Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-168036/2/Bi/Ka

Linz, 10.09.2013

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn x, vom 2. September 2013 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Schärding vom 16. August 2013, VerkR96-3342-2013, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

I. Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 10 Euro, ds 20 % der verhängten Strafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 50 Euro (10 Stunden EFS) verhängt, weil er am 24. März 2013, 15.06 Uhr, mit dem Pkw x im Ortsgebiet Sigharting auf der L1139 bei km 0,250 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 13 km/h überschritten habe, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden sei.  

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer – nicht beantragten – öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.3 Z1 und 3 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, im § 53 Z17a StVO heiße es aus­drücklich „Erholungsdorf“; in Sigharting sei aber der Zusatz „Gesunde Gemeinde“ angebracht, daher treffe der § nicht zu. Er beantragt Verfahrenseinstellung mit dem Hinweis auf seine vorherigen Rechtsmittel. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Bw ausgeführt, das Ortsgebiet sei nur einseitig verbaut, dort seien weder Fußgänger noch Anwohner auf der Straße, sodass eine Geschwindigkeit von 63 km/h noch als „angemessen“ zu sehen sei. An der Ortstafel sei ein unerlaubtes Zusatzschild angebracht, weshalb die 50 km/h-Beschränkung ungültig sei. Im Bereich des Radars befinde sich kein Wohn­gebäude oder Gehsteig mehr und unmittelbar neben der Straße sei keine Verbauung auf beiden Seiten.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz, in dem auch ein Foto der Ortstafel in Richtung Ortszentrum zu finden ist. Außerdem wurde Einsicht genommen in das Digitale Oberösterreichische RaumInformationsSystem DORIS und die Lage der Ortstafel in Bezug auf die Verbauung der L1139 festgestellt.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

Das Ortsgebiet ist im Sinne des § 2 Abs.1 Z15 StVO das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen „Ortstafel“ iSd § 53 Z17a und „Ortsende“ iSd § 53 Z17b StVO.

Gemäß § 53 Z17a StVO 1960 gibt das Hinweiszeichen „Ortstafel“ den Namen des Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist. Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende der Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit weißer Aufschrift „Erholungsdorf“ – bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen – oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen. 

 

Wie aus dem DORIS-Foto zu ersehen ist, befindet sich die Ortstafel „Sigharting“ an der L1139 – also entgegen der Fahrtrichtung des Bw – bei km 0.4 +130m laut Verordnung des Bezirkshauptmannes von VerkR10-172-2012 vom 18.6.2012. Der Bw hat das Ortsgebiet in Richtung Kopfing durchfahren, wobei km 0.250, der Ort der Übertretung laut Schuldspruch, noch im Ortsgebiet liegt, nämlich ca 300m vor dem Ortsende. Laut DORIS-Foto befinden sich, in seiner damaligen Fahrtrichtung gesehen, dort linksseitig mehrere Firmen- aber auch Wohngebäude – unmittelbar vor dem bei km 0,530 befindlichen Ortsende an der Adresse x ist linksseitig ein Kfz-Betrieb mit einem Wohngebäude dahinter, x kurz vor km 0,4 ist ebenfalls ein Wohngebäude – mit Park­plätzen und Zufahrten, die ohne Zweifel als „örtlich zusammengehörig“ zu erkennen sind, weil der Abstand zwischen den Gebäuden nicht einmal 70 m Luftlinie beträgt. Damit ist der Bereich zweifellos als „verbautes Gebiet“ zu qualifizieren, auch wenn die nicht ausschließlich in Form von Wohngebäuden erkennbare Verbauung nur einseitig besteht. Ob Gehsteige vorhanden sind, ist in diesem Zusammenhang ebenso irrelevant wie der Umstand, dass sich rechtsseitig nur Felder bzw Wiesen befinden.

 

§ 53 Z17 lit.a StVO 1960 lässt als zusätzlich in Verbindung mit der Ortstafel angebrachte Tafel nicht nur eine solche mit dem Wortlaut „Erholungsdorf“ zu, sondern auch solche, „die die Gemeinde näher beschreiben“.

„Gesunde Gemeinde“ ist ein Netzwerk des Landes Oberösterreich, der Abteilung Gesundheit des Amtes der OÖ. Landesregierung und gesundheitsfördernder Städte und Gemeinden, das auf der Idee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur kommunalen Gesundheitsförderung basiert mit dem Ziel, das Gesundheits­bewusstsein der Bevölkerung zu fördern und gesundheitsfördernde Strukturen in den Kommunen zu schaffen.

Die Gemeinde Sigharting ist im Zeitraum 2011 bis 2013 Teil dieses Netzwerkes und daher berechtigt, die Bezeichnung „Gesunde Gemeinde“ zu führen und diese auch in Verbindung mit der Ortstafel so anzubringen, dass deren leichte Erkennbarkeit gewährleistet und die Verkehrssicherheit dadurch nicht gefährdet wird. Überdies ist aus dem von der PI Andorf vorgelegten Foto einwandfrei zu ersehen, dass diese zusätzliche Tafel mit dem entsprechenden Logo versehen in wesentlich kleinerer Schrift als die Ortstafel gehalten ist, unter der Ortstafel angebracht ist und diese seitlich nicht überragt – sie entspricht damit der Bestimmung des § 53 Z17 lit.a letzter Satz StVO.

 

Der Bw hat auf § 48 Abs.4 StVO verwiesen, wonach auf einer Anbringungs­vorrichtung für Straßenverkehrszeichen (wie Standsäulen, Rahmen, Träger usw) nicht mehr als zwei Straßenverkehrszeichen angebracht werden dürfen. Gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung bewirkt die Anbringung sonstiger Beschriftungen, bildlicher Darstellungen, Tafeln oder dergleichen – unbeschadet der §§ 31 Abs.2 und 53 Abs.1 Z17a – nicht die Unwirksamkeit der Kundmachung einer Verordnung.

Auf der in Rede stehenden Anbringungsvorrichtung sind insgesamt zwei Tafeln angebracht, nämlich die Ortstafel „Sigharting“ und darunter die Tafel „Gesunde Gemeinde“. Der Ansicht des Bw, eine nicht dieser Bestimmung entsprechende Tafel würde die Verordnung für das Ortsgebiet gemäß § 48 Abs.4 letzter Satz StVO unwirksam machen, ist zuzustimmen. Die Tafel „Gesunde Gemeinde“ ist aber gemäß § 53 Z17a letzter Satz StVO, wie oben bereits im Einzelnen dargelegt, zulässig, sodass die Ortstafel uneingeschränkt rechtsgültig ist samt den damit verbundenen Konsequenzen, insbesondere einer erlaubten Höchst­geschwin­dig­keit von 50 km/h.

 

Die mittels geeichtem Fix-Radargerät MUVR 6F 158 gemessene Geschwindigkeit des Pkw x betrug laut Anzeige und dem vorgelegten Radarfrontfoto, anhand dessen sowohl das Pkw-Kennzeichen als auch der Lenker einwandfrei zuzuordnen ist, 68 km/h; davon sind die vom Hersteller vorgegebenen 5 km/h Toleranz abzuziehen, sodass sich die dem Bw zur Last gelegte Geschwindig­­keit von 63 km/h nachvollziehbar ergibt. Der Bw hat seine Lenkereigenschaft nie bestritten.

 

Die im Ortsgebiet erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h hat der Bw ohne jeden Zweifel um 13 km/h überschritten, wobei es sich bei der Bestimmung des § 20 Abs.2 StVO um ein Ungehorsamsdelikt handelt: Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwider­handeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungs­vorschrift kein Verschulden trifft.

Eine solche Glaubhaftmachung ist dem Bw nicht gelungen. Der 24. März 2013 war Palmsonntag; 15.06 Uhr ist keine Zeit, bei der von vornherein vom Nichtvorhandensein anderer Verkehrsteilnehmer auszugehen wäre. Von einer „angepassten“ Geschwindigkeit kann bei 63 km/h im Ortsgebiet keine Rede sein; km 0.250 liegt noch 300 m innerhalb des Ortsgebietes. Im Fall einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wäre eine andere Strafnorm mit wesent­lich höherem Strafrahmen anzuwenden gewesen.

Der Bw hat somit den ihm zur Last gelegten Tatbestand ohne jeden Zweifel erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten.

   

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO 1960 bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe reicht.

Der Bw ist unbescholten, was von der Erstinstanz zutreffend als Milderungsgrund gewertet wurde. Erschwerend war kein Umstand. Zugrundgelegt wurde die dem Bw im erstinstanzlichen Verfahren mitgeteilte Schätzung (1800 Euro netto monatlich, kein Vermögen, Sorgepflichten für die Gattin), der der Bw nicht widersprochen hat, sodass sie auch im Rechtsmittelverfahren zugrundzulegen war .    

Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die verhängte Strafe entspricht unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 19 VStG der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Eine Herabsetzung der Geldstrafe ebenso wie der im Verhältnis dazu angemessenen Ersatzfreiheitsstrafe war nicht gerechtfertigt

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger