Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-360015/2/WEI/VS/Ba

Linz, 13.08.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der M S, geb. X, D, H, W, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P R, K, I, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis vom 19. Juni 2012, Zl. Pol96-49-2011, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:

 

I.          Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG eingestellt.

 

II.        Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrensgesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried im Innkreis (im Folgenden: belangte Behörde) wurde die Berufungswerberin (im Folgenden: Bwin) wie folgt für schuldig erkannt:

 

"Die E-Handelsges.m.b.H mit Sitz in E, B, hat als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG, wie im Zuge der Kontrolle am 03.05.2011, um ca. 13.40 Uhr, in dem von der R G OG mit Sitz in R, B betriebenen Lokal Cafe-Bar 'T' in R, B, festgestellt wurde, gegen die Mitwirkungspflichten gemäß § 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz verstoßen, da im Zuge der Kontrolle die Durchführung der Testspiele seitens der Organe der Finanzpolizei nicht ermöglicht bzw. vereitelt wurde.

 

Diese Verwaltungsübertretung haben Sie daher als handelsrechtliche Geschäftsführerin der E-Handels.m.b.H, mit Sitz in E, B, die die Glücksspielgeräte aufgestellt hat, gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten."

 

Durch diesen Tatvorwurf erachtete die belangte Behörde "§ 50 Abs. 4 Glücksspielgesetz – GSpG, BGBl. Nr. 620/1989 idF BGBl. I Nr. 111/2010" als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung über die Bwin eine Geldstrafe von 2.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) gem § 52 Abs 1 Z 5 GSpG. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wurden der Bwin 10 % der Geldstrafe vorgeschrieben.

 

1.2. Begründend führt die belangte Behörde zum Sachverhalt wie folgt aus:

 

"Am 03.05.2011 um ca. 13:40 Uhr, wurde von den Ermittlungs- und Erhebungsbeamten des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding, Abteilung Finanzpolizei, im Lokal Cafe-Bar 'T', B, R, eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz durchgeführt. Betreiber dieses Lokals ist die R G OG mit Sitz in R, B.

 

Es wurde folgender, verfahrenswesentlicher Sachverhalt zur Anzeige gebracht: Die Kontrolle wurde um 13:40 Uhr bei Frau M-E S, geb. X (handelsrechtliche Geschäftsführerin), welche als einzige verantwortliche Person im Lokal anwesend war, ordnungsgemäß angemeldet.

Es wurden 6 eingeschaltete und betriebsbereit[e] Geräte vorgefunden. Zu Beginn der Kontrolle war ein Gast anwesend, der auf einem der Geräte spielte.

Um ca. 13:45 Uhr telefonierte Frau S mit Herrn M S und informierte ihn über die Kontrolle. Frau S überreichte ihr Handy an FOI W. Herr S teilte FOI W mit, dass sich die Finanzpolizei nicht in die Hosen machen soll und man mit den Geräten sowieso über 10 Euro spielen könne. Der Anwalt werde außerdem gleich kommen. Dann beendete er ohne weiteren Kommentar das Gespräch.

Kurze Zeit später traf au[ch] Frau R G, geb. X (ebenfalls handelsrechtliche Geschäftsführerin) ein. Mit Frau G wurde in weiterer Folge eine Niederschrift gemäß § 50 Abs. 4 GSpG aufgenommen.

Frau G konnte zu den 6 vorgefunden spielbereiten und eingeschalteten Geräten keine Auskunft bezüglich Funktionsweise, Zugriff und Steuerung der Geräte geben.

Um ca. 13:50 Uhr wurde von den Organen der Finanzpolizei mit der Dokumentation der Geräte begonnen. Es handelte sich um 6 Video Lotterie Terminals der Marke 'MEGA MULTI GAMES' Amatic.

Um ca. 14:02 Uhr wollten die Beamten mit den Testspielen beginnen. Diese konnten jedoch nicht durchgeführt werden, da auf den Bildschirmen der jeweiligen Geräte in englischer Sprache 'Access denied' angezeigt wurde. Auch der Gast, der mitten in einem Spiel auf einem der Geräte war, konnte nicht mehr weiterspielen und fragte bei Frau G bzw. Frau S, was los sei und er gab an, dass er bei dem Gerät gewonnen habe und seinen Gewinn gerne zurückhaben [w]olle. Frau G sprach daraufhin mit ihm in rumänischer Sprache, woraufhin er angab, jetzt gehen zu müssen und er würde später bzw. ein anderes Mal noch einmal kommen.

ADir O bat daraufhin Frau G, sie solle die Geräte wieder spielbereit machen. Diese gab an, dass sie darauf überhaupt keinen Einfluss habe und sie wisse auch nicht, warum die Spielauswahl nicht mehr möglich sei. Sie könne nach ihren eigenen Angaben die Geräte nicht steuern. Sie gab an, dass dafür Herr S zuständig sei. ADir O bat daraufhin Frau G, sie solle Herrn S anrufen und ihn ersuchen, die Geräte wieder in spielbereiten Zustand zu versetzen. Frau G übergab das Handy ADir O und dieser sprach mit Herrn S, er möge die Geräte wieder in spielbereiten Zustand versetzen, um die notwendigen Testspiele durchführen zu können. Er teilte ihm auch mit, dass er von Gesetz wegen Testspiele zu ermöglichen habe. Herr S antwortete, er wisse nicht, warum die Geräte nicht mehr bespielbar sind und er müsse einen seiner Techniker fragen und er werde dann zurückrufen. Beim Rückruf teilte Herr S mit, dass es sich um ein Internetproblem handle und auf Befragen nach seiner Aufgabenstellung und seinen näheren Personalien beendete Herr S das Gespräch, indem er auflegte. Er hob in weiterer Folge nicht mehr ab.

Es lag für die Finanzpolizei somit der Verdacht nahe, dass Herr S aufgrund des Telefonats mit Frau S Manipulationen am Server durchgeführt hat, damit die Durchführung der Testspiele seitens der Beamten nicht mehr möglich war.

Nach Rücksprache mit ihrem Buchhalter gab Frau G niederschriftlich an, dass die Provisionsabrechnungen für die Geräte (die G OG erhält jedes Monat von der E-Handelsges.m.b.H 50% des Geldes, das sich in den Geldladen der Geräte befindet) jedes Monat von Herrn S, der die Geräte auch aufgestellt hat, durchgeführt werden. Da Herr S bei den Provisionsabrechnungen im Namen der Firma E-Handelsges.m.b.H auftritt, wo seine Ehefrau M S handelsrechtliche Geschäftsführerin ist, ist die Firma E-Handelsges.m.b.H nach Auffassung der Finanzpolizei Aufsteller der Geräte.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13.09.2011 legte Ihnen die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung zur Last und forderte Sie auf, sich binnen 2 Wochen ab Zustellung des Schreibens zum Tatvorwurf zu rechtfertigen.

 

Nach erfolgter Akteneinsicht durch Ihren Rechtsvertreter am 25.10.2011 erfolgte jedoch keine Rechtfertigung oder sonstige Stellungnahme."

 

1.3. In rechtlicher Hinsicht wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Bwin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der E-Handelsges.m.b.H. verantwortlich sei, dass durch die Nichtermöglichung bzw Verhinderung von Testspielen an den sechs Glücksspielgeräten gegen die Mitwirkungspflicht gem § 50 Abs 4 GSpG verstoßen worden sei. Auf Grund der ausführlichen und umfassenden Dokumentation der Kontrolle durch die Organe der Finanzpolizei stehe für die Behörde fest, dass die Durchführung von Testspielen dadurch unmöglich gemacht bzw vereitelt worden sei, dass die Geräte unbespielbar gemacht bzw vom Server genommen worden seien. Es bestünden für die Behörde keine Zweifel, dass Herr M S im Zuge des Telefonats mit Frau S, die ihn gleich zu Beginn der Kontrolle kontaktiert habe, die Geräte so manipuliert habe, dass sie von den Organen der Finanzpolizei nicht mehr bespielt werden hätten können. Auch das sonstige Verhalten von Herrn S lasse darauf schließen, dass er für die Spielunterbrechung bzw Unbespielbarkeit der Geräte gesorgt habe. Er hätte sich geweigert, den Organen der Finanzpolizei seine Personalia zu geben, hätte zwei Mal ohne weiteren Kommentar am Telefon aufgelegt und wäre in weiterer Folge nicht mehr zu erreichen gewesen. Aufgrund der Tatsache, dass Herr S für die E-Handelsges.m.b.H. die Automaten aufgestellt habe und auch die Provisionsabrechnung auf Namen und Rechnung der E-Handelsges.m.b.H. durchführe, sei Herr M S diesem Unternehmen unmittelbar zuzurechnen.

 

Da das GSpG keine Spezialnorm gem § 5 Abs 1 VStG kenne, genüge für die Sanktionsmöglichkeit bereits die fahrlässige Begehung. Umstände, die ein Verschulden der Bwin ausschließen würden, seien im Verfahren nicht vorgebracht worden und hätten sich auch sonst nicht ergeben.

 

Abschließend führt die belangte Behörde zur Strafzumessung aus, dass die Verletzung der Mitwirkungspflicht als schwerwiegende Verfehlung zu qualifizieren sei, weil durch die Verhinderung der Durchführung der Testspiele die Strafverfolgung hinsichtlich des Grunddeliktes (Veranstalten von verbotenen Ausspielungen iSd GSpG) vereitelt worden sei. Als Milderungsgrund komme der Bwin die verwaltungsrechtliche Unbescholtenheit zu Gute. Die im unteren Bereich des gesetzlichen Strafrahmens bemessene Strafe entspreche den persönlichen Verhältnissen, wobei die belangte Behörde mangels Vorlage von Einkommensnachweisen davon ausgehe, dass keine Sorgepflichten und 2.500 Euro netto Monatsverdienst bei durchschnittlichem Vermögen vorliegen.

 

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die rechtzeitige Berufung.

 

Darin wird vorgebracht, dass die Bwin bei der Kontrolle am 03. Mai 2011 gar nicht anwesend gewesen sei und auch keine Möglichkeit habe, von irgendeinem anderen Ort aus Geräte oder Internetverbindungen auszuschalten. Bereits aus den Feststellungen im Erstbescheid ergebe sich, dass die Bwin denkunmöglich die Übertretung begangen haben könnte.

 

Die Bwin beantragt, der Berufung Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben. Auch beantragt die Bwin die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der sämtliche bei der Kontrolle anwesenden Beamten als Zeugen zu laden seien.

 

 

2.2. Die belangte Behörde legte mit Schreiben vom 06. Juli 2012 die Berufung und ihren Bezug habenden Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde (einschließlich der Schriftsätze der Parteien).

 

3.2. Zum erstbehördlich festgestellten Sachverhalt (vgl dazu Punkt 1.2.) ergibt sich ergänzend, dass die niederschriftlich einvernommene R G angab, dass Herr S die Automaten aufgestellt habe und sie lediglich eine Provision für die Zurverfügungstellung eines Raumes für die Automaten erhalte. Herr S habe ihr auch gezeigt, wie man die Geräte ein- und ausschalte und wie man Gewinne auszahle. In die Geräte könnten nur Scheine eingeworfen werden. R G verneinte die Frage, ob sie Schlüssel für die Automaten habe. Ihr sei lediglich eine Chipkarte übergeben worden, damit der Credit auf 0 gestellt werden könne, wenn ein Credit einem Spieler auszubezahlen sei. Herr S komme mindestens einmal im Monat, um die Kassen an den Automaten zu entleeren und die Provisionsabrechnungen durchzuführen. Zum letzten Mal sei Herr S am 29.04.2011 im Lokal gewesen, um die Automaten zu entleeren. Wer Eigentümer der Automaten sei und welche Spiele auf den Geräten durchgeführt werden können, wisse sie hingegen nicht.

 

Zudem ergibt sich aus dem erstbehördlichen Akt, dass die belangte Behörde bereits mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 28. Juni 2011 der Bwin als handelsrechtlicher Geschäftsführerin der E-Handelsges.m.b.H. die Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 50 Abs 4 GSpG durch die R G OG vorgeworfen hat, da im Zuge der Kontrolle die Durchführung der Testspiele seitens der Organe der Finanzpolizei nicht ermöglicht bzw vereitelt worden seien.

 

Mit rechtsfreundlich eingebrachter Rechtfertigung vom 08. August 2011 wurde von der Bwin vorgebracht, dass es aus dem Tatvorwurf nicht zu erkennen sei, warum und wofür sie nun verantwortlich sein sollte. Die belangte Behörde werfe ihr konkret gar nichts vor.

 

3.3. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs 2 Z 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde – durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 50 Abs 1 Glücksspielgesetz, BGBl 620/1989 in der zur Tatzeit geltenden Fassung BGBl I 73/2010 (in der Folge: GSpG) sind für Strafverfahren und Betriebsschließungen nach diesem Bundesgesetz in zweiter Instanz die Unabhängigen Verwaltungssenate gemäß § 51 Abs 1 VStG zuständig. Nach § 27 VStG ist im vorliegenden Fall auch die örtliche Zuständigkeit als gegeben anzunehmen.

 

Gemäß § 50 Abs 4 GSpG (idF BGBl I 73/2010) sind die Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG und die im § 50 Abs 2 und 3 leg.cit. genannten Organe zur Durchführung ihrer Überwachungsaufgaben berechtigt, Betriebsstätten und Betriebsräume sowie Räumlichkeiten zu betreten, auch wenn dies sonst der Allgemeinheit untersagt ist, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erforderlich ist. Veranstalter, Anbieter und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, haben der Behörde nach § 50 Abs 1 GSpG, dem Amtssachverständigen (§ 1 Abs 3 GSpG) und den Organen der öffentlichen Aufsicht umfassend Auskünfte zu erteilen, umfassende Überprüfungen und Testspiele zu ermöglichen und Einblick in die geführten Aufzeichnungen sowie die nach diesem Bundesgesetz aufzulegenden Spielbeschreibungen zu gewähren.

 

Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 GSpG (idF BGBl I 73/2010) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen, wer gegen eine Bestimmung der in § 2 Abs 3 GSpG vorgesehenen Verordnung, gegen die Auflageverpflichtung von Spielbeschreibungen, die Anzeigeverpflichtung gemäß § 4 Abs 6 GSpG oder eine Duldungs- oder Mitwirkungspflicht nach § 50 Abs 4 GSpG verstößt.

 

Gemäß § 31 Abs 1 VStG (idF BGBl I Nr. 33/2013) beträgt die Verjährungsfrist für Verfolgungshandlungen ein Jahr.

 

4.2. § 50 Abs 4 GSpG normiert eine "umfassende" Mitwirkungs- und Duldungspflicht, welche sich an verschiedene Adressaten richtet. Im Grunde soll diese Mitwirkungs- und Duldungspflicht die Effizienz der Kontrolle im Rahmen des GSpG steigern (vgl grundlegend EBRV 658 BlgNR 24. GP, 3) und zur Gewinnung der notwendigen Informationen zur Durchführung der Überwachungsaufgaben im Rahmen des GSpG führen, soweit dies zur Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG erforderlich ist (vgl dazu § 50 Abs 4 1. Satz GSpG).

 

Schon aus dem Wortlaut der Bestimmung wird eine erste Grenze der Duldungs- und Mitwirkungspflicht ersichtlich. Diese Pflichten erstrecken sich nur auf den Bereich der Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des GSpG. Liegt hingegen der Verdacht – welcher im Kern des Begriffes notwendig ein begründeter, d.h. auf Tatsachen zurückzuführender, ist (siehe zum retrospektiv diagnostischen Element des Verdachtsbegriffes im Rahmen der abduktiven Entdeckung und Bewertung von Hypothesen Schulz, Normiertes Misstrauen, 224 ff, 312 ff und 528 f) – auf den Verstoß gegen das GSpG vor, so endet die Duldungs- und Mitwirkungspflicht. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich nicht mehr um die Durchführung von Überwachungsaufgaben zum Zwecke (arg.: "erforderlich") der Einhaltung des GSpG, sondern zum Zwecke der Tataufklärung und Ermittlung wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das GSpG.

 

Diese Auslegung korreliert jedenfalls betreffend die Mitwirkungspflicht in den überwiegenden Fallkonstellationen mit den Vorgaben des verfassungsrechtlich verankerten Prinzips "nemo tenetur se ipsum accusare", nach dem der Gesetzgeber keine Regelung treffen darf, die eine im Verdacht einer strafbaren Handlung stehende Person verpflichtet, Beweise gegen sich selbst zu liefern (dazu mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 786).

 

Darüber hinaus ist aus dem Wortlaut abzuleiten, dass die Duldungs- und Mitwirkungspflicht nicht nur ad personam durch die Anwendbarkeit des Selbstbezichtigungsverbotes begrenzt ist, sondern dass das Entstehen der Verdachtslage auch generell die Zäsur darstellt.

 

Ist somit aus der objektiven Sichtweise ex ante eine Verdachtslage auf einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz gegeben, so endet zumindest die Mitwirkungspflicht (siehe zur vorzunehmenden Art der Abgrenzung in ähnlichen Konstellationen Lienbacher, Ist staatsanwaltliches Handeln ein zulässiger Kontrollgegenstand, in Lienbacher/Wielinger, Jahrbuch Öffentliches Recht 2010, 73 f). Denn es geht dann nicht mehr nur um die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben zur Kontrolle der Einhaltung des Glücksspielgesetzes, sondern um strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen im Hinblick auf den Verdacht einer Übertretung des Glücksspielgesetzes.

 

Selbst wenn man im bloßen Einschreiten von Hilfsorganen – deren Verhalten der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde zuzurechnen ist – der öffentlichen Aufsicht (Finanzpolizei) noch keinen formalen Beginn eines Strafverfahrens im Sinne des § 31 VStG (arg.: keine behördliche Verfolgungshandlung) erkennen wollte, vermag dies am oben dargelegten, verfassungsrechtlich gebotenen Interpretationsergebnis, das nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs aus der materiellen Bedeutung des Anklageprinzips nach Art 90 Abs 2 B-VG folgt und daher auch im Verwaltungsstrafverfahren gilt (vgl mN Mayer, B-VG4 [2007] Art 90 B‑VG Anm III), sachlich nichts zu ändern. Es liegt auf der Hand, dass das bloße Abstellen auf behördliche Verfolgungshandlungen und ein Ausblenden des Verfolgungsverhaltens von Hilfsorganen nur ein der Aushöhlung und Umgehung dienender Formalismus wäre, der dem Wesensgehalt des verfassungsrechtlichen Selbstbezichtigungsverbots und der Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 EMRK diametral zuwiderliefe. Denn wegen des unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Strafverfahren wegen verbotenen Glücksspiels wäre eine strafbewehrte Mitwirkungspflicht an einer zum Zwecke der Strafverfolgung durchgeführten Glücksspielkontrolle unverhältnismäßig und dem Kerngehalt der Garantie eines fairen Verfahrens widersprechend (vgl dazu eingehend mN Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5 [2012] 456 ff Rz 123).

 

4.3. Vor diesem Hintergrund ergibt sich aus dem Akteninhalt klar und deutlich, dass Gegenstand der finanzpolizeilichen Amtshandlung die Aufklärung des Verdachts strafbarer Handlungen mit Glücksspielgeräten war. Im vorliegenden Fall wurden von den Kontrollorganen nach der Anzeige des Finanzamts vom 05. Mai 2011 (= 050/75088/19/2011 des Finanzamts Braunau-Ried-Schärding) im Lokal "T" sechs eingeschaltete und betriebsbereite Geräte wahrgenommen.

 

Auch die von der Finanzpolizei am Kontrolltag aufgenommene Niederschrift mit Frau R G mit ihren gezielten Fragen etwa zur Höhe des Spieleinsatzes, zu den möglichen Höchstgewinnen, zu den vorhandenen Schlüsseln bzw wer Betreiber bzw Eigentümer der Automaten sei, diente offenkundig dem Ziel der strafrechtlichen Aufklärung (= Strafverfolgung). Aus der Zusammenschau des Akteninhalts sowie auf Grund des Umstands, dass in Oberösterreich auch das kleine Glücksspiel immer verboten war (weshalb keine Übergangsfristen gemäß § 60 Abs 25 GSpG in Betracht kommen) ist zu erkennen, dass für das Einschreiten der Finanzpolizei im gegenständlichen Fall der Verdacht von Eingriffen in das Glücksspielmonopol und damit von Übertretungen der Strafbestimmungen des § 52 GSpG eindeutig im Vordergrund stand. So wurden laut Anzeige der Finanzpolizei beim Eintreffen im Lokal sechs Walzenspielgeräte betriebsbereit und eingeschaltet vorgefunden und ein Gast wahrgenommen, der auf einem der Geräte spielte. Schon zu Beginn der Kontrolle lag offenkundig die oben beschriebene Verdachtslage vor und endete daher bei verfassungskonformer Auslegung die Mitwirkungspflicht gemäß dem § 50 Abs 4 GSpG.

 

4.4. Zudem wird der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Mitwirkungspflicht und dem Strafverfahren wegen verbotenen Glücksspiels durch das Straferkenntnis der belangten Behörde selbst bestätigt. Bei der Strafbemessung wurde von der belangten Behörde die Verletzung der Mitwirkungspflicht "im gegenständlichen Fall als schwerwiegende Verfehlung" qualifiziert, "weil durch die Verhinderung der Durchführung der Testspiele die Strafverfolgung hinsichtlich des Grunddelikts (Veranstalten von verbotenen Ausspielungen iSd GSpG) vereitelt wurde."

 

Zum einen verkennt die belangte Behörde damit das Doppelverwertungsverbot des § 32 Abs 2 StGB, der gem § 19 Abs 2 VStG sinngemäß im Verwaltungsstrafrecht zur Anwendung gelangt. Nach § 32 Abs 2 StGB dürfen Erschwerungs- und Milderungsgründe, welche schon die Strafdrohung bestimmen, bei der Strafbemessung nicht (nochmals) berücksichtigt werden. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht bildet ein Tatbestandselement der Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 Abs 1 Z 5 iVm § 50 Abs 4 GSpG, sodass dieser Umstand nicht mehr als straferschwerend gewertet werden durfte. Zum anderen räumt die belangte Behörde aber selbst ein, dass die Verhinderung der Durchführung der Testspiele die Strafverfolgung hinsichtlich des Grunddelikts vereitelt hätte. Mangels Mitwirkungspflicht an der eigenen Strafverfolgung und Aufklärung von Delikten war daher keine mit Strafe bedrohte Handlung möglich.

 

Die Bestrafung der Bwin erfolgte damit schon aus diesem Grund nicht zu Recht.

 

4.5. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass diese erstens nach Tatort und Tatzeit unverwechselbar feststeht sowie zweitens eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und damit auch die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985); im Spruch sind daher alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind.

 

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn im Spruch die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Eine Umschreibung der Tat bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, Zl. 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, Zl. 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, Zl. 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Spruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, Zl. 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, Zl. 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, Zl. 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, Zl. 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, Zl. 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, Zl. 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, Zl. 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, Zl. 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, Zl. 97/06/0170).

 

4.6.1. Die Bestimmung des § 50 Abs 4 GSpG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung BGBl I 73/2010 verpflichtet verschiedene Adressaten, nämlich Veranstalter und Anbieter von Glücksspielen und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, unmittelbar zur Mitwirkung. Zu diesen Varianten unmittelbarer Täterschaft kann jeweils eine Beteiligungssituation hinzutreten. Beispielsweise ist denkbar, dass der Veranstalter oder Anbieter von Glücksspielen dazu beiträgt oder anstiftet, dass eine bereithaltende Person der Mitwirkungspflicht nicht nachkommt. Weiters ist zu bedenken, dass – wie es im gegenständlichen Fall gegeben ist – eine juristische Person als Veranstalter bzw Anbieter in Frage kommt und wiederum ein außenvertretungsbefugtes Organ (zB der Geschäftsführer) im Rahmen des § 9 VStG verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang haftet das außenvertretungsbefugte Organ wiederum in zwei Varianten. Entweder setzt das Organ selbst in zurechenbarer Weise ein rechtswidriges Verhalten für die juristische Person oder das außenvertretungsbefugte Organ muss sich ein rechtswidriges Verhalten von Mitarbeitern als Organisationsverschulden zurechnen lassen.

 

Da nun die Art der Täterschaft einer Verwaltungsübertretung nach dem § 50 Abs 4 iVm § 52 Abs 1 Z 5 GSpG in vielen Erscheinungsformen möglich ist, hat im Spruch des Straferkenntnisses eine genaue Aus- und Anführung zur Täterschaft und Beteiligung iSd § 7 VStG zu erfolgen, um dem Beschuldigten eine entsprechende Verteidigung zu ermöglichen. Erfolgt diese Differenzierung und Konkretisierung nicht, so ist der Spruch des Straferkenntnisses nicht iSd Anforderungen nach § 44a Z 1 VStG bestimmt und unverwechselbar und daher mit Rechtswidrigkeit behaftet. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof zur Beteiligungsform der Beihilfe klargestellt, dass im Spruch sowohl die Tatumstände zu konkretisieren sind, welche eine Zuordnung der Tat des Haupttäters zur verletzten Verwaltungsvorschrift ermöglicht, als auch jenes konkrete Verhalten darzustellen ist, durch welches der Tatbestand der Beihilfe verwirklicht wird (vgl VwSlg 13.112 A/1990 und VwSlg 13.224 A/1990).

 

4.6.2. Vor dem Hintergrund der verschiedenen Tatbegehungsformen hätte die belangte Behörde eine differenzierte und konkretisierte Fassung des Tatvorwurfes vornehmen müssen. Ihre Ausführungen decken sich stattdessen weitgehend mit dem Gesetzeswortlaut im § 50 Abs 4 GSpG und reichen für die Bestimmtheit iSd § 44a Z 1 VStG nicht hin. Durch die substanzlose Verwendung der verba legalia wird nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs noch keine Konkretisierung im Sinne der Anforderungen des § 44a Z 1 VStG vorgenommen. Denn es reicht nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung von Tatzeit und Tatort wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004] 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Diese einzelfallbezogene Konkretisierung des Spruches iSd § 44a Z 1 VStG ist einerseits deshalb erforderlich, damit der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und andererseits um den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl VwGH 18.10.2011, Zl. 2011/02/0281 unter Bezugnahme auf Vorjudikatur) und damit der Gefahr einer allfälligen Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (vgl speziell für Übertretungen nach dem GSpG VwGH 12.3.2010, Zl. 2010/17/0017).

 

4.6.3. Im konkreten Fall hat es die belangte Behörde bezüglich des Tatvorwurfes unterlassen, hinreichend zu konkretisieren, worin die Tathandlung der Bwin gelegen ist. Es wird zunächst der "E-Handelsges.m.b.H mit Sitz in E, B, … als Unternehmerin im Sinne des § 2 Abs. 2 GSpG" der Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten gemäß § 50 Abs 4 GSpG vorgeworfen, da "im Zuge der Kontrolle die Durchführung der Testspiele seitens der Organe der Finanzpolizei nicht ermöglicht bzw. vereitelt wurde." Diese Verwaltungsübertretung habe die Bwin "als handelsrechtliche Geschäftsführerin der E-Handelsges.m.bH., mit Sitz in E, B, die die Glücksspielgeräte aufgestellt hat, gem § 9 Abs 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten."

 

Der Spruch ist nicht geeignet, der Bwin eine individuelle Tat unverwechselbar vorzuwerfen. Lediglich in der Bescheidbegründung wird ausgeführt, dass die Durchführung von Testspielen dadurch unmöglich gemacht bzw vereitelt wurde, dass die Geräte unbespielbar gemacht bzw vom Server genommen wurden. Es bestünden für die Behörde keine Zweifel, dass "Herr S die Geräte so manipuliert hat, dass sie von den Organen der Finanzpolizei nicht mehr bespielt werden konnten." Die Unterbrechung der Internetverbindung nach telefonischer Kontaktaufnahme der Frau S mit Herrn S (und eben nicht der Bwin) zeigt jedoch keinen konkreten Zusammenhang zur Bwin auf.

 

Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist grundsätzlich nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Soweit eine juristische Person Adressat einer Verwaltungsstrafnorm ist, treten an ihre Stelle die zur Vertretung nach außen berufenen Personen oder allfällige verantwortliche Beauftragte. Dabei ist das Organ auch dann verantwortlich, wenn das Tatbild durch andere Personen im Unternehmen verwirklicht wird, weil es nicht genügend Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es kann aber nur für solche Verhaltensweisen Dritter bestraft werden, die der juristischen Person zurechenbar sind (vgl näher Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000], Anm 3 zu § 9 VStG).

 

Die Bestrafung des verantwortlichen Organs setzt zwar die vom unmittelbaren Täter begangene Tat voraus, gründet sich aber auf Seiten des verantwortlichen Organs auf ein anderes Verhalten. Wie Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht5 [2009], 422 ff, zu Recht ausführen, darf § 9 VStG nicht in verfassungswidriger Weise als strafrechtliche Verantwortung für fremdes Verhalten verstanden werden. Vielmehr folgt aus dieser Vorschrift ein spezifisches Unterlassungsdelikt, das bei der Pflicht der Organe der juristischen Person ansetzt, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen. Die Strafbarkeit des verantwortlichen Organs gründet auf dem Vorwurf, dass dieses schuldhaft keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um die Tat des unmittelbaren Täters zu verhindern.

 

Einen derart gelagerten Vorwurf hat die belangte Behörde der Bwin nicht gemacht, sondern ihr vielmehr – und das lediglich in der Begründung – nur angelastet, dass das Fehlverhalten des Herrn S der E-Handelsges.m.b.H. zuzurechnen sei und die Bwin daher als handelsrechtliche Geschäftsführerin dieses Unternehmens dafür strafrechtlich verantwortlich wäre. Inwiefern der Bwin dabei ein Verschulden hinsichtlich ihrer Überwachungs- und Anweisungspflichten trifft, wird von der Behörde in keiner Weise ausgeführt.

 

Im Übrigen ist der Spruch schon insofern gänzlich unklar, als nicht daraus hervorgeht, ob die Bwin für ihr eigenes Verhalten bestraft wird oder doch für das eines Dritten. Denn aus den konkreten spruchmäßigen Tatvorwürfen geht nicht hervor, ob die Bwin nun eine Tathandlung selbst gesetzt hat oder eben nicht dafür Sorge getragen hat, dass durch eine andere (ebenfalls nicht näher konkretisierte) Person die Testspiele ermöglicht bzw nicht vereitelt werden. Im konkreten Spruch wird der E-Handelsges.m.b.H. als Unternehmerin iSd § 2 Abs 2 GSpG der Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten gemäß § 50 Abs 4 leg.cit. vorgeworfen, für welche die Bwin als handelsrechtliche Geschäftsführerin verantwortlich sei. Wie eine juristische Person jedoch Testspiele ermöglichen soll, ist für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar. Lediglich aus der Begründung des Bescheides ist erkennbar, dass dem Tatvorwurf das Verhalten des Herrn S zugrunde gelegt wird. Der für § 9 VStG erforderliche eigene Tatvorwurf für das zuzurechnende Organ – sei es nun in Anlehnung an eine Beteiligungshaftung oder ein unechtes Unterlassungsdelikt (s dazu W. Wessely in N. Raschauer/W. Wessely, VStG § 9 Rz 1, 2 sowie § 5 Rz 11, 25 ff.) – erfolgte seitens der belangten Behörde nicht in hinreichend konkretisierter Form und war auch auf Grund der eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht sanierbar.

Aus der unbestrittenen Aktenlage ergibt sich in diesem Zusammenhang unzweifelhaft, dass die Bwin gar nicht am Tatort anwesend war und daher persönlich die Durchführung von Testspielen nicht ermöglichen hätte können. Es mangelt dem Spruch, der diesbezüglich überhaupt keine näheren Ausführungen enthält, daher an einer entsprechenden Konkretisierung. Der Vorwurf, dass die Bwin unmittelbar selbst ein entsprechendes gesetzwidriges Verhalten gesetzt hätte, ginge schon mangels entsprechender Tatsachengrundlage ins Leere.

 

Die belangte Behörde hat vielmehr der Bwin das vermutete Verhalten des Herrn S unmittelbar zurechnet. Dies zeigt sich in dem Umstand, dass sich die belangte Behörde ohne weiteres als gemäß § 27 VStG örtlich zuständig erachtete. Ansonsten hätte sie nämlich die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs beachten müssen, dass der Tatort dort liegt, wo die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung von Verstößen gegen Verwaltungsvorschriften gesetzt hätten werden müssen. Das ist grundsätzlich (ggst. nicht relevante Ausnahme: verantwortlich beauftragter Filialleiter) der Sitz des Unternehmens, für welches das vertretungsbefugte Organ bzw der verantwortliche Beauftragte gehandelt hat (vgl die Judikaturnachweise bei Leukauf/Steininger, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 8b, E 9a, E 9c und E 10 ff zu § 27 VStG).

 

Eine strafrechtliche Verantwortung für das Handeln oder Unterlassen von Angestellten und Mitarbeitern dem verantwortlichen Organ gegenüber wäre allenfalls auch im Rahmen einer mittelbaren Täterschaft nach § 7 VStG denkbar.

Auch ein solcher Vorwurf wurde gegenständlich im Spruch des Straferkenntnisses aber nicht erhoben. Wie bereits oben dargelegt, zeigt der allgemeine Hinweis in der Begründung, dass die Unterbrechung der Internetverbindung nach telefonischer Kontaktaufnahme der Frau S mit Herrn S (und eben nicht der Bwin) erfolgte, keinen konkreten Zusammenhang zur Bwin auf und vermag daher nichts zu ändern.

 

4.6.4. Durch die im § 50 Abs 4 GSpG geregelten Mitwirkungspflichten für Personen mit bestimmten Eigenschaften und Verhältnissen (arg.: Veranstalter, Anbieter bzw Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten) wird ein Sonderdelikt statuiert, das nur Personen mit diesen Eigenschaften als unmittelbare Täter, nicht aber andere Personen begehen können. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenat ist die Regelung dieser Verantwortlichkeit wohl auch als Sonderregelung zur (subsidiären) verantwortlichen Beauftragung im § 9 VStG aufzufassen. Dies zeigt auch die nunmehr mit Novelle BGBl I Nr. 112/2012 vorgenommene Ergänzung des § 50 Abs 2 GSpG, wonach die genannten Sonderpflichtigen nunmehr auch dafür zu sorgen haben, dass eine anwesende Person den Auskunfts- und Mitwirkungsverpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt.

 

Die Erweiterung der Mitwirkungspflicht von Veranstalter, Inhaber und Personen, die Glücksspieleinrichtungen bereithalten, erst durch die Novelle BGBl I Nr. 112/2012, wonach diese sonderpflichtigen Personen "dafür zu sorgen [haben], dass eine anwesende Person den in § 50 Abs 4 GSpG normierten Verpflichtungen gegenüber Kontrollorganen nachkommt" war auf den vorliegenden Tatzeitpunkt noch nicht anzuwenden.

 

Entgegen den diesbezüglichen Parlamentarischen Materialien (vgl die Regierungsvorlage BlgNR 1960 24. GP zu § 50 Abs 4 zweiter Satz GSpG), war eine derartige Vorkehrungspflicht des genannten Personenkreises aus dem auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Gesetzestext – schon allein vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich gebotenen, besonders strengen Legalitätsprinzips im Strafrecht – keineswegs abzuleiten (vgl mwN Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 573). So reichen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im strafrechtlichen Kontext bereits für den Rechtsunterworfenen oder die vollziehende Behörde bestehende "rechtliche Unklarheiten" einer Norm aus, um einen Verstoß gegen das Determinierungsgebot zu begründen (VfSlg 15.543/1999). Eine in diesem Zusammenhang "einwandfreie Gesetzesanwendung" war aber – wie von den zitierten Erläuternden Bemerkungen selbst eingeräumt – aufgrund der offensichtlich notwendigen "Klarstellung" des Normtextes nicht möglich. Schon aus diesem Grund war im Lichte dieser restriktiven verfassungsrechtlichen Vorgaben hinsichtlich § 50 Abs 4 GSpG streng am (eindeutigen) Gesetzeswortlaut festzuhalten und war daher zum Tatzeitpunkt die mangelnde Vorkehrung, dafür zu sorgen, dass eine anwesende Person den Mitwirkungspflichten entsprechend nachkommt, nicht strafbar.

 

4.7. Aus den genannten Gründen ist der Spruch des Bescheides der belangten Behörde daher verfehlt und mit Rechtswidrigkeit behaftet.

 

Die belangte Behörde hat weder im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung einen entsprechend den Umständen des Einzelfalles konkretisierten Tatvorwurf erhoben, der die Identität der Tat mit ausreichender Bestimmtheit unverwechselbar formuliert. Mangels einer geeigneten behördlichen Verfolgungshandlung ist insofern nach Ablauf der Jahresfrist des § 31 Abs 1 VStG auch die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Dem Unabhängigen Verwaltungssenat war es außerdem als Berufungsbehörde, die gemäß dem § 66 Abs 4 AVG iVm § 24 VStG bei ihrer Entscheidungsbefugnis auf den Gegenstand des Spruches des Straferkenntnisses beschränkt ist, verwehrt, eine ganz neue Anlastung vorzunehmen und dabei wesentliche Tatmerkmale auszutauschen.

 

 

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis im Hinblick auf das Nichtvorliegen einer strafbaren Handlung mangels einer Mitwirkungspflicht an der Strafverfolgung einerseits sowie im Hinblick auf wesentliche Spruchmängel mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung andererseits aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 3 VStG einzustellen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bwin gemäß § 66 Abs 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Dr. Weiß

 

 

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