Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-523529/5/Sch/Bb/AK

Linz, 30.09.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des x, vom 15. Juli 2013, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 1. Juli 2013, GZ VerkR21-162-2013, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung und Beibringung von Befunden gemäß § 24 Abs.4 FSG, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG

iVm §§ 24 Abs.4 Führerscheingesetz 1997 – FSG iVm § 14 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung 1997 – FSG-GV.

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit Bescheid vom 1. Juli 2013, GZ VerkR21-162-2013, x (den Berufungswerber) gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert, sich innerhalb eines Monats ab Zustellung des Bescheides zur Prüfung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen amtsärztlich untersuchen zu lassen, wobei zur Untersuchung ein neuropsychiatrischer Facharztbefund bezüglich Fahrtauglichkeit sowie ein Harnbefund beizubringen wären.

 

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Berufungswerber nach dem aktenkundigen Zustellnachweis am 3. Juli 2013 nachweislich zugestellt wurde, richtet seine rechtzeitig – mit Schriftsatz vom 15. Juli 2013 – bei der belangten Behörde erhobene - jedoch unbegründete und als Einspruch bezeichnete - Berufung.

 

Über Aufforderung des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 19. August 2013, GZ VwSen-523529/2/Sch/AE, hat der Berufungswerber mit Eingabe vom 5. September 2013 eine Berufungsbegründung nachgereicht und darin im Ergebnis sinngemäß die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides beantragt.  

 

Zur näheren Begründung gibt der Berufungswerber an, dass er auf Grund der Anzeige einer gewissen x aus Amstetten Silvester 2009 laut polizeilichen Ermittlungen im Umfeld einer privaten Feier einen Joint mitgeraucht zu habe.

 

Er könne sich nicht erinnern, bestreite diese Anschuldigung und möchte klarstellen, in den vergangenen Jahren Suchtgift weder konsumiert, erworben oder besessen zu haben.

 

Es werde ihm daher zu Unrecht vorgeworfen im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges Suchtmittel konsumiert zu haben. Eine Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung sei daher auf keinen Fall gerechtfertigt.

 

Nach Rücksprache mit seinem Anwalt habe er zusätzlich erfahren, dass nicht jeder Suchtmittelkonsum Bedenken an einer gesundheitlichen Lenkeignung im Sinne des § 24 Abs.4 Satz 3 FSG begründe. Nach ständiger Rechtsprechung (VwGH 24. August 1999, 99/11/0092, 0175) berühre Suchtmittelgenuss ohne Zusammenhang mit dem Lenken von Fahrzeugen die gesundheitliche Lenkeignung nicht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufungsschrift unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes mit Vorlageschreiben vom 1. August 2013, GZ VerkR21-162-2013, ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidungsfindung (§ 35 Abs.1 FSG). Gemäß § 67a Abs.1 AVG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde zur Entscheidung übermittelten erstinstanzlichen Verfahrensakt.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß       § 67d Abs.1 und Abs.3 erster Satz AVG mangels gesonderten Antrages des Berufungswerbers und der Tatsache, dass der für das Verfahren wesentliche Sachverhalt auf Grund der Aktenlage hinreichend geklärt vorliegt, unterbleiben.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von folgendem maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Am 10. Mai 2013 wurde der belangten Behörde bekannt, dass der Berufungswerber offenbar in Zusammenhang mit Suchtmitteln in Erscheinung getreten ist. Nach dem entsprechenden Sachverhaltsbericht der Landespolizeiinspektion Oberösterreich vom 7. Mai 2013 ist der Berufungswerber verdächtig, seit dem Jahr 2000 gelegentlich Suchtmittel in Form von Marihuana konsumiert und besessen zu haben.

 

Die Erstbehörde nahm diesen Umstand zum Anlass, um die gesundheitliche Eignung des Berufungswerbers zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu überprüfen.

 

Am 17. Juni 2013 wurde der Berufungswerber vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen gemäß § 8 Abs.2 FSG amtsärztlich untersucht, wobei zunächst - zur Erstattung des amtsärztlichen Endgutachtens - die Beibringung eines neuropsychiatrischen Facharztbefundes und eines Harnbefundes für erforderlich erachtet wurde. Der Amtsarzt begründete die Erforderlichkeit der beizubringenden Befunde damit, um eine Suchtmittelabhängigkeit ausschließen zu können.

 

Die Erstbehörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Aufforderungsbescheid.  

 

5. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat darüber in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist bei Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

Gemäß § 14 Abs.1 FSG-GV darf Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht so weit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, soweit nicht Abs.4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

 

Gemäß § 14 Abs.5 FSG-GV ist Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wiederzuerteilen.

 

5.2. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung (im Fall einer Berufungsentscheidung im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides) bei der Behörde (nach wie vor) begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in diese Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. z. B. VwGH 21. September 2010, 2010/11/0126; 22. Juni 2010, 2010/11/0076 uvm.). Diese Überlegungen gelten auch für die Anordnung von bestimmten fachärztlichen Stellungnahmen. Auch diese Untersuchungen dürfen nur dann angeordnet werden, wenn Zweifel an einem bestimmten Teilaspekt der gesundheitlichen Eignung bestehen, wobei die angeordnete Untersuchung gerade diese Bedenken abklären soll.

 

Im gegebenen Zusammenhang wäre somit der angefochtene Aufforderungsbescheid rechtmäßig, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestünden, dem Berufungswerber fehle infolge Suchtmittelabhängigkeit oder gehäuftem Missbrauch die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

 

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass gelegentlicher Konsum von Suchmittel die gesundheitliche Eignung (noch) nicht berührt. Erst wenn dieser Konsum zu einer Abhängigkeit zu führen geeignet ist oder wenn die Gefahr besteht, dass die betreffende Person nicht in der Lage sein könnte, den Konsum so weit einzuschränken, dass ihre Fähigkeit zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht (mehr) beeinträchtigt ist, läge ein Grund vor, die gesundheitliche Eignung begründeterweise in Zweifel zu ziehen (z. B. VwGH 13. Dezember 2005, 2005/11/0191 uvm.).

 

Um von einem gehäuften Missbrauch sprechen zu können, genügt nicht ein gelegentlicher wiederholter Missbrauch, sondern es muss sich um einen häufigen Missbrauch innerhalb relativ kurzer Zeit handeln (VwGH 18. März 2003, 2002/11/0209; 25. Mai 2004, 2003/11/0310).

 

Aus der Aktenlage geht derartiges aber nicht hervor. Demnach ist der Berufungswerber ohne Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges bloß verdächtig, seit dem Jahr 2000 gelegentlich Suchtgift (Marihuana) konsumiert und besessen zu haben, wobei er in seiner Berufungsbegründung ausdrücklich bestreitet, in den vergangenen Jahren Suchtmittel konsumiert, erworben oder besessen zu haben.

 

Es gibt nach den vorliegenden Verfahrensunterlagen auch weder konkrete Beweisergebnisse dahingehend, zu welchen Zeitpunkten, in welchen Abständen und welche Menge Marihuana der Berufungswerber seit dem Jahr 2000  konsumiert haben soll, noch dass der Suchtmittelkonsum - sofern ein solcher stattgefunden hat - über eine gelegentliche Einnahme hinausgegangen wäre. Im polizeilichen Bericht finden sich keine Anhaltspunkte eines gehäuften Missbrauches noch Verdachtsmomente einer Suchtmittelabhängigkeit. Auch der Amtsarzt hat diesbezüglich keinerlei Feststellungen getroffen, sondern die Notwendigkeit der aufgezählten Befunde einzig bloß damit begründet, um eine Suchtmittelabhängigkeit ausschließen zu können. Dies genügt allerdings nicht zur - für die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung nach § 24 Abs.4 FSG - entscheidenden Dartuung von aktuellen Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Berufungswerbers.

 

In Anbetracht der genannten Umstände sowie vor dem Hintergrund der dargestellten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bestehen – zumindest – derzeit (noch) keine ausreichenden begründeten Bedenken, dass dem Berufungswerber infolge gehäuftem Missbrauch von Suchmitteln oder Suchtmittelabhängigkeit die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen fehlt.

 

Der Berufung war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe 14,30 Euro angefallen.

 

 

 

 

S c h ö n