Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523554/2/MZ/JO

Linz, 01.10.2013

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Markus Zeinhofer über die Berufung des X, geboren am X, X, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 2. September 2013, GZ: VerkR21-336-2013, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung nach dem Führerscheingesetz zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs 4 und 67a Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG iVm

§§ 3 Abs 1 Z 2, 7 Abs 1 Z 2, 7 Abs 3 Z 9 Führerscheingesetz 1997 - FSG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Schärding vom 2. September 2013, GZ: VerkR21-336-2013, wurde dem Berufungswerber (in Folge: Bw) die ihm erteilte Lenkberechtigung für die Klassen AM und B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Darüber hinaus wurde dem Bw das Recht aberkannt, allenfalls von einem ausländischen Führerschein in Österreich während der oben angeführten Entziehungsdauer Gebrauch zu machen.

 

Den angefochtenen Bescheid begründend führt die belangte Behörde nach Zitierung einschlägiger Rechtsvorschriften des Führerscheingesetzes wie folgt aus:

 

Die Behörde nimmt Bezug auf ein Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis zu Aktenzahl 10 Hv41/13h-21 vom 29.07.2013:

 

Sie wurden wegen strafbarer Handlungen im Sinne der §§ 83 (1) StGB, 15 StGB und 269 (1) 1. Fall StGB zu einer 9-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Ein Teil der Freiheitsstrafe von 8 Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe beträgt somit 1 Monat.

 

Zurückzuführen ist die Verurteilung auf eine Körperverletzung gegenüber N. Sie haben sie gewürgt, zu Boden gestoßen und dort auf sie eingeschlagen und auf sie eingetreten. Sie erlitt Würgemale und Hämatome am Körper.

 

Das Gericht hat einschlägig eine Vorstrafe und den raschen Rückfall und das Zusammentreffen zweier Vergehen als erschwerend gewertet. Als mildernd hat das Gericht Ihr umfassendes Geständnis gewertet und außerdem den Umstand, dass Ihr Versuch beim Widerstand gegen die Staatsgewalt eben nur beim Versuch geblieben ist und Sie zum Zeitpunkt eine offensichtliche Persönlichkeitsstörung aufwiesen.

 

Weiters weist die Behörde auf eine Verurteilung zu Zahl 7 Hv 7/12g des gleichen Gerichtes hin, wonach Sie von etwa Juli 2012 bis ca. Ende November 2012 gegenüber X längere Zeit der Gewalt aussetzten und deshalb wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung im Sinne § 107 b Abs. 1 des Strafgesetzbuches zu einer 3-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurden, wobei diese unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen worden ist.

 

Die Behörde gelangt zur Überzeugung, dass Sie derzeit nicht verkehrszuverlässig sind:

 

Sie neigen schnell zur Anwendung brutaler Gewalt und nehmen dabei bewusst Verletzungen Anderer in Kauf. Bei der Teilnahme am Straßenverkehr ist eine hohe Anforderung an die Kraftfahrzeuglenker zu richten; ein hohes Maß an Selbstbeherrschung ist mitzubringen, um in kritischen Verkehrssituationen, die jederzeit eintreten können, nicht die erforderliche Selbstbeherrschung zu verlieren.

Aus der Strafanzeige (Darstellung der Tat zum aktuellen Urteil) geht unter anderem auch hervor, dass die einschreitenden Polizeibeamten (X und X) aufgrund der Vorgeschichte eine Wegweisung mit Betretungsverbot ausgesprochen haben und Sie deshalb einen Aschenbecher nahmen und diesen drohend mit der Hand hoch hielten. Die Wohnungsschlüssel wurden Ihnen abgenommen, weshalb dazu die Beamten bereits körperliche Gewalt anwenden mussten. Sie verließen wütend mit dem Fahrzeug den Tatort und als Sie zurückkamen, verstellten Sie bewusst den Dienstwagen. Sie mussten aufgefordert werden, wegzufahren, wobei Sie erneut in Ihr KFZ stiegen und in provokanter Weise auf den Beamten AI X zufuhren, der neben dem Dienstauto stand. Auf Grund dieses Verhaltens wurde die Festnahme ausgesprochen, wobei Sie auf den Polizeibeamten AI X loszugehen versuchten, aber mittels Armwinkelsperre letztlich überwältigt werden konnten.

 

Es ist im konkreten Fall ihr gesamtes aggressives Verhalten nicht nur gegen Frau X anfänglich gegenüber, das durch eine Anzeige das Einschreiten der Polizei erforderte, Grund für diese behördliche Maßnahme, sondern vor allem der Umstand, dass nicht einmal das notwendige Einschreiten der Polizei eine Verhaltensänderung bei Ihnen bewirkte. Dass Sie Ihre Gewaltbereitschaft auch gegenüber der sogenannten "Staatsgewalt" unumwunden zum Ausdruck brachten, ist in solchen Fällen nach Ansicht der Behörde nicht üblich. Obwohl das Einschreiten der Polizei absolut verständlich war, verhielten Sie sich weiterhin äußerst aggressiv und völlig uneinsichtig, weshalb zum Schutze Anderer trotz verstrichener Zeit zwischen Tatbegehung und der Erlassung dieses Bescheides nach Ansicht der Behörde die Entziehung Ihrer Lenkberechtigung notwendig ist, da Sie Ihre "charakterliche Eignung" zum Lenken solcher Fahrzeuge erst nach Ablauf der im Spruch angeführten Entziehungsdauer wieder erlangen.

 

2. Gegen den in Rede stehenden, im Wege der Hinterlegung am 4. September 2013 zugestellten Bescheid erhob der Bw mit Schreiben vom 11. September 2013, zur Post gegeben am 17. September 2013, rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung.

 

In der Berufungsschrift begehrt der Bw eine Verkürzung der Entzugsdauer bzw vom Entzug der Lenkberechtigung abzusehen.

 

3.1. Die belangte Behörde hat die Berufung samt Verfahrensakt mit Schreiben vom 18. September 2013 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

3.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch Einholung eines Strafregisterauszuges. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (siehe § 67d Abs 2 Z 1 AVG).

 

3.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1 dargestelltem Sachverhalt aus.

 

3.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 24 Abs 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
  2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
 

Eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung der Lenkberechtigung bildet gemäß § 3 Abs 1 Z 2 FSG die Verkehrszuverlässigkeit (§ 7).

 

Gemäß § 7 Abs 1 Z 2 FSG gilt eine Person dann als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs 3) und ihrer Wertung (Abs 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs 1 hat gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG insbesondere zu gelten, wenn jemand eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß den §§ 75, 76, 84 bis 87 StGB oder wiederholt gemäß dem § 83 StGB begangen hat.

 

4.2. Wie dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt zu entnehmen ist, wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 29. Juli 2013, HV 41/2013h, wegen strafbarer Handlungen im Sinne der §§ 83 (1) StGB, 15 StGB und 269 (1) 1. Fall StGB zu einer 9-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 21. Februar 2013, HV 47/2012t, wurde der Bw wegen strafbarer Handlungen im Sinne des § 107b Abs 1 StGB zu einer bedingten 3-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

 

4.3. Gemäß § 7 Abs 3 Z 9 FSG liegt eine die Verkehrsunzuverlässigkeit indizierende bestimmte Tatsache vor, wenn eine Person wiederholt eine strafbare Handlung gegen Leib und Leben gemäß dem § 83 StGB begangen hat. Das Tatbestandselement der „Wiederholung“ ist im vorliegenden Fall jedoch zu verneinen, da der Bw „lediglich“ mit Urteil vom 29. Juli 2013 gemäß der zitierten strafrechtlichen Bestimmung verurteilt wurde.

 

§ 83 StGB wie auch § 107b Abs 1 StGB dürften beide das gleiche Rechtsgut – nämlich die körperliche Integrität – schützen. Es ist daher aufgrund der Formulierung des § 7 Abs 3 FSG, wonach „insbesondere“ bei Vorliegen der in den einzelnen Ziffern genannten Sachverhalte die Verkehrsunzuverlässigkeit indiziert wird, nicht ausgeschlossen, aufgrund des in der Z 9 leg cit genannten § 83 StGB auch eine Verurteilung nach § 107b Abs 1 StGB als „bestimmte Tatsache“ anzusehen und in Folge für eine Wertung betreffend die Verkehrs(un)zuverlässigkeit einer Person heranzuziehen. Hätte der Führerscheingesetzgeber dies gewollt, hätte er vermutlich jedoch, da ihm die einzelnen strafrechtlichen Bestimmungen unzweifelhaft bekannt sind bzw sein müssen, auch Übertretungen nach § 107b Abs 1 StGB in § 7 Abs 3 Z 9 FSG integriert.

 

Aus diesem Grund und auch, weil das erkennende Mitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich im konkreten Fall nicht zu erkennen vermag, inwiefern das vom Bw verwirklichte Delikt gemäß § 107b Abs 1 StGB nahelegt, dass sich der Bw wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, ist der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben.

 

 

 

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

H I N W E I S E

 

1.     Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigen Rechtsanwältin eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde der Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240,-- Euro.

 

2.     Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

 

Markus Zeinhofer