Linz, 11.09.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22.07.2013, Zl.: VerkR21-464-2013/LL, wegen der Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG 1997, zu Recht:
Die Berufung wird statt gegeben; der angefochtene Bescheid wird ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§§ 66 Abs.4, 67a AVG, BGBl. Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013; §§ 24 Abs.4 iVm 8 FSG, BGBl. I Nr. 120/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 43/2013.
Entscheidungsgründe:
Gestützt wurde der Spruch auf § 24 Abs.4 Führerscheingesetz 1997.
1.1. Die Behörde erster Instanz führte dazu begründend Folgendes aus:
2. Dem tritt der Berufungswerber mit seiner fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung inhaltlich wie folgt entgegen:
3. Der Verfahrensakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 Z2 AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien geboten, weil der Berufungswerber auf die Einladung, nach kurzfristiger fernmündlicher Terminvereinbarung zu einer niederschriftlichen Erörterung der Sach- u. Rechtslage, nicht reagierte. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat sich ein persönliches Bild vom Betroffenen zu machen (§ 67d Abs.2 Z4 AVG).
3.1. Beweis erhoben wurde durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verfahrensakt und dessen Verlesung, sowie durch Anhörung des Berufungswerbers.
Bei der Berufungsverhandlung war auch die Behörde erster Instanz durch die Sachbearbeiterin vertreten.
4. Ausgangspunkt dieses Verfahrens ist die Beteiligung des Berufungswerbers an einem Verkehrsunfall, am 28.3.2013 um 06:24 Uhr, anlässlich dessen seine Beifahrerin tödliche Verletzungen erlitt. Der Berufungswerber wurde hierfür vom Bezirksgericht Freistadt, am 17.6.2013, GZ: 1U33/13x – 20, rechtskräftig nach § 80 StGB (fahrlässige Tötung) zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.
Laut Mitteilung des Gerichtes an die Behörde erster Instanz vom 26.6.2013 (ON 17) soll er sich bei der Strafverhandlung völlig uneinsichtig gezeigt haben, was laut Gericht „erhebliche Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit“ indizieren würde.
4.1. Feststellungen aus der Aktenlage:
Der Berufungswerber lenkte seinen Pkw am 26.3.2013 um 06:24 Uhr, auf der B310, im Gemeindegebiet von x. Aufgrund der damals herrschenden schwierigen Fahrbahnverhältnisse (Schneefahrbahn) ist er auf Grund eines Fahrfehlers in Schleudern geraten und in weiterer Folge mit einem entgegenkommenden Lkw kollidiert. Dabei sei seine x-jährige Beifahrerin ums Leben gekommen.
Gemäß seinen Angaben bei der Polizei ist er nach einer Fahrbahngruppe gefahren und habe plötzlich den entgegenkommenden Lkw bemerkt. Er habe seinem Pkw an den äußerst rechten Fahrbahnrand gelenkt und sei dabei auf den gefrorenen Schnee gelangt. Daraufhin habe er seinen PKW nach links gelenkt und ist dadurch in Schleudern gekommen. In der Folge ist der mit der rechten Fahrzeugseite gegen den entgegenkommenden Lkw gestoßen. Dieser habe ihn ein Stück zur Seite geschoben, wobei sein PKW dann noch ein Stück an den linken Fahrbahnrand gerollt und ist dort stehen geblieben ist. Er habe sofort der Sicherheitsgurt seine Beifahrerin lösen wollen, was ihm nicht gelungen sei. Daraufhin sei er ausgestiegen und zur Beifahrerseite gelaufen und habe die Tür öffnen wollen. Dies sei ebenfalls nicht möglich gewesen. Die Seitenscheibe ist kaputt gewesen und er habe gesehen, dass seine Beifahrerin im Gesicht blutete. Er habe ihr das Gesicht betastet und es sei ihm bewusst geworden, dass sie schwer verletzt wurde.
Der am Unfall beteiligte Lkw-Lenker schilderte die Situation dahingehend, dass er als Lenker eines LKW mit dem polnischen Kennzeichen, auf der B3 110 aus Richtung wohl Wullowitz kommend in Richtung Wels unterwegs war. Es haben schwierige Fahrbahnverhältnisse geherrscht, es war rutschig und es befand sich Schneematsch auf der Fahrbahn und ebenfalls habe es leicht geschneit. Ab der Staatsgrenze Wullowitz sei er bereits in einer Kolonne, die sich mit 50-60 km/h bewegte, unterwegs gewesen. Ab dem Tunnel Neumarkt habe sich die die Geschwindigkeit der Kolonne auf ca. 30-40 km/h reduziert gehabt. Vor ihm seien einige PKWs gefahren, welche kurz vor der Unfallstelle beschleunigten, wodurch sich der Abstand zwischen seinem Fahrzeug und dem vor ihm fahrenden PKW vergrößert hatte. Es wäre demnach eine größere Lücke entstanden. Dann habe er gesehen, dass sich auf dem (gemeint wohl in Gegenrichtung) folgenden Anstieg die Kolonne wieder verlangsamte. Er habe seine Fahrgeschwindigkeit jedoch beibehalten gehabt. Auf der Gegenfahrbahn habe sich ein Pkw etwa auf seiner Höhe befunden, und dahinter war eine größere Lücke. Als er dann den nach der Lücke fahrenden PKW gesehen habe, habe er das Gefühl gehabt, als ob der Lenker diesen PKW beschleunigen würde um den folgenden Anstieg besser zu bewältigen. Bereits im ansteigenden Teil der Straße sei der Pkw in die Mitte der Straße gelangt und habe anschließend zu Schleudern begonnen. Er habe geglaubt, dass sich dieses Fahrzeug ca. zweimal um die eigene Achse gedreht habe. Als er das Schleudern dieses Fahrzeuges gesehen habe sei sofort kräftig auf die Bremse gestiegen und habe den Lkw nach rechts gelenkt. Eine Vollbremsung habe er aufgrund der rutschigen Fahrbahnverhältnisse nicht durchführen können, weil sonst der Lkw außer Kontrolle geraten wäre. Weiter nach rechts habe er aber auch nicht ausweichen können, weil sonst sein Lkw in den rechten Straßengraben gestürzt wäre. Er habe seinen Lkw schon zum Stillstand gebracht gehabt, als der Pkw gegen sein Führerhaus geprallt sei. Nach dem Anprall ist der Pkw nicht zugleich zum Stillstand gekommen, sondern noch ca. 50 m in Richtung Linz weitergefahren und hat dann am rechten Straßenrand angehalten.
Er habe dann den Motor des Lkw abgestellt und sei zum Pkw gelaufen. Der Lenker des Pkw sei ausgestiegen, hatte ein Handy in der Hand und daran herumgedrückt. Er habe eine blutende Wunde auf seinem Kopf des Lenkers festgestellt, wobei dieser nervös gewirkt habe. Die Beifahrerin sei am Sitz gesessen und habe sich nicht mehr bewegt. Sie habe auf ihn den Eindruck vermittelt als würde sie schlafen. Er habe dann sofort eine nachfolgende Pkw-Lenkerin angehalten, die für ihn die Polizei und Rettung um verständigt habe. Ob sie letztlich mit dem Handy dann auch der Notruf abgesetzt habe, konnte der Lkw-Lenker im Rahmen seiner polizeilichen Aussage nicht sagen.
Die beim Berufungswerber durchgeführte Alkoholbestimmung (Blutalkoholwert) hat folglich ein negatives Ergebnis (0,0 Promille) erbracht.
Der Berufungswerber wurde vom Bezirksgericht Freistadt, nach der am 17 Juni 2013 durchgeführten Hauptverhandlung (Geschäftszahl: 1U 33/13x - 17), wegen § 80 StGB (fahrlässige Tötung) eine Freiheitsstrafe von 4 Monaten, welche auf 3 Jahre bedingt ausgesprochen wurde.
Der Urteilsspruch lautet sinngemäß, der Berufungswerber habe unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt und Aufmerksamkeit dadurch, dass er auf der mich schneematschbedeckten Fahrbahn ins Schleudern und dadurch auf die Gegenfahrbahn geriet und gegen den entgegenkommenden den polnischen Kraftwagenzug geprallt sei, fahrlässig den Tod seine Beifahrerin herbeigeführt.
In der Urteilsbegründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Berufungswerber seit dem Jahr 1981 ein freundschaftliches Verhältnis zur getöteten Beifahrerin gehabt habe. Diese sei geschwisterlich gewesen. Auch mit der Tochter und den Enkelkindern der verstorbenen Beifahrerin sei das Verhältnis wie auch schon früher ungetrübt.
Aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen, wurde seitens des Gerichtes in der Benachrichtigung von der Beendigung des Strafverfahrens an die Bezirkshauptmannschaft Linz Land, u. A. die Mitteilung gemacht, dass sich der Berufungswerber „was sein Fahrverhalten betrifft, in der Hauptverhandlung völlig uneinsichtig gezeigt habe, und erhebliche Zweifel bezüglich seiner Fahrtüchtigkeit gegeben wären“.
Diese Mitteilung bildete die inhaltliche Grundlage für die Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides.
4.2. Der Berufungswerber stellt im Rahmen der Berufungsverhandlung das Unfallgeschehen weitgehend übereinstimmend mit den Darstellungen des zweitbeteiligten Lkw-Lenkers dar.
Der Grund der Fahrt sei gewesen, dass er seine Lebensgefährtin, die einen vierwöchigen Kuraufenthalt anzutreten gehabt hätte, nach Großgerungs fahren wollen. Auf der Mühlkreisautobahn und in weiterer Folge auf der B310 bis knapp vor der Unfallstelle, haben noch salznasse Fahrbahnverhältnisse geherrscht. Etwa 250-300 m vor der späteren Unfallstelle habe er den späteren Unfallbeteiligten Lkw entgegenkommen gesehen. Aus diesem Grunde habe er im Zuge der Annäherung sein Fahrzeug nach rechts gezogen und sei dabei offenbar zu knapp an das Bankett gelangt und durch die versuchte Korrektur offenbar sei er ins Schleudern, wobei es letztlich zum Unfall gekommen ist.
Der Berufungswerber erklärt, dass er seit diesem Unfall mit seinem neuen Fahrzeug bereits wieder 5000 km zurückgelegt habe, wobei er dreimal einer Verkehrskontrolle unterzogen worden sei, wobei er stets unbeanstandet geblieben ist. Seit er Auto fahre habe er nie einen Regelverstoß begangen.
Der x-jährige Berufungswerber hinterließ im Rahmen der Berufungsverhandlung einen geistig fitten, sowie rüstigen Eindruck. Es kann an ihm jedenfalls ein über der Altersnorm liegender Abbau der Leistungsfähigkeit nicht vermutet werden. Keinesfalls konnte etwa der Eindruck gewonnen werden, dass er den Unfallfolgen gleichgültig gegenüberstehen würde. Vielmehr besteht nach seinen glaubwürdigen Angaben auch heute noch ein guter Kontakt mit den Angehörigen seiner Lebenspartnerin, welche er durch seine Fehlleistung verloren hat.
Nicht zuletzt kann in einer derartigen Situation ein solcher, hier folgenschwer verlaufener Fahrfehler, auch jedem sorgfältigen Autofahrer unterlaufen. Dies indiziert bei objektiver Betrachtung jedenfalls keinen Anhaltspunkt, der erhebliche Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines derart Betroffenen begründen könnte.
Diese Einschätzung wird letztlich auch von der Vertreterin der Behörde 1. Instanz im Zuge ihres Schlussvortrages getroffen. Die Behördenvertreterin weist abschließend auch darauf hin, dass hinsichtlich des Berufungswerbers keinerlei Vormerkungen aufscheinen.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Vorweg ist festzuhalten, dass es begründeter Bedenken in der Richtung bedarf, dass der Inhaber / die Inhaberin einer Lenkerberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Es müssen hiefür zwar nicht Umstände vorliegen, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, sehr wohl müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Überprüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl. hiezu VwGH vom 25.5.2005, GZ. 2004/11/0016 und andere). Hiefür spricht auch der klare Wortlaut des § 24 Abs.4 1. Satz FSG, dessen Inhalt besagt, dass zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind. Diese Formulierung setzt jedenfalls ein aktuelles Ereignis voraus, das begründete Bedenken hinsichtlich des Wegfalls der – im Zweifel jedenfalls vorliegenden – gesundheitlichen Voraussetzungen bei der Behörde hervorruft.
Die offenbar der Behörde erster Instanz in der Begründung des Strafurteils gestützten Bedenken über die gesundheitliche Eignung, sind jedoch weder sachlich noch rechtlich haltbar. Es ist vor dem Hintergrund des vom Berufungswerber gewonnenen Eindrucks, kaum zu glauben, wenn ihm vom Gericht sinngemäß eine fehlende Reue und „völlige Schulduneinsichtigkeit“ zugesonnen wurde. Diesen Eindruck vermochte der Berufungswerber im Rahmen des h. Verfahrens überzeugend und eindrucksvoll zu zerstreuen. Er begründet dies im Ergebnis mit der ihn vermutlich überfordert habenden und als harsch empfundenen Situation vor Gericht.
Es mutet aus h. Überzeugung auch befremdlich an, wenn das Strafgericht im Zusammenhang mit dessen Rechtsprechung im Rahmen einer Benachrichtigung von der Beendigung eines Strafverfahrens die Frage der Fahrtüchtigkeit in einer doch recht vorgefasst wirkenden Art in den Raum stellt.
Zuletzt ist betreffend „begründeter Bedenken an der gesundheitlichen Eignung“ einmal mehr auf die strenge Judikatur zu dem im § 24 Abs.4 FSG normierten Rechtseingriff zu verweisen (vgl. unter vielen VwGH 13.12.2005, 2005/11/0185), welcher sich hier als nicht haltbar darstellte.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
H i n w e i s:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r