenügender Sicht und auf unübersichtlichen Straßenstellen, zB vor und in unübersichtlichen Kurven und vor Fahrbahnkuppen; es darf jedoch überholt werden, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt ist und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überragt wird.

Der Überholvorgang umfaßt nur die Wegstrecke, die zwischen dem Beginn des Überholens iSd § 2 Abs.1 Z29 StVO 1960 bis zur Beendigung desselben liegt, auf der sich also das Fahrzeug des Überholenden an dem Fahrzeug des Überholten vorbeibewegt.

Die Frage, ob eine unübersichtliche Straßenstelle gegeben ist, ist grundsätzlich von der Stelle aus, wo das Überholmanöver (also das seitliche Vorbeibewegen) begonnen wird, zu beurteilen.

Der Beginn des Überholmanövers - der ja vom Meldungsleger nicht beobachtet werden konnte - wurde auf Grund des Ergebnisses des Lokalaugenscheines bei Kilometer 21,780 (erste Alternative) bzw. bei Kilometer 21,765 (zweite Alternative) festgelegt. Sowohl bei Kilometer 21,780 als auch bei Kilometer 21,765 hatte der Berufungswerber jedoch so die Ausführungen des Sachverständigen - eine ausreichende Sichtweite, wenn man eine Differenzgeschwindigkeit von 40 km/h zugrundelegt.

Die Behörde schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen vollinhaltlich an und kommt sohin zum Ergebnis, daß dem Berufungswerber die Verwirklichung des Tatbildes nach § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960 zu Unrecht vorgeworfen wurde.

Möglicherweise hat der Berufungswerber bei diesem Überholvorgang gegen eine andere Norm, etwa der des § 16 Abs.1 lit.c StVO 1960, verstoßen, dieses Tatbild wurde jedoch von der Berufungsbehörde nicht geprüft und kann im derzeitigen Stadium des Verfahrens auch nicht mehr verfolgt werden.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

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