Linz, 01.10.2013
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Berufung des X, geboren am X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 2. September 2013, GZ: VerkR21-336-2013, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§§ 66 Abs 4 und 67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm
§§ 3 Abs 1 Z 2, 7 Abs 1 Z 2, 7 Abs 3 Z 9 Führerscheingesetz 1997 - FSG.
Entscheidungsgründe:
Den angefochtenen Bescheid begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung einschlägiger Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes wie folgt aus:
2. Gegen den in Rede stehenden, im Wege der Hinterlegung am 4. September 2013 zugestellten Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 11. September 2013, zur Post gegeben am 17. September 2013, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.
In der Berufungsschrift begehrt der Bw eine Verkürzung der Entzugsdauer bzw vom Entzug der Lenkberechtigung abzusehen.
3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 18. September 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.
3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einholung eines Strafregisterauszuges. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (siehe § 67d Abs 2 Z 1 AVG).
3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 dargestelltem Sachverhalt aus.
3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:
4.1. Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
- die Lenkberechtigung zu entziehen oder
- die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs 1 Z 2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).
Gemäß § 7 Abs 1 Z 2 FSG gilt eine Person dann als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 hat gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.
4.2. Wie dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist, wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 29. Juli 2013, HV 41/2013h, wegen strafbarer Handlungen im Sinne der §§ 83 (1) StGB, 15 StGB und 269 (1) 1. Fall StGB zu einer 9-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 21. Februar 2013, HV 47/2012t, wurde der Bw wegen strafbarer Handlungen im Sinne des § 107b Abs 1 StGB zu einer bedingten 3-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
4.3. Gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG liegt eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache vor, wenn eine Person wiederholt eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß dem § 83 StGB begangen hat. Das Tatbestandselement der „Wiederholung“ ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen, da der Bw „lediglich“ mit Urteil vom 29. Juli 2013 gemäß der zitierten strafrechtlichen Bestimmung verurteilt wurde.
§ 83 StGB wie auch § 107b Abs 1 StGB dürften beide das gleiche Rechtsgut – nämlich die körperliche Integrität – schützen. Es ist daher aufgrund der Formulierung des § 7 Abs 3 FSG, wonach „insbesondere“ bei Vorliegen der in den einzelnen Ziffern genannten Sachverhalte die Verkehrsunzuverlässigkeit indiziert wird, nicht ausgeschlossen, aufgrund des in der Z 9 leg cit genannten § 83 StGB auch eine Verurteilung nach § 107b Abs 1 StGB als „bestimmte Tatsache“ anzusehen und in Folge für eine Wertung betreffend die Verkehrs(un)zuverlässigkeit einer Person heranzuziehen. Hätte der Führerscheingesetzgeber dies gewollt, hätte er vermutlich jedoch, da ihm die einzelnen strafrechtlichen Bestimmungen unzweifelhaft bekannt sind bzw sein müssen, auch Übertretungen nach § 107b Abs 1 StGB in § 7 Abs 3 Z 9 FSG integriert.
Aus diesem Grund und auch, weil das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich im konkreten Fall nicht zu erkennen vermag, inwiefern das vom Bw verwirklichte Delikt gemäß § 107b Abs 1 StGB nahelegt, dass sich der Bw wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, ist der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.
R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.
H I N W E I S E
1. Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.
Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.
Markus Zeinhofer