Linz, 02.07.2013
E R K E N N T N I S
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn x, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich, Zl. S-45141/12-4, vom 6. Mai 2013, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 2. Juli 2013 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird im Schuld- u. Strafausspruch bestätigt.
II. Dem Berufungswerber werden zuzüglich zu den erstinstanzlichen als Kosten für das Berufungsverfahren 38 Euro auferlegt (20 % der ausgesprochenen Geldstrafe).
Rechtsgrundlage:
Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2011 - AVG iVm § 19 Abs.1 u. 2, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991- VStG, BGBl. Nr. 52, idF BGBl. I Nr. 50/2012 - VStG.
Zu II § 64 Abs.1 u. 2 VStG
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:
2. In der dagegen durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht erhobenen Berufung führt der Berufungswerber Folgendes aus:
2.1. Diese Darstellung erwies sich als nicht stichhaltig und zeigte insbesondere keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf!
3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur Berufungsentscheidung vorgelegt; somit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war hier antragsgemäß in Wahrung der nach Art. 6 EMRK zu garantierenden Rechte durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).
4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Verlesung des von der Landespolizeidirektion Oberösterreich vorgelegten Verwaltungsstrafaktes. Beweis geführt wurde ferner durch Beischaffung und Sichtung des mit VKS 3.1 aufgezeichneten Fahrverlaufes in Verbindung mit deren Videomass-Auswertung v. 16.07.2012, GZ/A1/15978/2/2012/Sei. Diese Videoaufzeichnung wurde an Dipl.-Ing. (FH) R. X zu einer nachprüfenden Auswertung weitergeleitet, wobei anlässlich der Berufungsverhandlung das darüber am 21.6.2013 erstattete Gutachten verlesen und erörtert wurde.
An der Berufungsverhandlung nahm ein Vertreter der Behörde erster Instanz teil, während der vertretene Berufungswerber daran nicht persönlich teilnahm.
5. Sachverhalt.
Der Tatvorwurf basiert auf der unmittelbaren dienstlichen Wahrnehmung im Rahmen einer mit Video dokumentierten Nachfahrt mittels VKS 3.1, Messgerät Nr. A910 mit dessen Eichdatum 09.08.2011 und der rechnerischen Auswertung mit dem EDV-Programm Videomass.
Der Amtssachverständige führt in seinem über h. Auftrag erstatten Gutachten aus:
„Die gegenständliche Nachfahrt erfolgte hinter dem PKW mit dem Kennzeichen x auf der A1 in Fahrtrichtung Salzburg, vor und nach dem Ebelsberger Berg.
Das Polizeivideo zeigt eine Nachfahrt, bei der der Berufungswerber den Ebelsberger Berg hinauf fährt. Bei dieser Nachfahrt wurde eine Nachfahrstrecke von 1021 m in 19,77 s zurückgelegt.
Darsu ergibt sich eine Geschwindigkeit ( ohne Meßtoleranz ) von 185, 91 Km/h. Abzüglich der Messtoleranz von 5 % ergibt sich eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 176 Km/h.
Beim Bergabfahren, in Richtung Linz, erreicht das Polizeifahrzeug im ausgewählten Messbereich eine Tachogeschwindigkeit von 196 Km/h - 201 Km/h.
Da sich in diesem Streckenabschnitt der Tiefensabstand zwischen Polizei und BW verringert, ergibt sich für den BW eine Durschnittsgeschwindigkeit von 194 km/h (.Diese Geschwindigkeit wurde durch eine fotogrammetrische Auswertung ermittelt, bei der der veränderte Tiefenabstand berücksichtigt worden ist ). Abzüglich der Messtoleranz von 5 % ergibt sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von etwas über 184 km/h.
Die von der Polizei ermittelte Durchschnittsgeschwindigkeit, unter Berücksichtigung des veränderten Tiefenabstandes, von 184 Km/h, ist aus technischer Sicht korrekt ermittelt worden .
Die Eichung der Nachfahrgeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges ( im Video rechts unten mit z.B.
E : 201 Km/h ( Eigengeschwindigkeit ) eingeblendet ist nur gültig wenn am Fahrzeug die Reifendimension montiert war die am Eichschein angeführt ist.
Die Abnützung der Reifen – Reduzierung der Profiltiefe – ist durch den Toleranzabzug von 5 % bereits berücksichtigt.
Da bei der Beurteilung des Einflusses der Profiltiefe in Bezug auf die Nachfahrgeschwindigkeit dynamische Verhältnisse vorliegen, ergibt sich für die gegenständlichen Bereifung bei der Annahme das sich die Profiltiefe um 12 mm ( ! ) reduziert ein Unterschied zwischen der Tachoanzeige und der tatsächlichen Geschwindigkeit von etwa 1,5 %.
Die Differenz zwischen Tachogeschwindigkeit und tatsächlicher Geschwindigkeit ist auch vom Reifenfabrikat und vom Reifenschlupf abhängig der sich im jeweiligen Getriebegang ergibt.
Die Summe der dynamischen Einflüsse sowie der Einfluß der Verringerung der Profiltiefe, die in der Praxis der Polizeifahrzeuge weit unter den für die Betrachtung angenommenen 12 mm liegen, sind durch den Toleranzabzug von 5 % von Tachowert berücksichtigt, da ihr Gesamteinfluß unter der Messtoleranz liegt.
5.1. Dieses Gutachten gelangte im Rahmen der Berufugnsverhandlung zur Erörterung, wobei der Verhandlungsleiter im Rahmen der Sichtung des Video darlegte, dass sich auch, auf Grund der im Video eingeblendeten „Zeitlaufliste,“ das Auswertungsergebnis logisch und stichhaltig nachvollziehen lässt.
Darin zeigt sich die Fahrt auf der A1 am sogenannten Ebelsberger-Berg, selbst ohne die im Video eingeblendete Geschwindigkeit als sehr schnell, wobei in objektiver Beurteilung und ohne Zugrundelegung Auswertung nur unschwer das Durchfahren von ~ drei Leitlinien (à 6 + 12 = 18 m) und demnach eine Fahrgeschwindigkeit (des Messfahrzeuges) von mindestens 54 m pro Sekunde nachvollziehbar ist. Auch aus diesem aus der Bandmitte, der Zeit von 15:30:17 und 15:30:47 herausgegriffenen 30 Sekunden währenden Videoaufzeichung, ergibt sich demnach auf empirischer Berechnung basierend eine Fahrgeschwindigkeit von 194,4 km/h. Dies belegt einmal mehr die Schlüssigkeit der technischen Videoauswertung, wobei zu Gunsten des Beschuldigten mit relativ großer Toleranz Sicherheitsabschläge gemacht wurden.
Dies führte hier dazu, dass trotz der de facto erwiesenen deutlich höheren Fahrgeschwindigkeit, letztlich nur 183 km/h angelastet wurden.
Vor diesem Hintergrund vermag der Berufungswerber mit seiner Auffassung, die gesetzliche Messfehlergrenze von 5 % gleichsam zweimal (pro gesetzlichen System wie er dies bezeichnet – VKS 3,1 u. Multa-Vision) in Anschlag zu bringen, nicht überzeugen. Er übersieht dabei, dass Gegenstand der Beweisführung primär die Fahrgeschwindigkeit und nicht die an sich anerkannte Messmethode ist.
Laut dem im Akt erliegenden Eichschein war die hier zum Einsatz gelangte Messanlage auf den Pkw BP-X mit einer Reifendimension 225/45 R17 bis zum 31.12.2012 vom Bundesamt für Eich- u. Vermessungswesen rechtsgültig geeicht. Darauf basierte die zum Ergebnis einer Fahrgeschwindigkeit von 193 km/h gelangende Auswertung seitens der Polizei (x – Seite 17 bis 25 des Aktes). Unter Berücksichtigung der sich aus den Eich- u. Verwendungsbestimmungen gebotenen Toleranzabschläge gelangen beide völlig unabhängig voneinander erstellten Gutachten zu einem beweissicheren Ergebnis von 183 bzw. x 184 km/h. Das die Fahrgeschwindigkeit deutlich höher war, ließ sich wie oben bereits ausgeführt aus der lapidaren Durchfahrzeit dreier Leitlinien pro Sekunde nachvollziehen.
Es ist wohl durchaus legitim, wenn vor dem Hintergrund eines drohenden Kurzzeitentzuges der Lenkerberechtigung die Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um mehr als 50 km/h in Frage zu stellen versucht wird. Das er dies mit einer wohl jenseits der 200 km/h liegenden Tachoanzeige sehenden Auges in Kauf genommen hat, sei ihm in diesem Zusammenhang dem Berufungswerber aber auch vor Augen geführt.
Der auch nicht persönlich zur Berufungsverhandlung erschienene Berufungswerber zeigte hier in keiner wie immer gearteten Weise auf, dass auch nur eine der Auswertungen fehlerhaft wäre, sodass letztlich dem anlässlich der Berufungsverhandlung gestellten Beweisantrag, abermals einen Sachverständigen zur der Frage der Messtoleranz von je 5 % hinsichtlich beider Systeme, mangels jeglicher Relevanz zur weiteren Klärung des Sachverhaltes abzuweisen war. Einem im Ergebnis auf einen bloßen Erkundungsbeweis hinauslaufenden Beweisantrag muss nicht gefolgt werden (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S 339, E 6a und die zu § 46 AVG zitierte Rechtsprechung des VwGH, insb. VwGH 2.9.1992, 92/02/0194).
6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Um Wiederholungen zu vermeiden wird auf die zutreffend angewendeten Rechtsvorschriften des § 20 Abs.2 iVm § 99 Abs.2e StVO 1960 verwiesen. Der Strafrahmen beläuft sich für diese Übertretung von 150 Euro bis 2.180 Euro.
7. Zur Strafzumessung:
Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tag. Überdies sind im ordentlichen Verfahren die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.
7.1. Konkret ist zur erstinstanzlichen Strafzumessung zu bemerken, dass diese angesichts des hohen abstrakten Gefährdungspotenzials grundsätzlich als maßvoll ausgeführt gelten kann. Die Festsetzung empfindlicher Geldstrafen für diese unverhältnismäßig hohe und angesichts der herrschenden Verkehrsdichte gefährlich anmutenden Fahrweise ist auch aus präventiven Überlegungen indiziert.
In einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn im Ausmaß von 50 km/h erblickt der Verwaltungsgerichtshof einen gravierenden Unrechtsgehalt, wobei dieser bereits vor nunmehr fast schon einem viertel Jahrhundert eine Geldstrafe von (damals) ATS 4.000 (290,70 Euro) selbst bei einem Geständnis und der Unbescholtenheit des Beschuldigten (auch) aus Gründen der Spezialprävention nicht überhöht erachtete (VwGH 15.11.1989, 89/03/0278).
Im Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um mehr als 50 km/h kann durchaus als exzessiv und von hoher abstrakter Gefährlichkeit begleitet gelten, wenngleich hier zumindest eine konkrete Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht erfolgt ist, so würde etwa ein unbedachtes Ausscheren eines am rechten Fahrstreifen fahrenden PKW oder LKW eine sehr gefährliche Situation, wenn nicht überhaupt ein Unfallereignis unvermeidbar werden lassen.
Legt man etwa einen hypothetischen Fahrstreifenwechsel eines mit 100 km/h fahrenden Pkw’s im Zuge eines beabsichtigten Überholvorganges an einem LKW zu Grunde, würden bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 200 km/h, selbst bei einer Vollbremsung (7,5 m/sek2) noch 215,42 m in einer Zeit von 4,8 Sekunden zurückgelegt, ehe die Fahrgeschwindigkeit dem ausscherenden Fahrzeug angeglichen bzw. die Fahrgeschwindigkeit auf 100 km/h reduziert werden könnte. Während dieser Zeit legt das ausscherende Fahrzeug einen Weg von 133 m zurück. Daraus folgt, dass ein unvermittelter Wechsel in die Spur eines mit 200 km/h fahrenden Pkw innerhalb einer Annäherungsdistanz von weniger als 82,42 m unweigerlich einen Auffahrunfall nicht mehr vermeiden lassen würde, bzw. ein Unfallereignis unmittelbar kausal wäre. Damit sei das hohe Gefährdungspotenzial einer solchen Fahrweise verdeutlicht. Nicht zuletzt wird durch die vom Berufungswerber praktizierte Fahrweise eine deutlich höhere Schadstoffemission verursacht, als dies bei der erlaubten Höchstgeschwindigkeit der Fall ist. Auch dies ist in das Beurteilungskalkül des Tatunwertes einzubeziehen.
Vor diesem Hintergrund kann das hier verhängte Strafausmaß durchaus noch als milde qualifiziert werden. Sowohl spezial- als auch generalpräventive Überlegungen indizieren vor diesem Hintergrund eine spürbare Strafe. Nicht übersehen wird, dass dem Berufungswerber zusätzlich noch der Entzug der Lenkberechtigung droht, was bei sogenannten Kurzzeitentzügen aus der Sicht des Verfassungsgerichtshofes zusätzlich erzieherischen Charakter bewirken soll, obwohl dies letztlich vom Betroffenen einmal mehr als Strafe empfunden wird (VfGH v. 14.03.2003, G 203/02 ua., SlgNr.16855).
Die Verfahrenskosten gründen zwingend in der unter II. zitierten Gesetzesstelle.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 240 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r
VwSen-167852/6/Br/Ai vom 2. Juli 2013
StVO 1960 §20 Abs2
Bei einer Videomaßauswertung kommt es primär auf die Schlüssigkeit der sich daraus ergebenden Fahrgeschwindigkeit an. Wenn diese alleine durch Sichtpunkte am Video mehr als eindeutig ist, bedarf es keiner weiteren Beweisführung zur Frage der auswertungsspezifischen Toleranzen.