Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231348/2/Gf/Rt

Linz, 01.10.2013

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mit­glied Dr. Gróf über die Berufung des A gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. September 2013, Zl. S-6492/ST/13, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. September 2013, Zl. S-6492/ST/13, wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in Höhe von 150 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Stunden; Verfahrenskostenbeitrag: 15 Euro; Barauslagen: 4 Euro) verhängt, weil er am 4. September 2013 an einem näher bezeichneten Ort in S die öffentliche Ordnung dadurch ungerechtfertigt gestört habe, dass er mehrere Möbelstücke vom Balkon seiner Wohnung  aus in eine Wiese geworfen habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl.Nr. 566/1991 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl.Nr. I 53/2012 (im Folgenden: SPG), begangen, weshalb er nach dieser Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das dem Rechtsmittelwerber angelastete deliktische Verhalten vor allem auch auf Grund seiner eigenen Angaben als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd, die besondere Verwerflichkeit des strafbaren Verhaltens jedoch als erschwerend zu werten gewesen; seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden (Tageseinkommen: 30,64 Euro; Sorgepflicht für ein minderjähriges Kind).

1.2. Gegen dieses ihm am 5. September 2013 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 17. September 2013 – und damit rechtzeitig – bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung.

Darin führt der Beschwerdeführer aus, dass er sich insofern ungerecht behandelt fühle, weil andere Personen auch Gegenstände – wie etwa Zigarettenstummel und Aschenbecher – von ihren Balkonen werfen, dafür jedoch nicht bestraft werden würden.

Daher wird – erkennbar – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Landespolizeidirektion Oberösterreich zu Zl. S-6492/ST/13; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und die Parteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – weil mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine den Betrag von 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

 

 

3. Über die vorliegende Beschwerde hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

 

3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist hierfür mit einer Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, der durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Nach § 85 SPG liegt jedoch keine Verwaltungsübertretung vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

 

3.2. Abgesehen davon, dass im gegenständlichen Fall nicht geklärt wurde, ob sich der Rechtsmittelwerber zum Tatzeitpunkt in einem seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand i.S.d. § 83 Abs. 1 SPG befunden hatte – er hatte nach den Feststellungen des Polizeiarztes eine Stunde vor dem Vorfall eine 0,7-Liter-Flasche Whiskey getrunken und wirkte „gestört (Gedächtnislücken)“, sodass er „beim Ausfüllen [des Anamnesebogens] vom Arzt unterstützt“ werden musste –, verkörpert das Hinabwerfen einer großen Anzahl von massiven Gegenständen (nämlich: eines Tisches, mehrerer Sessel sowie von Gartenmöbeln, Elektrogeräten, Blumentrögen und Blumenstöcken) aus dem 3. Stock eines Wohnhauses nicht bloß eine Ordnungsstörung, sondern wegen der damit verbundenen potentiellen Beeinträchtigung allfälliger Passanten offenkundig zumindest eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit i.S.d. § 89 StGB bzw. allenfalls sogar eine fahrlässige Gemeingefährdung i.S.d. § 177 Abs. 1 StGB.      

 

3.3. Auf Grund der konkreten Formulierung der Subsidiaritätsklausel des § 85 SPG, die nicht darauf abstellt, ob die Handlung auch tatsächlich (zumindest in der Form des Versuches) gerichtlich strafbar ist, sondern bloß darauf, dass diese das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, kommt sohin im gegenständlichen Fall eine Strafbarkeit des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG schon von vornherein nicht in Betracht, ohne dass es zuvor einer Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens i.S.d. § 30 Abs. 2 VStG bedürfte.   

 

3.3. Aus diesem Grund war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des  Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

 

 

 

Hinweis

 

Gegen diesen Bescheid kann jedoch innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Sie muss  – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin noch keine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, so kann vom 1. Jänner 2014 bis zum Ablauf des 12. Februar 2014 eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist unmittelbar bei diesem, eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (am 1. Jänner 2014: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) einzubringen.

 

Läuft die Beschwerdefrist mit Ende des 31. Dezember 2013 noch und wurde bis dahin bereits eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben, gilt die Beschwerde als rechtzeitig erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bzw. als rechtzeitig erhobene Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

 

Würde dieser Bescheid nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes erst nach Ablauf des 31. Dezember 2013 als zugestellt gelten, kann innerhalb von sechs Wochen ab dessen Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

 

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof müssen – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt oder einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abgefasst und eingebracht werden. Die dafür zu entrichtende Eingabegebühr beträgt jeweils 240 Euro.

 

 

Dr.  G r ó f

 

 

 

VwSen-231348/2/Gf/Rt vom 1. Oktober 2013

 

Erkenntnis

 

 

Rechtssatz

 

 

SPG 1991 §81 Abs1;

SPG 1991 §83 Abs1;

SPG 1991 §85;

StGB §89;

StGB §177 Abs1

 

* Abgesehen davon, dass nicht geklärt wurde, ob sich der Rechtsmittelwerber zum Tatzeitpunkt in einem seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand iSd § 83 Abs. 1 SPG 1991 befunden hatte – er hatte nach den Feststellungen des Polizeiarztes eine Stunde vor dem Vorfall eine 0,7-Liter-Flasche Whiskey getrunken und wirkte bei der Untersuchung „gestört (Gedächtnislücken)“, sodass er „beim Ausfüllen [des Anamnesebogens] vom Arzt unterstützt“ werden musste –, verkörpert das Hinabwerfen einer großen Anzahl von massiven Gegenständen (nämlich: eines Tisches, mehrerer Sessel sowie von Gartenmöbeln, Elektrogeräten, Blumentrögen und Blumenstöcken) aus dem 3. Stock eines Wohnhauses nicht bloß eine Ordnungsstörung, sondern wegen der damit verbundenen potentiellen Beeinträchtigung allfälliger Passanten offenkundig zumindest eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit iSd § 89 StGB bzw. allenfalls sogar eine fahrlässige Gemeingefährdung iSd § 177 Abs. 1 StGB.    

 

* Auf Grund der konkreten Formulierung der Subsidiaritätsklausel des § 85 SPG 1991, die nicht darauf abstellt, ob die Handlung auch tatsächlich (zumindest in der Form des Versuches) gerichtlich strafbar ist, sondern bloß darauf, dass diese das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, kommt sohin im gegenständlichen Fall eine Strafbarkeit des Beschwerdeführers wegen einer Übertretung des § 81 Abs. 1 SPG 1991 schon von vornherein nicht in Betracht, ohne dass es zuvor einer Unterbrechung des Verwaltungsstrafverfahrens iSd § 30 Abs. 2 VStG bedürfte.