Linz, 10.09.2013
E r k e n n t n i s
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger von Georgien, vertreten durch die X, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 16. Juli 2012, AZ: 1051464/FRB, betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Aufhebung eines auf die Dauer von fünf Jahren befristeten Rückkehrverbots nach dem Fremdenpolizeigesetz, im zweiten Rechtsgang zu Recht erkannt:
Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wird, als das mit Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 27. November 2007 gegen den Berufungswerber auf die Dauer von 5 Jahren erlassene Rückkehrverbot bzw. Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.
Rechtsgrundlagen:
§§ 66 ABs. 4 und 67a AVG
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 16. Juli 2012, AZ: 1051464/FRB wurde der Antrag des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) vom 6. Juni 2012 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 27. November 2007 auf fünf Jahre befristet erlassenen Aufenthaltsverbotes mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässig zurückgewiesen.
Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde wie folgt aus:
1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
In dieser führt der Bw wie folgt aus:
1.3. Mit Erkenntnis vom 23. August 2012, AZ VwSen-730655/2/BP/MZ/WU, wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes OÖ die Berufung als unbegründet ab.
1.4. Dagegen hat der Bw Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Mit Bescheid vom 10. Juni 2013, AZ B 1298/2012-7, hat der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde stattgegeben und das Erkenntnis wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung aufgehoben.
Begründend führte der Verfassungsgerichtshof ua. Folgendes aus:
1.5. Mit Telefax vom 3. September 2013 legte der Rechtsvertreter des Bw eine Stellungnahme vor in der ua. ausgeführt wird, dass der Bw zum Zeitpunkt der Verhängung des Rückkehrverbotes 18 Jahre alt gewesen sei. Er habe sämtliche strafrechtlichen Verfehlungen minderjährig bzw. als junger Erwachsener begangen. Im Jahr 2011 habe der Bw das Bundesgebiet freiwillig verlassen.
Der Bw habe noch während seines rechtmäßigen Aufenthaltes seine spätere Ehegattin kennengelernt, mit der er seit 18. November 2011 verheiratet sei. Der gemeinsame Sohn sei am X geboren worden. Die Ehegattin des Bw habe ihren Lebensmittelpunkt in Österreich, sie sei berufstätig. Der Bw habe eine enge Bindung zu seinem Sohn und zu seiner Ehegattin.
Die Ehegattin reise jährlich nach Georgien, um den familiären Kontakt aufrecht zu erhalten. Es bestehe auch ein den Umständen entsprechend guter Vater-Kind-Kontakt. Die Weiterführung des Kontaktes sei aber äußerst schwierig, besonders für das Kind unbefriedigend und nicht dem Kindeswohl entsprechend.
Der Bw spreche sehr gut Deutsch. Er habe zahlreiche Sprachkurse abgelegt und knapp vor seiner Ausreise ein Sprachdiplom über die Niveaustufe A2 mit der Note „Sehr gut“ bestanden. Er habe auch nach seiner Ausreise in Georgien Sprachkurse belegt.
Weiters habe der Bw in Georgien seinen Schulabschluss in X externistisch nachgeholt.
Der Bw sei im Rahmen der Möglichkeiten berufstätig gewesen.
All diese Umstände würden den eingetretenen Gesinnungswandel beim Bw belegen. Aus einer Gesamtbewertung der nunmehr veränderten Umstände ergebe sich, dass die weitere Aufrechterhaltung des Rückkehrverbotes/Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig sei.
Der Stellungnahme beigelegt sind ein Zwischenzeugnis vom 25. August 2013 sowie eine Lohnabrechnung vom 28. August 2013 des Gesundheitszentrums X in X, ein Sprachdiplom für die Grundstufe Deutsch 2 vom 8. Juni 2011, ein Zertifikat des Goethe-Instituts vom 16. Dezember 2012, ein Schreiben der Ehegattin vom 25. August 2013, sowie notariell beglaubigte Übersetzungen eines Strafregisterauszuges vom 28. August 2013, eines Reifezeugnisses der X Schule No11 der Stadt X, einer Bescheinigung über die Tätigkeit als Schlosser vom 6. August 2013 und einer Bescheinigung über die Absolvierung von neun Klassen der X Schule No11 vom 8. April 2013.
2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt und auf das oben zitierte E-Mail vom 3. September 2013.
2.2. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Bw zwar beantragt, konnte aber in Hinblick auf die beigebrachten Unterlagen unterbleiben.
2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. und 1.5. dieses Erkenntnisses dargestellten, unbestrittenen Sachverhalt aus.
2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).
3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
3.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 27. November 2007, AZ: 1051464/FRB, wurde gegen den damals im Asylverfahren befindlichen Bw ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.
Mit Bescheid des Asylgerichtshofes vom 2. März 2010 wurde gegen den Bw eine Ausweisung im Sinne des § 10 des Asylgesetzes ausgesprochen. Die Entscheidung erwuchs mit ihrer Erlassung in Rechtskraft und wurde damit durchsetzbar.
§ 62 Abs. 4 FPG in der am 2. März 2010 geltenden Fassung normierte, dass ein Rückkehrverbot als Aufenthaltsverbot gilt, wenn eine Ausweisung durchsetzbar wird. Die Bestimmungen über die Erlassung von Aufenthaltsverboten beinhaltete zum damaligen Zeitpunkt § 60 FPG. Auf Grundlage der Entscheidung des Asylgerichtshofes erfolgte somit eine Wandlung des gegen den Bw zuvor erlassenen Rückkehrverbotes in ein Aufenthaltsverbot gemäß § 60 FPG in der am 2. März 2010 geltenden Fassung.
Gemäß § 125 Abs. 16 FPG in der Fassung des FRÄG 2011 bleiben Aufenthaltsverbote gemäß § 60 – ein solches liegt wie im vorigen Absatz dargelegt nunmehr vor – bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
3.2.1. Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 114/2013 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
3.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.
Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.
Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).
3.3.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass gegen den Bw aufgrund mehrfacher Straffälligkeit mit Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 27. November 2007, ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Rückkehrverbot, das im Jahr 2010 zu einem Aufenthaltsverbot mutierte, erlassen wurde.
Fraglich ist, ob das damals festgestellte Gefährdungspotential beim Bw nunmehr nicht mehr erkannt werden kann.
Der UVS des Landes Oberösterreich hat sich darüber hinaus mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im konkreten Fall ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 FPG vorliegt und – gegebenenfalls – ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Bejahendenfalls ist ferner zu erörtern, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen sind daran anschließend gegeneinander abzuwiegen.
3.3.2. Bei der Beurteilung des Falls ist also zunächst auf die Gründe einzugehen, die zur Erlassung des Rückkehrverbotes bzw. Aufenthaltsverbotes geführt haben.
Das in Rede stehende Aufenthaltsverbot war seinerzeit im Wesentlichen gegen den Bw wegen mehrerer Vermögensdelikte (Diebstahl bzw. schwerer gewerbsmäßiger Diebstahl) erlassen worden, welche er bis ins Jahr 2007 begangen hatte.
3.3.3. Zunächst rechtfertigte der Bw die angenommene Gefährlichkeitsprognose durch Begehung eines weiteren qualifizierten Diebstahls im Juli 2008.
Zu betonen ist, dass er diese Straftaten als rund 18-jähriger beging und seit dem Jahr 2008 nicht wieder straffällig wurde, was aus den vorgelegten Dokumenten auch aus Georgien klar hervorgeht. Der eingewendete Gesinnungswandel zeigt sich auch darin, dass der Bw im Jahr 2011 freiwillig das Bundesgebiet verließ, in Georgien seine Schulausbildung auf externem Weg abschloss und – wie anhand der beigebrachten Bestätigungen dokumentiert wird – bemüht ist, in Georgien einer Beschäftigung konstant nachzugehen. Zudem dürfte auch das im Jahr 2011 legalisierte und seither als Fernbeziehung aufrechterhaltene Eheleben mit der in Österreich niedergelassenen Gattin und die Geburt eines gemeinsamen Sohnes zur Stabilisierung der Lebensumstände und zu einem nachhaltigen Gesinnungswandel geführt haben.
3.3.4. Zusammengefasst ist also anzumerken, dass der Wegfall der Gründe die zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes geführt hatten, gemäß § 69 Abs. 2 FPG festgestellt werden muss.
3.3.5. Es erübrigt sich sohin ein Eingehen auf die Aspekte der Aufrechterhaltung der Maßnahme hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Bw.
3.4.1. Es war daher der Berufung insoweit stattzugeben, als das mit Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 27. November 2007 auf 5 Jahre befristet erlassene Rückkehr- bzw. Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.
3.4.2. Nachdem der Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides unterbleiben.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.
Bernhard Pree