Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-523555/2/Sch/AK

Linz, 27.09.2013

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung der x, vom 10. September 2013, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 3. September 2013, Zl. VerkR21-271-2013, wegen Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Bezirkshauptmann von Freistadt hat mit Bescheid vom 3. September 2013, Zl. VerkR21-271-2013, gemäß § 24 Abs.4 Führerscheingesetz (FSG) angeordnet, dass sich x, innerhalb von drei Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, von der Amtsärztin der Bezirkshauptmannschaft Freistadt hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen AM (Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge), B und F, amtsärztlich untersuchen zu lassen habe.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat die Berufungswerberin rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 67d Abs.1 AVG).

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

Laut Bericht der Polizeiinspektion Pregarten vom 25. Juli 2013 ist die Berufungswerberin am selben Tag bei einem Ladendiebstahl im x Markt in x betreten worden. Im Zuge der Einvernahme teilte diese mit, dass sie starke Medikamente gegen eine vorhandene Depression einnehme und dadurch kurzzeitig unter Gedächtnisverlust leide bzw. wirr im Kopf sei. Polizeilicherseits wurde deshalb angeregt, dass die gesundheitliche Eignung der Berufungswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen überprüft werden möge.

In der mit der Berufungswerberin angefertigten Niederschrift befindet sich als Motiv für die Tat, dass sie die Waren bewusst in die Handtasche eingesteckt und vergessen habe, an der Kasse diese herauszugeben. Grund sei ihre Verwirrtheit aufgrund Depressionen gewesen. Sie habe die Waren – zusammen in einem Wert von 14,57 Euro – in ihre Handtasche gegeben und bei der Kassa allerdings nur eine Packung Semmelwürfel und einen Joghurt bezahlt, die übrigen Artikel habe sie zu bezahlen vergessen. Darüber sei sie selbst erstaunt gewesen, nachdem sie beanstandet worden war.

 

Diesen Vorgang bzw. die Verantwortung der Berufungswerberin hat die Erstbehörde zum Anlasse genommen, den angefochtenen Bescheid zu erlassen. Schon im Rahmen des erstbehördlichen Verfahrens und in der Folge auch in der Berufungsschrift verweist sie auf ein bestimmtes Medikament, das ihre Verwirrtheit hervorgerufen habe. Nunmehr sei eine solche nicht mehr gegeben.

 

4. Zu § 24 Abs.4 FSG existiert eine umfangreiche höchstgerichtliche Judikatur, die auch der Erstbehörde bekannt sein sollte. Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides gemäß § 24 Abs.4 FSG sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz nicht mehr besitzt. Hiebei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (VwGH 22.6.2010, 2010/11/0067).

Nicht jedes "fragwürdige" (bzw. auffällige) Verhalten rechtfertigt Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz (VwGH 25.7.2007, 2007/11/0024).

Auch nicht jede ärztliche Einweisung in eine geschlossene Abteilung eines Krankenhaus vermag Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kfz zu begründen, sodass es konkreter Feststellungen über die Ursache und näheren Umstände einer allfälligen Einweisung bedürfte (VwGH 21.9.2010, 2010/11/0126).

Der Verwaltungsgerichtshof befindet also in seiner Judikatur, dass nachvollziehbare und relevante Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Inhabers einer Lenkberechtigung bestehen müssen, um einen entsprechenden Aufforderungsbescheid zur amtsärztlichen Untersuchung zu erlassen.

Die ursprünglich gegenüber dem Polizeibeamten gemachten Angaben der Berufungswerberin wurden im Rahmen des Verfahrens weitgehend relativiert. Der angefochtene Bescheid fußt schließlich auf den Angaben der Berufungswerberin selbst, objektive andere Beweismittel für eine Verwirrtheit ihrerseits sind nicht gegeben, auch in der polizeilichen Niederschrift über ihre Befragung nach dem Ladendiebstahl sind solche Feststellungen nicht zu finden. Derartige Anmerkungen wären ohne Zweifel zu erwarten gewesen, wenn polizeilicherseits bei der Befragung entsprechende Wahrnehmungen gemacht worden wären. Wenn die Berufungswerberin also vorerst von einem sehr angeschlagenen Gesundheitszustand mit Depressionen spricht, später aber davon im Wesentlichen wieder abrückt, dann besteht für die Berufungsbehörde kein Grund, sämtliche Angaben nicht mit demselben Gewicht zu bemessen, also nicht etwa den Angaben direkt nach dem Ladendiebstahl den Vorzug zu geben. Genauso gut könnte es sich bei den Erstangaben der Berufungswerberin um den Versuch handeln, ein Motiv für den Ladendiebstahl zu liefern, damit sie in einem günstigeren Licht erscheint. Die Ausrede, man habe auf das Bezahlen von Waren bei der Kassa vergessen, dürfte wohl keine seltene sein, wenn jemand beim Verlassen des Geschäftes als Ladendieb ertappt wird. Solchen Angaben sollte daher kein übermäßiges Gewicht beigemessen werden, wenn nicht, wie schon oben erwähnt, andere Hinweise noch vorhanden sind, die die Annahme rechtfertigen, dass tatsächlich eine Erkrankung im führerscheinrechtlich relevanten Sinne vorliegen könnte.

 

Der Berufung war sohin Folge zu geben und der angefochtene Bescheid zu beheben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 14,30 Euro angefallen.

 

S c h ö n