Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101727/2/Bi/Fb

Linz, 28.01.1994

VwSen-101727/2/Bi/Fb Linz, am 28. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung des J, vertreten durch Dr. J, K, vom 14. Dezember 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 26.

November 1993, VerkR96/777/11-1993/Pi/Ri, wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis zur Gänze behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Verfahrenskostenbeiträge sind nicht zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 45 Abs.1 Z1 VStG, §§ 4 Abs.1a und 4 Abs.1c iVm 99 Abs.2a und 31 Abs.1 iVm 99 Abs.2e StVO 1960.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Eferding hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 4 Abs.1a iVm 99 Abs.2a StVO 1960, 2) §§ 4 Abs.1c iVm 99 Abs.2a StVO 1960 und 3) §§ 31 Abs.1 iVm 99 Abs.2e StVO 1960 Geldstrafen von 1) 3.000 S, 2) 3.000 S und 3) 2.500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von 1) 117, 2) 117 und 3) 108 Stunden verhängt, weil er am 6. März 1993 um 15.55 Uhr den Kombi mit dem amtlichen Kennzeichen im Ortsgebiet Fraham auf einer unbenannten Gemeindestraße neben dem Parkplatz des Gasthauses W gelenkt und auf Höhe des Hauses F einen Verkehrsunfall verursacht habe (er sei an das Verkehrszeichen "Vorrang geben" angefahren).

In weiterer Folge habe er es unterlassen, 1) nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten; 2) nach einem Verkehrsunfall, mit dem sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, weil er nach dem Verkehrsunfall Alkohol konsumiert habe (nachträglicher Alkoholkonsum = Nachtrunk); 3) er habe eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt und es unterlassen, die Beschädigung des Verkehrszeichens "Vorrang geben" bei diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub der nächsten Gendarmeriedienststelle zu melden oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe der Identität zu verständigen.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von insgesamt 850 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hatte (§ 51c VStG).

Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung war nicht erforderlich, weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, er habe sich am 6. März 1993 um 15.45 Uhr mit seinem Geländewagen vom Gasthaus W weg in Richtung A begeben, wo er zu Hause an einer Familienfeier teilnahm. Er habe erst Kenntnis von dem Unfall erhalten, als er während der Familienfeier von zwei Gendarmen aufgesucht worden sei, die ihm mitgeteilt hätten, daß er ein Verkehrszeichen in F beschädigt habe. Die Gendarmen hätten den Geländewagen besichtigt und dabei keinen wie immer gearteten Schaden festgestellt. Er habe zu diesem Zeitpunkt bereits zu Hause ein Glas Wein und zwei Gläser Bowle konsumiert und deshalb den Beamten erklärt, er könne nicht mit seinem Wagen zum Gendarmerieposten E fahren.

Der 6. März 1993 sei ein ausgesprochen kalter Tag gewesen, sodaß schon deshalb kaum anzunehmen sei, daß ein Verkehrsschild, welches auf einem Betonsockel stehe, tatsächlich durch eine leichte Kollision bewegt werden könnte. Weder an den Reifen noch an der Lackierung noch auf dem Kotflügel seien Abriebspuren oder sonstige Schäden entstanden und das Erdreich rund um die Betonsäule sei aufgrund des Frostzustandes nicht aufgeweicht gewesen.

Selbst wenn er in irgendeiner Form eine ganz leichte Touchierung mit dem Verkehrsschild bzw dem Betonsockel gehabt hätte, wäre es ihm aufgrund der Beschaffenheit des Fahrzeuges nicht möglich gewesen, eine derartig leichte Berührung zu bemerken. Er habe keinen Unfall verursacht, sodaß auch der Vorwurf eines Nachtrunks ungerechtfertigt sei. Er habe sich völlig gesetzeskonform verhalten und die für den Straßenverkehr gebotene Sorgfalt jedenfalls eingehalten. Selbst bei gegebener Aufmerksamkeit habe ihm eine derart minimale Berührung, sofern sie überhaupt stattgefunden habe, nicht auffallen können. Die Beschädigung des Verkehrsschildes müßte offensichtlich von einem anderen Vorfall herrühren, sodaß beantragt werde, die Berufung in allen drei Punkten aufzuheben und das Verfahren einzustellen, in eventu die Strafen schuldangemessen herabzusetzen, zumal durch den üblichen Hinweis der Erstinstanz auf general- und spezialpräventive Gründe die Verhängung einer derartigen Geldstrafe nicht begründet werden könne.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

4.1. Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wird zugrundegelegt:

Der Zeuge G erstattete am 6. März 1993 gegen 16.00 Uhr Anzeige gegen den Lenker des roten Geländewagens weil dieser kurz vorher an die Betonsäule des Vorschriftszeichens "Vorrang geben" vor dem Haus F angefahren sei. Der Rechtsmittelwerber wurde als Zulassungsbesitzer eruiert und das Fahrzeug von den Gendarmeriebeamten BI B und RI S besichtigt. Am Geländewagen konnte keine sichtbare Beschädigung festgestellt werden. Ein Mitkommen zum Gendarmerieposten E hat der Rechtsmittelwerber mit der Begründung abgelehnt, er habe inzwischen zu Hause ein Achtel Rotwein getrunken und sei jetzt vermutlich alkoholisiert.

Aus dem Akteninhalt geht hervor, daß beim Gemeindeamt F keine Schadensmeldung eingelangt war und der zuständige Gemeindearbeiter bei der Nachschau am 15. Juni 1993 weder eine Beschädigung des Vorrangzeichens noch des Betonsockels feststellen konnte. Die Gendarmeriebeamten RI L und Insp. W gaben vor der Erstinstanz an, sie hätten bei der Nachschau an der Unfallstelle einwandfrei Reifenspuren festgestellt, die vom Fahrzeug des Beschuldigten stammten und sie hätten versucht, die Betonsäule geradezurichten, was aber nicht gelungen sei.

Der Zeuge G bestätigte am 19. Juli 1993 vor der Erstinstanz, er habe selbst die Betonsäule wieder befestigt, weil es ihn gestört habe, daß nach gut einer Woche noch immer nichts geschehen sei und vom Verkehrszeichen möglicherweise sein aus Fichten bestehender Zaun beschädigt worden wäre. Er habe etwas Erde in einer Scheibtruhe herbeigeschafft und mittels Schaufel und Stampfer die Betonsäule befestigt, was ca eine halbe Stunde in Anspruch genommen habe.

4.2. In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:

Gemäß § 4 Abs.1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten und c) an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken.

Gemäß § 99 Abs.2e StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt; es sei denn, die Beschädigung ist bei dem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Gendarmeriedienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.

Gemäß § 31 Abs.1 leg.cit. handelt es sich bei Straßenverkehrszeichen um Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs.

Laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ua Erkenntnis vom 12. Juli 1961, 404/61) ist als Verkehrsunfall jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende Ereignis anzusehen, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zur Folge hat.

Aus dem Akteninhalt geht eindeutig und zweifelsfrei hervor, daß weder am PKW des Rechtsmittelwerbers noch am in Rede stehenden Vorrangzeichen bzw dem dazugehörigen Betonsockel eine Beschädigung im Sinne einer Abschürfung oder einer bleibenden Verformung festzustellen war. Einwandfrei festgestellt wurde hingegen, daß die Betonsäule des Verkehrszeichens, die offensichtlich in der Erde eingegraben war, in ihrer Verankerung so gelockert war, daß sie nicht mehr gerade gestellt werden konnte. Dem Verfahrensakt beigelegt sind von RI L am Tag des Vorfalls aufgenommene Lichtbilder, aus denen hervorgeht, daß sich der Betonsockel unmittelbar neben einem Fichtenzaun kurz vor der Kreuzung der unbenannten Gemeindestraße befindet. Aus dem Lichtbild ist eine in Richtung Schartner Landesstraße zum Betonsockel führende Reifenspur und weiters ersichtlich, daß der Betonsockel wenige cm Richtung Schartner Landesstraße gedrückt wurde, wobei im Erdreich auf der der Landesstraße abgewandten Straßenseite eine Vertiefung zu erkennen ist.

Insgesamt wurde der Betonsockel in Richtung Schartner Landesstraße leicht schräg gestellt.

Für den unabhängigen Verwaltungssenat stellt sich die Frage, ob in dieser leichten Schrägstellung des Verkehrszeichens ein Sachschaden im Sinne des oben zitieren Erkenntnisses zu erblicken ist. In seinem Erkenntnis vom 31. Oktober 1990, 90/02/0119, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß von einem Sachschaden nicht gesprochen werden könne, wenn der frühere Zustand ohne nennenswerten Aufwand wiederhergestellt werden kann. Im Zusammenhang mit Fahrzeugen sei zB bei bloßer Beschmutzung einer wegwischbaren Kontaktspur oder einem herausgerissenen Gummiwulst aus einer Stoßstange kein Sachschaden zu erblicken.

Auf den gegenständlichen Fall bezogen, vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, daß von einem Sachschaden deshalb nicht gesprochen werden kann, weil dem Rechtsmittelwerber bereits vor der Erstinstanz kein Vorwurf der Beschädigung des Verkehrszeichens bzw des Betonsockels gemacht wurde, und die Auffüllung der beim Geraderichten des Betonsockels entstandenen Spalten im Erdreich mit etwas Erde und deren Feststampfen nur als geringfügiger Aufwand anzusehen ist. Der Straßenerhalter, die Gemeinde F, hat einen tatsächlichen Schaden, der in einem konkreten Geldbetrag auszudrücken wäre, nicht erlitten; daß der Zeuge H für seine Tätigkeit entlohnt worden wäre, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor.

Zusammenfassend gelangt der unabhängige Verwaltungssenat zu der Auffassung, daß im gegenständlichen Fall kein Verkehrsunfall im Sinne der Definition des Verwaltungsgerichtshofes vorlag, sodaß der Rechtsmittelwerber schon aus diesem Grund den Tatbestand des § 4 Abs.1a StVO 1960 nicht erfüllt hat, weil sein Verhalten am Unfallort nicht mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand.

Aus dem selben Grund erübrigte es sich, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, sodaß der nachträgliche Konsum von Alkohol zu Hause nicht als Nachtrunk, der geeignet gewesen wäre, den körperlichen und geistigen Zustand des Rechtsmittelwerbers zum Zeitpunkt des Vorfalles zu verschleiern, anzusehen ist. Der Rechtsmittelwerber hat daher auch diesen Tatbestand nicht erfüllt.

Der Vorwurf, der Rechtsmittelwerber habe eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt, widerspricht insofern dem Akteninhalt, als die Gendarmeriebeamten eine Beschädigung des Vorrangzeichens und des Betonsockels ausdrücklich ausgeschlossen haben. Auch in der Begründung des Straferkenntnisses findet sich dazu keine Feststellung.

Aufgrund der obigen Überlegungen war daher ein Eingehen auf die sonstigen Argumente des Rechtsmittelwerbers im Hinblick auf die Wahrnehmbarkeit einer möglichen Kollision entbehrlich und spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.:

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger

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