Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730746/5/SR/WU

Linz, 23.09.2013

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geboren am X, Staatsangehöriger des Kosovo, vertreten durch Rechtsanwältin X gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. Juni 2013, GZ: 1075896/FRB, betreffend die Erlassung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgeben, als die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 2 Jahre herabgesetzt wird; im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1a, 63 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. Juni 2013, GZ 1075896/FRB, der Rechtsvertreterin des Berufungswerbers (im Folgenden: Bw) zugestellt am 6. Juni 2013, wurde gegen den Bw auf der Grundlage des § 63 Abs. 1 und Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (im Folgenden: FPG), in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 5 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gem. § 55 FPG mit 1 Monat ab Durchsetzbarkeit dieses Bescheides festgelegt.

 

Zum Sachverhalt führte die belangte Behörde zunächst aus, dass der Bw über einen seit 9. März 2011 unbefristeten Aufenthaltstitel (Daueraufenthalt – EG) verfüge.

 

Am 15. Februar 2013 (rechtskräftig seit dem 1. März 2013) sei der Bw vom LG Linz, 37 Hv 192/12 d, wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und Abs. 2, 130 3. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt auf 3 Jahre, verurteilt worden.

 

Aus der Urteilsausfertigung gehe hervor, dass der Bw im Zeitraum 5. Jänner 2012 bis 15. November 2012 in A in mehreren Angriffen Verfügungsberechtigten der Firma „X“ bzw. deren Kunden, weiteren Kunden der Firma X und der Firma X gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen in einem € 50.000,- übersteigenden Wert, nämlich nachfolgende Gegenstände im Gesamtwert von mindestens € 93.552,01, mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Beutewert der einzelnen Angriffe großteils € 3.000,- überstiegen haben, und der Bw die großteils schweren Diebstähle (§ 128) in der Absicht begangen habe, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar:

1.     am 5. Jänner 2012 eine Armbanduhr im Wert von € 1.310,-;

2.     im Zeitraum Februar bis Mai 2012 zumindest 4 Armbanduhren im Gesamtwert von zumindest € 5.603,74;

3.     am 10. September 2012 eine Armbanduhr im Wert von € 5.300,-;

4.     am 8. November 2012 zumindest 18 Armbanduhren im Gesamtwert von € 42.328,09;

5.     am 15. November 2012 17 Armbanduhren im Gesamtwert von zumindest € 36.005,87, 22 Uhrbänder im Gesamtwert von € 2.597,50 sowie 3 Armbänder im Gesamtwert von € 406,81;

6.     im Zeitraum 5. Jänner 2012 bis November 2012 einen GPS Tracker im Wert von € 92,85, 4 Rollen Angelschnur im Wert von € 100,-, einen Pocket Projektor im Wert von ca. € 200,-, 53 Stück Druckerpatronen im Wert von ca. € 700,-, 2 Stück Toner im Wert von ca. € 200,-, ein Nageldesignzubehör im Wert von ca. € 100,- sowie 3 Packungen Bleistifte im Wert von ca. € 50,-.

 

Nach Darstellung der Rechtslage gab die belangte Behörde die Stellungnahme des rechtsfreundlich vertretenen Bw wieder und nahm in der Folge die rechtliche Beurteilung vor:

 

Zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes erstattet Ihre Rechtsvertreterin mit Schriftsatz vom 02.05.2013 folgende Stellungnahme:

 

„Richtig ist, dass der Einschreiter zu 37 Hv 192/12 d am 15.02.2013 vom LG Linz wegen §§ 127 ff StGB zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt wurde. Einen Teil dieser Freiheitsstrafe im Umfang von 16 Monaten sah das Landesgericht Linz unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Dieses Urteil ist rechtskräftigt. Zwischenzeitig hat das Landesgericht Linz den Einschreiter zu 24 BE 91/13b per 21.05.2013 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt aus der Freiheitsstrafe entlassen.

 

Richtig ist weiters, dass der Einschreiter kosovarischer und serbischer Doppelstaatsbürger und somit Fremder im Sinne von § 2 FPG ist.

 

Der Einschreiter ist bestens in Österreich integriert, und lebt auch seine Kernfamilie in Österreich. Dabei handelt es sich einerseits um seine Gattin und seine Tochter. Andererseits aber auch um seine Eltern, die bereits österreichische Staatsbürger sind und zwei seiner Brüder. Im Kosovo ist lediglich ein Bruder des Einschreiters verblieben. Weitere enge Verwandte hat der Einschreiter im Kosovo nicht.

 

Durch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung würde der Einschreiter in seinem Recht auf ein Privat- und Familienleben nach Artikel 8 EMRK verletzt werden.

 

Der Einschreiter ist während seines Aufenthaltes in Österreich beinahe durchgehend einer vollsozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Durch diese Arbeit konnte sich der Einschreiter gute Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen. Von diesen Sprachkenntnissen konnte sich die erkennende Behörde bereits selbst überzeugen, da die Einvernahme des Einschreiters in der JA ohne Beiziehung eines Dolmetschers durchgeführt werden konnte.

 

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass der Einschreiter umgehend nach seiner Entlassung wieder eine vollsozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen kann.

 

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Einschreiter bis zur gegenständlichen Verurteilung gerichtlich unbescholten war und auch bislang in Österreich keine Verwaltungsstrafen gegen den Einschreiter verhängt wurden. Wie auch die Familienmitglieder des Einschreiters in Österreich noch nicht delinquierten.

 

Zudem muss es dem Einschreiter auch im gegenständlichen Verfahren zu Gute kommen, dass er im gegen ihn behangenen Strafverfahren, 37 Hv 192/12d des LG Linz, massiv zur Wahrheitsfindung und Schadenswiedergutmachung beigetragen hat. So hat es der Einschreiter veranlasst, dass er zuvor in den Kosovo verbrachte Uhren wieder nach Österreich zurückbringen und an die Geschädigten ausfolgen ließ. Auf diese Weise konnte ein wesentlicher Teil des Schadens der strafbaren Handlung wieder gutgemacht werden.

 

Der Einschreiter hält sich, wie bereits ausgeführt, seit mehreren Jahren in Österreich auf und steht die gegenständliche Verurteilung im krassen Widerspruch zum bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Einschreiters. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens wird die erkennende Behörde zum Schluss kommen müssen, dass es sich bei der Tat, welche zur gegenständlichen Verurteilung des Einschreiters führte, um eine einmalige Fehlleistung des Einschreiters handelte, welche sich in Zukunft nicht mehr wiederholen wird.

 

Der bisherige Lebenswandel, unter Ausschluss der gegenständlichen Anlasstat, zeigt, dass der Einschreiter in der Lage ist, sich an die in Österreich geltenden Gesetze zu halten. Durch den weiteren Aufenthalt des Einschreiters im Bundesgebiet wird weder die öffentliche Ordnung noch die Sicherheit gefährdet

 

Bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens des Einschreiters zeigt sich, dass sein Aufenthalt keine Gefahr begründet, die den Grundinteressen der Gesellschaft widersprechen würde. Nach Rechtsprechung des VwGHs ist hinsichtlich der nach dem FPG anzustellenden Zukunftsprognose immer auf das in Betracht zu ziehende Verhalten eines Fremden abzustellen. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden allein abzustellen, sondern auch die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftat und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild. Auf Grundlage dieses Gesichtspunktes muss eine Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten des Einschreiters in Österreich getroffen werden.

 

Wie bereits ausgeführt, lebt der Einschreiter bereits seit mehreren Jahren in Österreich. Der Einschreiter ist in dieser Zeit beinahe durchgehend einer vollsozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Der Einschreiter kann auch nach seiner Entlassung weiterhin einer Beschäftigung nachgehen. Dies alles zeigt, dass beim Aufstellen einer Zukunftsprognose diese Prognose zu Gunsten des Einschreiters ausgeht, und daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung verbunden mit einem Einreiseverbot nach Österreich nicht indiziert ist."

 

Die Landespolizeidirektion hat erwogen:

 

Der Berichterstattung der LPD vom 13.12.2012 ist zu entnehmen, dass Sie im Rahmen von umfangreichen Ermittlungen als jener Täter ausgeforscht werden konnten, welcher seit Jänner 2012 in zumindest 17 Angriffen 100 Uhren im Gesamtwert von ca. € 120.500,- zum Nachteil seines Arbeitgebers bzw. diverser Kunden gestohlen hatte.

Sie waren in der Firma seit 6 Jahren als Rangierwagenfahrer im Freigelände beschäftigt und kannten sämtliche Transportabläufe sowie die Sicherheitsvorkehrungen. Ihnen waren die Positionen der Überwachungskameras bekannt, und Sie wussten über firmeninternen Funk, in welchen Containern hochwertige Waren gelagert waren.

Nach Dienstschluss öffneten Sie in den Morgenstunden die auf dem Freigelände abgesteiften Container, nachdem Sie diese zuvor in einen nicht einsehbaren Bereich transportiert hatten. Um die Tathandlungen zu verschleiern, verklebten Sie die abgebrochenen Plomben mit einem extra angekauften speziellen 2 Komponenten Klebesystem. Die Diebstähle wurde deshalb erst durch Kundenreklamationen im Ausland bekannt.

Im Rahmen der am 11.12.2012 bei Ihnen durchgeführten Hausdurchsuchung konnten in Ihrer Wohnung unter dem Bett versteckt noch 23 Uhren im Wert von € 62.000,- vorgefunden und sichergestellt werden. Weitere Waren konnten im Kellerabteil sichergestellt werden, zudem wurde in der Wohnung € 1.400,- Bargeld vom Uhrenverkauf sichergestellt.

 

Auch wenn vom Gericht die beinahe vollständige objektive Schadensgutmachung als mildernd gewertet wurde, ist dennoch Ihr kriminelles oben beschriebenes Vorgehen mit einer enormen Schadenssumme als besonders verwerflich zu sehen und konnte Ihren Beutezügen nur durch umfangreiche Ermittlungen Einhalt geboten werden.

 

Aufgrund der Art und Häufigkeit der von Ihnen begangenen Eigentumsdelikte kann zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass sich aus Ihrem Verhalten eine erhebliche Gefahr für den Schutz fremden Eigentums manifestiert, die dadurch noch erheblich verstärkt wird, dass Sie die Ihnen zur Last gelegten Straftaten teilweise gewerbsmäßig begangen haben.

Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet als eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit erscheint und dass neben strafrechtlichen Sanktionen auch jegliche andere gesetzliche Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um derartigen Straftaten entgegenzuwirken.

 

Die von Ihnen ins Treffen geführten integrationsbegründenden Umstände gewichten sicherlich schwer.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die über einen längeren Zeitraum begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt ist.

Auch verkennt die Behörde nicht, dass durch Ihre geschilderte familiäre Situation die Erlassung des Aufenthaltsverbotes einen erheblichen Eingriff in Ihr Privat- und Familienleben bedeutet.

 

Insgesamt betrachtet scheint allerdings aufgrund der o.a. Umstände die Annahme gerechtfertigt, dass auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens - im Hinblick auf die für Ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu stellende negative Zukunftsprognose - die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf Ihre Lebenssituation.

 

Das gegenständliche Aufenthaltsverbot ist daher auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK -unter besonderer Berücksichtigung des § 61 Abs. 2 und 3 FPG 2005 - erforderlich, um das hohe Schutzinteresse des Staates an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter zu wahren.

 

2. Gegen den vorliegenden Bescheid hat der Bw innerhalb offener Frist rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung erhoben. Begründend führte die Rechtsvertreterin aus:

 

1.Wesentliche Verfahrensfehler

Die Erstbehörde hat das Parteiengehör des Einschreiters verletzt. Das im § 45 Abs 3 AVG verankerte Recht der Parteien auf Parteiengehör gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des rechtstaatlichen Verwaltungsverfahrens (VfSIg 2038/1950). Gegenstand des Parteiengehörs ist der von der Behörde festzustellende Sachverhalt, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens.

 

Das Parteiengehör ist auch bei wesentlichen Sachverhaltsänderungen und im Rechtsmittelverfahren einzuräumen. Das Parteiengehör umfasst nicht nur das Recht, vom Ergebnis einer Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Steifung zu nehmen, sondern es muss den Parteien ausdrücklich Gelegenheit geboten werden, im Ermittlungsverfahren ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen, Vorbringen zu gegnerischen Behauptungen zu erstatten, Beweisanträge zu stellen, ergänzende Tatsachenbehauptungen aufzustellen sowie auch eine Äußerung zu den rechtlichen Konsequenzen der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens für die Lösung des Rechtsfalles abzugeben (Hengstschläger, Verwaltungsverfahrensrecht4 , VwGH, 11.03.1980, 1547/79). Die Behörde ist zur Gewährung des Parteiengehörs von Amts wegen verpflichtet.

 

Die Erstbehörde hat dem Einschreiter Parteiengehör „zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot" gewährt. Tatsächlich hat die Erstbehörde gegen den Einschreiter jedoch keine Rückkehrentscheidung, sondern ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot für Österreich erlassen.

 

Die Erstbehörde hat dem Einschreiter zu keiner Zeit Parteiengehör zu einem für einen bestimmten Zeitraum befristeten Aufenthaltsverbot gewährt. Es liegt somit eine Verletzung von Verfahrensrechten vor, die auch wesentlich ist, da diesfalls der Einschreiterin ein weiteres Vorbringen erstattet hätte, welches zur Einstellung des gegenständlichen Verfahrens hätte führen müssen. Insbesondere hat der Einschreiter deshalb kein rechtliches Vorbringen erstattet, da aufgrund § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung mit Einreiseverbot nur gegen Fremde zu erlassen ist, wenn sich diese nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Einschreiter hält sich eindeutig rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Für den Einschreiter und seine ausgewiesene Vertreterin war daher klar, dass die von der erkennenden Erstbehörde ursprünglich beabsichtigte fremdenpolizeiliche Maßnahme rechtlich verfehlt war, weshalb es auch keinen Grund gab, ein weiteres Vorbringen hinsichtlich eines Aufenthaltsverbot zu erstatten.

 

2. Unrichtige rechtliche Beurteilung

a) Grundsätzlich hat die Erstbehörde richtig ausgeführt, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich aufgrund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG hat als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingten nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen aus der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt worden ist. Trotz der gegen den Einschreiter ausgesprochenen Verurteilung zu 37 Hv 192/12d des LG Linz kann dies die Verhängung eines fünfjährigen Aufenthaltsverbots gegen den Einschreiter nicht rechtfertigen.

 

Aus § 63 FPG geht eindeutig hervor, dass im Falle einer Verurteilung zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten ein Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden verhängt werden kann. In ständiger Rechtsprechung spricht der VwGH aus, dass bei der im Verfahren betreffend Aufenthaltsverbot gebotenen Prognosebeurteilung, sowohl im Grunde des § 63 FPG es nicht auf die strafgerichtliche Verurteilung als solche ankommt. Es ist vielmehr eine aktuelle Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit des Fremden vorzunehmen und die Frage zu beantworten, ob sich daraus weiterhin eine maßgebliche Gefährdung ableiten lässt (vgl. VwGH 25.04.2013, 2012/18/0072).

 

b) Mit dem Vorbringen betreffend die familiäre und berufliche Situation bzw. sonstige integrationsrelevanten Umstände des Einschreiters hat sich die Erstbehörde überhaupt nicht auseinandergesetzt. Die von ihr abgestellte „Zukunftsprognose" stellt ausschließlich auf die einmalige strafgerichtliche Verurteilung („aufgrund ihres bisherigen Verhaltens") ab. Auf die Integration des Einschreiters in Österreich ist die Erstbehörde -trotz seines ausführlichen Vorbringens hiezu - inhaltlich überhaupt nicht eingegangen.

 

Würde man die dem gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahren zu Grunde liegende Verurteilung bei der Zukunftsprognose ausblenden, gäbe es am Verhalten des Einschreiters nicht den geringsten Tadel auszusetzen. Wie bereits im erstbehördlichen Verfahren vorgebracht, ist der Einschreiter während seines Aufenthalts in Österreich beinahe durchgehend einer vollsozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Er war bis zuletzt unbescholten und wurden gegen den Einschreiterin in Österreich nicht einmal Verwaltungsstrafen verhängt. Auch die Familienmitglieder des Einschreiters (Ehegattin, Eltern, Geschwister) sind in Österreich strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Auch aus diesen Gründen zeigt sich, dass der Einschreiter auch durch das verspürte Haftübel pro futuro davon abgehalten wird, wieder eine strafbare Handlung zu begehen.

 

Ebenso aufgrund unrechtlicher Beurteilung ließ die Erstbehörde das Verhalten des Einschreiters im gegen ihn geführten Strafverfahren unberücksichtigt. Der Einschreiter war in diesem Strafverfahren nicht nur geständig, sondern hat massiv zur Wahrheitsfindung und zu einer wesentlichen Schadenswiedergutmachung beigetragen. So hat der Einschreiter seine Geschwister beauftragt, von ihm zuvor ins Ausland verbrachtes Diebesgut nach Österreich zurückzuholen und an die rechtmäßigen Eigentümer auszufolgen. Ohne die Mitwirkung des Einschreiters wären diese Fahrnisse von der Strafermittlungsbehörde nicht ausfindig zu machen gewesen und hätte nicht an die Geschädigten der Straftat ausgefolgt werden können. Dieses Verhalten zeigt, dass der Einschreiter das von ihm verwirklichte Unrecht der Tat eingesehen hat und er in Zukunft keine weiteren Straftaten mehr begehen wird.

 

Hätte die Erstbehörde diese - bereits im Erstverfahren vorgebrachten - Umstände berücksichtigt, hätte sie ausführen müssen, dass die abzustellende Zukunftsprognose über das Verhalten des Einschreiters es nicht erwarten lässt, dass der Einschreiter in Zukunft wieder straffällig wird und er somit keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich darstellt.

 

c) Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSIg 17.340, 18.223, 18.224) ausführt, darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, wenn dadurch das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK des Auszuweisenden verletzt werden würde. Diese Rechtsansicht entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. Urteil des EGMR vom 09.10.2003, Fall Slivenko). Hiezu hat der EGMR fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung -auch bei Vorliegen einer strafrechtlichen Verurteilung - entgegensteht. Er hat etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, sowie dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in der intensiven Bildung zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausübung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, als maßgebliche Umstände die einer Ausweisung entgegenstehen festgelegt. Relevant ist natürlich auch die Bindung zum Heimatstaat. Diese vom EGMR aufgestellten Kriterien wurden vom VfGH übernommen (vgl. VfGH vom 29.09.2007, B 1150/07).

     wie der Einschreiter bereits bei seiner Einvernahme in der JA am 10.04.2013 angegeben hat, hält er sich seit 2006 in Österreich auf. Er befindet sich deswegen bereits durchgehend seit sieben Jahren in Österreich.

     Ebenso vorgebracht, hat der Einschreiter, das er in Österreich ein tatsächliches Familienleben führt, da seine Frau, seine Tochter und auch Geschwister hier in Österreich leben. Unzweifelhaft ist daher, dass das Familienleben des Einschreiters in Österreich intensiv ist. In gegenständlicher Angelegenheit kann dem Einschreiter auch nicht zur Last gelegt werden, dass die Familiengründung in Österreich zu einem Zeitpunkt erfolgte, als er sich in einem schwebenden Aufenthaltsstatus befunden hat.

     Ebenso ist der Grad der Integration in Österreich sehr hoch, da der Einschreiter, wie aus dem im Erstverfahren vorgelegten Versicherungsdatenauszug ersichtlich ist, seit seinem Aufenthalt in Österreich bis zur Festnahme beinahe durchgehend einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen und er deshalb sich und seine Familie erhalten kann.

     Ebenso zeigt die von der Erstbehörde am 11.04.2013 durchgeführte Einvernahme des Einschreiters, dass dieser während seines Aufenthalts sich ausgezeichnete Kenntnisse der deutschen Sprache aneignen konnte, da die Erstbehörde die Anhörung sonst nicht ohne Dolmetscher hätte durchführen können.

     Zur Bindung zu seinem Herkunftsland ist auszuführen, dass zu seinem ursprünglichen Heimatstaat Serbien überhaupt kein Naheverhältnis besteht. Zur Republik Kosovo besteht nur insofern ein Kontakt, als noch ein Bruder des Einschreiters im Kosovo wohnhaft ist. Andere nähere Verwandte im Kosovo hat der Einschreiter nicht.

 

Allein diese Kriterien zeigen, dass der Einschreiter somit beinahe alle vom EGMR und VfGH aufgestellten Kriterien einer verfestigten Integration erfüllt hat, sodass in gegenständlicher Angelegenheit eine Ausweisung des Einschreiters ein massiver und nicht zulässiger Eingriff in sein Recht auf sein Privat- und Familienleben darstellen würde, dies völlig unabhängig von der zugunsten des Einschreiters ausgehenden Zukunftsprognose.

 

Abschließend werden die Anträge gestellt, die Berufungsbehörde möge der Berufung Folge geben und den bekämpften Bescheid dahingehend abändern, dass das gegen den Bw geführte fremdenpolizeiliche Verfahren eingestellt werde; in eventu den bekämpften Bescheid aufheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückweisen; in eventu die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbots vermindern.

 

3. Mit Schreiben vom 20. Juni 2013 legte die belangte Behörde die Berufung dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vor.

 

Mit Schreiben vom 24. Juni 2013 reichte die belangte Behörde die Originalberufung nach.

 

Am 5. Juli 2013 gab die Rechtsvertreterin des Bw per Telefax bekannt, dass der Bw seit 25. Juni 2013 bei der X für unbestimmte Zeit beschäftigt sei und legte gleichzeitig den Dienstvertrag vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, den Berufungsschriftsatz und die vom Bw vorgelegten Dokumente.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, nachdem sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt zweifelsfrei aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt (§ 67d AVG). Darüber haben weder der rechtsfreundlich vertretene Bw noch die belangte Behörde einen Verhandlungsantrag gestellt.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter den Punkten 1. bis 3. dieses Erkenntnisses dargestellten Sachverhalt aus.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des
§ 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

 

4.2. Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass der Bw über einen Aufenthaltstitel verfügt und sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Daher sind grundsätzlich die oben genannten Bestimmungen zur Prüfung des Aufenthaltsverbotes heranzuziehen.

 

4.2.1. Vorab ist zu prüfen, ob der Bw aufenthaltsverfestigt ist und nicht mehr ausgewiesen werden darf.

 

Gemäß § 64 Abs. 4 FPG dürfen Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen waren und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“ oder „Daueraufenthalt – Familienangehöriger“ verfügen, nur mehr ausgewiesen werden, wenn ihr weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

 

Nach § 64 Abs. 5 FPG hat als schwere Gefahr im Sinn des Abs. 4 insbesondere zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem inländischen Gericht

  1. wegen eines Verbrechens oder wegen Schlepperei, entgeltlicher Beihilfe zum unbefugten Aufenthalt, Eingehens oder Vermittlung von Aufenthaltsehen oder Aufenthaltspartnerschaften, wegen einer Aufenthaltsadoption oder der Vermittlung einer Aufenthaltsadoption, wegen eines mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens nach dem SMG oder nach einem Tatbestand des 16. oder 20. Abschnittes des besonderen Teils des StGB oder
  2. wegen einer Vorsatztat, die auf derselben schädlichen Neigung (§ 71 StGB) beruht, wie eine andere von ihnen begangene strafbare Handlung, deren Verurteilung noch nicht getilgt ist, zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist. § 73 StGB gilt.

 

4.2.2. Unstrittig wurde der Bw wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten rechtskräftig verurteilt. Im Sinne des § 64 Abs. 5 FPG indizieren die verbrecherischen Tathandlungen eine schwere Gefahr. Für sich allein betrachtet räumt diese der belangten Behörde noch nicht das Recht ein, ein Aufenthaltsverbot zu erlassen. Ein solches ist nur zulässig, wenn der weitere Aufenthalt des Bw eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

 

Maßgeblich ist somit nicht nur, dass eine strafgerichtliche Verurteilung entsprechend § 64 Abs. 5 FPG ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung der gegenwärtige (und zukünftige) Aufenthalt des Bw die öffentliche Ordnung und Sicherheit hinreichend schwer gefährdet.

 

In der Berufungsschrift bringt der Bw vor, dass bei der Zukunftsprognose lediglich auf die strafgerichtliche Verurteilung abgestellt und auf die Integration des Bw in Österreich überhaupt nicht eingegangen worden sei.

 

Seit 2006 lebt der Bw in Österreich, 2008 fand die Eheschließung in Kosovo statt und seine Ehegattin ist in der Folge nach Österreich übersiedelt. 2009 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Der Bw hat fast durchgehend in Österreich gearbeitet, wobei er seit 2007 bis zu seiner Festnahme bei der Firma X in X beschäftigt war. Wie der Urkundenvorlage vom 3. Juli 2013 zu entnehmen ist, wird der Bw seit dem 25. Juni 2013 von der Firma X beschäftig.

 

Isoliert betrachtet, also unter Außerachtlassung der rechtskräftigen Verurteilung des Bw und der Besonderheiten bei der Tatbegehung, läge die von der Rechtsvertreterin aufgezeigte „beste Integration“ des Bw vor.

 

Wie von der Rechtsvertreterin zu Recht dargestellt, ist nicht ausschließlich maßgeblich, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern es ist das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte ihrer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen.

 

Das familiäre und private Umfeld des Bw war während des Tatzeitraumes vergleichbar mit der aktuellen Situation. Trotz der äußerst positiven Lebensumstände nutzte der Bw sein firmeninternes Sonderwissen aus und verübte über einen langen Zeitraum (Jänner bis November 2012) zahlreiche Diebstähle, die vom erkennenden Gericht als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls gewürdigt wurden. Während des genannten Zeitraums beging der Bw 17 Diebstähle (Gegenstände im Gesamtwert von mindestens 93.552,01 Euro) zum Nachteil seines Arbeitgebers bzw. diverser Kunden. Bedeutsam ist dabei, dass der Bw vor Beginn der Diebstahlsserie bereits jahrelang in der Firma tätig war. Wie die belangte Behörde ausgeführt hat, kannte er sämtliche Transportabläufe, die Sicherheitsvorkehrungen, die Positionen der Überwachungskameras, wusste über den firmeninternen Funk Bescheid und in welchen Containern hochwertige Waren gelagert waren.

 

Die kriminelle Energie des Bw tritt eindrucksvoll in seinem Verhalten zu Tage. Über den langen Tatzeitraum hat der Bw in den Morgenstunden die verplombten Container, die er zuvor in einen nicht einsehbaren Bereich transportiert hatte, gewaltsam geöffnet und, um die Tathandlungen zu verschleiern, die Plomben mit einem extra angekauften speziellen 2 Komponenten Klebesystem soweit wiederhergestellt, dass die Diebstähle erst durch Kundenreklamationen im Ausland bekannt wurden.

 

Der Bw vermeint, dass er durch das verspürte Haftübel von zukünftigen strafbaren Handlungen abgehalten werde und aus seinem Verhalten im Strafverfahren (Geständnis, Schadenswiedergutmachung, Rückholung des Diebesgutes aus dem Ausland) abgeleitet werden könne, dass er das Unrecht der Tat eingesehen habe.

 

Das Haftübel mag zum Sinneswandel des Bw beigetragen haben. Der Beobachtungszeitraum (Urteil vom 15. Februar 2013, Entlassung aus der Haft am 21. Mai 2013) ist jedoch noch zu kurz, um dem Bw uneingeschränkt folgen zu können. Dies ist vor allem im Zusammenhang mit den Taten des Bw zu sehen. Aus einer gesicherten Position heraus und ohne erkennbarer Notwendigkeit hat der Bw sich ihm bietende Gelegenheiten genutzt und gewerbsmäßig schwere Diebstähle unter Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses begangen. Den Diebstählen konnte nur durch umfangreiche Ermittlungen Einhalt geboten werden.

 

Das kooperative Verhalten des Bw im Strafverfahren diente in erster Linie dazu, eine möglichst geringe Freiheitsstrafe zu erhalten. Das erkennende Gericht hat das reumütige Geständnis und die beinahe vollständige Schadenswiedergutmachung dementsprechend zu Gunsten des Bw gewertet. Übersehen darf aber in diesem Zusammenhang nicht, dass der lange Tatzeitraum, die Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses und die doppelte Qualifikation als erschwerend gewertet wurden.

 

Aufgrund der Art und Häufigkeit der vom Bw über einen langen Zeitraum begangenen Eigentumsdelikte ist zweifelsfrei davon auszugehen, dass sich aus seinem Verhalten eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für den Schutz fremden Eigentums manifestiert, die dadurch noch erheblich verstärkt wird, dass er die ihm zur Last gelegten Straftaten teilweise gewerbsmäßig begangen hat. Besondere Bedeutung kommt auch dem Umstand zu, dass das strafrechtlich relevante Verhalten des Bw erst Mitte November 2012 beendet worden ist.

 

Eine Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 FPG liegt nicht vor. Es gelangt daher   § 63 Abs. 1 FPG vollinhaltlich zur Anwendung.

 

4.3. Nach § 63 Abs. 1 FPG kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Da bereits unter Punkt 4.2.2. im Zuge der Prüfung einer allfälligen Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 Abs. 4 FPG hervorgekommen ist, dass der weitere Aufenthalt des Bw eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, die Zukunftsprognose zum Nachteil des Bw ausgegangen ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung im Sinne des § 63 FPG und ist auf die Ausführungen unter Punkt 4.2.2. zu verweisen.

 

In diesem Sinn ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw fraglos gerechtfertigt. Allerdings ist bei der Beurteilung des Falls auch auf § 61 FPG bzw. Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen.

 

4.4.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.4.2. Gemäß § 61 Abs. 1 FPG ist, sofern durch eine Rückkehrentscheidung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 2 FPG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtmäßig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 FPG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung oder einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

4.5. Im Sinne der zitierten Normen ist eine Interessensabwägung – basierend auf einer einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung – vorzunehmen.

 

Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit eines Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben des Bw unrechtmäßig wäre.

 

Der Bw hält sich seit 2006 durchgehend rechtmäßig in Österreich auf und verfügt derzeit über den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EG“.

 

Es steht völlig außer Zweifel, dass der Bw durch seinen Aufenthalt in Österreich seit dem Jahr 2006, seiner familiären Bande, der langjährigen Berufsausübung und der Kenntnisse der deutschen Sprache ein besonderes Maß an Integration erworben hat und ein Aufenthaltsverbot in das Recht des Bw auf Privat- und Familienleben eingreift.

 

Einen wesentlichen Punkt bei der vorzunehmenden Rechtsgüterabwägung stellt auch die Schutzwürdigkeit des Privatlebens dar. Wie sich beispielsweise aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Dezember 2009, 2009/21/0348, ergibt, kann unter gewissen Umständen das Privatleben eines Fremden alleine eine positive Gesamtbeurteilung nach sich ziehen.

 

Im diesem Sinne geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ab einer Aufenthaltsdauer von etwa zehn Jahren, fast durchgehender erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit sowie weiterer Integrationsschritte das persönliche Interesse eines Fremden am Verbleib im Bundesgebiet ein derart großes Gewicht erlangt, dass eine aufenthaltsbeendende Maßnahme – auch bei einem Eingriff nur in das Privatleben – unverhältnismäßig erscheint (vgl. etwa VwGH 20.1.2011, 2010/22/0158).

 

Der Bw hält sich seit ca. sieben Jahren rechtmäßig in Österreich auf. In diesem Zeitraum war er überwiegend beruflich tätig. Bedingt durch die gewerbsmäßigen schweren Diebstähle, die der Bw gegenüber seinem Arbeitgeber und Kunden begangen hat, wirken sich die Beschäftigungszeiten nur bedingt zugunsten des Bw aus. Bedeutsam ist dabei, dass der Bw bereits mehrere Jahre bei dem Arbeitgeber beschäftigt war, gegen den sich seine kriminellen Aktivitäten gerichtet haben. Besonders nachteilig ist zu werten, dass der Bw sein Sonderwissen eingesetzt hat, dadurch die Taten lange verschleiern konnte und seine Täterschaft erst nach langwierigen Ermittlungen hervorgekommen ist.

 

Über einen langen Zeitraum hat der Bw zu erkennen gegeben, dass fremdes Eigentum für ihn keine Bedeutung hat und er nicht gewillt ist, die im Gastland geltende Rechtsordnung zu akzeptieren.

 

Hinsichtlich der Zumutbarkeit der Maßnahme in Verbindung mit einer Rückkehr in sein Heimatland ist festzuhalten, dass der X geborene und 2006 nach Österreich gelangte Bw einen Großteil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, seine gesamte Schulbildung dort absolviert und seinen Beruf dort erlernt hat. Der Bw ist in seinem Herkunftsstaat sozialisiert und mit der dortigen Kultur, den Gebräuchen usw. vertraut. Seine Familie besitzt in Kosovo ein Haus, in dem derzeit ein Bruder des Bw wohnt. Die Gattin des Bw stammt ebenfalls aus Kosovo, das gemeinsame vierjährige Kind ist noch im Vorschulalter und daher im Herkunftsstaat leicht integrierbar.

 

4.6. Aufgrund der getroffenen Feststellungen gilt es nunmehr in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung das Interesse des Bw am Verbleib im Inland mit dem öffentlichen Interesse am Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit abzuwägen.

 

Beim Bw handelt es sich um eine Person, die unter Ausnutzung eines Vertrauensverhältnisses von Jänner bis November 2012 gewerbsmäßig das Verbrechen des schweren Diebstahles begangen hat.

 

Wie bereits oben ausgeführt, steht auf Grund dieser Tatsache für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich außer Zweifel, dass der Verbleib des Bw im Inland auch in Hinkunft die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot aufgrund der Integration des Bw in Österreich einen deutlichen Einschnitt in sein Leben und das seiner Familie bedeutet, scheint seine Rückkehr in sein Heimatland bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Die Familie des Bw besitzt in Kosovo ein Haus, der Bw ist nicht arbeitsscheu, hat einen Beruf erlernt und ist daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich sein Fortkommen zu sichern. Im Hinblick auf die Herkunft der Ehegattin und das Alter des gemeinsamen Kindes ist auch eine gemeinsame Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht undenkbar und auch zumutbar.

 

Bei einer Gesamtabwägung ist also der belangten Behörde zu folgen, dass den öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie an der Verhinderung strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK im konkreten Einzelfall eindeutig der Vorrang vor den privaten Interessen des Bw gegeben werden muss.

 

Der Bw kann sich somit nicht durchschlagend auf den Schutz seines Privat- und Familienlebens berufen.

 

4.7. Hinsichtlich der Dauer des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes finden sich im angefochtenen Bescheid keinerlei Ausführungen. Es ist dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher nicht möglich, die Beweggründe der belangten Behörde nachzuvollziehen, wenn sie zur Auffassung gelangt ist, dass gegen den Bw ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen ist.

 

Der Gesetzgeber gibt diesbezüglich in § 63 Abs. 3 FPG eine Untergrenze von 18 Monaten vor. Da der Bw im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG verurteilt wurde, besteht eine gesetzliche Obergrenze für die Befristung des Aufenthaltsverbotes von zehn Jahren. Für Personen, welche zu einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe rechtskräftig verurteilt wurden, sieht der Gesetzgeber die Möglichkeit vor, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu erlassen.

 

Für Freiheitsstrafen bis einschließlich fünf Jahren ist daher der oben dargestellte Rahmen von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Der Bw wurde zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt verurteilt. In Anbetracht dieser Verurteilung, der erstellten Zukunftsprognose, des langen Aufenthalts des Bw in Österreich, der familiären Situation und seinen Sprachkenntnissen geht der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich davon aus, dass mit einem auf zwei Jahre befristeten Aufenthaltsverbot das Auslangen gefunden werden kann.

 

4.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

5. Von einer Übersetzung gemäß § 59 Abs. 1 FPG konnte aufgrund der sehr guten Deutschkenntnisse des Bw abgesehen werden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils durch einen Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 14.30 Euro (Eingabegebühr) angefallen.

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 14. November 2013, Zl.: 2013/21/0194-4