Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-168013/4/Br/Ai

Linz, 26.08.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x,  gegen das Straferkenntnis der Bezirkshaupt­mann­schaft Wels-Land, vom 01. August 2013, Zl.: VerkR96-5690-2013-Be zu Recht:

 

 

I.    Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 600,-- Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf fünf Tage ermäßigt wird.

 

 II.  Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich folglich auf 60,-- Euro; für das Berufungsverfahren entfällt ein Verfahrenskostenbeitrag.

 

 Rechtsgrundlagen:

zu I:             §§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 19, 20, 24,   51 und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II:             § 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Über den Berufungswerber wurde mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis ein Schuldspruch wegen Übertretung nach § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs.1 lit.a StVO gefällt und eine Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 12 Tagen verhängt, weil er am 06.07.2013 um 03.43 Uhr im Ortsgebiet von Weißkirchen, ein Fahrrad gelenkt habe, wobei er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe (Alkoholisierungsgrad 0,63 mg/l).

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz stützte einerseits den Schuldspruch auf die unbestrittenen und in der Anzeige dargelegten Fakten und den Strafausspruch auf die durch den hohen Alkoholisierungsgrad als vorsätzlich begangen zu vermuten gewesenen Alkofahrt. Diese Tat sei dem Berufungswerber als besonders verwerflich anzulasten. Die Strafe wurde angesichts fehlender straferschwerender Umstände und des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit als dem Unrecht angemessen erachtet, wobei abschließend auf den Gedanken der Prävention verwiesen wurde.

 

 

2. In der dagegen fristgerecht durch den Flüchtlingsbetreuer der Caritas für den Berufungswerber ausgeführten Berufung wird unter anderen die Anwendung des § 20 VStG beantragt.  Nach schriftlicher Kontaktaufnahme mit dem Berufungswerbervertreter wurde letztlich klargestellt, dass auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtet werden und die Berufung auf diesen Punkt eingeschränkt werde.

 

 

 

3. Da  keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der  Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer Berufungsverhandlung konnte angesichts der  bloßen Strafberufung unterbleiben (51e Abs.3 Z2 VStG).

 

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt. Daraus ergibt sich der für die Strafzumessung wesentliche Sachverhalt.

 

 

 

4.  Der Berufungswerber wurde von Organen der Polizeiinspektion Thalheim bei Wels am Samstag den 6. Juli 2013 um 03:43 Uhr radfahrend in einem durch  Alkohol beeinträchtigten Zustand betreten. Die Wahrnehmung erfolgte von der Inspektorin x. Der als Asylwerber in Österreich aufhältige Berufungswerber erklärte rechtfertigend, nicht gewusst zu haben alkoholisiert auch kein Fahrrad lenken zu dürfen.   

Den logischen Denkgesetzen folgend geht hier die Berufungsbehörde von einem zu dieser Tageszeit äußerst geringen Verkehrsaufkommen aus, sodass insbesondere mit Blick das gelenkte Fahrrad im Verhältnis zu einem Pkw oder gar LKW die nachteiligen Tatfolgen, falls solche überhaupt quantifizierbar sind, weit hinter  dem wie sie etwa von einem alkoholisierten Kraftfahrer ausgehen, zurückbleiben. Sie sind wohl kaum höher einzuschätzen als wie sie etwa auch von einem alkoholisierten Fußgänger auf öffentlichen Verkehrsflächen ausgehen, wobei ein solcher derzeit noch straflos bleibt.

 

 

 

6. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

§ 5 Abs.1 lit.a StVO 1960 lautet:

"Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1.200 Euro bis 4.400 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille)  oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft mehr 0,6 mg/l aber weniger als 0,80 mg/l beträgt, …."

 

 

§ 20 VStG lautet:

"Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden."

 

 

7. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 Strafgesetzbuch - StGB sinngemäß anzuwenden.

 

 

7.1.   Die Behörde erster Instanz übersieht, dass einerseits der Berufungswerber ob seiner Herkunft offenbar tatsächlich einem, wenn auch nicht entschuldbaren Rechtsirrtum über die Strafbarkeit der Tat, unterlegen gewesen sein mag. Mit dieser Allfälligkeit setzte sich die Behörde erster Instanz nicht auseinander. Vielmehr ging sie von der qualifizierten Schuldebene des Vorsatzes aus. Ferner wurde keine Differenzierung im Unwertgehalt zwischen einem bloßen Radfahrer zur Nachtzeit und dem Lenker eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges vorgenommen. Darauf ist jedoch alleine schon mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot Bedacht zu nehmen, zumal sonst weitgehend Ungleiches in der Sanktion undifferenziert gehandhabt, seinerseits mit dem Gleichheitsgebot in Konflikt geraten könnte.

Nicht zuletzt kann in der Darstellung des Berufungswerbers bereits gegenüber den einschreitenden Beamten als reumütiges Geständnis gewertet und alleine darin ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe erblickt werden. Dies vor dem Hintergrund, weil mit der alkoholisierten Radfahrt in der verkehrsärmsten Tageszeit (um 03:43 Uhr),  in einer zu dieser Zeit kaum stark verkehrsdurchflutenten Ortschaft, zumindest logisch besehen keine erkennbare Gefährdung Dritter angenommen werden muss. Allenfalls hätte sich der Berufungswerber als alkoholisierter Radfahrer nur selbst einer zusätzlichen Gefährdung ausgesetzt gehabt. Wenngleich der Gesetzgeber in der StVO keine Differenzierung zwischen den Fahrzeugen vornimmt, so stellt diese Bestimmung in die daran geknüpften Strafsätze typischer Weise auf von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern herbeigeführte Verkehrsgefährdungen ab.

Vor diesem Hintergrund ist bei einem alkoholisierten Radfahrer sehr wohl noch von einem beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe auszugehen. Diese Aspekte waren mit Blick auf die auch im Verwaltungsstrafverfahren analog geltenden Strafzumessungsgründe des StGB (§ 34 Abs.1 Z13 u. Z17) entsprechend zu berücksichtigen.

Für den Fall des beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe kann nach   § 20 VStG die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden. Bei der Beurteilung der Frage des "beträchtlichen Überwiegens der Milderungsgründe" kommt es nicht auf die Zahl, sondern auf das Gewicht der Milderungsgründe an (VwGH 15.12.1989, 89/01/0100 und den Hinweis auf die h. Erk. 10.11.2008, VwSen-163624/2/Br/RSt, sowie 23.12.2008, VwSen-163745/2/Br/RSt mit Hinweis auf die h. Erk. v. 08.02.2005, VwSen-160237/5/Br/Wü, sowie v. 9.2.1998, VwSen-105157/5/BR).

Damit wird einem am Sachlichkeitsgebot orientierte verfassungskonforme  Rechtsvollzugspraxis Rechnung getragen um damit unsachliche Ergebnisse in entsprechender Wertung ungleicher Ausgangslagen zu vermeiden (vgl. h. Erk. 19.06.1995VwSen-102913/2/Gu/Atz).

Die Bestimmung des § 20 VStG gelangte nach Aufhebung des § 100 Abs.5 StVO 1960  durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH 9.10.1997, G 216/96) auch für sogenannte Alkoverfahren wieder zur Anwendung. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht  darauf ein Rechtsanspruch (vgl. etwa VwGH vom 31. 1.1990, 89/03/0027, VwGH 21.5.1992, 92/09/0015 und VwGH 2.9.1992, 92/02/0150).

Ebenfalls stehen dieser für den alkoholisierten Radfahrer halbierten Mindeststrafsatz, ob deren für einen Bezieher einer Mindestversorgung immer noch hohen Betrag keine Aspekte der Prävention entgegen.

Die volle Ausschöpfung des auf die Hälfte reduzierbaren Strafsatzes war darüber hinaus angesichts der persönlichen Situation des Berufungswerbers als Asylwerber in jeder Richtung hin sachlich angemessen. Für den Berufungswerber mag sie immer noch als hart empfunden werden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

 

 

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