Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-240963/2/Gf/Rt

Linz, 02.10.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des A, vertreten durch RA Dr. B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 8. August 2013, Zl. SanRB96-2011, wegen einer Übertretung des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 8. August 2013, Zl. SanRB96-2011, wurde über den Beschwerdeführer eine Geld­strafe in Höhe von 200 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen: 10 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 20 Euro; Untersuchungskosten:  337 Euro; zu zahlender Gesamtbetrag: 557 Euro) verhängt, weil er es als verantwortlicher Beauftragter einer KG zu vertreten habe, dass von dieser am 29. Juli 2011 Lebensmittel (tiefgefrorene Erdbeeren) mit einem unerlaubt hohen Rückstand des Pflanzenschutzmittels „Procymidon“ in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 90 Abs. 3 Z. 1 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, BGBl.Nr. I 13/2006 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. II 125/2011 (im Folgenden: LMSVG), i.V.m. Art. 18 Abs. 1 der Verordnung (EG) 395/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs in der zum Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung VO (EU) 893/2010 (im Folgenden: VO 395/2005 i.d.F. 2010) begangen, weshalb er nach der erstgenannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei. 

 

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Beschwerdeführer angelastete Tatverhalten auf Grund eines entsprechenden Gutachtens der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) als erwiesen anzusehen sei.

 

Im Zuge der Strafbemessung seien weder Milderungs- noch Erschwerungsgründe hervorgekommen; seine mangels entsprechender Mitwirkung von Amts wegen zu schätzenden Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliches Nettoeinkommen: 2.000 Euro; keine Sorgepflichten; kein Vermögen) seien entsprechend berücksichtigt worden. 

1.2. Gegen dieses ihm am 30. August 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 13. September 2013 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung. 

Darin wird zunächst eingewendet, dass der Procymidon-Gehalt für Erdbeeren erst mit Wirksamkeit vom 7. Juni 2010 von zuvor 5 mg/kg auf 0,02 mg/kg gesenkt worden sei. In diesem Zuge sei auch angeordnet worden, dass für vor dem Änderungsdatum hergestellte Erzeugnisse der frühere Grenzwert weiterhin maßgeblich sei; gerade dies treffe für die im gegenständlichen Fall im April 2010 in China geernteten Erdbeeren zu. Davon abgesehen habe der Beschwerdeführer ein umfangreiches und lückenloses Kontrollsystem eingerichtet gehabt, sodass bei mehrfachen freiwilligen Begutachtungen bislang noch nie eine Beanstandung erfolgt sei; Gleiches gelte im Übrigen auch für die im vorliegenden Fall untersuchte Gegenprobe. Dessen ungeachtet sei in der Folge das Produkt ohnehin umgehend aus dem Verkehr gezogen worden.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu wegen des geringfügigen Verschuldens und die unbedeutenden Folgen der Tat der Ausspruch einer bloßen Ermahnung beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Bezirkshauptmannes von Wels-Land zu Zl. SanRB96-2011; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden. 

2.2. Gemäß § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil hier den Betrag von 2.000 Euro übersteigende (Einzel-)Geldstrafen nicht verhängt wurden – durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 90 Abs. 3 Z. 1 LMSVG i.V.m. Art. 18 Abs. 1 lit. a der VO 395/2005 i.d.F. 2010 begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 20.000 Euro zu bestrafen, der Lebensmittel mit einem den für das Pflanzenschutzmittel „Procymidon“ festgelegten Rückstandshöchstgehalt überschreitenden Wert in Verkehr bringt.

 

Nach Anhang II zur VO 395/2005 ist in Bezug auf den Rückstandsgehalt für das Schädlingsbekämpfungsmittel „Procymidon“ gegenwärtig durch die Verordnung (EG) 1097/2009 (im Folgenden: VO 1097/2009) ein Höchstwert von 0,02 mg/kg festgelegt (vgl. Code-Nr. 015200, Spalte 10); nach Art. 3 der VO 1097/2009 ist diese Verordnung ab dem 7. Juni 2010 – und damit noch vor dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Tatzeitpunkt – in Wirksamkeit getreten.

 

Allerdings ordnete Art. 2 lit. g der VO (EG) 1097/2009 gleichzeitig an, dass für Erzeugnisse, die vor dem 7. Juni 2010 hergestellt wurden, u.a. im Hinblick auf den Wirkstoff „Procymidon“ weiterhin der in der VO 396/2005 in der zuvor in Geltung gestandenen Fassung vom 7. November 2009 normierte Grenzwert von 5,0 mg/kg maßgeblich ist.

 

3.2. Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer schon während des erstbehördlichen Verfahrens entsprechende Nachweise dafür vorgelegt, dass die verfahrensgegenständlichen Lebensmittel (Erdbeeren) bereits im April 2010, also noch vor dem Inkrafttreten der VO 1097/2009, in China geerntet und an den Vertragspartner des Rechtsmittelwerbers in Deutschland geliefert wurden.  

 

Die belangte Behörde hat weder die Glaubwürdigkeit dieser Unterlagen in Zweifel gezogen noch ist sie diesem Einwand sonst argumentativ entgegengetreten.

 

Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher das diesbezügliche Vorbringen des Rechtsmittelwerbers als zutreffend zu qualifizieren.

 

3.3. Davon ausgehend hat aber der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung deshalb nicht begangen, weil – wie gezeigt – für das verfahrensgegenständliche Produkt insoweit noch ein Grenzwert von 5,0 mg/kg maßgeblich war, im Gutachten der AGES vom 17. August 2011, Zl. 11078003 (vgl. S. 10 und 13), aber ein deutlich unterhalb dieser Schwelle liegender Procymidonanteil von 0,073 mg/kg festgestellt wurde.

 

3.4. Mangels Tatbestandsmäßigkeit des angelasteten Verhaltens war der gegenständlichen Berufung sohin nach § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

Hinweis

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin noch keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (am 1. Jänner 2014: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) einzubringen.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde dieser Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab dessen Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

 

Dr.  G r ó f