Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-730758/4/SR/WU

Linz, 30.09.2013

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des X, geb. X, StA des Kosovo, vertreten durch X, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Juli 2013, AZ.: 1036523/FP/13, betreffend die Verhängung eines auf 7 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes gegen den Berufungswerber nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

 Entscheidungsgründe

 

1. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 19. Juli 2013, AZ.: 1036523/FP/13, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) auf Basis der §§ 63 Abs. 1 und 3 iVm. 53 Abs. 3 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, in der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden Fassung, ein auf 7 Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. 

 

Begründend führt die belangte Behörde Folgendes aus:

Die Behörde geht von folgendem Sachverhalt aus:

Sie wurden am 31.05.2012 um 19.35 Uhr von Beamten des LKA OÖ. festgenommen und am 01.06.2012 in die Justizanstalt X eingeliefert.

Mit Urteil des LG Wels, GZ: 15 HV 74/12v vom 23.01.2013 wurden Sie wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt, verurteilt.

 

Sie wurden schuldig gesprochen, mit Mitangeklagten im bewussten und gewollten Zusammenwirken (§ 12 StGB) teils als unmittelbarer, teils als Beitragstäter nachgenannten Personen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich einer Gaspistole der Marke Gap, Kaliber 9mm Pak, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in den nachangeführten Beträgen mit dem Vorsatz weggenommen bzw. abgenötigt zu haben, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar am 31.05.2012 in X X als Angestellte der X, Filiale X und X, der gerade Einzahlungen in der eben erwähnten Bankfiliale tätigen wollte, dadurch, dass Sie maskiert die Bankfiliale betraten, Sie sich in einen Nebenraum begaben und dort die Bankangestellte X aufforderten, sich auf den Boden zu legen, Ihre Mittäter im Schalterraum X und dem Kunden X eine Softgun und die oben erwähnte Gaspistole vorhielten und mit den Worten: „Geld her!" zur Überlassung von Geld aufforderten, ein Mittäter in weiterer Folge dem Bankkunden X die Gaspistole an den Kopf hielt, X Bargeld in der Höhe von EUR 1.450,00 und X Bargeld in der Höhe von EUR 1.500,00.

Sie haben hiedurch die Verbrechen des schweren Raubes begangen.

Sie wurden 23.01.2013 aus der Haft entlassen.

 

Folgende Entscheidungsgründe führten zu der Verurteilung:

Sie sind ledig und waren bis zum angeführten Urteil unbescholten. Mangels Beschäftigung verfügten Sie über keinerlei Einkommen, hatten keine Schulden und Sorgepflichten.

In den Vormittagsstunden des 31.05.2012 lieh sich der Erstangeklagte X den Pkw eines Freundes und holte in weiterer Folge Sie und den Drittangeklagten X sowie den Viertangeklagten X ab, wobei der Drittangeklagte eine Softgun und der Viertangeklagte eine dem Erstangeklagten gehörende Gaspistole, die er bereits beim Überfall auf eine Trafik in X am 25.05.2012 verwendet hatte, bei sich führten.

In Ausführung Ihres Tatplanes begaben Sie sich zur Xfiliale nach X in X, wo der Viertangeklagte den Pkw etwa 50 Meter vor der Bank anhielt und Sie mit den anderen Angeklagten ausstiegen. Nachdem Sie sich maskiert hatten, stürmten Sie und der Dritt- und der Viertangeklagte gegen 14.19 Uhr in die Filiale der X, wobei Sie sich sofort in einen Nebenraum begaben und dort die Bedienstete X aufforderten, sich auf den Boden zu legen. Die beiden anderen Angeklagten eilten mit gezogener Softgun bzw. Gaspistole in den Schalterraum und forderten von der dort anwesenden Bankangestellten X und dem Kunden X mit den Worten: „Geld her" die Überlassung von Bargeld, wobei der Viertangeklagte diesem Ansinnen durch Ansetzen der Gaspistole am Kopf des X Nachdruck verlieh.

Die Bankangestellte übergab daraufhin dem Viertangeklagten Bargeld in Höhe von EUR 2.950,00, wobei sich ein Teilbetrag im Eigentum des Bankkunden X befand.

Anschließend verließen Sie und der Dritt- und Viertangeklagte die Bank, liefen zu dem vom Erstangeklagten gelenkten Pkw und flüchteten. Am Spielplatz in X wechselten Sie die Kleidung und trennten sich. Im Zuge einer Alarmfahndung wurde der Erstangeklagte den Pkw lenkend angehalten. Sie und der Drittangeklagte konnten noch am selben Abend, der Viertangeklagte am nächsten Tag festgenommen werden.

Beim Raubgeschehen hielten Sie es ernstlich für möglich, dass Sie die Bankangestellten X und X und den Bankkunden X durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich Aufforderung, sich auf den Boden zu legen und Richten einer Gaspistole bzw. einer Softgun auf diese, somit unter Verwendung einer Waffe Bargeld abnötigten, fanden sich mit diesem Umstand zumindest billigend ab. Ebenso war Ihnen die Unrechtmäßigkeit Ihrer angestrebten Bereicherung klar, handelten jedoch trotzdem.

 

Am 11.06.2013 wurde Ihnen eine Aufforderung zur Stellungnahme betreffend der beabsichtigten Erlassung eines auf die Dauer von 7 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes übermittelt.

Sie hatten die Möglichkeit, innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung dieses Schreibens, zu der beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes schriftlich bei der Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Stellung zu nehmen und damit Ihre Rechte und rechtlichen Interessen zu wahren. Sollten Sie von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen, werde das Verfahren ohne Ihre weitere Anhörung beendet werden.

 

Darüber hinaus wurden Sie aufgefordert, innerhalb o.g. Frist schriftlich an die Bundespolizeidirektion Wels, Fremdenpolizei, Angaben über Ihre familiären, sozialen und beruflichen Bindungen in Österreich zu machen. Andernfalls kann auf Ihre Angaben im gegenständlichen fremdenpolizeilichen Verfahren nicht eingegangen werden.

 

Am 25.06.2013 langte eine Stellungnahme Ihres Bevollmächtigten Dr. X bei der Behörde ein. Sie geben zusammengefasst an, dass Sie Ihr damaliges Fehlverhalten zutiefst bedauern, sich zwischenzeitlich geändert zu haben, zumal die von Ihnen begangene Tat für Sie selbst als Schock erlebt wurde. Sie wiesen darauf hin, bei der Tatbegehung noch jugendlich gewesen zu sein, und aufgrund der bedingten Verhängung von 16 Monaten am Verhandlungstag entlassen worden zu sein.

Weiters geben Sie an, seit mehr als zehn Jahren in Österreich zu wohnen, hier die Pflichtschule besucht zu haben, weiters zwei Jahre HTL und ein Jahr Handelsschule, die Sie nicht abschließen konnten, da Sie verhaftet wurden.

Sie wohnen mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester in X in einer gemeinsamen Wohnung. Der Vater befindet sich im Kosovo und es laufen Bemühungen, dass er im Rahmen der Familienzusammenführung wieder nach Österreich kommt. Darüber hinaus wohnen weitere Verwandte in X.

Eine Ausweisung aus Österreich würde eine sehr schwere Belastung ihres Privat- und Familienlebens darstellen-einerseits durch die Trennung von Mutter und Schwester­andererseits beherrschen Sie die Sprache ihres Geburtslandes nicht Eine Ausweisung würde Sie völlig entwurzeln.

Beruflich besuchen Sie einen Kurs des BFI und beziehen Arbeitslosengeld.

Sie wurden als X am X in K, Deutschland, geboren und kamen am 05.12.2001 illegal mit Ihrer Mutter in das Bundesgebiet. Sie stellten am 05.12.2001 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid vom 18.06.2010 gemäß §§ 7 und 8 AsylG negativ entschieden wurde.

Am 09.07.2010 stellten Sie - mittlerweile X heißend - bei der BH Vöcklabruck einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt gemäß § 43 Abs. 2 NAG.

Wie aus einem Bericht der BH Vöcklabruck vom 19.07.2010 an die Sicherheitsdirektion Linz hervorgeht, wurden Sie mit Ihrer Mutter und Schwester am 21.08.2001 von Deutschland nach Pristhina abgeschoben und reiste Ihre Mutter mit Ihnen und der Schwester bereits am 05.12.2001 illegal nach Österreich ein, um einen Asylantrag zu stellen.

Aufgrund einer begründeten Stellungnahme der SID vom 30.07.2010 wurden fremdenpolizeiliche Maßnahmen vorübergehend als unzulässig erklärt, das ein Asylverfahren Ihres Vaters X noch nicht entschieden war.

Mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 28.09.2010 wurde Ihr Antrag vom 09.07.2010 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für unbeschränkt abgewiesen. Einer Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom BMI am 08.09.2011 stattgegeben.

Mit Bescheid der BH Vöcklabruck vom 20.09.2011 wurde die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig festgestellt und wurde Ihnen nun erstmals eine Rot-Weiss-Rot-Karte Plus, gültig vom 04.10.2011 bis 03.10.2012 ausgestellt. Derzeit sind Sie im Besitz einer Rot-Weiss-Rot-Karte Plus, gültig bis 03.10.2013.

Von der LPD OÖ. PK Wels, wurde rechtskräftig mit 20.07.2012 ein Waffenverbot über Sie verhängt.

 

Die Behörde hat erwogen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Gründe für ein Aufenthaltsverbot vorliegen, grundsätzlich maßgeblich ist, ob eine Gefährlichkeitsprognose weiterhin in dem Sinne zutrifft, dass die Erfassung des Aufenthaltsverbotes erforderlich erscheint, um eine von Ihnen ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden. Dabei ist auch festzustellen, ob dies unter dem Aspekt des Schutzes des Privat- und Familienlebens zulässig ist. Nach Meinung der Behörde war davon auszugehen, dass Ihr der schwerwiegenden Verurteilung zu Grund liegendes persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das Grundinteresse der Gesellschaft berührt, Kriminalität hintan zu halten. Es besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Kriminalität und die Tatbegehung stellt eine ganz erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar. Besonders die Tatbegehung erscheint für die Allgemeinheit gefährlich und lässt eine persönliche Haltung erkennen, die den Grundregeln des Zusammenlebens in einer Gesellschaft fundamental zuwiderläuft. Ihr Gesamtverhalten bedeutete eine grobe Missachtung der Rechtsordnung und einen ausgeprägten Mangel an Verbundenheit mit rechtlich geschützten Werten.

Im vorliegenden Fall ist zunächst unbestritten, dass Sie über einen Aufenthaltstitel verfügen und sich derzeit rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Es ist eingangs festzuhalten, dass es gestützt auf die ständige Rechtssprechung der Gerichtshöfe öffentliches Rechts grundsätzlich zulässig und erforderlich ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten durch Fremde dauerhaft im Bundesgebiet zu unterbinden, da ein solcher rechtswidriger Status fraglos dazu geeignet ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit des Staates massiv zu beeinträchtigen. Daraus folgt, dass das diesbezügliche öffentliche Interesse hoch anzusetzen ist und ein Aufenthaltsverbot grundsätzlich ein nicht inadäquates Mittel darstellt, um einen rechtskonformen Zustand wiederherzustellen und zu erhalten. Dies gilt jedoch nur insofern, als die privaten bzw. familiären Interessen im jeweils konkreten Einzelfall nicht als höherrangig anzusehen sind. Eine diesbezügliche Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Kriterien des § 61 FPG führt dennoch nicht zum Ergebnis, dass der Eingriff in Ihr Recht auf Privat- und Familienleben unrechtmäßig wäre.

Wenn auch nicht verkannt wird, dass ein Aufenthaltsverbot aufgrund der durchaus vorhandenen Integration in Österreich einen massiven Einschnitt in Ihr Leben bedeutet, scheint Ihre Rückkehr in Ihr Heimatland (bzw. die Ausreise in ein anderes Land) bei einer Gesamtbetrachtung nicht unzumutbar. Sie haben in Österreich eine schulische Ausbildung genossen und sind daher unzweifelhaft in der Lage, auch abseits von Österreich Ihr Fortkommen zu sichern. Zudem lebt Ihr Vater im Herkunftsstaat. Den Kontakt zu den in Österreich lebenden nahestehenden Personen können Sie für die Dauer des Aufenthaltsverbotes durch die Inanspruchnahme von modernen Kommunikationsmitteln aufrechterhalten. Es ist darüber hinaus diesen Personen nicht verwehrt, das Land mit Ihnen zu verlassen oder Sie zumindest regelmäßig im Ausland zu besuchen.

Nach Abwägung der angeführten Umstände ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt, dass unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK Ihr Aufenthaltsverbot zulässig ist. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes wiegen unverhältnismäßig schwerer als die Auswirkungen auf Ihre Lebenssituation. Überdies besteht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Wahrung eines geordneten Fremdenwesens ein eminent hohes öffentliches Interesse.

 

2.1. Gegen diesen, zuhanden des Rechtsvertreters am 23. Juli 2013 zugestellten, Bescheid erhob der Bw vertreten durch seinen Rechtsanwalt mit Telefax vom 1. August 2013 rechtzeitig Berufung.

Seiner Berufung legte der Bw eine Anmeldebestätigung der Wirtschaftskammer Oberösterreich vom 23. Juli 2013 für einen Lehrabschlussprüfungstermin und eine Mitteilung des Arbeitsmarktservices vom 22. Juli 2013 über den Leistungsanspruch bei.

 

Begründend führt der Bw in der Berufung Folgendes aus:

 

Der gegenständliche Bescheid wird seinem gesamten Umfang nach angefochten.

Als Berufungsgründe werden Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche

Beurteilung geltend gemacht.

 

Der Berufungswerber hat zum Beweis dafür, dass das Landesgericht Wels im Verfahren 15 HV 74/12 v zur Überzeugung gelangte, dass es nicht der Verhängung von weiteren 16 Monaten unbedingter Haft bedarf, um diesen von weiteren Straftaten abzuhalten bzw. davon ausgegangen ist, dass ab dem Zeitpunkt der Enthärtung vom Berufungswerber keine Gefahr mehr ausgeht, die Beischaffung des Aktes 15 HV 74/12 v LG Wels beantragt. Des weiteren hat der Berufungswerber die Einvernahm seiner Mutter X zum Beweis dafür beantragt, dass hinsichtlich seines Vaters derzeit Bemühungen im Gange sind, damit er im Rahmen der Familienzusammenführung wieder nach Österreich kommt; des weiteren zum Beweis dafür, dass der Berufungswerber mit seiner in Weis ansässigen Kernfamilie ein besonders enges persönliches Verhältnis hat und vor Begehen der Straftat einen tadellosen Lebenswandel geführt hat, sodass der begangene Raub mit seinen bisherigen Vorleben in einem krassen Widerspruch steht.

Des weiteren zum Beweis dafür, dass der Einschreiter die Sprache seines Geburtslandes nicht, hingegen die deutsche Sprache ausgezeichnet beherrscht und der Berufungswerber im Falle einer Ausweisung völlig entwurzelt werde.

Die Erstbehörde hat diesen Beweisanträgen keine Folge gegeben und die beantragten Be­weise auch nicht aufgenommen. Hätte die Erstbehörde die beantragten Beweise aufgenommen, wäre die Erstbehörde In gleicher Weise wie das Landesgericht Wels im Verfahren 15 HV 74/12 v zum Ergebnis gekommen, dass ab dem Zeitpunkt der Enthärtung vom Berufungswerber keine Gefahr mehr ausgeht, andernfalls auch das Landesgericht Wels keine Enthaftung vorgenommen hätte. Die bedingte Enthaftung ist nur unter der Voraussetzung vorzunehmen, dass das erkennende Gericht davon ausgehen kann, dass der Verurteilte auf freiem Fuß keine weiteren Straftaten ähnlicher Art ausführen wird.

Um sich mit dieser Frage auseinandersetzen zu können, wäre aber die Einsichtnahme in den Akt 15 HV 74/12 v LG Wels erforderlich gewesen, welcher seitens der Erstbehörde nicht beigeschafft wurde und ist schon aus diesem Grunde das Verfahren in I. Instanz mangelhaft geblieben.

 

Dem Akt 15 HV 74/12 v LG Wels ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber am 23.1.2013 bedingt entlassen wurde, Seither ist mehr als ein halbes Jahr verstrichen, in welcher Zeit sich der Berufungswerber nicht nur rechtstreu verhalten hat, sondern sein Verhalten und seine Lebensweise so verändert hat, wie dies vor Begehen der Straftat der Fall war. Der Berufungswerber hat sich insbesondere sofort nach bedingter Entlassung aus der Haft zum AMS begeben und sich um Möglichkeiten einer Lehrausbildung erkundigt. Beim AMS wurde ihm mitgeteilt, dass er bereits am 4.2.2013 eine Lehre als Metallbearbeitungstechniker beginnen kann. Diese wird vom BFI durchgeführt, dauert 1,5 Jahre und endet mit einer Lehrabschlussprüfung.

Der Berufungswerber hat am 24.2.2013 mit dieser Ausbildung begonnen und macht in seiner beruflichen Ausbildung sehr gute Fortschritte, wie dies aus dem im Akt erliegenden Zeugnis des BFI vom 6.5.2013 zu entnehmen ist.

Zwischenzeitig hat sich der Berufungswerber bei der Wirtschaftskammer für die Lehrab-schlussprüfungstermine „Mechanische Prüfarbeit" am 8.5.2014, „Hydraulisch und pneumatische Prüfarbeit am 8.5.2014, „Fertigungstechnische Prüfarbeit am 8.5.2014 und „Fachgespräch am 20.5.2014 angemeldet

 

Darüberhinaus ist der Berufungswerber auch in der Lage, für seinen Unterhalt selbst aufzukommen, da er einerseits nach wie vor In der Wohnung seiner Mutter wohnhaft ist und er andererseits eine monatliche Lehrlingsentschädigung/Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes von täglich EUR 20,--, daher mindestens EUR 600,--, ausbezahlt erhält und wird diesbezüglich die Bestätigung des AMS vom 22.7.2013 vorgelegt, aus weicher hervorgeht, dass der Berufungswerber eine tägliche Beihilfe 2ur Deckung des Lebensunterhaltes von EUR 20,--und eine tägliche Beihilfe zu den Kursnebenkosten von EUR 1,86/ daher insgesamt täglich EUR 21,86 und monatlich EUR 655,80, erhält.

 

Beweis:

Mitteilung der WKO vom 23.7.2013; Bestätigung des AMS vom 22.7.2013,

 

Das Landesgericht Wels ist zu Recht von einer positiven Zukunftsprognose ausgegangen und hat daher richtig erkannt, dass es nach einer achtmonatigen Untersuchungshaft nicht der Vollstreckung der Strafe von weiteren 16 Monaten bedarf, um den Berufungswerber von strafbaren Handlungen abzuhalten; das Landesgericht Wels ist zu dieser Einschätzung nach Einvernahme des Berufungswerbers gekommen und war der Senat nach eingehender Befragung des Berufungswerbers in der Lage, sich hinsichtlich seiner psychischen, moralischen und charakterlichen Situation ein genaues Bild zu verschaffen.

Indem der Senat zur Entscheidung gelangt ist, dass die bedingte Entlassung gerechtfertigt ist, kam der Senat damit gleichzeitig auch zum Ergebnis, dass vom Berufungswerber keine weiteren Gefahren mehr ausgehen.

Mit diesen Überlegungen des Schöffensenates hat sich die Erstbehörde in keiner Weise auseinandergesetzt. Die Erstbehörde hat lediglich festgestellt, dass der Berufungswerber am 23.1.2013 aus der Haft entlassen wurde, was insoferne unvollständig ist, als die Entlassung aus der Haft nicht nach Verbüßung der Haftstrafe, sondern die Enthärtung 16 Monate vorher bedingt erfolgt ist. Mit den Gründen der vorzeigten bedingten Enthärtung hat sich die Erstbehörde in keiner Weise befasst.

 

Auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides kommt selbst die Erstbehörde zum Ergebnis, dass der Berufungswerber in Österreich integriert ist, sodass die Integration des Berufungswerbers in Österreich damit festgestellt ist.

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund be­stimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Artikel 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist es daher nicht ausreichend, dass eine be­stimmte Tatsache im Sinne des § 63 Abs. 2 FPG vorliegt, vielmehr muss aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt sein, dass der weitere Aufenthalt des Berufungswerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder den genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Auch mit dieser Frage hat sich die Erstbehörde in keiner Weise beschäftigt und wäre in diesem Zusammenhang eben auf die bedingte Entlassung durch den Schöffensenat beim LG Wels und den diesbezüglichen Entscheidungsgründen einzugehen gewesen, was nicht erfolgt ist

Die Erstbehörde hat auf Seite 5 des angefochtenen Bescheides des weiteren zugestanden, dass das ausgesprochene Aufenthaltsverbot einen massiven Einschnitt im Leben des Berufungswerbers bedeutet und zwar insbesondere auch im Hinblick auf seine gegebene Integration in Österreich.

Hiebei hätte das Erstgericht die oben dargestellten Umstände, nämlich die Straftat als Ausreißverhalten und das tadellose Verhalten des Berufungswerbers vor der Tat sowie nach Tatbegehung mit nunmehriger zielstrebiger Berufsausbildung; des weiteren wäre sein enges Verhältnis zur Kernfamilie in Österreich zu berücksichtigen gewesen sowie der Umstand, dass der Berufungswerber darüberhinaus bei seiner Mutter wohnhaft ist. Bei Berücksichtigung all dieser Umstände hätte die Erstbehörde bei sachgerechter Abwägung zum Ergebnis kommen müssen, dass unter Berücksichtigung von Artikel 8 EMRK die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig, da unverhältnismäßig, ist.

 

Darüberhinaus war der Berufungswerber im Zeitpunkt der Tatbegehung noch Jugendlich, was insbesondere dahingehend zu berücksichtigen gewesen wäre, dass zum Zeitpunkt der Tatbegehung die Entwicklung des Berufungswerbers noch nicht abgeschlossen war. Im Hinblick auf sein tadelloses Vorleben und sein Verhalten nach der Tat, insbesondere nach Entlassung aus der Haft - sofortige Kontaktaufnahme mit dem AMS und Beginn einer Lehre als Metallbearbeitungstechniker - ist festzustellen, dass die Tatbegehung einen Ausnahmefall darstellte, welche mit den vor Tatbegehung herrschenden charakterlichen Zügen und jenen nach Tatbegehung in einem krassen Widerspruch stehen.

Die Erstbehörde hätte daher aus diesem Grunde zum Ergebnis kommen müssen, dass die Tatbegehung durch den Berufungswerber im jugendliche Alter im Zustand spätpubertären Verhaltens gesetzt wurde, die Tat daher ein regelrechtes Ausreißverhalten darstellt, weiches mit der bisherigen und auch derzeitigen Charaktereigenschaft des Berufungswerbers in Wi­derspruch steht.

Diesen Umstand hat der Schöffensenat beim LG Wels klar erkannt und aus diesem Grunde nach Durchführung der Hauptverhandlung am 23.1.2013 seine sofortige Enthaltung verfügt. Damit hätte aber auch die Erstbehörde zum Ergebnis kommen müssen, dass die Annahme, dass der weitere Aufenthalt des Berufungswerbers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder den Öffentlichen Interessen zuwiderläuft eben gerade nicht gerechtfer­tigt ist und wäre richtigerweise von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Abstand zu nehmen gewesen.

 

Im Zuge des Berufungsverfahrens ist die Einvernahme sowohl der Mutter X als auch des Berufungswerbers selbst unbedingt erforderlich; dies deshalb, da insbesondere durch Befragung der Zeugin sowie des Berufungswerbers festgestellt werden kann, dass die Tatbegehung eine einmalige Ausnahmehandlung für den Berufungswerber dargestellt hat, welche mit seiner Charaktereigenschaft vor Tatbegehung und nach Tatbegehung in einem unauflöslichen Widerspruch steht, wie auch der Schöffensenat beim LG Wels nach Einvernahme des Berufungswerbers in der HV vom 23.1.2013 zu diesem Ergebnis gelangt ist.

 

Abschließend stellt der Bw die Anträge, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben; in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen; in jedem Fall eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen.

 

3.1. Die belangte Behörde legte den in Rede stehenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 1. August 2013 zur Entscheidungsfindung vor.

 

3.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, sowie durch Einsichtnahme in das Elektronische Kriminalpolizeiliche Informationssystem und das Zentrale Melderegister.

 

3.3. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 67d Abs 2 Z 1 2. Fall AVG).

 

3.4. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 und 2 dieses Erkenntnisses dargestellten, im Wesentlichen unbestrittenen Sachverhalt aus.

 

Darüber hinaus stellt der Oö. Verwaltungssenat fest, dass sich aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 26. August 2013 ergibt, dass der Bw seit 8. Dezember 2001 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig ist.

 

Ferner steht aufgrund eines entsprechenden Eintrags im EKIS fest, dass der Bw im Besitz eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ ist.

 

3.5. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 63 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG idF. BGBl. I Nr. 38/2011 kann gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Nach § 63 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 und Abs. 3. § 53 Abs. 5 und 6 gelten.

 

Gemäß § 63 Abs. 3 FPG ist ein Aufenthaltsverbot gemäß Abs. 1 in den Fällen des § 53 Abs. 2 Z 1, 2, 4, 5, 7 bis 9 für die Dauer von mindestens 18 Monaten, höchstens jedoch für fünf Jahre, in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 für höchstens zehn Jahre und in den Fällen des § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

[...]

 

4.2.1. Im vorliegenden Fall ist § 63 FPG einschlägig, da der Bw am 20. September 2012 einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels gestellt hat und dieser auch bewilligt wurde (gültig von 4. Oktober 2012 bis 3. Oktober 2013).

 

4.2.2. Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 (im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 FPG – siehe 4.2.1.) für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes (hier Aufenthaltsverbots) neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn    

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

4.3. Aus verfahrensökonomischer Sicht ist es aufgrund des mittlerweile beinahe 12-jährigen Aufenthalts des Bw im Bundesgebiet im gegenständlichen Fall zweckmäßig, nicht erst zu prüfen, ob ein Aufenthaltsverbot dem Grunde nach gerechtfertigt ist, sondern erst die Frage zu klären, ob eine Aufenthaltsverfestigung im Sinne des § 64 FPG gegeben ist, weil der Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft hätte erwerben können. Diesfalls dürfte ein Aufenthaltsverbot, mag es vor dem Hintergrund des § 63 auch berechtigt sein, ohnehin nicht erlassen werden.

 

Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot gemäß § 63 gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, nicht erlassen werden, wenn ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können.

 

4.3.1. In seiner Entscheidung vom 24.09.2009, Zl. 2007/18/0653, hat der VwGH festgestellt, dass "Unter dem Zeitpunkt ‚vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes‘ [...] der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen [ist].

[...]

Nach dem Gesagten kommt es vorliegend daher darauf an, ob dem Beschwerdeführer am [...] gemäß § 10 Abs. 1 StbG die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Eine Verleihungsmöglichkeit in anderen Zeitpunkten vermag den Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund des § 61 Z. 3 FPG nicht zu verwirklichen. Bei der Beurteilung, ob sämtliche Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 StbG erfüllt sind, stellen die vor dem genannten Zeitpunkt liegenden Verhaltensweisen des Fremden Umstände dar, die der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu diesem Zeitpunkt gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StBG entgegen gestanden wären."

 

Der maßgebliche Sachverhalt, der zur (erstmaligen) Verurteilung des Bw am 23. Jänner 2013 geführt hat, wurde am 31. Mai 2012 durch das Verbrechen des schweren Raubes verwirklicht. Als "Zeitpunkt vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts" ist demnach der 31. Mai 2012 festzusetzen.

 

Zur Feststellung, ob dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden hätte können, ist daher § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 heranzuziehen.

 

4.3.2. § 10 Abs. 1 StbG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 lautet:

 

Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn

1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat und davon zumindest fünf Jahre niedergelassen war;

2. er nicht durch ein inländisches oder ausländisches Gericht wegen einer oder mehrerer Vorsatztaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, die der Verurteilung durch das ausländische Gericht zugrundeliegenden strafbaren Handlungen auch nach dem inländischen Recht gerichtlich strafbar sind und die Verurteilung in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, entsprechendem Verfahren ergangen ist;

3. er nicht durch ein inländisches Gericht wegen eines Finanzvergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist;

4. gegen ihn nicht wegen des Verdachtes einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Vorsatztat oder eines mit Freiheitsstrafe bedrohten Finanzvergehens bei einem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig ist;

5. gegen ihn kein Aufenthaltsverbot besteht und auch kein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung anhängig ist;

6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;

7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder ihn an seiner finanziellen Notlage kein Verschulden trifft und

8. er nicht mit fremden Staaten in solchen Beziehungen steht, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft die Interessen der Republik schädigen würde.

 

4.3.3. Gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 FPG darf gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn diesem vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können. Im gegenständlichen Fall ist zu prüfen, ob eine Aufenthaltsverfestigung stattgefunden hat.

 

§ 2 Abs. 2 NAG definiert „Niederlassung“. Demnach ist unter Niederlassung der tatsächliche oder zukünftig beabsichtigte Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck

1.   der Begründung eines Wohnsitzes, der länger als sechs Monate im Jahr tatsächlich besteht;

2.   der Begründung eines Mittelpunktes er Lebensinteressen oder

3.   der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit.

 

4.3.3.1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Bw seit 8. Dezember 2001 durchgehend mit Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet ist.

 

Der Bw war somit im für eine eventuelle Aufenthaltsverfestigung gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraum von 31. Mai 2002 bis 31. Mai 2012 rechtmäßig und ununterbrochen aufhältig und niedergelassen.

 

4.3.3.2. Aufgrund des Verwaltungsakts bzw. der Abfrage des EKIS steht fest, dass der Bw während des gemäß § 64 Abs. 1 FPG iVm. § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG maßgeblichen Zeitraums durch kein inländisches oder ausländisches Gericht verurteilt wurde und gegen ihn in diesem Zeitraum bei keinem inländischen Gericht ein Strafverfahren anhängig war.

 

4.3.3.3. Im relevanten Beurteilungszeitpunkt scheiden auch die in § 10 Abs. 1 Z. 5 und 8 StbG enthaltenen Tatbestände offensichtlich aus.

 

4.3.3.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 Stbg kann die Staatsbürgerschaft nur verliehen werden, wenn der Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist.

 

Aus dem Vorlageakt und der Berufungsschrift ergibt sich, dass der Lebensunterhalt des Bw hinreichend gesichert ist.

 

4.4. Es ist nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich daher davon auszugehen, dass durch die Nicht-Erfüllung von Versagungstatbeständen des § 10 Abs. 1 StbG dem Bw vor Verwirklichung des für das gegenständliche Aufenthaltsverbot maßgeblichen Sachverhalts im Sinne des § 64 Abs. 1 Z 1 FPG die österreichische Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können. Der Bw ist in seinem Aufenthalt daher verfestigt.

 

5. Es war aus diesem Grund spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterschrieben werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in der Höhe von 22,10 Euro (Eingabe- gebühr) angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

 

 

 

Mag. Christian Stierschneider