Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-101719/12/Weg/Ri

Linz, 15.06.1994

VwSen-101719/12/Weg/Ri Linz, am 15. Juni 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wegschaider über die Berufung des G, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. L vom 24. November 1993 gegen die Fakten 1, 2a, 2b und 2c des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Linz vom 21. Oktober 1993, St.1.840/92-Hu, nach der am 13.

Juni 1994 stattgefundenen öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird F o l g e gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51i VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 11 Abs.1, 2 a) § 9 Abs.6, 2 b) § 11 Abs.2 und 2 c) § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.5, jeweils StVO 1960 Geldstrafen von 1.) 3.000 S, 2 a) 500 S, 2 b) 500 S und 2 c ) 3.000 S sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen verhängt, und dabei als Strafnorm jeweils den § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 angewendet. In diesem Straferkenntnis wurde der Berufungswerber auch noch dreier weiterer Verwaltungsübertretungen nach dem KFG 1967 schuldig erkannt, die jedoch nicht angefochten wurden und somit in Rechtskraft erwachsen sind.

2. Diesem Straferkenntnis ging eine Strafverfügung voraus, in welcher dem Berufungswerber noch 13 Verwaltungsübertretungen zur Last gelegt werden. Auffällig ist, daß die Fakten 8-10 dieser Strafverfügung nur hinsichtlich der Strafhöhe bekämpft wurden und trotzdem mittels Straferkenntnis in der Sache selbst entschieden wurde. Auch wenn dieser Verfahrensfehler (ne bis in idem) bei Gesamtbetrachtung dieses Aktes nicht besonders ins Gewicht fällt, so ist er doch symptomatisch für das von der Erstbehörde durchgeführte Verfahren und das schließlich ergangene Straferkenntnis. Im übrigen konnte dieser Verfahrensfehler im Wege der Berufung nicht mehr beseitigt werden, weil diesbezüglich ausdrücklich keine Anfechtung erfolgte. Dem Grund nach ist auch das Faktum 2 der Strafverfügung hinsichtlich der Schuld in Rechtskraft erwachsen, diesbezüglich hat jedoch die Erstbehörde iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG das Strafverfahren zur Einstellung gebracht, was ebenfalls eine bedenkliche Vorgangsweise darstellt. Die Fakten 1, 3, 4, 5 und 7 der Strafverfügung wurden ebenfalls iSd § 45 Abs.1 Z1 VStG zur Einstellung gebracht, wobei diesbezüglich in erster Linie das eingeholte straßenverkehrstechnische Gutachten, in welchem die technische Nichtnachvollziehbarkeit dieser Verwaltungsübertretungen konstatiert wurde, begründend gewesen sein dürfte. Auffallend ist am gegenständlichen Straferkenntnis ferner, daß in der Begründung kein Wort über die Anwendung der verschärften Strafsanktion des § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960 enthalten ist.

3. Auf Grund der rechtzeitigen und zulässigen Berufung wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, zu der der Berufungswerber mit seinem Rechtsfreund, die Zeugen Gr.Insp.

H und Rev.Insp. R sowie der straßenverkehrstechnische Amtssachverständige Ing. Hubert erschienen sind. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht zugegen gewesen.

Auf Grund der Vernehmung des Beschuldigten, der Befragung der angeführten Zeugen und insbesondere des straßenverkehrstechnischen Gutachtens wird von nachstehendem Sachverhalt ausgegangen:

Zum Faktum 1 (§ 11 Abs.1 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960):

Bei den angenommenen Geschwindigkeiten (diese wurden in Ermangelung eines konkreten Erinnerungsvermögens der Zeugen der Anzeige entnommen) fuhr der Beschuldigte um 20 km/h schneller, als jenes Fahrzeug, welches er angeblich beim Fahrstreifenwechsel behinderte. Bei diesem Geschwindigkeitsunterschied wird vom Beschuldigtenfahrzeug eine um 5,5 m größere Wegstrecke zurückgelegt. Der Spurwechselvorgang bei einem Spurwechsel von 3 m dauert mindestens eine Zeitspanne von 1,5 Sek., es hat sich daher das Beschuldigtenfahrzeug nach dem Wiedereinordnen mindestens 8,5 m vor dem überholten Fahrzeug befunden und sich in der Folge pro Sek. um weitere 5,5 m vom überholten Fahrzeug entfernt. Bei dieser Betrachtung ist - so der Sachverständige - keine Gefährdung oder Behinderung des überholten Fahrzeuges gegeben gewesen.

Zum Faktum 2a (§ 9 Abs.6 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960):

Zu diesem Tatvorwurf hält der Sachverständige nach einem vorher durchgeführten Lokalaugenschein fest, daß sich im Kreuzungsbereich eine Linksabbiegespur mit einer Standfläche von 20 m Länge befindet. Vor dieser Standfläche liegt ein Einordnungskeil mit einer Länge von 25 m. Es ist daher insgesamt eine Linksabbiegespur incl. der Spurwechselstrecke von 45 m angelegt, jedoch ist die Spurenkennzeichnung auf der Fahrbahn 38 m vor der Kreuzung durch einen Geradeauspfeil und einen Linksabbiegepfeil auf der bis dahin linken Spur in Richtung stadtauswärts dargestellt und erst unmittelbar vor der Haltelinie wird ein Linksabbiegepfeil auf der Linksabbiegespur und hier nur mehr ein Geradeauspfeil auf der linken Geradeausspur dargestellt. Es ist daher nach Meinung des Sachverständigen einem herannahenden Lenker bis 38 m vor der Kreuzung nicht möglich, zu erkennen, daß er von diesem Fahrstreifen nicht links abbiegen darf. Den Beschuldigten trifft also an diesem Fahrmanöver kein Verschulden.

Zum Faktum 2 b) (§ 11 Abs.2 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960):

Weder Rev.Insp. R noch Gr.Insp. H konnten sich anläßlich der zeugenschaftlichen Befragung während der mündlichen Verhandlung erinnern, ob die Fahrtrichtungsänderung mit dem Blinker angezeigt wurde oder nicht. Der Beschuldigte seinerseits behauptete, daß er den Blinker nach links setzte und somit die Fahrtrichtungsänderung ordnungsgemäß anzeigte. Die Meldungsleger verwiesen auf die Aussagen in der Anzeige.

Dort ist angeführt, daß der Beschuldigte nach links in die Landwiedstraße einbog, ohne zu blinken (Randziffer 6 der Anzeige). Da die Verpflichtung der Fahrtrichtungsänderung nur besteht, wenn sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können, ist dazuzulesen und unter Randziffer 7 der Anzeige vermerkt, daß das Blinken wegen eines aus der Gegenrichtung herannahenden Fahrzeuges notwendig gewesen wäre. Ob nun diese Notwendigkeit bestand oder nicht ergibt sich vor allem auch daraus, ob es tatsächlich zu einer Vorrangverletzung kam. Um es vorwegzunehmen, diese Vorrangverletzung konnte nicht erwiesen werden (vgl.unten) sodaß sowohl aus diesem Grund, aber auch wegen des Unmittelbarkeitsgebotes nach § 51i VStG im Zweifel angenommen wird, daß entweder ohnehin geblinkt wurde oder iSd § 11 Abs. 2 StVO 1960 diese Verpflichtung nicht bestand.

Zum Faktum 2 c) (§ 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.5 iVm § 99 Abs.2 lit.c StVO 1960):

Zur Vorrangverletzung wegen Verletzung der Gegenverkehrsregel wurde dem Sachverständigen eine Einbiegegeschwindigkeit von ca. 40 km/h vorgegeben. Diese Geschwindigkeit ergibt sich auch aus den Zeugenaussagen, die von einem zügigen Einbiegemanöver sprachen. Die Annäherungsgeschwindigkeit des Gegenverkehrs (es war Sonntag bei wenig Verkehr) wurde mit 50 km/h angenommen.

Dazu führt der Sachverständige aus, daß zum Überfahren der zwei Fahrspuren der Gegenverkehrsrichtung der Beschuldigte eine Wegstrecke von ca. 20 m zurückzulegen hatte. Dabei benötigte er eine Zeit von 1,8 Sek. Wenn der Gegenverkehr vor der Kreuzung angehalten hat (so die Meldungsleger), so benötigte dieses Fahrzeug einen Anhalteweg von 25,4 m. Für dieses Anhalten hätte der Gegenverkehr 2,75 Sek. benötigt.

Wenn man nun die Abbiegezeit und die Anhaltezeit in Relation stellt, so ergibt sich nach dem Sachverständigen, daß der bevorrangte Lenker nur mit geringerer Verzögerung (Motorbremse) abbremsen hätte müssen, also nicht unvermittelt. Auch bei folgender Betrachtungsweise kommt der Sachverständige zu diesem Schluß: Bei Einhaltung einer Geschwindigkeit von 50 km/h legt ein Fahrzeug in der Sekunde 13,88 m zurück, benötigt somit für 25 m 1,8 Sek. Es wäre also so gut wie kein Abbremsvorgang erforderlich gewesen, um kollisionsfrei zu bleiben. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind die Angaben der Meldungsleger, daß sich das bevorrangte Fahrzeug beim Beginn des Abbiegevorganges unmittelbar vor der Kreuzung befunden hat, nicht nachvollziehbar, sonst wäre es unweigerlich zu einer Kollision, gekommen. Fest steht jedenfalls, daß der entgegenkommende Lenker angehalten hat. Ob er sich dazu genötigt fühlte wegen des linksabbiegenden Gegenverkehrs oder möglicherweise, weil das Zivilstreifenfahrzeug, welches sich ebenfalls schon im Kreuzungsbereich befand, das Blaulicht eingeschaltet hatte, war nicht zu eruieren, weil dieser Lenker nicht ausgeforscht wurde.

Entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen war jedenfalls im Zweifel nicht davon auszugehen, daß der Beschuldigte durch sein Linkseinbiegemanöver den Gegenverkehr zum unvermittelten Abbremsen nötigte.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Zum Faktum 1:

Gemäß § 11 Abs.1 StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges den Fahrstreifen nur wechseln, nachdem er sich davon überzeugt hat, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich ist.

Wie oben ausgeführt, war dieser Fahrstreifenwechsel (zumindest im Zweifel) ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich, weshalb das objektive Tatbild nicht erfüllt ist.

Zum Faktum 2 a):

Zu diesem Tatvorwurf wurde schon ausgeführt, daß in Folge der nicht optimalen Anbringung der Bodenmarkierungen dem Beschuldigten kein fahrlässiges Verhalten zu unterstellen ist, weshalb die subjektive Tatseite nicht als erwiesen angenommen wird.

Zum Faktum 2 b):

Gemäß § 11 Abs.2 ist die bevorstehende Änderung der Fahrtrichtung so rechtzeitig anzuzeigen, daß sich andere Straßenbenützer auf den angezeigten Vorgang einstellen können.

Wie dargelegt, konnte (ebenfalls im Zweifel) nicht als erwiesen angenommen werden, daß sich andere Straßenbenützer (insbesondere der Gegenverkehr) auf den angezeigten Vorgang einstellen hätten müssen.

Zum Faktum 2 c):

Eine Vorrangverletzung liegt gemäß § 19 Abs.7 StVO 1960 nur vor, wenn der Wartepflichtige den Vorrangberechtigten zum unvermittelten Bremsen oder zum Ablenken des Fahrzeuges nötigt.

Der technische Amtssachverständige hat dargetan, daß die Angaben der Meldungsleger nicht nachvollziehbar sind, sodaß auch hinsichtlich dieses Faktums im Zweifel für den Beschuldigten davon ausgegangen wurde, daß der Vorrangberechtigte nicht genötigt war, sein Fahrzeug unvermittelt abzubremsen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum