Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730759/2/BP/JO

Linz, 03.09.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung der X, geb. X, StA von Moldawien, X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 23. Juli 2013, AZ: 1055105/FRB, mit dem ein Antrag der Berufungswerberin auf Aufhebung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wird, als das mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 28. Dezember 2006, AZ.: St 254/06, gegen die Berufungswerberin auf unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid der vormaligen Bundespolizeidirektion Linz vom 25. Oktober 2006, AZ: 1055105/FRB, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden Bw) ein auf sieben Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

 

1.2. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2006 gab die Sicherheitsdirektion , Zl. St 254/06, der durch den damaligen Rechtsvertreter der Bw rechtzeitig eingebrachten Berufung vom 10. November 2006 keine Folge und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde mit der Maßgabe, dass das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen wurde.

 

1.3. Am 1. Juni 2011 stellt die Bw einen weiteren Antrag auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes, welcher mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 25. August 2011, AZ: 1055105/FRB, mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässig zurückgewiesen wurde.

 

1.4. In der Folge brachte die Bw gegen den unter Punkt 1.3. angeführten Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz mit Schreiben vom 16. September 2011 Berufung ein. Mit Erkenntnis des UVS Oberösterreich vom 1. Juni 2012, VwSen-730509/6/Wg/WU, wurde dieser Berufung insoweit stattgegeben, als der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Sachentscheidung an die Erstbehörde zurückverwiesen wurde.

 

1.5. Die Landespolizeidirektion Oberösterreich wies mit Bescheid vom 19. November 2012, AZ: 1055105/FRB, den Antrag der Bw vom 26. Mai 2011 auf Aufhebung des mit Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 28. Dezember 2006, Zl. St 254/06, im Instanzenzug erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot ab.

 

1.6. Mit Schreiben vom 29. November 2012 brachte die Bw Berufung bei der Landespolizeidirektion Oberösterreich gegen den Bescheid vom 19. November 2012 ein. Der UVS des Landes Oberösterreich wies mit Erkenntnis vom 16. April 2013, VwSen-730694/9/Wg/GRU, die Berufung als unbegründet ab.

 

1.7. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Linz vom 23. Juli 2013, AZ: 1055105/FRB, wurde der Antrag der Bw vom 28. Juni 2013 auf Aufhebung des mit Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für vom 28. Dezember 2006, Zl. St 254/06, im Instanzenzug gegen die Bw erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot abgewiesen.

 

Begründend führt die Behörde wie folgt aus:

 

Mit Schriftsatz vom 28.06.2013 stellten Sie einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes und führten darin aus wie folgt:

 

Betrifft: Antrag auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbots wegen Schlepperei Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vorn 28.12.2006 zur Zahl St 254106— erstinstanzlicher Bescheid der vormaligen BPD Linz ZI. 1055105/FRB)

Frau X hat bereits am 26.05.2011 einen Antrag auf Aufhebung des gegen sie erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbot gestellt, Der damalige Antrag wurde zunächst mangels gesetzlicher Grundlage als unzulässig zurückgewiesen. Die Bundespolizeidirektion Linz legte dem Unabhängigen Verwaltungssenat den Akt zur Entscheidung vor, der der Berufung insoweit stattgab, als die Angelegenheit zur Sachentscheidung an die Erstbehörde zurückverwiesen wurde (VwSen-730509/6/Wg/WU). Dagegen erhob die für das Bundesland Oberösterreich Amtsbeschwerde, mit der Begründung für die Personengruppe der Antragstellerin bestünde nur die Möglichkeit einer Verkürzung der Befristung nach 60 FPG aber kein Antragsrecht auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Beschwerde mit Urteil vom 28.08.2012 zur Zahl 2012/21/0159-3 ab und sprach aus, dass § 69 Abs 2 FPG die Rechtsgrundlage für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nach dem geltenden Fremdenrecht darstelle. Gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich zur Aktenzahl 1055105/FRB vom 19.11.2012 wurde wiederrum Berufung erhoben und darin ein neues Tatsachenvorbringen erstattet.

In der darauffolgenden mündlichen Verhandlung gab die Berufungswerberin zu Protokoll, dass sie Opfer von Menschenhandel in Moldawien wurde und nach Österreich geschleppt wurde.

 

(...)

 

Seit dem ersten Antrag auf Aufhebung der Antragstellerin vom 26.05.2011 hat sich wesentliches geändert: Die Antragstellerin erwartet am 30.September 2013 ihr zweites Kind. Am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und zwar dem 20.03.2013 kam der Bruder der Antragstellerin in Moldawien bei einem Unfall unter nicht geklärten Umständen ums Leben. Die Sterbeurkunde wird diesem Antrag beigelegt.

Bei einer Zurückschiebung nach Moldawien würde der Antragstellerin weitere Verfolgung durch organisierte Menschenhändler drohen, da es eine allgemein bekannte Tatsache ist, dass Opfer von Menschenhandel bei Nichtanerkennung als solcher und Zurückschiebung erneut organisierter Kriminalität ausgesetzt sind.

Vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wurde zur Frage der Aufhebung des Aufenthaltsverbotes ein Ermittlungsverfahren durchgeführt und am 20. März 2013 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. In der Folge wurde mit Erkenntnis vom 16.04.2012 zur Aktenzahl VwSen-73069419/Wg/GRU die Berufung der Antragstellerin abgewiesen.

Es wird darin ausgeführt, dass seit Inkraftreten des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gemäß § 63 Abs 3 FPG nur mehr in den Fällen § 53 Abs. 3 Z 5-8 FPG vorgesehen ist. Diese Bestimmung stellt auf besonders schwerwiegende Verbrechen ab. Im Falle der Beschwerdeführerin ist kein solcher Tatbestand erfüllt, weshalb als Konsequenz der Verurteilung wegen Schlepperei zu einer 15 monatigen Freiheitsstrafe lediglich ein bis zu 10 jähriges Aufenthaltsverbot gegen die Beschwerdeführerin hätte erlassen werden würden. Dem ist in der Form nachzukommen, dass die Behörde nach Ablauf von 10 Jahren das Aufenthaltsverbot von Amts wegen oder auf Antrag aufzuheben hat. Änderungen im Privat- und Familienleben seien nicht ersichtlich, weshalb eine Aufhebung erst nach Ablauf von 10 Jahren gerechnet ab 28.12.2006 in Betracht komme. Betont wird von Seiten der Antragstellerin, dass sie als Mittäterin wegen gewerbsmäßiger Schlepperei gemeinsam mit Herrn X verurteilt wurde, dessen Verfahren erst. im März mit einem Schuldspruch endete Die Antragstellerin wurde offenbar auch aufgrund der angenommenen Tatbeteiligung und Verurteilung nicht außer Landes gebracht. Wie der Rechtsbeistand der Antragstellern X in der öffentlichen mündlichen Verhandlung ausführte, wurde die Antragstellerin Opfer von Menschenhandel, als solche hätte ihr während des langen Strafverfahrens gegen die Mittäter eine Aufenthaltsbewilligung als Opfer bzw. Zeuge erteilt werden können.

 

Gestützt auf die neu entstandenen Tatsachen und Rechtsgrundlagen wird der Antrag gestellt, das gegen die Antragstellerin erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot wegen Schlepperei aufzuheben. Graz am 22.06.2013

 

In Untermauerung Ihres Vorbringens fügten Sie in Kopie folgende Unterlagen Ihrem Schreiben bei:

-     Bestätigung über einen Deutschkurs B2

-     Anstellungszusage als Raumpflegerin vom 21.6.2013

-     Antwortschreiben auf eine Bewerbung als Reinigungskraft

-     2 Empfehlungsschreiben (vom 21.6.2013 und 26.6.2013

-     Mutter Kind Pass

-     Sterbeurkunde X mit Übersetzung

 

(...)

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 65 Abs. 1 FPG (ist auf Grund des zuvor Gesagten weiter auf § 69 Abs.2 FPG i.d.g.F. anzuwenden ) kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

Bei der Beurteilung nach § 65 Abs.1 FPG 2005 ( jetzt § 69 Abs.2 FPG 2005 ) ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grund des § 66 FPG 2005 (jetzt § 61 FPG i.d.g.F.) zulässig ist. Hier ist festzuhalten , dass der Regierungsvorlage zum FRAG 2011 zur neuen Bestimmung des § 61 FPG zu entnehmen ist, dass diese neue Bestimmung wortwörtlich dem § 66 FPG entnommen wurde und als allgemeine Norm für alle im 8. Hauptstück normierten aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen Fremde , die sich schon länger in Österreich aufhalten, gilt.

 

Angesichts Ihres massiven strafrechtlichen Fehlverhaltens ist zutreffend, dass von Ihnen auch jetzt noch eine maßgebliche Gefährdung ausgeht.

 

(...)

 

Das Aufenthaltsverbot war seinerzeit im Wesentlichen gegen Sie erlassen worden, weil Sie am 17.8.2006 vorerst vom Landesgericht Linz (ZI. 28 Hv 115/06f) wegen § 114 Abs.2 und Abs.4 1. Fall FremdenpolG ( gewerbsmäßige Schlepperei ) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt wurden.

 

In weiterer Folge wurde durch das Oberlandesgericht Linz am 13.11.2006 die vorerst teilbedingt verhängte Freiheitsstrafe in eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten umgewandelt.

 

Hier stellte das Berufungsgericht fest, dass auf Grund der im Steigen begriffenen Kriminalitätsform der Schlepperei es gilt, dass die Rechtspflege auf die Umtriebe von Schlepperorganisationen mit der gebotenen Härte zu reagieren hat und die zur Verfügung stehenden Sanktionsmittel auch zwecks wirksamer Eindämmung derartiger Straftaten auch tatsächlich einsetzt.

Es dürfe im konkreten Fall nicht außer Acht gelassen werden, dass die illegalen Ein- und Durchreisen umfassend in großem Stil durchorganisiert waren und erhebliche Geldbeträge pro Person von den Reisewilligen kassiert wurden.

Weiters stellte das Berufungsgericht dezidiert fest, dass von einer untergeordneten Beteiligung Ihrer Person keine Rede sein könne.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hier auf die Begründungen der vorgenannten Urteile, bzw. auf die den Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalte und die o. a. Aufenthaltsverbotsbescheide der vormaligen BPD Linz, der vormaligen SID , des UVS Oberösterreich und des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen - welche Ihnen ja bekannt sind.

 

Hier ist festzuhalten, dass das gegenständliche Aufenthaltsverbot in Ihrem Fall nach dem vorgenannten Erkenntnis des VwGH vom 28.08.2012, ZI.2012/21/0159-3 als ein Aufenthaltsverbot gem. § 60 FPG (alt, i.d.F. vor FRAG 2011) weiterhin als solches gültig bleibt.

Weiters führte der VwGH aus, dass, wenn nun alte Aufenthaltsverbote unabhängig von der seinerzeitigen Rechtsposition des betroffenen Fremden weitergelten, diese dem Wortlaut nach zwanglos unter § 69 Abs.2 FPG i.d.g.F. fallen.

In § 125 Abs.16 FPG 2005 ist von einer Überleitung in das neue Recht nicht die Rede, alte Aufenthaltsverbote gelten nach dieser Vorschrift augenscheinlich als solche weiter.

 

Darüber hinaus hat die Behörde bei dieser Entscheidung auch das ihr in diesen Bestimmungen eingeräumte Ermessen zu üben.

 

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass Ihr oben näher geschildertes persönliches kriminelles Verhalten sogar eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens.

Ein geordnetes Fremdenwesen (eine geordnete Zuwanderung) ist für den österreichischen Staat (und die übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union) von eminentem Interesse. Dies umso mehr in einer Zeit, in der, wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunimmt.

Durch das Schlepperunwesen wird daher die öffentliche Ordnung und vor allem Sicherheit erheblich gefährdet.

Diese Form der organisierten Kriminalität hat auch bereits Formen angenommen, die ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich machen.

Zu dem kommt noch, dass der Republik Österreich hohe Kosten für die Schubbehandlung der geschleppten Personen entstehen.

 

Im konkreten Fall ist festzustellen, dass auch jetzt die nachteiligen Folgen einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes um vieles schwerer zu wiegen scheinen, als die Auswirkungen desselben auf Ihre Lebenssituation.

Auch jetzt stellt Ihr persönliches kriminelles Verhalten noch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung des Schlepperunwesens und es bedarf auch keiner näheren Erörterung, dass neben strafrechtlichen Sanktionen auch jegliche andere gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um derartigen Verbrechen entgegenzuwirken.

 

Auf Grund der für Sie auch jetzt zu erstellenden negativen Zukunftsprognose, ist nach Ansicht der Behörde die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten, weil das maßgebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung von massiven strafbaren Handlungen ( Verbrechen ) in diesem Fall unverhältnismäßig schwerer wiegt, als Ihre privaten und familiären Interessen.

 

Im Hinblick auf den Schutz der Gesellschaft ist eine derartige Maßnahme dringend erforderlich.

 

Unter Berücksichtigung des Umstandes , dass das Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen wurde, ist der seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes verstrichene Zeitraum noch zu kurz, um eine günstige Zukunftsprognose zu erstellen und kann in Anbetracht der Schwere ihres Verbrechens nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, tatsächlich wieder weggefallen sein werden.

 

Es wird noch eines längeren Zeitraumes des Wohlverhaltens bedürfen, um eine für Sie günstige Zukunftsprognose erstellen zu können.

 

Hier ist darauf hinzuweisen, dass Ihre, dem Aufenthaltsverbot zugrunde liegende gerichtliche Verurteilung noch nicht getilgt ist.

 

Entscheidungsrelevant ist vor allem auch, dass Ihre damalige gesamte private und familiäre Situation bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes von der Behörde berücksichtigt wurde.

 

Zwischenzeitig haben sich die privaten und familiären Umstände lediglich dahingehend geändert, dass Sie schwanger sind und Ihr Bruder verstorben ist.

 

Nach h.a. Ansicht konnte damit Ihre familiäre Position, welche bereits bei Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestand, durch den Umstand, dass Sie nun neuerlich Mutter eines Kindes werden, nicht entscheidungsrelevant verstärkt werden, zumal das Kind während des Bestehens des Aufenthaltsverbotes zur Welt kommen wird.

 

Hier ist von entscheidender Relevanz vor allem der Umstand, dass gegen Sie und ihre zweite Tochter X seit Februar 2011 rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisungen gem. § 10 AsylG in ihrer beider Heimatland besteht.

 

Das heißt, dass Sie beide schon allein auf Grund dieser asylrechtlichen Ausweisungen Österreich verlassen müssen

 

Dass der Tod des Bruders mit der persönlichen Vorgeschichte der Berufungswerberin zu tun hat, wird nicht einmal von dieser selbst behauptet, sondern lediglich sehr allgemein und rein spekulativ von „ungeklärten Umständen" geschrieben.

 

Auf Grund der bereits bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes durch die Behörde durchgeführten gebotenen ordnungsgemäßen Interessensabwägung, kam diese zum Ergebnis , dass die mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Beeinträchtigungen im Hinblick auf die von Ihnen ausgehende große Gefährlichkeit von Ihnen hingenommen werden müssen.

 

(...)

 

Auch ist der verstrichene Zeitraum seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes viel zu kurz, um eine Änderung in den maßgeblichen Umständen (nur durch Zeitablauf) annehmen zu können.

 

Angesichts Ihrer gravierenden Straffälligkeit und Ihrer sich daraus ergebenden besonderen Gefährlichkeit, die das öffentliche Interesse am gegenständlichen Aufenthaltsverbot rechtfertigt, haben Sie, der ständigen Judikatur des VwGH folgend, allfällige Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in Ihrem Heimatstaat in Kauf zu nehmen, (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 17.07.2008, GZ: 2007/21/0084) Im Ergebnis bedeutet dies, dass keine Änderung der maßgeblichen Umstände im Sinne des § 69 Abs. 2 FPG vorliegt, weshalb Ihr Antrag auf Aufhebung des gegen Sie bestehenden Aufenthaltsverbotes als unbegründet abzuweisen war.

 

Abschließend ist festzuhalten, dass nach ständiger Spruchpraxis des VwGH im konkreten Fall der o.a. Bescheid der SID O.Ö. an die Stelle des o.a. erstinstanzlichen Aufenthaltsverbotes der BPD Linz getreten ist, somit der Bescheid der SID O.Ö. den Bescheid der BPD Linz in seinen Rechtswirkungen voll überlagert.

 

1.8. Gegen diesen Bescheid erhob die Bw mit Schreiben vom 7. August 2013 rechtzeitig Berufung, in welcher ua. wie folgt ausgeführt wird:

 

In der mündlichen Verhandlung gab die Berufungswerberin zu Protokoll, dass sie Opfer von Menschenhandel in Moldawien wurde und nach Östereich geschleppt wurde.

 

(...)

 

Seit dem ersten Antrag auf Aufhebung der Antragstellerin vom 26.05.2011 hat sich wesentliches geändert: Die Antragstellerin erwartet am 30.September 2013 ihr zweites Kind. Am Tag der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich und zwar dem 20.03.2013 kam der Bruder der Antragstellerin in Moldawien bei einem Unfall unter nicht geklärten Umständen ums Leben. Die Sterbeurkunde wurde dem Antrag auf Aufhebung beigelegt.

 

Die Berufungswerberin beantragt daher

-      dieser Berufung stattzugeben sowie den Bescheid der Landespolizeidirektion Linz vom 23.07.2013 dahingehend abzuändern, dass das gegen die Berufungswerberin erlassene Aufenthaltsverbot vom 28.12.2006 der vormaligen Sicherheitsdirektion Oberösterreich zur Zahl St 254/06 aufgehoben wird.

 

 

2.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 9. August 2013 zur Entscheidungsfindung vor.

 

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, zumal der entscheidungswesentliche Sachverhalt völlig unbestritten und geklärt ist und auch die Akten erkennen lassen, dass eine allfällige weiterführende Erörterung für den Sachverhalt ergebnisneutral wäre. Im Übrigen wurde auch kein darauf gerichteter Parteienantrag gestellt.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1.1. bis 1.8. dieses Erkenntnisses dargestellten relevanten Sachverhalt aus.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1. Gemäß § 125 Abs. 16 des FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011 bleiben vor Inkrafttreten des FRÄG 2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 FPG 2005 bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.

 

Gemäß § 69 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idgF. BGBl. I Nr. 68/2013 sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

 

3.1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dem inhaltlich mit dem aktuellen § 69 Abs. 2 FPG vergleichbaren § 65 Abs. 1 FPG in der vorhergehenden Fassung kann ein Antrag auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgeblichen Umstände zugunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist.

 

Bei dieser Beurteilung ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin zu treffen ist, sodass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung dieser Maßnahme im Grunde des nunmehrigen § 61 FPG (Schutz des Privat- und Familienlebens) zulässig ist.

 

Da bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann, ist für den Zeitpunkt der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides nur zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes wegen einer Änderung der Umstände zu Gunsten des Fremden weggefallen sind (vergl. VwGH vom 24.2.2009, 2008/22/0587 und vom 10.11.2009, 2008/22/0848).

 

3.2.1. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass gegen die Bw aufgrund massiver Straffälligkeit mit Berufungsbescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 28. Dezember 2006, Zu St 254/06, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen wurde.

 

Fraglich ist, ob das damals festgestellte Gefährdungspotential bei der Bw nunmehr nicht mehr erkannt werden kann.

 

Der UVS des Landes Oberösterreich hat sich darüber hinaus mit der Frage auseinanderzusetzen, ob im konkreten Fall ein relevanter Eingriff im Sinne des § 61 FPG vorliegt und – gegebenenfalls – ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist. Bejahendenfalls ist ferner zu erörtern, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben. Diese Interessen sind daran anschließend gegeneinander abzuwiegen.

 

3.2.2. Bei der Beurteilung des Falls ist also zunächst auf die Gründe einzugehen, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben.

 

Das in Rede stehende Aufenthaltsverbot war seinerzeit im Wesentlichen gegen die Bw erlassen worden, weil sie am 17.8.2006 vorerst vom Landesgericht Linz (zu: 28 Hv 115/06f) wegen § 114 Abs.2 und Abs.4 1. Fall FremdenpolG (gewerbsmäßige Schlepperei) zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden war.

 

In weiterer Folge wurde durch das Oberlandesgericht Linz am 13.11.2006 die vorerst teilbedingt verhängte Freiheitsstrafe in eine unbedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten umgewandelt.

 

Hier stellte das Berufungsgericht fest, dass auf Grund der im Steigen begriffenen Kriminalitätsform der Schlepperei es gelte, dass die Rechtspflege auf die Umtriebe von Schlepperorganisationen mit der gebotenen Härte zu reagieren habe und die zur Verfügung stehenden Sanktionsmittel auch zwecks wirksamer Eindämmung derartiger Straftaten auch tatsächlich einsetze. Es dürfe im konkreten Fall nicht außer Acht gelassen werden, dass die illegalen Ein- und Durchreisen umfassend in großem Stil durchorganisiert waren und erhebliche Geldbeträge pro Person von den Reisewilligen kassiert wurden.

 

Weiters stellte das Berufungsgericht dezidiert fest, dass von einer untergeordneten Beteiligung der Bw keine Rede sein könne.

 

3.2.3. Es ist dadurch also dokumentiert, dass der Bw ein hohes Maß an krimineller Energie zugemessen worden war. Auch ist zu bejahen, dass gewerbsmäßiger Schlepperei ein gravierender Unwert zuzubilligen ist.

 

Weiters ist aber auch festzuhalten, dass nach der Fremdenrechtsnovelle 2011 die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes gegen die Bw nicht mehr möglich gewesen wäre, sondern aktuell als Höchstrahmen 10 Jahre zur Verfügung stehen würden.

 

Zu konstatieren ist darüber hinaus, dass die Bw ein rund 7-jähriges nachträgliches Wohlverhalten vorweisen kann, dies im österreichischen Bundesgebiet. Sie wurde nach Aktenlage seither nicht mehr straffällig, was einen Gesinnungswandel zu indizieren geeignet ist.

 

Gegen die Annahme einer ungebrochenen Gefährlichkeit der Bw spricht zudem das Verhalten der staatlichen Behörden. Obwohl seit Jahren Ausweisungsentscheidungen gegen die Bw wie auch gegen ihre minderjährige Tochter vorliegen, wurden diese Entscheidungen nie effektuiert. Dadurch dokumentieren die staatlichen Einrichtungen aber selbst, dass sie die rechtlich zulässige und mögliche Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes für nicht erforderlich genug erachten, weshalb unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips eine gegenteilige Prognose nicht angezeigt erscheint. Diese Feststellung gründet auch darauf, dass nicht etwa mangelnde Dokumente oder ungeklärte Identitäten Ursache für die nicht vorgenommene Abschiebung sein können.

 

3.2.4. Zusammengefasst ist also anzumerken, dass der Wegfall der Gründe die zur Erlassung des in Rede stehenden Aufenthaltsverbotes geführt hatten, gemäß § 69 Abs. 2 FPG festgestellt werden muss.

 

3.2.5. Es erübrigt sich sohin ein Eingehen auf die Aspekte der Aufrechterhaltung der Maßnahme hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Bw.

 

3.3.1. Es war daher der Berufung insoweit stattzugeben, als das mit Bescheid der vormaligen Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 28. Dezember 2006, zu St 254/06, auf unbefristete Dauer erlassene Aufenthaltsverbot aufgehoben wird.

 

3.3.2. Nachdem die Bw der deutschen Sprache ausreichend mächtig ist, konnte gemäß § 67 Abs. 5 iVm. § 59 Abs. 1 FPG die Übersetzung des Spruchs und der Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides unterbleiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

Bernhard Pree

 

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