Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401323/5/AL/HK

Linz, 23.09.2013

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Astrid Lukas über die Beschwerde des S F, geb. X, StA von Afghanistan, vertreten durch die A, K, W, wegen Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 11. August 2013, Z Sich40-502-2013, Festnahme und Anhaltung in Schubhaft von 11. August 2013 bis 13. August 2013 durch den Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf an der Krems zu Recht erkannt:

 

 

I.        Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die auf Grund des Schubhaftbescheides vom 11. August 2013, Z Sich40-502-2013, erfolgte Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit von 11. August 2013 bis 13. August 2013 sowie die vorausgehende Festnahme für rechtmäßig erklärt.

 

II.     Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann des Bezirks Kirchdorf an der Krems) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I 100/2005) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II 456.


 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirks Kirchdorf an der Krems vom 11. August 2013, Z Sich40-502-2013, als belangter Behörde wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf Grundlage des § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG iVm § 57 Abs 1 AVG

"zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. §§ 52 iVm 53 FPG"

die Schubhaft angeordnet und durch Überstellung in das PAZ Steyr vollzogen.

 

Begründend führt die belangte Behörde nach Darstellung der Rechtsgrundlagen – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes aus:

 

Der Bf sei am 10.08.2013 um 11:50 Uhr in 4572 St. Pankraz, Bundesstraße B138 von Beamten der Polizeiinspektion W einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen worden, wobei festgestellt worden sei, dass er sich als visumpflichtiger Drittstaatsangehöriger unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, da er weder über einen gültigen Einreise- oder Aufenthaltstitel für Österreich noch über ein sonstiges Aufenthaltsrecht verfüge. Darüber hinaus habe der Bf keinen Reisepass oder sonstiges (Identitäts-)Dokument in Vorlage bringen können. Seine Identität gelte demnach als nicht gesichert. Befragt zu den Einreisemodalitäten habe der Bf angegeben, dass er von Afghanistan über Pakistan, die Türkei, Griechenland und Serbien nach Österreich gereist sei. Der Bf verfüge über keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Auch verfüge er über keinerlei Bargeld oder sonstige finanziellen Mittel.

 

Als Ergebnis einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die Polizei sei festgestellt worden, dass der Bf bereits am 20.09.2010 gemäß den Bestimmungen der Dublin-II-VO im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Baden auf dem Luftweg nach Griechenland überstellt worden sei, nachdem ein am 22.04.2010 eingebrachter Asylantrag gem. § 5 AsylG rechtskräftig zurückgewiesen und eine Ausweisung nach Griechenland verfügt worden sei. Weiters sei der Bf bereits zu folgenden Zeitpunkten anlässlich der Einbringung von Asylanträgen erkennungsdienstlich behandelt worden:

• am 10.03.2010 in Ungarn

• am 22.04.2010 in Österreich

• am 18.08.2010 in Athen

Auf Grund des unrechtmäßigen Aufenthaltes sei beabsichtigt, gegen den Bf eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Die Schubhaft stützte sich somit auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.

Aus folgenden Gründen sei anzunehmen, dass sich der Bf den beabsichtigten fremdenpolizeilichen Maßnahmen durch Untertauchen entziehen oder sie zumindest wesentlich erschweren werde: Der Bf habe vor seiner (erneuten) Einreise nach Österreich mehrere unrechtmäßige Grenzüberschreitungen in den und innerhalb des Schengenraumes unternommen. Er sei vollkommen mittellos, verfüge über keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und sei weder in sozialer noch in sonstiger Hinsicht in Österreich integriert. Seine Identität sei mangels vorliegender Identitätsdokumente nicht gesichert.

 

Aufgrund seines bisherigen Verhaltens, insbesondere aufgrund der wiederholten illegalen Grenzüberschreitungen und aufgrund des offenkundig längerfristigen unrechtmäßigen Aufenthaltes in der Anonymität im Schengen-Raum, bestehe ein konkreter Sicherungsbedarf des Bf, der auch nicht durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden könne, und folglich die Notwendigkeit zur Anordnung der Schubhaft. Der beschriebenen Fluchtgefahr könne verlässlich nur mit Schubhaft begegnet werden, da realistische Ansatzpunkte für die Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG aufgrund des Gesagten nicht ersichtlich seien.

 

Hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung wiege das öffentliche Interesse an der Sicherung der Außerlandesschaffung bzw. an der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Folge des unrechtmäßigen Aufenthaltes des Bf schwerer als das private Interesse des Bf an der Schonung seiner persönlichen Freiheit.

 

Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

1.2. Gegen die bescheidförmige Schubhaftverhängung, Festnahme und Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf mit Eingabe vom 14. August 2013 (eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 16. August 2013) Schubhaftbeschwerde an den Oö. Verwaltungssenat und beantragte unter gleichzeitigem Kostenantrag die Erklärung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides sowie der Festnahme und der Anhaltung in Schubhaft.

 

Begründend führt der Bf im Wesentlichen aus, dass über ihn ohne ausreichende Begründung die Schubhaft angeordnet worden sei. Mit der konkreten Situation des Bf habe sich die Erstbehörde im angefochtenen Bescheid nicht hinreichend auseinandergesetzt. Begründet werde der Sicherungsbedarf lediglich damit, dass der Bf keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich habe, kein Bargeld und keine finanziellen Mittel, dass seine Identität nicht feststehe, dass er in Österreich nicht sozial oder in sonstiger Hinsicht integriert sei und dass er mehrmals unrechtmäßig die Grenzen im Schengenraum überschritten habe und sich auch längere Zeit unrechtmäßig im Schengenraum aufgehalten habe. Warum diesbezüglich die Behörde nicht zum gelinderen Mittel gegriffen habe, wonach man dem Bf auftragen könne, sich an einem bestimmten Ort der Behörde zur Verfügung zu halten, sei nicht nachvollziehbar.

 

Zudem habe der Bf am 13.8.2013 im Polizeianhaltezentrum Steyr im Zuge des Rechtsberatungsgespräches mit der A einen Asylantrag gestellt. Die Rechtsberatung habe am 13.8.2013 von 10:00 Uhr bis 10:25 Uhr im Polizeianhaltezentrum Steyr stattgefunden; in unmittelbarem Anschluss daran sei der Asylantrag vor den Beamten des Polizeianhaltezentrums Steyr gestellt worden. Diese hätten die Auskunft erteilt, dass der Asylantrag von ihrem Vorgesetzten bearbeitet werde, der aber erst am nächsten Tag wieder da sei, der Asylantrag gelte aber auf jeden Fall als am 13.8.2013 gestellt. Ebenso habe die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf spätestens mit E-Mail der A vom 13.8.2013, 16:57 Uhr (bzw. am darauf folgenden Tage), Kenntnis vom vom Bf gestellten Asylantrag erhalten. Wahrscheinlich habe die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf von dem Asylantrag aber bereits am Nachmittag des 13.8.2013 im Zuge der (geplanten) Einvernahme des Bf erfahren.

 

Die Verhängung der Schubhaft erweise sich auch daher als nicht notwendig, da der Bf sich dem Zugriff der Behörden keinesfalls entziehen werde. Es sei im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb der Bf, wäre er nicht in Schubhaft, sondern in Grundversorgung, diese Unterstützung aufgeben und in die Anonymität untertauchen sollte.

Zudem entfalle mit Asylantragsstellung der ursprüngliche Grund für die Verhängung der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, da gegen Asylbewerber keine Rückkehrentscheidung erlassen werden könne, solange das Asylverfahren nicht rechtskräftig negativ abgeschlossen sei.

 

Die Verhängung gelinderer Mittel wäre möglich gewesen. Insbesondere hätte der Bf in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft nehmen können (und sich dort zur Verfügung der Behörde halten bzw. sich zusätzlich in periodischen Abständen beim Polizeikommando melden können). Der Bf könne seiner Entlassung aus der Schubhaft in die Grundversorgung aufgenommen werden und somit einen ordentlichen Wohnsitz begründen.

 

Aus diesen Gründen sei die Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig.

 

 

2.1. Mit E-Mail vom 16. August 2013 wurde dem Oö. Verwaltungssenat durch die belangte Behörde mitgeteilt, dass der Bf sich nicht mehr in Schubhaft befände, da dieser auf Auftrag zur Entlassung vom 13. August 2013 hin aus der Schubhaft entlassen worden sei.

 

Mit Schreiben vom 19. August 2013 übermittelte die belangte Behörde den Fremdenpolizeiakt und führte in einer Gegenschrift im Wesentlichen aus, dass eine individuelle Prüfung insbesondere hinsichtlich Sicherungszweck und gelinderer Mittel sehr wohl stattgefunden habe.

 

Der Bf habe am 13.8.2013 im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme um 14:00 Uhr im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gestellt. Da sich dieser auf den (vermeintlichen) Herkunftsstaat Afghanistan bezogen habe, gelte dieser Antrag gemäß § 51 Abs. 1 FPG als Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge sei von der Behörde die Entlassung aus der Schubhaft angeordnet worden. Die Schubhaft habe am 13.8.2013 um 17:30 Uhr geendet. Eine Asylantragstellung im Polizeianhaltezentrum Steyr sei der Behörde nicht bekannt gewesen.

 

Entgegen den Ausführungen der Schubhaftbeschwerde sei der Bf bis zum Zeitpunkt der Asylantragstellung Fremder im Sinne des FPG (und kein Asylbewerber) gewesen und hätte folglich auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes gehabt.

 

Nach Ansicht der Behörde sei die Verhängung der Schubhaft und die Anhaltung bis zur Asylantragstellung daher jedenfalls verhältnismäßig gewesen.

 

Abschließend beantragt die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde unter Kostenersatz.

 

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erscheint.

 

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang die seitens der belangten Behörde erfolgte Auskunft, dass die Entlassung des Bf aus der Schubhaft am 13. August 2013 verfügt wurde.

 

2.3. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter Punkt 1. sowie 2.1. und 2.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus, der im Übrigen hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Punkte auch vom Bf nicht bestritten wird.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1.  Gemäß § 82 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG, BGBl. I 100, in der Fassung BGBl. I 22/2013, hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.   wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.   wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.   wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist zur Entscheidung über eine Beschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 2 oder Z 3 leg.cit. der unabhängige Verwaltungssenat zuständig, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, welche die Anhaltung oder die Schubhaft angeordnet hat. In den Fällen des § 82 Abs. 1 Z 1 FPG richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort der Festnahme – im vorliegenden Fall somit dem Gebiet der belangten Behörde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 leg.cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

Gemäß § 6 Abs. 4a FPG richtet sich die örtliche Zuständigkeit zur Verhängung der Schubhaft oder zur Anordnung gelinderer Mittel nach dem Aufenthalt.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des in Rede stehenden Bescheides der belangten Behörde vom 11. August 2013 von diesem Tag an bis zu seiner Entlassung aus der Schubhaft am 13. August 2013 angehalten wurde, nachdem er im Gebiet der belangten Behörde festgenommen worden ist, weshalb der Oö. Verwaltungssenat gem. § 83 Abs. 1 FPG zur Entscheidung berufen ist. Die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde ergibt sich dabei aus § 6 Abs. 4a FPG.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung, einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

 

1. gegen ihn eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist;

4. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG hat die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber Schubhaft anzuordnen, wenn

1. gegen den Asylwerber eine mit einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 verbundene durchsetzbare Ausweisung erlassen wurde oder ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zukommt;

2. eine Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 bis 6 AsylG 2005 erfolgt ist und der Asylwerber die Gebietsbeschränkung gemäß § 12 Abs. 2 AsylG 2005 verletzt hat;

3. der Asylwerber die Meldeverpflichtung gemäß § 15a AsylG 2005 mehr als einmal verletzt hat;

4. der Asylwerber, gegen den nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, der Mitwirkungsverpflichtung gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 vorletzter Satz AsylG 2005 nicht nachgekommen ist, oder

5. der Asylwerber einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) gestellt hat und der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, oder

6. sich der Asylwerber gemäß § 24 Abs. 4 AsylG 2005 ungerechtfertigt aus der Erstaufnahmestelle entfernt hat, soweit eine der Voraussetzungen des Abs. 2 Z. 1 bis 4 vorliegt,

und die Schubhaft für die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung notwendig ist, es sei denn, dass besondere Umstände in der Person des Asylwerbers der Schubhaft entgegenstehen.

 

Die Schubhaft ist nach § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 76 Abs. 6 FPG kann die Schubhaft aufrecht erhalten werden, wenn ein Fremder während der Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz stellt. Liegen die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 FPG oder Abs. 2a FPG vor, gilt die Schubhaft als nach dieser Gesetzesstelle verhängt.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

 

Gemäß § 80 Abs. 1 bzw. 2 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Gemäß § 80 Abs. 2 FPG darf die Schubhaftdauer nunmehr grundsätzlich

    1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;
    2.  vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

3.4. Zu den Schubhaftgründen:

3.4.1. Im vorliegenden Fall steht unbestritten fest, dass der Bf erst am 13. August 2013 einen Asylantrag stellte. Somit war der Bf zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 11. August 2013 bis zum 13. August 2013 als Fremder anzusehen, weshalb die belangte Behörde den bekämpften Schubhaftbescheid somit zu Recht dem Grunde nach auf den Schubhaftgrund des § 76 Abs 1 FPG stützte.

 

Die belangte Behörde legte nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates dem angefochtenen Schubhaftbescheid somit zu Recht § 76 Abs. 1 FPG zugrunde. Die Schubhaft wurde im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung – zu Recht – zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung angeordnet.

 

Erst am 13. August 2013 stellte der Bf schließlich einen Asylantrag – dies einerseits beim Polizeianhaltezentrum Steyr, was der belangten Behörde auch den Ausführungen der Rechtsvertretung des Bf zufolge per E-Mail vom selben Tag um 16:57 Uhr mitgeteilt wurde, andererseits auch in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde selbst zwischen 14:00 und 14:35 Uhr (Antrag nach § 51 FPG – Antrag auf subsidiären Schutz). Wie sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt unzweifelhaft ergibt, erteilte die belangte Behörde daraufhin mit Schreiben vom selben Tag, Sich40-502-2013 ua., per E-Mail um 15:59 Uhr den Auftrag, den Bf unverzüglich aus der Schubhaft zu entlassen, da der Zweck der Schubhaft weggefallen sei.

In weiterer Folge wurde die hier in Rede stehende Schubhaft des Bf – wie sich aus dem Akt ergibt – am selben Tag um 17:30 Uhr beendet. Die Schubhaft war im vorliegenden Fall daher ausschließlich aufgrund des § 76 Abs. 1 FPG verhängt und wurde schließlich aufgrund der Asylantragsstellung des Bf beendet.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des Abs. 1 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung, Zurückschiebung oder Durchbeförderung iSd § 76 Abs. 1 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander, sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

3.5.1. Vorweg ist anzumerken, dass eine einzelfallbezogene Prüfung im Ergebnis jedenfalls einen hinreichenden Sicherungsbedarf des Bf begründete.

 

Wie sich aus den Angaben des Bf ergibt, reiste der Bf von Afghanistan über Pakistan, die Türkei, Griechenland und Serbien nach Österreich ein. Bereits im September 2010 wurde der Bf im Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Baden auf dem Luftweg nach Griechenland überstellt, nachdem sein Asylantrag rechtskräftig zurückgewiesen und seine Ausweisung nach Griechenland verfügt worden war. Seit diesem Zeitpunkt hielt sich der Bf in Griechenland auf. Wie der Bf in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde selbst zu Protokoll gab, könne er nach seiner Auffassung weder nach Afghanistan zurück noch in Griechenland leben.

 

Der Bf, der sich im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung mangels entsprechender Asylantragsstellung jedenfalls nicht rechtmäßig in Österreich aufhielt, will daher unter keinen Umständen weder in seinen Heimatstaat, noch nach Griechenland zurück. Weiters hat der Bf bereits mehrere illegale Grenzübertritte unternommen, ist völlig mittellos und in Österreich auch in keiner Weise besonders integriert. Überdies wurde er nach rechtskräftiger österreichischer Asylentscheidung im Jahr 2010 nach Griechenland ausgewiesen, von wo er aber aufs Neue in unrechtmäßiger Weise nach Österreich weiterreiste. Die belangte Behörde ging daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu Recht von einem besonders hohen Maß an Sicherungsbedarf aus.

 

Insbesondere war aufgrund der konkreten Situation des – weder sozial noch familiär gebundenen – jungen, gesunden und arbeitsfähigen Bf mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dieser die Erledigung des Verfahrens zur Erlassung einer – auf seinem rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich gründenden – Rückkehrentscheidung nicht abwarten würde. Mangels entsprechender finanzieller Mittel oder sozialer Beziehungen des Bf in Österreich sowie der absoluten Ablehnung des Bf, nach Afghanistan oder Griechenland zurückzukehren, konnte die belangte Behörde nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates zu recht davon ausgehen, dass dieser auf freiem Fuß belassen die Erledigung des fremdenpolizeilichen Verfahrens nicht abwarten sondern vielmehr in die Anonymität abtauchen würde.

 

Wenn auch eine Ausreiseunwilligkeit für sich allein betrachtet keinen entsprechenden Sicherungsbedarf begründet, so führt eine Gesamtbetrachtung sämtlicher konkreter Umstände des Einzelfalles jedenfalls zu der Annahme, dass der Bf, auf freiem Fuße belassen, bei nächster Gelegenheit in die Anonymität abgetaucht wäre, um der Erlassung einer fremdenpolizeilichen Rückkehrentscheidung zu entgehen.

 

Im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung bestand daher jedenfalls ein entsprechend hoher Sicherungsbedarf des Bf. Insbesondere bedarf es für ein funktionierendes Fremdenrechtssystem einer ständigen Erreichbarkeit und Zugriffsmöglichkeit auf den Fremden seitens der Behörde. Dass dies im vorliegenden Fall aber auch durch gelindere Mittel nicht erreicht werden hätte können, indiziert insbesondere der Umstand, dass der Bf unter keinen Umständen nach Griechenland oder Afghanistan zurück wolle. Die belangte Behörde ging daher nach Auffassung des Oö Verwaltungssenates zu recht davon aus, dass der Bf ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung unter keinen Umständen zur ständigen Verfügung der österreichischen Behörden abgewartet hätte.

 

Diese Angaben ließen bereits im Zeitpunkt der Schubhaftverhängung den vorliegenden Fall daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung in einem besonderen Licht erscheinen und von daher ein Untertauchen des Bf befürchten.

 

3.5.2. Im Rahmen einer abwägenden Gesamtbetrachtung sämtlicher dargelegter Besonderheiten des konkreten Einzelfalles war daher auch nach Auffassung des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenates ein erheblicher Sicherungsbedarf des Bf jedenfalls zu bejahen. Der Bf hätte sich – auf freiem Fuß belassen – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung seines bisherigen Verhaltens dem Zugriff der Behörde entzogen, um der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der damit verbundenen Ausreiseverpflichtung nach Afghanistan oder Griechenland zu entgehen. Der Bf hätte sich auch nach Auffassung des Oö. Verwaltungssenates zu jedem Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Schubhaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Verfahren entzogen.

 

Unmittelbar nach Stellung seines Asylantrages und dem damit verbundenen Wegfall des Zwecks der Schubhaft (konkret: Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer fremdenpolizeilichen Rückkehrentscheidung) verfügte die belangte Behörde aber die unverzügliche Entlassung des Bf aus der Schubhaft (vgl. das E-Mail vom 13.8.2013, 15:59 Uhr).

 

3.6. Damit schied auch die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise im konkreten Fall grundsätzlich aus. Eine tägliche Meldepflicht oder Unterkunftnahme etwa hätte den Zweck der Schubhaft aufgrund der erheblichen Gefahr, dass der Bf auf freiem Fuß belassen in die Anonymität untertaucht bzw. auf illegalem Wege Österreich verlässt, um etwa nach England zu seinem Onkel weiterzureisen, nicht gewährleisten können.

 

Die belangte Behörde ging im Rahmen einer Prognoseentscheidung nach Auffassung des Oö Verwaltungssenates daher zu recht davon aus, dass der Zweck der Schubhaft nicht auch durch Anwendung eines gelinderen Mittels erreicht werden hätte können.

 

3.7. Die Schubhaftverhängung am 11. August 2013 und Anhaltung in Schubhaft bis 13. August 2013 war zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit stand das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

3.8. Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall nicht schlagend in Anwendung gebracht werden, zumal der Bf in Österreich keinerlei familiäre Bezugspunkte hat; Gegenteiliges wird auch vom Bf selbst nicht vorgebracht.

Der Bf ist demzufolge zusammengefasst weder im sozialen noch im familiären Bereich integriert.

 

3.9. Gemäß § 80 Abs. 1 FPG ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert; sie darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Gemäß Abs. 2 leg.cit. darf die Schubhaftdauer grundsätzlich

1. zwei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen verhängt wird;

2. vier Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, verhängt wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

 

Diese gesetzlich normierte Frist war somit im vorliegenden Fall bei Weitem nicht ausgeschöpft. Auch war das Ziel der Schubhaft aus Sicht der belangten Behörde zu jedem Zeitpunkt der Schubhaft erreichbar. Ab dem Zeitpunkt aber, ab dem der Zweck der Schubhaft (konkret: die Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung) aufgrund der Asylantragsstellung des Bf weggefallen ist, wurde seitens der belangten Behörde umgehend die unverzügliche Entlassung des Bf aus der Schubhaft verfügt.

 

3.10. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer Anhaltung des jungen und gesunden Bf in Schubhaft entgegengestanden wären.

 

3.11. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 240 Euro zu entrichten.

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 22,10 Euro angefallen.

 

 

Dr. L u k a s